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Montag, 31. Juli 2017

Küsse küssen, Küsse sehen.

© Michael Dressel
 
Bröhan-Museum
Der Kuss. Von Rodin bis Bob Dylan
vom 15. Juni bis zum 3. Oktober 2017

Eine kleine feine Ausstellung. Die großen, berühmten Sachen hängen hier nicht, aber dafür eine leicht unausgewogene, doch unterhaltsame Mischung von Kunst, Dekorativem und Kitsch. Todesküsse, Kussmünder, ein Sofa in Kussmundform,

Der Kuss. Wiki definiert ihn kurz und unerotisch: Ein Kuss ist ein oraler Körperkontakt mit einer Person oder einem Gegenstand. Die wissenschaftliche Erforschung des Kusses nennt man Philematologie von gr. φίλημα, phílēma.

Ich habe noch keinen Kussforscher getroffen. Was möchtest Du werden, wenn Du mal groß bist? Philematologe.

Ekkachai and Laksana Tiranarat aus Thailand halten momentan den Weltrekord im Dauerküssen. Sie küssten sich (ohne Pause) 58:35:58 Stunden lang.

MAC verkauft den einzigen mir bekannten Lippenstift, der für Raucher & Raucherinnen geeignet ist, der wirklich 12 Stunden auf den Lippen bleibt, ohne sie auszutrocknen. Sie hatten die Linie, oh Schreck, schon eingestellt, haben sie aber, nach heftigen Protesten, wieder ins Programm aufgenommen.

kussecht
kussechter
am kussechtesten

Philemaphobie ist die Angst vorm Küssen.

http://lexikon.stangl.eu/15480/philematologie/

 
Leo Putz
HERBSTSTURM
1900

...
Ich will dirs erzählen:
Der Kuß ist ein Lied,
ein wortloses Lied;
ein Kuß – der geschieht!
Es löst das Solo zweier Seelen
in vollen Mollakkorden sich:
Küsse mich ........
Küsse mich - wie das süß -
Küsse mich, Kind, auf den Mund ...
Ja so ein Kuß verrät das und dies ...
Küsse die Lippen mir wund ...

Küsse mich lange, minutenlang,
küsse die Wangen mir rot.
Jetzt bin ich doch schon vor Liebe krank –
küß mich zu Tod ...

Rilke, Die Gedichte. Insel Verlag, Frankfurt a.M. 1986. Das Liebes-Poetische Manuskript No. 3. Kuß-Gedichte









Axel Poulsen
ERSTE LIEBE
1913

In der Ausstellung nicht zu sehen, aber so schön!


Edvard Munch
DER KUSS
1897

Samstag, 14. Februar 2015

Das Lied der Lieder






Poesie.

Ein Liebeslied? 
Ein erotisches Dialog-Gedicht.
Die Geschichte einer Vergewaltigung?
Ein Loblied auf die katholische Kirche??? 


Gemäß der allegorischen Auslegungsmethode wurde in Antike und Mittelalter 
von Juden und Christen die erotische Annäherung, von der das Gedicht handelt, 
als Beschreibung der Liebe zwischen Gott und seinem auserwählten Volk (im Judentum) 
bzw. zwischen Christus und der Kirche als Braut Christi (im Christentum) interpretiert.

 Wiki

Das Hohelied Salomos.
Schir ha-Schirim
Das Lied der Lieder.
 
Er küsse mich mit dem Kusse seines Mundes; denn deine Liebe ist lieblicher als Wein. 

Es riechen deine Salben köstlich; dein Name ist eine ausgeschüttete Salbe, 
darum lieben dich die Jungfrauen. Zieh mich dir nach, so laufen wir. 
Der König führte mich in seine Kammern. Wir freuen uns und sind fröhlich über dir; 
wir gedenken an deine Liebe mehr denn an den Wein. Die Frommen lieben dich.

Ich bin schwarz, aber gar lieblich, ihr Töchter Jerusalems, wie die Hütten Kedars, 
wie die Teppiche Salomos. Seht mich nicht an, daß ich so schwarz bin; 
denn die Sonne hat mich so verbrannt. Meiner Mutter Kinder zürnen mit mir. 
Sie haben mich zur Hüterin der Weinberge gesetzt; aber meinen eigenen Weinberg 
habe ich nicht behütet. Sage mir an, du, den meine Seele liebt, wo du weidest, 
wo du ruhest im Mittage, daß ich nicht hin und her gehen müsse bei den Herden deiner Gesellen. 
Weiß du es nicht, du schönste unter den Weibern, so gehe hinaus auf die Fußtapfen der Schafe 
und weide deine Zicklein bei den Hirtenhäusern. 
Ich vergleiche dich, meine Freundin, meinem Gespann an den Wagen Pharaos. 
Deine Backen stehen lieblich in den Kettchen und dein Hals in den Schnüren. 
Wir wollen dir goldene Kettchen machen mit silbernen Pünktlein. 
Da der König sich herwandte, gab meine Narde ihren Geruch. 
Mein Freund ist mir ein Büschel Myrrhen, das zwischen meinen Brüsten hanget. 
Mein Freund ist mir eine Traube von Zyperblumen in den Weinbergen zu Engedi. 
Siehe, meine Freundin, du bist schön; schön bist du, deine Augen sind wie Taubenaugen.  
Siehe, mein Freund, du bist schön und lieblich. 
Unser Bett grünt, unserer Häuser Balken sind Zedern, unser Getäfel Zypressen. 

Sehnsucht der Freundin nach dem Freund


Ich bin eine Blume zu Saron und eine Rose im Tal. 
Wie eine Rose unter den Dornen, so ist meine Freundin unter den Töchtern. 
Wie ein Apfelbaum unter den wilden Bäumen, so ist mein Freund unter den Söhnen. 
Ich sitze unter dem Schatten, des ich begehre, und seine Frucht ist meiner Kehle süß. 
Er führt mich in den Weinkeller, und die Liebe ist sein Panier über mir. 
Er erquickt mich mit Blumen und labt mich mit Äpfeln; denn ich bin krank vor Liebe. 
Seine Linke liegt unter meinem Haupte, und seine Rechte herzt mich. 
Ich beschwöre euch, ihr Töchter Jerusalems, bei den Rehen oder bei den Hinden Hirschkühen 
auf dem Felde, daß ihr meine Freundin nicht aufweckt noch regt, bis es ihr selbst gefällt. 
Da ist die Stimme meines Freundes! 
Siehe, er kommt und hüpft auf den Bergen und springt auf den Hügeln. 
Mein Freund ist gleich einem Reh oder jungen Hirsch. 
Siehe, er steht hinter unsrer Wand, sieht durchs Fenster und schaut durchs Gitter. 
Mein Freund antwortet und spricht zu mir: 
Stehe auf, meine Freundin, meine Schöne, und komm her. 
Denn siehe, der Winter ist vergangen, der Regen ist weg und dahin; 
die Blumen sind hervorgekommen im Lande, 
der Lenz ist herbeigekommen, und die Turteltaube läßt sich hören in unserm Lande; 
der Feigenbaum hat Knoten gewonnen, die Weinstöcke haben Blüten gewonnen 
und geben ihren Geruch. 
Stehe auf, meine Freundin, und komm, meine Schöne, komm her! 
Meine Taube in den Felsklüften, in den Steinritzen, zeige mir deine Gestalt, 
laß mich hören deine Stimme; denn die Stimme ist süß, und deine Gestalt ist lieblich. 
Fanget uns die Füchse, die kleinen Füchse, 
die die Weinberge verderben; denn unsere Weinberge haben Blüten gewonnen. 
Mein Freund ist mein, und ich bin sein, der unter Rosen weidet. 
Bis der Tag kühl wird und die Schatten weichen, 
kehre um; werde wie ein Reh, mein Freund, 
oder wie ein junger Hirsch auf den Scheidebergen.

Treue der Freundin


Des Nachts auf meinem Lager suchte ich, den meine Seele liebt. 
Ich suchte; aber ich fand ihn nicht. 
Ich will aufstehen und in der Stadt umgehen auf den Gassen und Straßen und suchen, 
den meine Seele liebt. Ich suchte; aber ich fand ihn nicht. 
Es fanden mich die Wächter, die in der Stadt umgehen: 
"Habt ihr nicht gesehen, den meine Seele liebt?" 
Da ich ein wenig an ihnen vorüber war, da fand ich, den meine Seele liebt. 
Ich halte ihn und will ihn nicht lassen, bis ich ihn bringe in meiner Mutter Haus, 
in die Kammer der, die mich geboren hat. 
Ich beschwöre euch, ihr Töchter Jerusalems, bei den Rehen oder Hinden Hirschkühen 
auf dem Felde, daß ihr meine Freundin nicht aufweckt noch regt, bis es ihr selbst gefällt.

Herrlichkeit des Freundes


Wer ist die, die heraufgeht aus der Wüste wie ein gerader Rauch, wie ein Geräuch von Myrrhe, Weihrauch und allerlei Gewürzstaub des Krämers? 
Siehe, um das Bett Salomos her stehen sechzig Starke aus den Starken in Israel. 
Sie halten alle Schwerter und sind geschickt, zu streiten. 
Ein jeglicher hat sein Schwert an seiner Hüfte um des Schreckens willen in der Nacht. 
Der König Salomo ließ sich eine Sänfte machen von Holz aus Libanon. 
Ihre Säulen sind silbern, die Decke golden, der Sitz purpurn, und inwendig ist sie lieblich ausgeziert 
um der Töchter Jerusalems willen. 
Gehet heraus und schauet an, ihr Töchter Zions, 
den König Salomo in der Krone, damit ihn seine Mutter gekrönt hat am Tage seiner Hochzeit 
und am Tage der Freude seines Herzens.

Vorzüge der Freundin

Siehe, meine Freundin, du bist schön! siehe, schön bist du! 
Deine Augen sind wie Taubenaugen zwischen deinen Zöpfen. 
Dein Haar ist wie eine Herde Ziegen, die gelagert sind am Berge Gilead herab. 
Deine Zähne sind wie eine Herde Schafe mit bechnittener Wolle, die aus der Schwemme kommen, 
die allzumal Zwillinge haben, und es fehlt keiner unter ihnen. 
Deine Lippen sind wie eine scharlachfarbene Schnur und deine Rede lieblich. 
Deine Wangen sind wie der Ritz am Granatapfel zwischen deinen Zöpfen. 
Dein Hals ist wie der Turm Davids, mit Brustwehr gebaut, daran tausend Schilde hangen 
und allerlei Waffen der Starken. 
Deine zwei Brüste sind wie zwei junge Rehzwillinge, die unter den Rosen weiden. 
Bis der Tag kühl wird und die Schatten weichen, will ich zum Myrrhenberge gehen 
und zum Weihrauchhügel. 
Du bist allerdinge schön, meine Freundin, und ist kein Flecken an dir. 
Komm mit mir, meine Braut, vom Libanon, komm mit mir vom Libanon, 
tritt her von der Höhe Amana, von der Höhe Senir und Hermon, 
von den Wohnungen der Löwen, von den Bergen der Leoparden! 
Du hast mir das Herz genommen, meine Schwester, liebe Braut, 
mit deiner Augen einem und mit deiner Halsketten einer. 
Wie schön ist deine Liebe, meine Schwester, liebe Braut! 
Deine Liebe ist lieblicher denn Wein, und der Geruch deiner Salben übertrifft alle Würze. 
Deine Lippen, meine Braut, sind wie triefender Honigseim; Honig und Milch ist unter deiner Zunge, 
und deiner Kleider Geruch ist wie der Geruch des Libanon. 
Meine Schwester, liebe Braut, du bist ein verschlossener Garten, 
eine verschlossene Quelle, ein versiegelter Born. 
Deine Gewächse sind wie ein Lustgarten von Granatäpfeln mit edlen Früchten, 
Zyperblumen mit Narden, Narde und Safran, Kalmus und Zimt, 
mit allerlei Bäumen des Weihrauchs, Myrrhen und Aloe mit allen besten Würzen. 
Ein Gartenbrunnen bist du, ein Born lebendiger Wasser, die vom Libanon fließen. 
Stehe auf, Nordwind, und komm, Südwind, und wehe durch meinen Garten, 
daß seine Würzen triefen! 
Mein Freund komme in seinen Garten und esse von seinen edlen Früchten.
Ich bin gekommen, meine Schwester, liebe Braut, in meinen Garten. 

Ich habe meine Myrrhe samt meinen Würzen abgebrochen; 
ich habe meinen Seim samt meinem Honig gegessen; 
ich habe meinen Wein samt meiner Milch getrunken. 
Eßt, meine Lieben, und trinkt, 
meine Freunde, und werdet trunken!

Die Sehnsucht der Freundin 


Ich schlafe, aber mein Herz wacht. Da ist die Stimme meines Freundes, der anklopft: 
Tue mir auf, liebe Freundin, meine Schwester, meine Taube, meine Fromme! 
denn mein Haupt ist voll Tau und meine Locken voll Nachttropfen. 
Ich habe meinen Rock ausgezogen, wie soll ich ihn wieder anziehen? 
Ich habe meine Füße gewaschen, wie soll ich sie wieder besudeln? 
Aber mein Freund steckte seine Hand durchs Riegelloch, und mein Innerstes erzitterte davor. 
Da stand ich auf, daß ich meinem Freund auftäte; meine Hände troffen von Myrrhe 
und meine Finger von fließender Myrrhe an dem Riegel am Schloß. 
Und da ich meinem Freund aufgetan hatte, war er weg und hingegangen. 
Meine Seele war außer sich, als er redete. 
Ich suchte ihn, aber ich fand ihn nicht; ich rief, aber er antwortete mir nicht. 
Es fanden mich die Hüter, die in der Stadt umgehen; 
die schlugen mich wund; 
die Hüter auf der Mauer nahmen mir meinen Schleier. 
Ich beschwöre euch, ihr Töchter Jerusalems, 
findet ihr meinen Freund, so sagt ihm, 
daß ich vor Liebe krank liege. 
Was ist dein Freund vor andern Freunden, o du schönste unter den Weibern? 
Was ist dein Freund vor andern Freunden, daß du uns so beschworen hast? 
Mein Freund ist weiß und rot, auserkoren unter vielen Tausenden. 
Sein Haupt ist das feinste Gold. 
Seine Locken sind kraus, schwarz wie ein Rabe. 
Seine Augen sind wie Augen der Tauben an den Wasserbächen, mit Milch gewaschen 
und stehen in Fülle. Seine Backen sind wie Würzgärtlein, 
da Balsamkräuter wachsen. 
Seine Lippen sind wie Rosen, die von fließender Myrrhe triefen. 
Seine Hände sind wie goldene Ringe, voll Türkise. 
Sein Leib ist wie reines Elfenbein, 
mit Saphiren geschmückt. Seine Beine sind wie Marmelsäulen, 
gegründet auf goldenen Füßen. 
Seine Gestalt ist wie Libanon, auserwählt wie Zedern. 
Seine Kehle ist süß, und er ist ganz lieblich. 
Ein solcher ist mein Freund; mein Freund ist ein solcher, ihr Töchter Jerusalems!

Wo ist denn dein Freund hin gegangen, o du schönste unter den Weibern? 

Wo hat sich dein Freund hin gewandt? So wollen wir mit dir ihn suchen. 
Mein Freund ist hinabgegangen in seinen Garten, zu den Würzgärtlein, 
daß er weide in den Gärten und Rosen breche. 
Mein Freund ist mein, und ich bin sein, der unter den Rosen weidet.
 
Die Freude der Wiedervereinigung 


Du bist schön, meine Freundin, wie Thirza, lieblich wie Jerusalem, schrecklich wie Heerscharen.
Wende deine Augen von mir; denn sie verwirren mich. 
Deine Haare sind wie eine Herde Ziegen, die am Berge Gilead herab gelagert sind. 
Deine Zähne sind wie eine Herde Schafe, die aus der Schwemme kommen, 
die allzumal Zwillinge haben, und es fehlt keiner unter ihnen. 
Deine Wangen sind wie ein Ritz am Granatapfel zwischen deinen Zöpfen. 
Sechzig sind der Königinnen und achtzig der Kebsweiber, und der Jungfrauen ist keine Zahl. 
Aber eine ist meine Taube, meine Fromme, eine ist ihrer Mutter die Liebste 
und die Auserwählte ihrer Mutter. Da sie die Töchter sahen, priesen sie dieselbe selig; 
die Königinnen und Kebsweiber lobten sie. 
Wer ist, die hervorbricht wie die Morgenröte, 
schön wie der Mond, auserwählt wie die Sonne, schrecklich wie Heerscharen? 
Ich bin hinab in den Nußgarten gegangen, zu schauen die Sträuchlein am Bach, 
zu schauen, ob die Granatbäume blühten. 
Ich wußte nicht, daß meine Seele mich gesetzt hatte zu den Wagen Ammi-Nadibs.

Zwiegespräch des Freundes und der Freundin 


Kehre wieder, kehre wieder, o Sulamith! kehre wieder, kehre wieder, daß wir dich schauen! 
Was sehet ihr an Sulamith? Den Reigen zu Mahanaim. 
Wie schön ist dein Gang in den Schuhen, du Fürstentochter! 
Deine Lenden stehen gleich aneinander wie zwei Spangen, 
die des Meisters Hand gemacht hat. 
Dein Schoß ist wie ein runder Becher, dem nimmer Getränk mangelt. 
Dein Leib ist wie ein Weizenhaufen, umsteckt mit Rosen. 
Deine zwei Brüste sind wie zwei Rehzwillinge. 
Dein Hals ist wie ein elfenbeinerner Turm. 
Deine Augen sind wie die Teiche zu Hesbon am Tor Bathrabbims. 
Deine Nase ist wie der Turm auf dem Libanon, der gen Damaskus sieht. 
Dein Haupt steht auf dir wie der Karmel. 
Das Haar auf deinem Haupt ist wie der Purpur des Königs, in Falten gebunden. 
Wie schön und wie lieblich bist du, du Liebe voller Wonne! 
Dein Wuchs ist hoch wie ein Palmbaum und deine Brüste gleich den Weintrauben. 
Ich sprach: Ich muß auf dem Palmbaum steigen und seine Zweige ergreifen. 
Laß deine Brüste sein wie Trauben am Weinstock und deiner Nase Duft wie Äpfel 
und deinen Gaumen wie guter Wein, 
der meinem Freunde glatt eingeht und der Schläfer Lippen reden macht. 
Mein Freund ist mein, und nach mir steht sein Verlangen. 
Komm, mein Freund, laß uns aufs Feld hinausgehen und auf den Dörfern bleiben, 
daß wir früh aufstehen zu den Weinbergen, 
daß wir sehen, ob der Weinstock sprosse und seine Blüten aufgehen, 
ob die Granatbäume blühen; da will ich dir meine Liebe geben. 
Die Lilien geben den Geruch, und über unsrer Tür sind allerlei edle Früchte. 
Mein Freund, ich habe dir beide, heurige und vorjährige, behalten.

Die Treue der für immer Vereinten 


O, daß du mir gleich einem Bruder wärest, der meiner Mutter Brüste gesogen! 
Fände ich dich draußen, so wollte ich dich küssen, und niemand dürfte mich höhnen!  
Ich wollte dich führen und in meiner Mutter Haus bringen, da du mich lehren solltest; 
da wollte ich dich tränken mit gewürztem Wein und mit dem Most meiner Granatäpfel. 
Seine Linke liegt unter meinem Haupt, und seine Rechte herzt mich. 
Ich beschwöre euch, Töchter Jerusalems, daß ihr meine Liebe nicht aufweckt 
noch regt, bis es ihr selbst gefällt. 
Wer ist die, die heraufsteigt von der Wüste und lehnt sich auf ihren Freund? 
Unter dem Apfelbaum weckte ich dich; da ist dein genesen deine Mutter, 
da ist dein genesen, die dich geboren hat. 
Setze mich wie ein Siegel auf dein Herz und wie ein Siegel auf deinen Arm. 
Denn Liebe ist stark wie der Tod, und ihr Eifer ist fest wie die Hölle. 
Ihre Glut ist feurig und eine Flamme des HERRN, 
daß auch viele Wasser nicht mögen die Liebe auslöschen noch die Ströme sie ertränken. 
Wenn einer alles Gut in seinem Hause um die Liebe geben wollte, so gölte es alles nichts. 
Unsere Schwester ist klein und hat keine Brüste. 
Was sollen wir unsrer Schwester tun, wenn man nun um sie werben wird? 
Ist sie eine Mauer, so wollen wir ein silbernes Bollwerk darauf bauen. 
Ist sie eine Tür, so wollen wir sie festigen mit Zedernbohlen. 
Ich bin eine Mauer und meine Brüste sind wie Türme. 
Da bin ich geworden vor seinen Augen, als die Frieden findet. 
Salomo hat einen Weinberg zu Baal-Hamon. 
Er gab den Weinberg den Hütern, daß ein jeglicher für seine Früchte brächte tausend Silberlinge. 
Mein eigener Weinberg ist vor mir. 
Dir, Salomo, gebühren tausend, 
aber zweihundert den Hütern seiner Früchte. 
Die du wohnst in den Gärten, laß mich deine Stimme hören; die Genossen merken darauf. 
Flieh, mein Freund, und sei gleich einem Reh oder jungen Hirsch auf den Würzbergen!

Hohelied Salomo, Holzskulptur von Walter Green

http://www.google.de/imgres?imgurl=http%3A%2F%2Fwww.dhushara.com%2Fbook%2Fsong%2Fsongf%2Fsm6.jpg&imgrefurl=http%3A%2F%2Fwww.dhushara.com%2Fbook%2Fsong%2Fsongf%2Fmeincrag.htm&h=421&w=324&tbnid=jJL3pc1Wr-cYhM%3A&zoom=1&docid=HjZxVoFK4o0NpM&hl=de&ei=hBzfVJ-xK8aAU7qagLgE&tbm=isch&iact=rc&uact=3&dur=3100&page=9&start=145&ndsp=17&ved=0CJABEK0DMC44ZA

Liste von Vertonungen
http://www.grabinski-online.de/div/hoheslied.html


Montag, 21. Juli 2014

Clara Rilke Westhoff - "Er hatte einen Faunsmund."


"Die greift den Marmor an wie ein Mann."

Bildhauer Max Klinger über die 22jährige Bremer Kaufmannstochter, der er erlaubt hatte, in seinem Atelier zu arbeiten.



um 1903

Trauung am 28.April 1901
Geburt der Tochter Ruth am 12. Dezember 1901
Im Sommer 1902 geht Rilke nach Paris
Clara folgt ihm.
Die Tochter lebt meist bei den Großeltern. 
 Mal leben die beiden miteinander, manchesmal nicht.
Von 1909 bis zu ihrem Tode lebte Clara in Fischerhude.
Sie blieben lebenslange Freunde, sagt man.
 
Porträt von Paula Modersohn Becker 1905



???

"Dank für alles was Du auf so treue Art mit mir teilst; 
mir ist als reichtest Du von allem mir die größere Hälfte."
Rainer Maria Rilke an Clara Westhoff-Rilke, 18.3.1907



 Porträt von Oskar Zwintscher 1902
DIE BRAUT
Ruf mich, Geliebter, ruf mich laut!
Laß deine Braut nicht so lange am Fenster stehn.
In den alten Platanenalleen
wacht der Abend nicht mehr:
sie sind leer.

Und kommst du mich nicht in das nächtliche Haus
mit deiner Stimme verschließen,
so muß ich mich aus meinen Händen hinaus
in die Gärten des Dunkelblaus
ergießen...
R.M. Rilke Buch der Bilder 1902 & 1906

Paula Becker, später Modersohn & Clara Westhoff - Freundinnen



Rilke - Porträt von Clara Westhoff - 1905

Rilke - Porträt von Clara Westhoff - ???
"Er hatte einen Faunsmund."


http://www.zeit.de/2003/34/Rilke

Dienstag, 17. Dezember 2013

Der Hammer - Paul Watzlawick - Goethe


Ein Hammer ist ein Werkzeug, das von Hand gehalten, gerade bis bogenförmig geführt, unter Nutzung seiner Massenträgheit (meist) schwere Schläge auf Körper ausübt. Je nach seiner Masse und genutzter Stiellänge wird er nach dem Heben (Ausholen) aus dem Hand-, Ellbogen- oder Schultergelenk – oder bei beidhändigem Halten, aus dem Oberkörper – heraus beschleunigt. Wiki

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Die Geschichte mit dem Hammer

Ein Mann will ein Bild aufhängen. Den Nagel hat er, nicht aber den Hammer. Der Nachbar hat einen. Also beschließt unser Mann, hinüberzugehen und ihn auszuborgen. Doch da kommt ihm ein Zweifel: Was, wenn der Nachbar mir den Hammer nicht leihen will? Gestern schon grüßte er mich nur so flüchtig. Vielleicht war er in Eile. Aber vielleicht war die Eile nur vorgeschützt, und er hat etwas gegen mich. Und was? Ich habe ihm nichts angetan; der bildet sich da etwas ein. Wenn jemand von mir ein Werkzeug borgen wollte, ich gäbe es ihm sofort. Und warum er nicht? Wie kann man einem Mitmenschen einen so einfachen Gefallen abschlagen? Leute wie dieser Kerl vergiften einem das Leben. Und dann bildet er sich noch ein, ich sei auf ihn angewiesen. Bloß weil er einen Hammer hat. Jetzt reicht's mir wirklich. - Und so stürmt er hinüber, läutet, der Nachbar öffnet, doch noch bevor der Guten Tag sagen kann, schreit ihn unser Mann an:

"Behalten Sie sich Ihren Hammer, Sie Rüpel!"

Die Wirkung ist großartig, die Technik verhältnismäßig einfach, wenn auch keineswegs neu. Schon Ovid beschrieb sie in seiner Liebeskunst - wenn auch leider nur im positiven Sinne: "Rede dir ein, du liebst, wo du flüchtig begehrest. Glaub es dann selbst. ... Aufrichtig liebt, wem's gelang, sich selbst in Feuer zu sprechen."
Wer dem Ovidschen Rezept folgen kann, sollte keine Schwierigkeit haben, diesen Mechanismus im Sinne unseres Leitfadens anzuwenden. Wenige Maßnahmen eignen sich besser zur Erzeugung von Unglücklichkeit, als die Konfrontierung des ahnungslosen Partners mit dem letzten Glied einer langen, komplizierten Kette von Phantasien, in denen er eine entscheidende, negative Rolle spielt. Seine Verwirrung, Bestürzung, sein angebliches Nichtverstehen, seine Ungehaltenheit, sein Sich-herausreden- Wollen aus seiner Schuld sind für Sie die endgültigen Beweise, daß Sie natürlich recht haben, daß Sie Ihre Gunst einem Unwürdigen schenkten und daß Ihre Güte eben wieder einmal mißbraucht wurde.

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Wenn Du einen Hammer hast, siehst Du überall Nägel.
Sprichwort 

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Nutze deine jungen Tage,
lerne zeitig, klüger sein.
Auf des Glückes großer Waage
steht die Zunge selten ein.
Du musst steigen oder sinken,
du musst herrschen und gewinnen
oder dienen und verlieren,
leiden oder triumphieren,
Amboß oder Hammer sein!

J.W. von Goethe
 

Freitag, 18. Oktober 2013

Karl Georg Büchner geboren vor 200 Jahren


GEORG BÜCHNER starb mit 23 Jahren.

Lucille. 
Es ist doch was wie Ernst darin. Ich will einmal nachdenken. Ich fange an, so was zu begreifen. Sterben – Sterben –! – Es darf ja alles leben, alles, die kleine Mücke da, der Vogel. Warum denn er nicht? Der Strom des Lebens müßte stocken, wenn nur der eine Tropfen verschüttet würde. Die Erde müßte eine Wunde bekommen von dem Streich. Es regt sich alles, die Uhren gehen, die Glocken schlagen, die Leute laufen, das Wasser rinnt, und so alles weiter bis da, dahin – nein, es darf nicht geschehen, nein, ich will mich auf den Boden setzen und schreien, daß erschrocken alles stehn bleibt, alles stockt, sich nichts mehr regt.  
(Sie setzt sich nieder, verhüllt sich die Augen und stößt einen Schrei aus. Nach einer Pause erhebt sie sich.) 
Das hilft nichts, da ist noch alles wie sonst; die Häuser, die Gasse, der Wind geht, die Wolken ziehen. Wir müssen's wohl leiden.

Karl Georg Büchner geboren am 17. Oktober 1813 in Goddelau im Groß- herzogtum Hessen, gestorben am 19. Februar 1837 in Zürich. Wie viele Dreiundzwanzigjährige verzweifelten, wie ich, beinahe an den eigenen altersgemäßen, mehr oder weniger talentierten Leistungen, wenn sie Büchners Dichtungen lasen? Wobei Werke ein krummes Wort für das schmale Bändchen sind, das seine gesammelten Arbeiten enthält. Aber, aber was so alles auf so wenigen Seiten Platz hat! Kein Wort zu viel. Kein Wort wie erwartet. Sprache auf des Messers Schneide.
Heiner Müller hat es am klarsten gesagt, er spricht in seiner Rede zum Büchnerpreis über Woyzeck: Ein vielmal vom Theater geschundener Text, der einem Dreiundzwanzigjährigen passiert ist, dem die Parzen bei der Geburt die Augenlider weggeschnitten haben...
Anstatt dünn mit moralisierender Weltanschauung ("Klüngelwort der Jahrhundertwende und Ersatz für Philosophie" nennt es Klemperer) übertünchter Sentimentalität, bietet er dialektische Klarsichtigkeit, wissende Verzweiflung und trotzalledem, Sehnsucht nach Utopie an. Wir müssen's wohl leiden.

ZITATE:

Dreht euch. wälzt euch! Warum bläst Gott nicht die Sonn aus, daß alles in Unzucht sich übereinanderwälzt, Mann und Weib, Mensch und Vieh?! Tut's am hellen Tag, tut's einem auf den Händen wie die Mücken! – Weib! Das Weib is heiß, heiß! – Immer zu, immer zu! - Woyzeck

Es war einmal ein arm Kind und hatt' kein Vater und keine Mutter, war alles tot, und war niemand mehr auf der Welt. Alles tot, und es is hingangen und hat gesucht Tag und Nacht. Und weil auf der Erde niemand mehr war, wollt's in Himmel gehn, und der Mond guckt es so freundlich an; und wie es endlich zum Mond kam, war's ein Stück faul Holz. Und da is es zur Sonn gangen, und wie es zur Sonn kam, war's ein verwelkt Sonneblum. Und wie's zu den Sternen kam, waren's kleine goldne Mücken, die waren angesteckt, wie der Neuntöter sie auf die Schlehen steckt. Und wie's wieder auf die Erde wollt, war die Erde ein umgestürzter Hafen. Und es war ganz allein. Und da hat sich's hingesetzt und geweint, und da sitzt es noch und is ganz allein. - Woyzeck  

Es krassirt ein entsetzlicher Müßiggang. – Müßiggang ist aller Laster Anfang. – Was die Leute nicht Alles aus Langeweile treiben! Sie studiren aus Langeweile, sie beten aus Langeweile, sie verlieben, verheirathen und vermehren sich aus Langeweile und sterben endlich an der Langeweile und – und das ist der Humor davon – Alles mit den wichtigsten Gesichtern, ohne zu merken warum, und meinen Gott weiß was dabei. Alle diese Helden, diese Genies, diese Dummköpfe, diese Heiligen, diese Sünder, diese Familienväter sind im Grunde nichts als raffinirte Müßiggänger. - Leonce & Lena

Ein sonderbares Ding um die Liebe. Man liegt ein Jahr lang schlafwachend zu Bette, und an einem schönen Morgen wacht man auf, trinkt ein Glas Wasser, zieht seine Kleider an und fährt sich mit der Hand über die Stirn und besinnt sich und besinnt sich. – Mein Gott, wieviel Weiber hat man nötig, um die Skala der Liebe auf und ab zu singen? Kaum daß eine einen Ton ausfüllt. Warum ist der Dunst über unsrer Erde ein Prisma, das den weißen Glutstrahl der Liebe in einen Regenbogen bricht? - Leonce & Lena 

Camille. 
Rasch, Danton, wir haben keine Zeit zu verlieren!
Danton (er kleidet sich an)
Aber die Zeit verliert uns. Das ist sehr langweilig, immer das Hemd zuerst und dann die Hosen drüber zu ziehen und des Abends ins Bett und morgens wieder herauszukriechen und einen Fuß immer so vor den andern zu setzen; da ist gar kein Absehen, wie es anders werden soll. Das ist sehr traurig, und daß Millionen es schon so gemacht haben, und daß Millionen es wieder so machen werden, und daß wir noch obendrein aus zwei Hälften bestehen, die beide das nämliche tun, so daß alles doppelt geschieht – das ist sehr traurig.
 


Ein 2013 neu entdecktes Porträt Georg Büchners; signiert vom Darmstädter Theatermaler Philipp August Joseph Hoffmann aus dem Jahr 1833

Das Autogrammbild eines ernsthaften, zarten Dandys, manche Forscher sagen, es wäre das Porträt seines jüngeren Bruders.

BRIEFE:

An die Familie
um den 6. April 1833
Aus Straßburg nach Darmstadt
(...) Heute erhielt ich Euren Brief mit den Erzählungen aus Frankfurt. Meine Meinung ist die: Wenn in unserer Zeit etwas helfen soll, so ist es Gewalt. Wir wissen, was wir von unseren Fürsten zu erwarten haben. Alles, was sie bewilligten, wurde ihnen durch die Notwendigkeit abgezwungen. Und selbst das Bewilligte wurde uns hingeworfen, wie eine erbettelte Gnade und ein elendes Kinderspielzeug, um dem ewigen Maulaffen Volk seine zu eng geschnürte Wickelschnur vergessen zu machen. Es ist eine blecherne Flinte und ein hölzerner Säbel, womit nur ein Deutscher die Abgeschmacktheit begehen konnte, Soldatchens zu spielen. Unsere Landstände sind eine Satyre auf die gesunde Vernunft, wir können noch ein Säculum damit herumziehen, und wenn wir die Resultate dann zusammennehmen, so hat das Volk die schönen Reden seiner Vertreter noch immer teurer bezahlt, als der römische Kaiser, der seinem Hofpoeten für zwei gebrochene Verse 20,000 Gulden geben ließ. Man wirft den jungen Leuten den Gebrauch der Gewalt vor. Sind wir denn aber nicht in einem ewigen Gewaltzustand? Weil wir im Kerker geboren und großgezogen sind, merken wir nicht mehr, daß wir im Loch stecken mit angeschmiedeten Händen und Füßen und einem Knebel im Munde. Was nennt Ihr denn gesetzlichen Zustand? Ein Gesetz, das die große Masse der Staatsbürger zum fronenden Vieh macht, um die unnatürlichen Bedürfnisse einer unbedeutenden und verdorbenen Minderzahl zu befriedigen? Und dies Gesetz, unterstützt durch eine rohe Militärgewalt und durch die dumme Pfiffigkeit seiner Agenten, dies Gesetz ist eine ewige, rohe Gewalt, angetan dem Recht und der gesunden Vernunft, und ich werde mit Mund und Hand dagegen kämpfen, wo ich kann. Wenn ich an dem, was geschehen, keinen Teil genommen und an dem, was vielleicht geschieht, keinen Teil nehmen werde, so geschieht es weder aus Mißbilligung, noch aus Furcht, sondern nur weil ich im gegenwärtigen Zeitpunkt jede revolutionäre Bewegung als eine vergebliche Unternehmung betrachte und nicht die Verblendung Derer teile, welche in den Deutschen ein zum Kampf für sein Recht bereites Volk sehen. Diese tolle Meinung führte die Frankfurter Vorfälle herbei, und der Irrtum büßte sich schwer. Irren ist übrigens keine Sünde, und die deutsche Indifferenz ist wirklich von der Art, daß sie alle Berechnung zu Schanden macht. Ich bedaure die Unglücklichen von Herzen. Sollte keiner von meinen Freunden in die Sache verwickelt sein? (...)


An die Familie
Juni 1833
Aus Straßburg nach Darmstadt
(...) Ich werde zwar immer meinen Grundsätzen gemäß handeln, habe aber in neuerer Zeit gelernt, daß nur das notwendige Bedürfnis der großen Masse Umänderungen herbeiführen kann, daß alles Bewegen und Schreien der Einzelnen vergebliches Torenwerk ist. Sie schreiben, man liest sie nicht; sie schreien, man hört sie nicht; sie handeln, man hilft ihnen nicht. (...)

 
An Wilhelmine Jaeglé
Mitte/ Ende Januar 1834
Aus Gießen nach Straßburg
(...) Schon seit einigen Tagen nehme ich jeden Augenblick die Feder in die Hand, aber es war mir unmöglich, nur ein Wort zu schreiben. Ich studierte die Geschichte der Revolution. Ich fühlte mich wie zernichtet unter dem gräßlichen Fatalismus der Geschichte. Ich finde in der Menschennatur eine entsetzliche Gleichheit, in den menschlichen Verhältnissen eine unabwendbare Gewalt, Allen und Keinem verliehen. Der Einzelne nur Schaum auf der Welle, die Größe ein bloßer Zufall, die Herrschaft des Genies ein Puppenspiel, ein lächerliches Ringen gegen ein ehernes Gesetz, es zu erkennen das Höchste, es zu beherrschen unmöglich. Es fällt mir nicht mehr ein, vor den Paradegäulen und Eckstehern der Geschichte mich zu bücken. Ich gewöhnte mein Auge ans Blut. Aber ich bin kein Guillotinenmesser. Das muß ist eins von den Verdammungsworten, womit der Mensch getauft worden. Der Ausspruch: es muß ja Ärgernis kommen, aber wehe dem, durch den es kommt, – ist schauderhaft. Was ist das, was in uns lügt, mordet, stiehlt? Ich mag dem Gedanken nicht weiter nachgehen. Könnte ich aber dies kalte und gemarterte Herz an Deine Brust legen! (...)


An die Familie
28. Juli 1835
Aus Straßburg nach Darmstadt
(...) Über mein Drama muß ich einige Worte sagen: (...) Gutzkow's glänzende Kritiken habe ich gelesen und zu meiner Freude dabei bemerkt, daß ich keine Anlagen zur Eitelkeit habe. Was übrigens die sogenannte Unsittlichkeit meines Buchs angeht, so habe ich Folgendes zu antworten: der dramatische Dichter ist in meinen Augen nichts, als ein Geschichtschreiber, steht aber über Letzterem dadurch, daß er uns die Geschichte zum zweiten Mal erschafft und uns gleich unmittelbar, statt eine trockne Erzählung zu geben, in das Leben einer Zeit hinein versetzt, uns statt Charakteristiken Charaktere, und statt Beschreibungen Gestalten gibt. Seine höchste Aufgabe ist, der Geschichte, wie sie sich wirklich begeben, so nahe als möglich zu kommen. Sein Buch darf weder sittlicher noch unsittlicher sein, als die Geschichte selbst, aber die Geschichte ist vom lieben Herrgott nicht zu einer Lectüre für junge Frauenzimmer geschaffen worden, und da ist es mir auch nicht übel zu nehmen, wenn mein Drama ebensowenig dazu geeignet ist. Ich kann doch aus einem Danton und den Banditen der Revolution nicht Tugendhelden machen! Wenn ich ihre Liederlichkeit schildern wollte, so mußte ich sie eben liederlich sein, wenn ich ihre Gottlosigkeit zeigen wollte, so mußte ich sie eben wie Atheisten sprechen lassen. Wenn einige unanständige Ausdrücke vorkommen, so denke man an die weltbekannte, obscöne Sprache der damaligen Zeit, wovon das, was ich meine Leute sagen lasse, nur ein schwacher Abriß ist. (...) Der Dichter ist kein Lehrer der Moral, er erfindet und schafft Gestalten, er macht vergangene Zeiten wieder aufleben, und die Leute mögen dann daraus lernen, so gut, wie aus dem Studium der Geschichte und der Beobachtung dessen, was im menschlichen Leben um sie herum vorgeht. Wenn man so wollte, dürfte man keine Geschichte studieren, weil sehr viele unmoralische Dinge darin erzählt werden, müßte mit verbundenen Augen über die Gasse gehen, weil man sonst Unanständigkeiten sehen könnte, und müßte über einen Gott Zeter schreien, der eine Welt erschaffen, worauf so viele Liederlichkeiten vorfallen. Wenn man mir übrigens noch sagen wollte, der Dichter müsse die Welt nicht zeigen wie sie ist, sondern wie sie sein solle, so antworte ich, daß ich es nicht besser machen will, als der liebe Gott, der die Welt gewiß gemacht hat, wie sie sein soll. Was noch die sogenannten Idealdichter anbetrifft, so finde ich, daß sie fast nichts als Marionetten mit himmelblauen Nasen und affektiertem Pathos, aber nicht Menschen von Fleisch und Blut gegeben haben, (...) Ich halte übrigens mein Werk keineswegs für vollkommen, und werde jede wahrhaft ästhetische Kritik mit Dank annehmen.

Die Deutsche Bundesbank informiert:

Die Bundesregierung gibt ab dem 10. Oktober 2013 eine 10-Euro-Gedenkmünze "200. Geburtstag Georg Büchner" heraus.
Die Gedenkmünze wird in der Prägequalität "Stempelglanz" aus einer Kupfer-Nickel-Legierung hergestellt und in der höherwertigen Sammlerqualität "Spiegelglanz" aus Silber geprägt. Das Gewicht der Silber-Gedenkmünze beträgt 16 Gramm. Die Legierung setzt sich aus 625 Tausendteilen Silber und 375 Tausendteilen Kupfer zusammen und ist durch die Inschrift "Silber 625" besonders gekennzeichnet.
Der Entwurf stammt von dem Künstler Eugen Ruhl aus Pforzheim. 

Der glatte Münzrand enthält in vertiefter Prägung die Inschrift:
"ICH BIN SO JUNG UND DIE WELT IST SO ALT".