Donnerstag, 15. Mai 2014

NOCHMALS LEAR - Wahnsinn ist der höchste Sinn - Emily Dickinson


LEAR
Erster Akt
Oh, lasst mich nicht wahnsinnig werden, nicht wahnsinnig,
Oh Gott; lass mich klar; ich will nicht wahnsinnig sein!


LEAR
Zweiter Akt
Ich hab viel Grund zum Weinen, doch dies Herz
Soll brechen in einhunderttausend Splitter
Eh dass ich wein. O Narr! ich werde wahnsinnig.


LEAR
Fünfter Akt

Heult, heult, heult! Oh! ihr seid ja aus Stein:
Hätt ich nur eure Augen, Zungen – 

ich, ich schrie ’s Gewölbe dieses Himmels ein

Edvard Munch: Der Schrei 
© The Munch Museum/The Munch Ellingsen Group/VBK

Wahnsinn ist der höchste Sinn –
Für den, der ihn versteht –
Und Sinn – der tollste Wahnsinn –
Die Mehrheit nur
Entscheidet, hier, wie überall –
Wer zustimmt – ist gesund –
Wer abweicht – ist gefährlich – und
Braucht Ketten wie ein Hund -

"Guten Morgen, Mitternacht. Zweisprachige Gedichte und Briefe“ Diogenes

Much Madness is divinest Sense -
To a discerning Eye -
Much Sense - the starkest Madness -
’Tis the Majority
In this, as all, prevail -
Assent - and you are sane -
Demur - you’re straightway dangerous -
And handled with a Chain -
 
Reprinted by permission of the publishers and the Trustees of Amherst College
from The Poems of Emily Dickinson: Variorum
 
„Ich sah die besten Köpfe meiner Generation zerstört vom Wahnsinn, hungrig
hysterisch nackt,
wie sie im Morgengrauen sich durch die Negerstraßen schleppten auf der Suche
nach einer wütenden Spritze" 
 
Allen Ginsberg Howl/Geheul
 
Wiki:
Das Wort „Wahnsinn“ ist eine Rückbildung des 18. Jahrhunderts aus dem
Adjektiv „wahnsinnig“, das schon im 15. Jahrhundert nachweisbar ist. Vorbild
war das Wort „wahnwitzig“, welches auf das althochdeutsche wanwizzi
zurückgeht. Dabei bedeutet das althochdeutsche wan (ie. *(e)uə-no „leer“)
ursprünglich „leer, mangelhaft“ (vgl. lat. vanus, engl. waning). „Wahnwitz“ bzw.
„Wahnsinn“ bedeuteten also in etwa „ohne Sinn und Verstand“. Dadurch, dass
wan und Wahn (ahd. wân „Hoffnung, Glaube, Erwartung“) sprachgeschichtlich
zusammengefallen sind, haben sich die Bedeutungen gegenseitig beeinflusst:
„Wahn“ wurde zur falschen, eingebildeten Hoffnung, der alte Wortbestandteil
wan wird heute als das etymologisch nicht verwandte „Wahn“ wahrgenommen. 

Dienstag, 13. Mai 2014

LAUFEN & SINGEN im MAI


LAUFEN & SINGEN

Wiki sagt:

WANDERN ist eine Form des Gehens über lange (MEHRSTÜNDIGE) Strecken 
in der Natur. Früher eine häufige Art des Reisens, 
stellt es heute hauptsächlich eine FREIZEITBESCHÄFTIGUNG dar. 

Maiglöckchen

 
KOMM, LIEBER MAI UND MACHE

Komm, lieber Mai, und mache
Die Bäume wieder grün,
Und lass uns an dem Bache
Die kleinen Veilchen blüh'n!
Wie möchten wir so gerne
Ein Blümchen wieder seh'n,
Ach, lieber Mai, wie gerne
Einmal spazieren geh'n.

Zwar Wintertage haben
Wohl auch der Freuden viel,
Man kann im Schnee frisch traben
Und treibt manch Abendspiel.
Baut Häuserchen von Karten,
Spielt Blindekuh und Pfand,
Auch gibt's wohl Schlittenfahrten
Aufs liebe freie Land.

Doch wenn die Vöglein singen,
Und wir dann froh und flink
Auf grünem Rasen springen,
Das ist ein ander' Ding.
Jetzt muss mein Steckenpferdchen
Dort in dem Winkel steh'n;
Denn draußen in dem Gärtchen
Kann man vor Schmutz nicht geh'n.

Am meisten aber dauert
Mich Lottchens Herzeleid,
Das arme Mädchen lauert
Recht auf die Blumenzeit.
Umsonst hol ich ihr Spielchen
Zum Zeitvertreib herbei,
Sie sitzt in ihrem Stühlchen
Wie's Hühnchen auf dem Ei.

Ach, wenn's doch erst gelinder
Und grüner draußen wär!
Komm, lieber Mai, wir Kinder,
Wir bitten gar zu sehr!
O komm und bring vor allem
Uns viele Veilchen mit,
Bring auch viel Nachtigallen
Und schöne Kuckucks mit.

Christian Adolph Overbeck
Maikäfer

DER KUCKUCK UND DER ESEL

Der Kuckuck und der Esel,
Die hatten großen Streit,
Wer wohl am besten sänge
Zur schönen Maienzeit
Wer wohl am besten sänge
Zur schönen Maienzeit

Der Kuckuck sprach: „Das kann ich!“
Und hub gleich an zu schreien.
Ich aber kann es besser!
Fiel gleich der Esel ein.
Ich aber kann es besser!
Fiel gleich der Esel ein.

Das klang so schön und lieblich,
So schön von fern und nah;
Sie sangen alle beide
Kuckuck, Kuckuck, i-a!
Sie sangen alle beide
Kuckuck, Kuckuck, i-a! 

Hoffmann von Fallersleben

Maipilz © Georg Müller

DER MAI IST GEKOMMEN

Der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus,
da bleibe, wer Lust hat, mit Sorgen zuhaus;
wie die Wolken dort wandern am himmlischen Zelt,
so steht auch mir der Sinn in die weite, weite Welt.

Frisch auf drum, frisch auf drum im hellen Sonnenstrahl
wohl über die Berge, wohl durch das tiefe Tal.
Die Quellen erklingen, die Bäume rauschen all;
mein Herz ist wie ’ne Lerche und stimmet ein mit Schall. 
Und find ich keine Herberg, so lieg ich zu Nacht
wohl unter blauem Himmel, die Sterne halten Wacht.
Im Winde die Linde, die rauscht mich ein gemach,
es küsset in der Frühe das Morgenrot mich wach. 
Herr Vater, Frau Mutter, dass Gott euch behüt!
Wer weiß, wo in der Ferne mein Glück mir noch blüht?
Es gibt so manche Straße, da nimmer ich marschiert,
es gibt so manchen Wein, den ich nimmer noch probiert. 
Und abends im Städtlein, da kehr ich durstig ein:
"Herr Wirt, eine Kanne, eine Kanne blanken Wein!
"Ergreife die Fiedel, du lust’ger Spielmann du,
von meinem Schatz das Liedel, das sing ich dazu. 
O Wandern, o wandern, du freie Burschenlust!
Da weht Gottes Odem so frisch in die Brust,
da singet und jauchzet das Herz zum Himmelszelt:
wie bist du doch so schön, du weite, weite Welt!
Emanuel Geibel

 Maivogel © Werner Bartsch


Sonntag, 11. Mai 2014

Emma Siegmund-Herwegh, geboren am 10. Mai 1817 in Berlin


Auf der Suche nach einer, aus finanziellen Gründen, notwendigen, rechtefreien Hamlet-Übersetzung und erschreckenden Begegnungen mit den euphorischen Shakespeare-Vergewaltigungen durch Gerhart Hauptmann (Hamlet in Wittenberg), Theodor Fontane und einigen anderen überehrgeizigen Deutschschluderern, stieß ich auf eine erstaunlich klare und ernstzunehmende Version des Vormärz-Dichters Georg Herwegh. Ein "beut", heute bietet, hie und da, läßt sich problemlos ändern, der Rest ist ... gut. 
Dann lese ich über den Mann, ein interessanter Kerl, aber seine Frau ist der Hammer!  
Emma Siegmund: Sie hat Georg geliebt, Kinder mit ihm gezeugt, einen Salon für Turgenjev, Heine, Bakunin und viele andere aufregende Zeitgenossen geöffnet, Georgs Fremdgehen nicht hingenommen und ihn verlassen, einen italienischen Revolutionär, Felice Orsini, geliebt und ihm FEILEN ins Gefängnis geschmuggelt, Hosen getragen, um als Spion hinter feindlichen Linien zu arbeiten, hat sich mit Georg versöhnt, politisch gedacht und gekämpft, Georg überlebt, Frank Wedekind durch ihren Witz fasziniert, ihr Leben lang hart gearbeitet, revolutionär gedacht und gekämpft und ist schlußendlich großartig gescheitert. Was für ein tolles Leben, so viel Kraft, Leidenschaft und Ausdauer. Ihre Biographie hat den schönen Titel: Die grösste und beste Heldin der Liebe.

EMMA SIEGMUND - HERWEGH

Portrait Maler unbekannt

Obwohl in den besten Berliner Kreisen zuhause, wohlbegütert und hochbegabt, engagierte sie sich für demokratische Ideale, nahm dafür Not und Exil in Kauf. Sie lebte und dachte selbstbewusst, europäisch und revolutionär. Sie ritt wie der Teufel, schoss mit Pistolen, schwamm bei Mondschein in Flüssen und Seen, turnte, rauchte. Sie besuchte die rapide wachsenden Elendsviertel Berlins und betreute Polens Freiheitskämpfer im preußischen Gefängnis. In ihren eigenen Kreisen fühlte sie sich jedoch kaum noch zu Hause. In ihren Tagebüchern lässt sie ihrem Hohn darüber freien Lauf: "Beamtenseelen", "Philister", "liberales Pack", "fahle Brut", "Hofschranzen", "Speichellecker".

Berlin, den 10. Februar 1843

Mein lieber Georg!

Vor wenigen Stunden habe ich die Zeichnungen zu einem Tisch für Dich erhalten, sieh sie an, und gefällt Dir die eine davon, schicke sie schnell zurück, damit ich für die Ausführung sorgen kann. 

Den nächsten Montag werde ich auch die noch fehlenden Scheine erhalten und Dir senden, wenige Wochen später komme ich dann selbst, von den Eltern und Gustav begleitet. Fanny kann der Kleinen wegen nicht in dieser Jahreszeit reisen und gedenkt uns lieber im Sommer zu besuchen, wenn wir sonst schon von unserer Reise heimgekehrt sein werden. 
Je näher die Zeit unserer Vereinigung heranrückt, desto grösser ist meinerseits mein Verlangen nach Dir, aber auch wieder die Besorgnis, Dich dauernd fesseln und befriedigen zu können, wie ich es möchte und überhaupt ein Weib es soll, wenn sie Deiner würdig ist. Du glaubst nicht, wie viel mir noch fehlt, wie viel Geduld Du auch wirst mit mir haben müssen und wie arm meine Natur in geistiger Beziehung im Vergleich zu der Deinen ist. 
Nimm, was ich Dir schreibe, nicht für eine Superbescheidenheit, ich bin nie bescheiden gewesen und halte diese Eigenschaft für ebenso einfältig als die entgegengesetzte. Das einzige, was alle meine Kräfte und mein Interesse ungeteilt in Anspruch nimmt, ist das Geschick, eigentlich die politische Entwicklung meines Volkes und meine Liebe, in allem übrigen bin ich Stümper, Dilettant, und ich hasse den Dilettantismus. – Nur in der Liebe fühle ich mich ganz fertig und gestählt zu dem Grössten. Ich fürchte, dass es besser gewesen wäre, Du hättest mich ein Jahr später kennen gelernt, der Mensch vermag viel in einem Jahr, und ich wäre imstande gewesen, Dir besseres bieten zu können, – mehr Dich fortwährend anzuregen und heben. Genug, ich bin heute verstimmt, es ist besser, ich verarbeite dies im Stillen, als dass ich Dich und mich laut quäle.
Es ist gut, dass ich nicht mehr lange unter diesem Pack zu leben brauche, sie würden mich mit der Zeit zur lächerlichen Selbstüberhebung bringen, während Dir gegenüber meine eigene Person mir nicht in den Sinn kommt. Lass uns reisen, recht bald, recht weit und ganz, ganz allein. Sind wir erst beisammen, wird alles besser sein.
Adieu mein Herz; ich bombardiere Dich jetzt tüchtig mit Briefen, wenn sie Dir zu oft kommen, denke fein, dass Du es so gewollt und Dein Schatz nicht anders gekonnt.

Deine Emma.



 DAS LIED VOM HASSE
1841

Wohlauf, wohlauf, über Berg und Fluß
Dein Morgenrot entgegen,
Dem treuen Weib den letzten Kuß,
Und dann zum treuen Degen!
Bis unsre Hand in Asche stiebt,
Soll sie vom Schwert nicht lassen;
Wir haben lang genug geliebt
Und wollen endlich hassen!

Die Liebe kann uns helfen nicht,
Die Liebe nicht erretten;
Halt du, o Haß, dein Jüngst Gericht,
Brich du, o Haß, die Ketten!
Und wo es noch Tyrannen gibt,
Die laßt uns keck erfassen;
Wir haben lang genug geliebt
Und wollen endlich hassen!

Wer noch ein Herz besitzt, dem soll's
Im Hasse nur sich rühren;
Allüberall ist dürres Holz,
Um unsre Glut zu schüren.
Die ihr der Freiheit noch verbliebt,
Singt durch die deutschen Straßen:
»Ihr habet lang genug geliebt,
O lernet endlich hassen!«

Bekämpfet sie ohn Unterlaß,
Die Tyrannei auf Erden,
Und heiliger wird unser Haß
Als unsre Liebe werden.
Bis unsre Hand in Asche stiebt,
Soll sie vom Schwert nicht lassen;
Wir haben lang genug geliebt
Und wollen endlich hassen!

 Georg Herwegh

Literatur über Emma Herwegh:

Barbara Rettenmund und Jeannette Voirol
Emma Herwegh — Die grösste und beste Heldin der Liebe


Freitag, 9. Mai 2014

Lear & seine Narren


"Wie könnten Narren müde werden!" 
Franz Kafka
Aus Kinder auf der Landstraße

     Ich habe einen Narren am Narren gefressen! Im Lear gibt es viele. Erstmal den Profi,
     der in Narrenfreiheit so schonungs- wie hoffnungslos dem König die Wahrheit um die
     Ohren schleudert. Und Arm-Tom, verwöhnter Sohn, nun enttäuscht & gejagt, der sich
     in anarchisch zornige Narrheit flüchtet. Und Kent, der in verbissener Narrentreue dem 
     König in den Abgrund nachstolpert. Und der König selbst, der närrisch glaubt, dass er
     bleibt was er war, auch wenn er nicht mehr ist was er war, nämlich König. Und... Genau
     betrachtet, finde ich in jeder Figur des Stückes einen tiefen närrischen Kern. Sie wissen
     auf irgendeine Art um die Schreccklichkeit ihres Tuns und können oder wollen dieses 
     Wissen nicht zulassen. Die Gier ist zu groß, der Zorn, die Angst, die Eitelkeit. Lieber blind
     wütend in die Katastrophe, als sehen und ertragen. O Narr, ich werde wahnsinnig. sagt
     Lear bevor er in den Sturm hinausgeht. Wahnsinnig zu werden, ist seine größte Angst. 
     Sehen zu müssen ist seine größte Angst.


     EDGAR:
     Den Druck der trüben Zeit muss man nun tragen;
     Was man fühlt, sprechen, nicht, was man sollte, sagen.
     Was sagst du? Sprich.

     KENT:
     Nichts. Mylord.

    EDGAR:
    Nichts?

    KENT:
    Nichts.

  
Jan Matejko 1862
Der Narr Stańczyk, wie er während des Hofballs um den Verlust von Smolensk trauert


Nicht Narr, nicht Clown, nicht Trottel, nicht Idiot.
Ihr Zuschaukünstler habt für mich kein Wort.
Ich komm aus England. Daher kommt der Tod.
Ich bin der Sterbewitz. Ich bin der Mord-

Versuch, jaja, ich weiß. Auch der macht Spaß
Weil er sich reimt und ist nicht so gemeint,
denkt ihr. Ihr denkt? Sieh an, seit wann denkt Aas.
Ich bin mein eignes Volk. Ihr seid vereint.

In dem Verein, der richtet und der henkt.
Ich will, dass ihr euch hier zu Tode lacht,
voll faulem Mitgefühl das Herz verrenkt,
ersauft in Tränen mitten in der Nacht.

Ihr seid das Volk. Ich bins, der euch verhetzt.
Ich heiß: The Fool. Das wird nicht übersetzt.
 
Thomas Brasch 
aus Liebe Macht Tod

Nur Narr! Nur Dichter!

....
"Der Wahrheit Freier - du?" so höhnten sie -
"Nein! nur ein Dichter!
ein Tier, ein listiges, raubendes, schleichendes,
das lügen muss,
das wissentlich, willentlich lügen muss,
nach Beute lüstern,
bunt verlarvt,
sich selbst zur Larve,
sich selbst zur Beute,
das - der Wahrheit Freier?...
Nur Narr! nur Dichter!
Nur Buntes redend,
aus Narrenlarven bunt herausredend,
herumsteigend auf lügnerischen Wortbrücken,
auf Lügen-Regenbogen
zwischen falschen Himmeln
herumschweifend, herumschleichend -
nur Narr! nur Dichter!..
....
Friedrich Nietzsche


Donnerstag, 8. Mai 2014

LEAR und andere - Letzte Worte


GELIEBTER MÖRDER

Der Aussage seines Arztes zufolge soll Goethe sein langes Leben mit den Worten: "Mehr Licht!" beendet haben, leider war der Doktor zum entscheidenden Zeitpunkt nicht selbst anwesend, so dass wir nicht sicher sein können, ob das stimmt. Und so, oder ähnlich ist es mit fast allen letzten Äußerungen berühmter Leute, aber bei manchen dieser posthum bekannt gewordenen Sätze, wäre es schön, wenn sie gesagt worden wären.


PETRUS ABAELAEDUS:
Ich weiß es nicht. 
21. April 1142

BRENDAN BEHAN: 
Gott segne Sie, Schwester. Mögen alle Ihre Söhne Bischöfe werden. 
zu der Nonne, die ihn pflegte am 20. März 1964

FRANÇOISE RABELAIS:
Lasst den Vorhang herunter; die Farce ist zu Ende."  
9. April 1553

IMMANUEL KANT:
Es reicht.
12. Februar 1804

W.C. FIELDS (als Vorschlag für deine Grabstein-Inschrift): 
Alles in allem, wäre ich lieber in Philadelphia.

STEVE JOBS
Oh wow. Oh wow. Oh wow. 

05. Oktober 2011

ARTHUR CONAN DOYLE: 
Du bist wunderbar.
zu seiner Frau Jean, 7. Juli 1930

Im König Lear liegt der böse böse Bastard Edmund Gloucester, gut erkennbares Vorbild des Franz Mohr, erschlagen von seinem ehelichen Bruder Edgar noch einige Zeit auf der Bühne rum und stammelt?, haucht?, bellt? letzte Sätze hervor. Er kann nicht aufhören. Ein wenig Selbstlob, ein bisschen schlechtes Gewissen und dann eine Überraschung, nicht als allerletzte Worte, aber doch fast: Kent betritt die Bühne mit einem blutigen Messer, er teilt den wenigen anwesenden Überlebenden mit, dass Lears Töchter tot seien, Reagan vergiftet von der Schwester Goneril, die sich dann selbst mit eben diesem Messer den Tod gegeben hat. Die beiden Frauen sterben, nach Shakespeare, im Off, der Vater wird nur die dritte und jüngste Tochter betrauern.

KENT:
Mein Gott! Warum? 
EDMUND:
              Doch Edmund wurd geliebt:
Die eine gab der andern Gift um mich,
Und danach sich den Tod.

ALBANY:
Ganz so. Deckt die Gesichter.

Das ist wunderbar. 
Doch Edmund wurde geliebt! Man kann entscheiden, ob das "doch"  meint, alle anderen wären nicht geliebt worden, oder, dass er trotz seiner menschlichen Defizite, trotz des 'Makels' seiner Geburt, doch liebens-würdig gewesen ist. 
 


Tod einer Jungfrau 
Detail
1606
Michelangelo Merisi da Caravaggio
 
KENT:
Alack! why thus?
EDMUND:
              Yet Edmund was belov'd:
The one the other poison'd for my sake,
And after slew herself.
ALBANY:
Even so. Cover their faces.

Sonntag, 4. Mai 2014

WELTLACHTAG


     
     WELTLACHTAG - Wer kommt auf sowas?

     Das Privileg der Götter wie der Menschen ist das Lachen.
     Demokrit, griechischer Philosoph 460-370 v. Chr. 

     Die liebe Wiki gibt mir folgende Informationen:
     Der Weltlachtag ist ein Welttag, der jährlich am ersten Sonntag im
     Mai begangen wird. Die Idee stammt aus der Yoga-Lachbewegung,
     die weltweit in über 6.000 Lachclubs organisiert ist. Punkt 14:00 Uhr
     deutscher Zeit (12:00 GMT) wird dabei gemeinsam für drei Minuten 
     gelacht.

     Was für eine irre Vorstellung: 7.00 Uhr wecken, Zähneputzen & Waschen,
     9.00 Uhr Atemübungen, 11.00 vielleicht höhere Geometrie, 13.00 leichter
     veganer Lunch und ab 14.00 Uhr wird gelacht, und das weltweit. Ob der
     Globus vibrieren würde?
                                                                                         
     Dies in Verbindung mit dem Mörderischen Witz von Monty Python, in dem
     ein britischer Witz-Fabrikant den komischsten Witz aller Zeiten entwickelt
     und sich daran wortwörtlich tot lacht. Die britische Armee beschließt
     den Witz ins Deutsche zu übersetzen, um ihn, es ist die Zeit des Ersten
     Weltkrieges, als Überraschungswaffe an der Front einzusetzen. Der Witz
     muß nun, aus Sicherheitsgründen, Wort für Wort von unterschiedlichen
     Übersetzern bearbeitet  werden. Einer versucht zwei Worte des Witzes zu
     übertragen und verbringt daraufhin mehrere Wochen im Krankenhaus. 
     Dann sieht man, wie britische Soldaten den Witz in einzelnen Worten auf
     Pappbanner gemalt, in Richtung der deutschen Schützengräben hochhalten. 
     Die Deutschen lachen sich zu Tode. Der Versuch des deutschen
     Oberkommandos einen Gegenwitz zu entwickeln, scheitert schmählich.
     Die ganze Welt lacht. Würden wir uns zu Tode lachen oder alle gemeinsam
     entspannen? 
     Im Dreissigjährigen Krieg soll es eine Foltermethode gegeben haben, bei
     der gefesselten, frei hängenden Opfern, Salz auf die Fußsohlen gerieben
     wurde. Ziegen, die Salz lieben, leckten ihnen das Salz von den Füßen
     und kitzelten sie dabei so sehr, dass sie sich totlachten. 
     
Der junge Rembrandt als Democritus der Lachende Philosoph 
1628-1629

     "Fake it, until you make it" oder "Tu als ob, bis es echt ist" sagt man im
     Lach-Yoga, das macht sogar Sinn, z. B. wenn ich Auto fahre und zu müde
     werde, fange ich an breit zu grinsen, das Anspannen, der zum breiten
     Lächeln nötigen Muskeln, scheint automatisch noch vorhandene
     Rest-Endorphine in den Kreislauf zu pumpen, ich werde nicht fröhlicher,
     aber wacher.

     Die Gelotologie von griech. γέλως gélōs „Lachen“ ist die
Wissenschaft
     der Auswirkungen des Lachens.
    
     Wir lachen nicht, weil wir glücklich
sind -
     wir sind glücklich, weil wir lachen!
     Zitat Madan Kataria

     Beipackzettel zum Lachyoga laut Wiki:
     Von Lachyoga abgeraten wird unter anderem bei Angina Pectoris, 

     Zwerchfellbruch, nicht kontrolliertem Bluthochdruck, Harn- und 
     Stuhlinkontinenz, Bandscheibenvorfall, Aneurysma, Glaukom, 
     Rippenbrüchen, sowie bei schwerem Depressionsverlauf oder 
     Einnahme von Psychopharmaka. Ausgeschlossen ist die Teilnahme 
     am Lachyoga weiterhin bei akuten Atemwegs- und 
     Viruserkrankungen, Borderline-Störung, Bipolarer Störung und 
     Schizophrenie.

Kagao! Lachfalten Gesichtsgürtel
Kogao! Smile Lines Face Belt

     Ich fand auch, daß Lachen eine Krankheit ist, denn Philemon ist ja dran 
     gestorben, und Democritus ist bis an sein End damit infiziert gewesen. So 
     sagen auch noch auf den heutigen Tag unsere Weiber, sie möchten sich zu 
     Tod lachen! Man sagt, es habe seinen Ursprung von der Leber, aber ich 
     glaube ehender, es komme aus übriger Torheit her, sintemal viel Lachen 
     kein Anzeichen eines vernünftigen Manns ist. Es ist unvonnöten, eine Arznei 
     dawider zu verordnen,  weil es nicht allein eine lustige Krankheit ist,
     sondern auch manchem vergehet, ehe ers gern hat.
     Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen: Simplicius
      Simplicissimus - Kapitel 89
 

   http://www.spiegel.de/kultur/literatur/philosophie-des-humors-nachgedacht-und-mitgelacht-a-413791.html


Freitag, 2. Mai 2014

Musik, meine lotterhafte Liebe


Seit Jahren bastele ich mir für jede der vier Jahreszeiten eine eigene Musikliste zusammen, da ich viel durch die deutschen Lande fahre und die das Radio beherrschenden "besten Hits der 70er, 80er, 90er" und die drei bis vier Toptitel der augenblicklichen Verkaufslisten, mir nach kürzester Zeit ungeheuer auf die Nerven gehen, ganz zu schweigen von der mir völlig unverständlichen An- und Absicht der meisten Radiowerbungsmacher, dass ich, was auch immer, kaufen werde, wenn man es mir nur atemlos, angestrengt lustik und manisch schreiend anpreist. Und Radio Eins gibt halt 100 Kilometer von Berlin entfernt den Geist auf! Jedes Mal, wenn ich auf 99,1 wieder Musik höre, weiß ich, gleich bin ich zu Hause!

Meinen musikalischen Geschmack eklektisch zu nennen, wäre eine äußerst höfliche Umschreibung, außerdem ist er Wetter-, Launen-, Liebes- und Arbeitsinteressen abhängig, wankt zwischen wunderbaren Tonwerken und übelstem Kitsch und hat keinerlei Maß, Regel oder irgendjemanden außer mich selbst überzeugende Auswahlkriterien.

Wenn "Cyrano de Bergerac" nur Barockremixe (Ist Remixe überhaupt ein Wort?) braucht, tauchen halt solche in der entsprechenden Liste auf, umrahmt von Discomusik der Zeit der großen Schulterpolster, Alan-Lomax Entdeckungen aus den südlichen Staaten Amerikas, Liedern die sich mir in der Lebenszeit meines ersten Kassettenrekorders, also zwischen 1973 und 1983, ins Gehirn gebrannt haben und Zufallsfunden aller Art. 

Auf der aktuellen Frühjahrsliste 2014 finden sich zum Beispiel Herbie Hancock, The Band, Radical Face, Pharell Williams, Big Bill Bronzy und The Cat Empire in überraschter Gesellschaft. 

Autobahnfahrten sind langweilig, und die wilde Mischung, die mir mein iPod liefert, macht sie um Vieles unterhaltsamer. Aber trotzdem wüßte ich sehr gern, warum mein Ohr, mein Bauch, mein Körper, das eine Lied mag oder sogar liebt, das andere ablehnt und auf ein anderes gar nicht reagiert. Tonfolgen sind etwas zutiefst Persönliches, aber wie wählen wir die aus, die uns berühren, aufheitern, tanzen machen? Wann und wie findet diese hochindividuelle Prägung statt? 

 
Bei mir zu Hause wurde, außer instrumentaler Barockmusik, keinerlei klassische Musik gehört, dann gab es Freddy Quinn und Ernst Busch für meinen Vater und den das Hollywood der Dreissiger Jahre und die jeweils aktuelle Popmusik bevorzugenden Geschmack meiner Mutter. 
Meine erste eigene Platte war Let It Be von den Beatles, ein Geschenk meines Onkels und die biegsamen bunten Plastkscheiben aus der russischen Kinderzeitung Bunte Bilder aka "Wesjolyje kartinki". Frank Schöbel hatte 1971 einen Hit in der Schlagerparade des Westberliner Radiosenders RIAS II mit "Da war Gold in deinen Augen" und meine erste große Verliebtheit hat mir Jethro Tulls "Aqualung" vorgespielt. Er war um einiges älter! 
Ruth Berghaus war die Regisseurin meines ersten und überaus erfreulichen Opernerlebnisses in der Berliner Staatsoper mit ihrer Inszenierung des "Freischütz", und als die drei Brautjugfern "Wir winden dir den Jungfernkranz" im ironisch-seligen Tanztrio darboten, wogte um mich der größte Buh-Orkan meines Lebens auf. Ein Zuschauer hinter mir schrie schrill Buh, während sein künstliches Gebiss sich weigerte seinen Emotionen zu folgen und eisern zusammengebissen blieb. Das Bild vergesse ich nie!
 

Ihr kennt sicherlich dieses Gefühl, wenn sich der Flaum auf euren Unterarmen aufstellt, eine instinktive physische Reaktion, die man nicht wirklich beeinflussen kann, sie ist mein privater ultimater Gradmesser für die Qualität von Musik, aber leider keiner mit dem ich irgendwen beeindrucken könnte. Meine spärliche Körperbehaarung reagiert auf "Unsterbliche Opfer" , Billy Joels "Leningrad" und Teile von Mozarts "Requiem" nämlich in genau gleicher Weise.
Wiki schreibt:
Musik (μουσικὴ [τέχνη]: mousikē technē: „musische Kunst“) ist eine Kunstgattung, deren Werke aus organisierten Schallereignissen bestehen. Zu ihrer Erzeugung wird akustisches Material – Töne und Geräusche innerhalb des für den Menschen hörbaren Bereichs –, das einerseits physikalischen Eigengesetzlichkeiten, wie zum Beispiel der Obertonreihe oder Zahlenverhältnissen unterliegt, andererseits durch die Art seiner Erzeugung mit der menschlichen Stimme, mit Musikinstrumenten, elektrischen Tongeneratoren oder anderen Schallquellen gewisse Charakteristika aufweist, vom Menschen geordnet. Aus dem Vorrat eines Tonsystems werden Skalen gebildet. Deren Töne können in unterschiedlicher Lautstärke und Klangfarbe erscheinen und Melodien bilden. Aus der zeitlichen Folge der Töne und Geräusche verschieden langer Dauer entstehen Rhythmen. Aus dem Zusammenklang mehrerer Töne von jeweils anderer Tonhöhe erwächst Mehrstimmigkeit, aus den Beziehungen der Töne untereinander entsteht Harmonik. 

Um Georg Büchner völlig falsch zu zitieren: Was ist das, was in uns fühlt, weint, vibriert - wenn wir Musik hören???

Unsterbliche Opfer, ihr sanket dahin, 
Wir stehen und weinen, voll Schmerz, Herz und Sinn. 
Ihr kämpfet und starbet um kommendes Recht, 
Wir aber, wir trauern, der Zukunft Geschlecht.  

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Victor wurde in eine Rote-Armee-Stadt geschickt
Diente seine Zeit ab, wurde Zirkusclown
Das größte Glück das er jemals fand
War russische Kinder glücklich zu machen
Und Kinder lebten in Leningrad 


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So now I'm going back again
I got to get her somehow
All the people we used to know
They're an illusion to me now
Some are mathematicians
Some are carpenter's wives
Don't know how it all got started
I don't what they're doing with their lives
But me I'm still on the road
Heading for another joint
We always did feel the same
We just saw it from a different point of view
Tangled up in Blue.  


Was verbindet diese Lieder? Was lässt mich mitsummen, vor mich hin singen?

Ein extremes Beispiel: McAthur Park gesungen von Donna Summer, die Aufnahme dauert circa 17 Minuten und sie singt da: 

Someone left the cake out in the rain
I don't think that I can take it
'Cause it took so long to bake it
And I'll never have that recipe again, 
oh noooooo

Am Text kann es nicht liegen. 
Jemand hat den Kuchen im Regen liegen lassen
Ich glaube, ich kann es nicht aushalten
weil es hat so lange gebraucht, ihn zu backen,
und ich werde dieses Rezept nie wieder bekommen
oh neieieieiein

Donnerstag, 1. Mai 2014

Der Nacken


 
Der Nacken
Nach Grimm: im eigentlichen Sinne, der hintere Theil des Halses, 
das Hinterhaupt. 
 
Jean-Antoine Watteau
 
 
Ihr Haar im Nacken reizet mich
Zu hundert kleinen Torenspielen.
Fast nimmermüde läßt es sich
In diesen seidnen Locken wühlen.
Sie äugelt nach dem Spiegel hin,
Belauschet meine Neckereien;
Sie schilt, daß ich ein Tändler bin,
Und freut sich doch der Tändeleien.
 
Aus: Gottfried August Bürger Die beiden Liebenden


Wiki sagt: Die Redensarten „jemand hat den Schalk im Nacken“ bzw. „jemandem sitzt der Schalk im Nacken“ weisen dem Genannten die Eigenschaft eines Schalks zu, bedeuten aber eigentlich „jemandem sitzt ein schalkhafter Dämon im Nacken“. Die Nähe zum Kopf macht den Nacken zu einem begehrten Angriffsziel für Dämonen. So kann auch Angst im Nacken sitzen, den man beugt, wenn man sich dem Schicksal eribt, das manchmal Nackenschläge versetzt.  

Der Nacken einer Frau
Andre Derain 1928

Ich 
  bin
eine Koralle
im Meer der
Erinnerungen
und warte
auf den Wind
Prinzessin
fisch
mich auf
leg mich
um deinen Hals
Das wär
mein Glück

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denn ich weis, das du hart bist, und dein nack ist ein eisern ader. Jes. 48, 4 

Breite um Nacken und Hals mir die Arme,
Lege dein Haupt an die klopfende Bruſt.
Daß ich an deinem Herzen erwarme,
Breite um Nacken und Hals mir die Arme,
Siehſt du nicht, daß ich vergeh’ im Harme
Mächtiger Sehnſucht nach Liebe und Luſt.
Breite um Nacken und Hals mir die Arme,
Lege dein Haupt an die klopfende Bruſt.

Detlev von Liliencron