Sonntag, 6. Oktober 2013

Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden


Ich liebe Herrn Heinrich von Kleist. Liebe ihn, weil er sagt, was ich nicht ausdrücken kann und weil er so sehr traurig war, aber nicht damit zufrieden, sondern immer trotzdem oder deswegen geschrieben hat, und weil er versucht hat vor seiner Traurigkeit wegzulaufen nach Frankreich oder in die Schweiz, bis er an dem berühmten Seeufer stand und nicht mehr weiterlaufen konnte, und weil er einen Brief voller Kosenamen verschickt hat und nie aufhörte, herrliche Worte zu notieren, und weil Frankfurt an der Oder noch immer so gräßlich öde und sandig ist, und er die Schwere des Schlusssteins in mein Hirn geprägt hat, und weil Küsse wirklich wie Bisse sein können, und weil Goethe, der Anpassler ihn ausgelacht hat, und obwohl auch "Der zerbrochene Krug" mir nicht glaubwürdig beweist, dass Deutsche Komödien schreiben können, und weil er witzig war, auch wenn man das den meisten Inszenierungen seiner Stücke nicht anmerkt, und weil er "Die Wahrheit ist, daß mir auf Erden nicht zu helfen war." gemeint hat und doch den Monolog des Sosias zum Beginn vom Amphitryon schreiben konnte. Unfassbar und so ganz nah. Ach. He, Holla!

Wenn du etwas wissen willst und es durch Meditation nicht finden kannst, so rate ich dir, mein lieber, sinnreicher Freund, mit dem nächsten Bekannten, der dir aufstößt, darüber zu sprechen.

Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden

Heinrich von Kleist

Wenn du etwas wissen willst und es durch Meditation nicht finden kannst, so rate ich dir, mein lieber, sinnreicher Freund, mit dem nächsten Bekannten, der dir aufstößt, darüber zu sprechen. Es braucht nicht eben ein scharfdenkender Kopf zu sein, auch meine ich es nicht so, als ob du ihn darum befragen solltest: nein! Vielmehr sollst du es ihm selber allererst erzählen. Ich sehe dich zwar große Augen machen, und mir antworten, man habe dir in frühern Jahren den Rat gegeben, von nichts zu sprechen, als nur von Dingen, die du bereits verstehst. Damals aber sprachst du wahrscheinlich mit dem Vorwitz, andere, ich will, daß du aus der verständigen Absicht sprechest, dich zu belehren, und so können, für verschiedene Fälle verschieden, beide Klugheitsregeln vielleicht gut nebeneinander bestehen. Der Franzose sagt, l'appétit vient en mangeant, und dieser Erfahrungssatz bleibt wahr, wenn man ihn parodiert, und sagt, l'idee vient en parlant.
Oft sitze ich an meinem Geschäftstisch über den Akten, und erforsche, in einer verwickelten Streitsache, den Gesichtspunkt, aus welchem sie wohl zu beurteilen sein möchte. Ich pflege dann gewöhnlich ins Licht zu sehen, als in den hellsten Punkt, bei dem Bestreben, in welchem mein innerstes Wesen begriffen ist, sich aufzuklären. Oder ich suche, wenn mir eine algebraische Aufgabe vorkommt, den ersten Ansatz, die Gleichung, die die gegebenen Verhältnisse ausdrückt, und aus welcher sich die Auflösung nachher durch Rechnung leicht ergibt. Und siehe da, wenn ich mit meiner Schwester davon rede, welche hinter mir sitzt, und arbeitet, so erfahre ich, was ich durch ein vielleicht stundenlanges Brüten nicht herausgebracht haben würde. Nicht, als ob sie es mir, im eigentlichen Sinne, sagte; den sie kennt weder das Gesetzbuch, noch hat sie den Euler, oder den Kästner studiert. Auch nicht, als ob sie mich durch geschickte Fragen auf den Punkt hinführte, auf welchen es ankommt, wenn schon dies letzte häufig der Fall sein mag. Aber weil ich doch irgendeine dunkle Vorstellung habe, die mit dem, was ich suche, von fern her in einiger Verbindung steht, so prägt, wenn ich nur dreist damit den Anfang mache, das Gemüt, während die Rede fortschreitet, in der Notwendigkeit, dem Anfang nun auch ein Ende zu finden, jene verworrene Vorstellung zur völligen Deutlichkeit aus, dergestalt, daß die Erkenntnis zu meinem Erstaunen mit der Periode fertig ist. Ich mische unartikulierte Töne ein, ziehe die Verbindungswörter in die Länge, gebrauche wohl eine Apposition, wo sie nicht nötig wäre, und bediene mich anderer, die Rede ausdehnender, Kunstgriffe, zur Fabrikation meiner Idee auf der Werkstätte der Vernunft, die gehörige Zeit zu gewinnen. Dabei ist mir nichts heilsamer, als eine Bewegung meiner Schwester, als ob sie mich unterbrechen wollte; denn mein ohnehin schon angestrengtes Gemüt wird durch diesen Versuch von außen, ihm die Rede, in deren Besitz es sich befindet, zu entreißen, nur noch mehr erregt, und in seiner Fähigkeit, wie ein großer General, wenn die Umstände drängen, noch um einen Grad höher gespannt. In diesem Sinne begreife ich, von welchem Nutzen Moliere seine Magd sein konnte; denn wenn er derselben, wie er vorgibt, ein Urteil zutraute, das das seinige berichten konnte, so ist dies eine Bescheidenheit, an deren Dasein in seiner Brust ich nicht glaube. Es liegt ein sonderbarer Quell der Begeisterung für denjenigen, der spricht, in einem menschlichen Antlitz, das ihm gegenübersteht; und ein Blick, der uns einen halb ausgedrückten Gedanken schon als begriffen ankündigt, schenkt uns oft den Ausdruck für die ganz andere Hälfte desselben.
Ich glaube, daß mancher großer Redner, in dem Augenblick, da er den Mund aufmachte, noch nicht wußte, was er sagen würde. Aber die Überzeugung, daß er die ihm nötige Gedankenfülle schon aus den Umständen, und der daraus resultierenden Erregung seines Gemüts schöpfen würde, machte ihn dreist genug, den Anfang, auf gutes Glück hin, zu setzen.
Mir fällt jener »Donnerkeil« des Mirabeau ein, mit welchem er den Zeremonienmeister abfertigte, der nach Aufhebung der letzten monarchischen Sitzung des Königs am 23ten Juni, in welcher dieser den Ständen auseinanderzugehen anbefohlen hatte, in den Sitzungssaal, in welchem die Stände noch verweilten, zurückkehrte, und sie befragte, ob sie den Befehl des Königs vernommen hätten? »Ja«, antwortete Mirabeau, »wir haben des Königs Befehl vernommen« - ich bin gewiß, daß er, bei diesem humanen Anfang, noch nicht an die Bajonette dachte, mit welchen er schloß: »ja, mein Herr«, wiederholte er, »wir haben ihn vernommen« - man sieht, daß er noch gar nicht recht weiß, was er will. »Doch was berechtigt Sie« - fuhr er fort, und nun plötzlich geht ihm ein Quell ungeheurer Vorstellungen auf - »uns hier Befehle anzudeuten? Wir sind die Repräsentanten der Nation.« - Das war es, was er brauchte! »Die Nation gibt Befehle und empfängt keine« - um sich gleich auf den Gipfel der Vermessenheit zu schwingen. »Und damit ich mich ihnen ganz deutlich erkläre« - und erst jetzo findet er, was den ganzen Widerstand, zu welchem seine Seele gerüstet dasteht, ausdrückt: »So sagen Sie Ihrem Könige, daß wir unsere Plätze anders nicht, als auf die Gewalt der Bajonette verlassen werden.« - Worauf er sich, selbstzufrieden, auf einen Stuhl niedersetzte. - Wenn man an den Zeremonienmeister denkt, so kann man sich ihn bei diesem Auftritt nicht anders, als in einem völligen Geistesbankerott vorstellen; nach einem ähnlichen Gesetz, nach welchem in einem Körper, der von einem elektrischen Zustand Null ist, wenn er in eines elektrisierten Körpers Atmosphäre kommt, plötzlich die entgegengesetzte Elektrizität erweckt wird. Und wie in dem elektrisierten dadurch, nach einer Wechselwirkung, der in ihm inwohnende Elektrizitätsgrad wieder verstärkt wird, so ging unseres Redners Mut, bei der Vernichtung seines Gegners, zur verwegensten Begeisterung über. Vielleicht, daß es auf diese Art zuletzt das Zucken einer Oberlippe war, oder ein zweideutiges Spiel an der Manschette, was in Frankreich den Umsturz der Ordnung der Dinge bewirkte. Man liest, daß Mirabeau sobald der Zeremonienmeister sich entfernt hatte, aufstand, und vorschlug: 1) sich sogleich als Nationalversammlung, und 2) als unverletzlich, zu konstituieren. Denn dadurch, daß er sich, einer Kleistischen Flasche gleich, entladen hatte, war er nun wieder neutral geworden, und gab, von der Verwegenheit zurückgekehrt, plötzlich der Furcht vor dem Chatelet, und der Vorsicht, Raum.
Dies ist eine merkwürdige Übereinstimmung zwischen den Erscheinungen der physischen und moralischen Welt, welche sich, wenn man sie verfolgen wollte, auch noch in den Nebenumständen bewähren würde. Doch ich verlasse mein Gleichnis, und kehre zur Sache zurück.
Auch Lafontaine gibt, in seiner Fabel: les animaux malades de la peste, wo der Fuchs dem Löwen eine Apologie zu halten gezwungen ist, ohne zu wissen, wo er den Stoff dazu hernehmen soll, ein merkwürdiges Beispiel von einer allmählichen Verfertigung des Gedankens aus einem in der Not hingesetzten Anfang. Man kennt diese Fabel. Die Pest herrscht im Tierreich, der Löwe versammelt die Großen desselben, und eröffnet ihnen, daß dem Himmel, wenn er besänftigt werden solle, ein Opfer fallen müsse. Viel Sünder seien im Volke, der Tod des größesten müsse die übrigen vom Untergang retten. Sie möchten ihm daher ihre Vergehungen aufrichtig bekennen. Er, für sein Teil, gestehe, daß er, im Drange des Hungers, manchem Schafe den Garaus gemacht; auch dem Hunde, wenn er ihm zu nahe gekommen; ja, es sei ihm in leckerhaften Augenblicken zugestoßen, daß er den Schäfer gefressen. Wenn niemand sich größerer Schwachheiten sich schuldig gemacht habe, so sei er bereit zu sterben. »Sire«, sagt der Fuchs, der das Ungewitter von sich ableiten will, »Sie sind zu großmütig. Ihr edler Eifer führt Sie zu weit. Was ist es, ein Schaf erwürgen? Oder ein Hund, diese nichtswürdige Bestie? Und: quant au berger«, fährt er fort, denn dies ist der Hauptpunkt: »On peut dire«; obschon er noch nicht weiß, was? »qu'il méritoit tout mal«; auf gut Glück; und somit ist er verwickelt; »etant«; eine schlechte Phrase, die ihm aber Zeit verschafft: »de ces gens la«, nun erst findet er den Gedanken, der ihn aus der Not reißt: »qui sur les animaux se font un chimerique empire«. Und jetzt beweist er, daß der Esel, der blutdürstige! (der alle Kräuter auffrißt), das zweckmäßigste Opfer sei, worauf alle über ihn herfallen, und ihn zerreißen.
Ein solches Reden ist wahrhaft lautes Denken. Die Reihen der Vorstellungen und ihrer Bezeichnungen gehen nebeneinander fort, und die Gemütsakte, für eins und das andere, kongruieren. Die Sprache ist alsdann keine Fessel, etwa wie ein Hemmschuh an dem Rade des Geistes, sondern wie ein zweites mit ihm parallel fortlaufendes, Rad an seiner Achse.
Etwas ganz anderes ist es, wenn der Geist schon, vor aller Rede, mit dem Gedanken fertig ist. Denn dann muß er bei seiner bloßen Ausdrückung zurückbleiben, und dies Geschäft, weit entfernt ihn zu erregen, hat vielmehr keine andere Wirkung, als ihn von seiner Erregung abzuspannen. Wenn daher eine Vorstellung verworren ausgedrückt wird, so folgt der Schluß noch gar nicht, daß sie auch verworren gedacht worden sei; vielmehr könnte es leicht sein, daß die verworrenst ausgedrückten gerade am deutlichsten gedacht werden. Man sieht oft in einer Gesellschaft, wo, durch ein lebhaftes Gespräch, eine kontinuierliche Befruchtung der Gemüter mit Ideen im Werk ist, Leute, die sich, weil sie sich der Sprache nicht mächtig fühlen, sonst in der Regel zurückgezogen halten, plötzlich, mit einer zuckenden Bewegung aufflammen, die Sprache an sich reißen und etwas Unverständliches zur Welt bringen. Ja, sie scheinen, wenn sie nun die Aufmerksamkeit aller auf sich gezogen haben, durch ein verlegnes Gebärdenspiel anzudeuten, daß sie selbst nicht mehr recht wissen, was sie haben sagen wollen. Es ist wahrscheinlich, daß diese Leute etwas recht Treffendes, und sehr deutlich, gedacht haben. Aber der plötzliche Geschäftswechsel, der Übergang ihres Geistes vom Denen zum Ausdrücken, schlug die ganze Erregung desselben, die zur Festaltung des Gedankens notwendig, wie zum Hervorbringen, erforderlich war, wieder nieder. In solchen Fällen ist es um so unerläßlicher, daß uns die Sprache mit Leichtigkeit zur Hand sei, um dasjenige, was wir gleichzeitig gedacht haben, und doch nicht gleichzeitig von uns geben können, wenigstens so schnell als möglich, aufeinander folgen zu lassen. Und überhaupt wird jeder, der, bei gleicher Deutlichkeit, geschwinder als sein Gegner spricht, einen Vorteil über ihn haben, weil er gleichsam mehr Truppen als er ins Feld führt.
Wie notwendig eine gewisse Erregung des Gemüts ist, auch selbst nur, um Vorstellungen, die wir schon gehabt haben, wieder zu erzeugen, sieht man oft, wenn offene, und unterrichtete Köpfe examiniert werden, und man ihnen, ohne vorhergegegangene Einleitung, Fragen vorlegt, wie diese: was ist der Staat? Oder: was ist das Eigentum? Oder dergleichen. Wenn diese jungen Leute in einer Gesellschaft befunden hätten, wo man sich vom Staat, oder vom Eigentum, schon eine Zeit lang unterhalten hätte, so würden sie vielleicht mit Leichtigkeit, durch Vergleichung, Absonderung und Zusammenfassung der Begriffe, die Definition gefunden haben. Hier aber, wo die Vorbereitung des Gemüts gänzlich fehlt, sieht man sie stocken, und nur ein unverständiger Examinator wird daraus schließen, daß sie nicht wissen. Denn nicht wir wissen, es ist allererst ein gewisser Zustand unsrer, welcher weiß. Nur ganz gemeine Geister, Leute, die, was der Staat sei, gestern auswendig gelernt, und morgen schon wieder vergessen haben, werden hier mit Antwort bei der Hand sein. Vielleicht gibt es überhaupt keine schlechtere Gelegenheit, sich von einer vorteilhaften Seite zu zeigen, als grade eine öffentliches Examen. Abgerechnet, daß es schon widerwärtig und das Zartgefühl verletzend ist, und daß es reizt, sich stetig zu zeigen, wenn solch ein gelehrter Roßkamm nach den Kenntnissen sieht, um uns, je nachdem es fünf oder sechs sind, zu kaufen oder wieder abtreten zu lassen: es ist so schwer, auf ein menschliches Gemüt zu spielen und ihm seinen eigentümlichen Laut abzulocken, es verstimmt sich so leicht unter ungeschickten Händen, daß selbst der geübteste Menschenkenner, der in der Hebeammenkunst der Gedanken, wie Kant sie nennt, auf das meisterhafteste bewandert wäre, hier noch, wegen der Unbekanntschaft mit seinem Sechswöchner Mißgriffe tun könnte. Was übrigens solchen jungen Leuten, auch selbst den unwissendsten noch, in den meisten Fällen ein gutes Zeugnis verschafft, ist der Umstand, daß die Gemüter der Examinatoren, wenn die Prüfung öffentlich geschieht, selbst zu sehr befangen sind, um ein freies Urteil fällen zu können. Denn nicht nur fühlen sie häufig die Unanständigkeit dieses ganzen Verfahrens: man würde sich schon schämen, von jemanden, daß er seine Geldbörse vor uns ausschütte, zu fordern, viel weniger, seine Seele: sondern ihr eigener Verstand muß hier eine gefährliche Musterung passieren, und sie mögen oft ihrem Gott danken, wenn sie selbst aus dem Examen gehen können, ohne sich Blößen, schmachvoller vielleicht, als der, eben von der Universität kommende, Jüngling, gegeben zu haben, den sie examinierten.
 

Freitag, 4. Oktober 2013

Tag der Republik - Unsere Hymne


Wir, ich meine, mich und all die anderen Deutschen, haben, soweit ich weiss, die peinlichste Hymne von allen denkbaren. Deutschland, und noch einmal wiederholt, Deutschland über ALLES? Über was? Über China? Über die Türkei? Überdrüssig? Übermütig? Überhaupt?
Hanns Eisler, der Komponist der DDRischen Hymne hat es auch nicht besser hingekriegt, und Johannes R. Becher, verkrampft und verwirrt, lieferte den öden, pseudo-optimistischen Text dazu. Brecht hat ein anderes Angebot gemacht, die Anekdote behauptet, er hätte erstmal "Wir sind ein Scheißvolk" vorgeschlagen - dies wurde nicht angenommen, warum wohl?
Was ist das - ein Volk? Mehrere Millionen Menschen, die sich, in Folge von zufällig entstandenen Konstellationen infolge der Völkerwanderungen, eine geographisch definierte Gegend teilen, eine Sprache? Nation bleibt ein Mysterium für mich. Ich liebe die deutsche Sprache, ich liebe einige Gegenden, die innerhalb des als Deutschland definierten Gebietes liegen. Aber liebe ich Deutschland? Was ist das überhaupt?
Ich mag es, wenn es Buletten, Bach und Büchner vage umschreibt. Aber ich stehe ihm völlig fremd gegenüber, wenn damit ein Recht auf ein Gebiet, eine Qualität gegenüber anderen Völkern definiert wird. Ich bin alles mögliche. Aus Berlin, jüdisch geprägt, deutsch sprechend, weiblich, anglophil. Ich habe Wurzeln in vielen Kulturen, in Hollywood Filmen und in englischen Krimis und deutschen Gedichten. Ich liebe thüringische Leberwurst und französische Croissants und sweet & sour pork.
Ich soll stolz ein Deutscher zu sein? Warum? Was ist meine anteilige Leistung daran? Ich bin stolz ein Jude zu sein? Ebenso.
Ich bin stolz. Auf was? Auf mich.

Kinderhymne

Anmut sparet nicht noch Mühe
Leidenschaft nicht noch Verstand
Daß ein gutes Deutschland blühe
Wie ein andres gutes Land

Daß die Völker nicht erbleichen
Wie vor einer Räuberin
Sondern ihre Hände reichen
Uns wie andern Völkern hin.

Und nicht über und nicht unter
Andern Völkern wolln wir sein
Von der See bis zu den Alpen
Von der Oder bis zum Rhein.

Und weil wir dies Land verbessern
Lieben und beschirmen wir's
Und das liebste mag's uns scheinen
So wie andern Völkern ihrs.

Bertolt Brecht

Das Lied der Deutschen, auch Deutschlandlied oder seltener Hoffmann-Haydn’sches Lied genannt, wurde von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben am 26. August 1841 auf der – seinerzeit britischen – Insel Helgoland gedichtet. Das Lied wurde am 5. Oktober 1841 auf dem Jungfernstieg in Hamburg erstmals öffentlich gesungen. Die Melodie stammt ursprünglich aus dem 1797 entstandenen Kaiserlied von Joseph Haydn, der offiziellen Volkshymne „Gott erhalte Franz, den Kaiser“ für den damaligen römisch-deutschen Kaiser Franz II. aus dem Haus Österreich. Später verwendete Haydn diese Melodie im zweiten Satz des Kaiserquartetts. Hoffmann von Fallersleben stellte durch die Verwendung der bekannten Melodie für den Kaiser eine Verbindung zum Alten Reich her. Im Mittelpunkt seines Liedes stand jedoch nicht mehr ein Monarch, sondern die Nation selbst.

Donnerstag, 3. Oktober 2013

Steinerne Vögel



NICK BRANDT - DURCH DAS VERWÜSTETE LAND


Das Wasser des Natronsees oder Lake Natron in Tansania ist stark alkalisch. 
Vögel werden durch die grell spiegelnde Oberfläche des Sees geblendet, 
stürzen hinein und ertrinken. Das Soda und das Salz im Wasser läßt die Körper versteinern. Getrocknet werden sie zu Statuen. Nick Brandt hat die steinernen Wesen aufgesammelt und in der ostafrikanischen Landschaft photographiert.


Taube


Flamingo


Singvogel


Schwalbe

On This Earth A Shadow Falls Across The Ravaged Land.


Alle Photos © Nick Brandt

Mittwoch, 2. Oktober 2013

Purzelbaum, Kobolz und Rolle vorwärts


Rolle vorwärts, Purzelbaum und Kobolz, drei Wörter, die dasselbe meinen, nämlich eine Bewegung, bei der der Ausführende "verbunden mit einer Translation um eine momentane Drehachse rotiert", wie es Wiki beschreibt oder etwas persönlicher formuliert: eine Körperaktion bei der ein Mensch versucht vorwärts, wildwagemutig kopfüber, den Hintern frech in die Höhe reckend und möglichst beide Beine hinterschleudernd, sich nicht den Steiss zu verletzen und, idealenfalls, elegant wieder auf den Füssen zu landen. 
Kinder purzeln gern. Das Gewicht ihrer absolut gesehen kleinen, aber relativ zum Körpergewicht schweren Hinterteile kippt sie zur Seite und nur viele unermüdliche Wiederholungsversuche führen zum glücklichen Erleben der vollständigen einmal Ganz-herum-Rolle. 

Drehe ich mich oder dreht sich die Welt? 360 Grad Perspektivwechsel in einer fliessenden Bewegung.

"Müdigkeit spürte er keine, nur war es ihm manchmal unangenehm, dass er nicht auf dem Kopf gehen konnte." Georg Büchner "Lenz"

Kopfüber. Wir purzeln in die Welt und sie verlangt von uns, dass wir ihr aufrecht begegnen. Verflixte Schwerkraft. Fliegen ohne mechanische Hilfe ist leider ausgeschlossen. Purzeln, rollen, kobolzen ist vielleicht eine Art uns schwerelos zu fühlen. Ich empfehle: an unbeoachteter Stelle einmal einen leichten Abhang herunter zu purzeln. Wenn man das Gefühl von Peinlichkeit beiseite schiebt, dies gilt für die unter uns über Dreissig, dann können wir vielleicht eine Erinnerung an ungelenke Freudensprünge, übermütiges Herumrollen, ja an Leichtigkeit erhaschen.




Die Schwaben sagen:'s purzlet wie gauklet, im Sinne von: gehüpft wie gesprungen.


Der Adelung sagt: Der Burzelbaum, Purzelbaum, des -es, plur. die -bäume, im gemeinen Leben, eine Art des Fallens, da man sich auf den Kopf stellet, den Hintern in die Höhe hebet, und auf die andere Seite niederfallen lässet. Einen Burzelbaum machen oder schießen.
   Anmerkung: Baum drückt in dieser Zusammensetzung die senkrechte Erhebung des Hintern aus.!!!! 
In Schlesien heißt der Burzelbaum ein Burzelbock, in Franken ein Stürzbaum, im Österreichischen ein Kuchenschaß, in Westphalen und Hamburg Heusterpeuster, Kopfheuster, in der Mark Brandenburg und Pommern Kobold

Kobolz schießen: einen Purzelbaum schlagen; Kobolz leitet sich von französisch ›se culbuter‹ = sich stürzen, sich herabstürzen her. Nachdem die Herkunft des Wortes in Vergessenheit geraten war, wurde in Anlehnung an ›Bolzen‹ das Wort ›schießen‹ hinzugefügt, ähnlich wie man im Rheinland einen Fußball ziellos in die Gegend ›bolzt‹, d.h. schießt. Mit dem Wort Kobold hat unsere Redensart nichts zu tun.


Der Purzelbaum 


Ein Purzelbaum trat vor mich hin
und sagt: "Du nur siehst mich
und weißt, was für ein Baum ich bin:
Ich schieße nicht, man schießt mich.

Und trag ich Frucht? Ich glaube kaum;
auch bin ich nicht verwurzelt.
Ich bin nur noch ein Purzeltraum,
sobald ich hingepurzelt."

"Je nun", so sprach ich, "bester Schatz,
du bist doch klug und siehst uns; -
nun, auch für uns besteht der Satz:
wir schießen nicht, es schießt uns.

Auch Wurzeln treibt man nicht so bald,
und Früchte nun erst recht nicht.
Geh heim in deinen Purzelwald,
und lästre dein Geschlecht nicht."


Christian Morgenstern

Dienstag, 1. Oktober 2013

Parmigianino - ein Manierist



Girolamo Francesco Maria Mazzola
genannt Parmigianino
oder Der Kleine aus Parma 
1503 - 1540


Selbstporträt mit 21 in einem konvexen Spiegel 
circa 1524
24 cm Durchmesser

Vasari schrieb, dass der Maler dieses bizarre Werk folgendermaßen erschuf: "Parmigianino ... begann sich selbst zu malen, wie einem konvexen Rasierspiegel erschien. Er ließ eine Holzkugel von einem Drechsler anfertigen und halbierte ihn, und auf auf einer Hälfte begann er alles zu malen, was er im Spiegel sah. Weil der Spiegel alles vergrößerte, was nah, und verkleinerte, was entfernt war, malte er die Hand etwas groß."

Wie Parmigianino es machte, die rechte Hand
Größer als der Kopf, dem Betrachter entgegengestreckt
Und sich leicht wegbiegend, wie um zu schützen
Was es anpreist. ...

As Parmigianino did it, the right hand
Bigger than the head, thrust at the viewer
And swerving easily away, as though to protect
What it advertises.

Aus einem Gedicht des New Yorker Poeten John Ashbery
As Parmigianino did it, the right hand
Bigger than the head, thrust at the viewer
And swerving easily away, as though to protect
What it advertises. - See more at: http://www.poets.org/viewmedia.php/prmMID/5926#sthash.7lqbGik9.dpuf


Antea 1531-34


Und hier noch einmal womöglich dieselbe Frau

Die Madonna mit dem langen Hals 1534-40

Samstag, 28. September 2013

Das ist ein weißer Schimmel, alter Knabe!



Tautologie & Oxymoron & Pleonasmus & Ellipse &
Hendiadyoin


Solch schöne Wörter für Worte. 
   Wie oft beginnt jemand eine seiner Äußerungen mit den scheinbar harmlosen Worten: 

      "um wirklich die Wahrheit zu sagen" oder "mal ganz ehrlich" oder"wenn ich offen
      sprechen soll"? Oft? Ja. Oft. Sätze werden mit enthüllenden Formulierungen 
      eingeleitet, die klar aussagen, dass sonst, nämlich immer, wenn nicht die 
      obengenannten Floskeln vorausgeschickt werden, gelogen wird. Großartig!
      Sprache ist verräterisch. Sie jubelt uns Wörter, Sätze unter, die wir willentlich niemals 
      meinen würden. Sprache ist geduldig, sie läßt uns die Zeit, uns zu entblößen, zu 
      verraten. Wenn es denn jemanden gibt, der genau zuhört.
      Der Mann am Rande des Nervenzusammenbruchs, der Ende 1989, auf einer der noch 
      immer stattfindenden SED-Kreissitzungen, seine Rede mit den unsterblichen Worten: " 
      Hu, Genossen, Rra, es lebe der Sozimus!" eröffnete, der Fußballtrainer, der in 
      Ermangelung genauerer Beschreibung "Der Ball ist rund." in das Mikrophon 
      stammelte.  "Ich liebe Dich" und aber auch: "Ich liebe Schnitzel". 
      Wir glauben die Meister unserer Worte zu sein, aber manchmal werden wir hinterrücks 
      von ihnen übertölpelt. Sie verstricken uns in unsere Widersprüche. Sprache ist ein
      Minenfeld und eine Schatztruhe, Selbstschußanlage und  auch (im Glücksfall) die
      Machete mit der wir uns aus der Verwirrung unseres Hirns befreien können. 
      Sie kann Nichtsagbares sagen, und manch uns noch unverständlicher Gedanke, wird
      klar und begreifbar, wenn wir versuchen ihn zu umschreiben. "Die allmähliche 
      Verfertigung der Gedanken beim Reden" liest sich für mich wie eine Gebrauchs-
      anleitung für Erste Hilfe in Denknotfällen.
      Und dann gibt es Menschen, die sich in Sprache vertiefen, sie untersuchen, hin und
      her wenden, sie umstülpen und dabei Begriffe für Muster, Figuren erfinden und 
      manche davon klingen wie poetische Kosenamen. 

---------------------



Alles kursiv Geschriebene hat Wikipedia geliefert.

Der Ausdruck Tautologie - von altgriechisch ταὐτό = τὸ αὐτό to autó ‚dasselbe‘ sowie λόγος lógos ‚Sprechen, Rede‘) bezeichnet in der Stilistik und Rhetorik eine rhetorische Figur, bei der mit einer inhaltlichen Wiederholung gearbeitet wird. Bewusste Tautologien werden in sogenannten „Zwillingsformeln“ geprägt.

Geschäft ist Geschäft
offen und ehrlich
nackt und bloß
ganz und gar
Das Hendiadyoin ist ein Ausdruck, also eine so genannte Zwillingsformel.
Dabei ist in manchen Fällen eins der beiden Wörter allein heute ungebräuchlich:
frank und frei,
rank und schlank
klipp und klar
In Abgrenzung zur Tautologie bilden beim Hendiadyoin die beiden Wortbestandteile zusammen erst die eigentliche Bedeutung des Ausdrucks (beispielsweise
„Hab und Gut“ für „Besitz“). Bei der Tautologie besitzen dagegen die beiden Wortbestandteile auch schon für sich allein genommen die gleiche Bedeutung wie der gesamte Ausdruck, der als Ganzes in der Regel nur eine rhetorische Verstärkungsfunktion erfüllt (beispielsweise „Art und Weise“).
Hinz und Kunz
Kind und Kegel
Saus und Braus
Hendiatris (mit dreien): Wein, Weib und Gesang
Hendiatetris (mit vieren): frisch, fromm, fröhlich, frei 
 Wird hingegen innerhalb einer Wortgruppe eine bestimmte Bedeutung mehrfach auf unterschiedliche Weise zum Ausdruck gebracht, spricht man von einem Pleonasmus. 

Oder man könnte auch doppelt-gemoppelt dazu sagen. 
Der Doppelmoppel:

ABM-Maßnahme
lohnenswert
andere Alternative
vorbeigehender Passant
fleischgewordene Inkarnation
klammheimlich (verkappte Tautologie, da lateinisch clam „heimlich“)
für gewöhnlich etwas zu tun pflegen
Zukunftsprognosen
aufoktroyieren
Aber auch: 

Rose is a rose is a rose is a rose - aus dem Gedicht Sacred Emily von Gertrud Stein 

Ein Gegenbegriff zu Tautologie ist das Oxymoron.
Ein Oxymoron - griechisch ὀξύμωρος – aus oxys: scharf(sinnig) und moros: dumm; 
ist eine rhetorische Figur, bei der eine Formulierung aus zwei gegensätzlichen, einander widersprechenden oder sich gegenseitig ausschließenden Begriffen gebildet wird. 
Häufig werden Oxymora in Form von Zwillingsformeln geprägt. Auch einzelne Wörter 
oder Begriffe oder auch ein ganzer Satz können ein Oxymoron bilden. 
Man könnte es auch einen Widerspruch in sich nennen.


offenes Geheimnis
bittersüß
herrenloses Damenrad
Eile mit Weile
stummer Schrei
oder
die schwarze Milch in der Todesfuge Paul Celans
  Als Ellipse - griechisch ἔλλειψις élleipsis „Fehlen“, „Aussparung“ bezeichnet man das Auslassen von Satzteilen, aber auch die Sätze mit Auslassungen. 

Mir nichts, dir nichts.
Ende gut alles gut. 


 Erlaubtes Parken geht aber schon.

http://www.netzwort.de/commentarium/index.php?id=23 

 http://pfeffermatz.wordpress.com/2012/11/04/573/
http://de.wikipedia.org/wiki/Tautologie_%28Sprache%29


Sprache ohne Vernunft

– Die Vernunft schwamm im Strom
des Weines davon. –

1
Ein guter Fischzug ist großer Trost.

2
Niedertracht sucht mich auch dieses Jahr
zu beschleichen.

3
Ich muß gerettet werden.
Durch Erfolg?

4
Hat die Inspiration Augen,
oder schlafwandelt sie?

5
Meine Hände falten sich zuweilen.
Doch gleich dicht darunter verdaut der Bauch,
filtert die Niere hell den Urin.

6
Die Musik über alles lieben,
heißt unglücklich sein.

7
Zwölf Fische,
zwölf Morde.

Paul Klee, 1901

 

Mittwoch, 25. September 2013

Leonard Freed 1 - Schwarz & Weiß in Amerika


Leonard Freed 1929 - 2006 
Schwarz & Weiß in Amerika


New York City 1963
© Leonard Freed/Magnum Photos
New York City from Black in White America, Leonard Freed, 1963. © Leonard Freed / Magnum Photos, Inc. - See more at: http://blogs.getty.edu/iris/i-have-a-dream/#sthash.EeSbMboJ.dpuf

"Photographie ist wie das Leben. Was bedeutet es alles? Ich weiß nicht, aber man bekommt einen Eindruck, ein Gefühl... Einen Eindruck davon durch die Strassen zu laufen, durch den Park zu laufen, durchs Leben zu laufen. Ich bin mißtrauisch gegenüber Leuten, die sagen, dass sie wissen, was es alles bedeutet." E.F.
"Photography is like life… What does it all mean? I don't know, but you get an impression, a feeling… An impression of walking through the street, walking through the park, walking through life. I'm very suspicious of people who say that they know what it means." E.F.



Im "weißen" Teil eines Südstaatengefängnisses
New Orleans, Louisiana. 1963. City prison 
© Leonard Freed/Magnum Photos


 Harlem Modenschau 1963
© Leonard Freed/Magnum Photos

Der Rassismus ist die verallgemeinerte und verabsolutierte Wertung tatsächlicher oder fiktiver Unterschiede zum Nutzen des Anklägers und zum Schaden seines Opfers, mit der seine Privilegien oder seine Aggressionen gerechtfertigt werden sollen“ Albert Memmi

Ohne Titel Marsch nach Washington Serie 1963
© Leonard Freed/Magnum Photos

Eindrücke aus dem Theater - Wislawa Szymborska


Hartmann Schedel, Liber Chronicarum, Detail: Totentanz Holzschnitt von Michel Wolgemut und Wilhelm Pleydenwurff gedruckt bei Anton Koberger, Nuernberg 1493


Eindrücke aus dem Theater


Für mich ist das wichtigste in einer Tragödie der sechste Aufzug:
die Auferstehung vom Schlachtfeld der Bühne,
das Zupfen an den Perücken, Gewändern,
das Entfernen des Dolchs aus der Brust,
das Lösen der Schlinge vom Hals,
der muntere Auftritt in einer Reihe
mit dem Gesicht zum Parkett.


Verbeugung, einzeln, gemeinsam:
die weiße Hand auf der Wunde des Herzens,
die Knickse der Selbstmörderin,
das Nicken geköpfter Häupter.


Verbeugungen paarweise:
die Wut Arm in Arm mit der Sanftmut,
das Opfer blickt selig ins Auge des Henkers,
Rebell und Tyrann gehen friedlich nebeneinander.


Der Tritt der Ewigkeit mit der Spitze des goldnen Pantoffels.
Das Fortfegen der Moral mit der Krempe des Hutes.
Die unverbesserliche Bereitschaft, alles zu wiederholen.


Der Einzug im Gänsemarsch der früher Verstorbenen,
im zweiten, im vierten Akt, auch zwischen den Akten.
Die wunderbare Rückkehr der spurlos Verschollnen.
Zu denken, dass sie geduldig hinter Kulissen warteten,
immer noch kostümiert,
ohne sich abzuschminken,
rührt mich stärker als alle Tiraden des Dramas.


Wahrhaft erhaben aber ist das Fallen des Vorhangs
und was man noch durch den unteren Spalt sieht:
da hebt eine Hand die Blume eilig vom Boden,
dort eine andere das liegengelassene Schwert.
Erst dann erfüllt sich die unsichtbare dritte
ihre Verpflichtung:
sie schnürt mir die Kehle.

Wislawa Szymborska


Dienstag, 24. September 2013

Das Septemberlied - September Song


    Oh, it's a long, long while from May to December
    But the days grow short when you reach September
    When the autumn weather turns the leaves to flame
    One hasn't got time for the waiting game.


   Walter Huston singt das September-Lied von Maxwell Anderson & Kurt Weill *

    http://www.youtube.com/watch?v=E3mAT-4FdP4

    Walter Huston - Schauspieler, hatte einen Sohn, John Huston, der Filmregisseur war 
    und der wiederum eine Tochter hatte, Anjelika, die Schauspielerin ist.
    John Hustons Werkliste liest sich wie eine Sammelliste großer Holywoodfilme - 
    Die Spur des Falken, Der Schatz der Sierra Madre, Key Largo, Asphalt Dschungel, 
    African Queen, Moby Dick, Misfits, Der Mann der König sein wollte, Unter dem Vulkan, 
    Die Ehre der Prizzis und ... und ... und.

   
Oh, es ist eine lange, lange Zeit von Mai bis Dezember
    Und die Tage werden kürzer, bereits im September
    Wenn der Herbst die Blätter in Flammen verwandelt
    Dann fehlt mir die Zeit für das Wartespiel.



© Boris Bulychev
    Oh, die Tage schrumpfen rasch zu nur wenigen,
    September, November,
    Und diese wenigen Tage verbring ich mit dir
    Die wenigen Tage bin ich bei dir.


   * Wiki sagt: Bei den Arbeiten zum Musical Knickerbocker Holiday fragte einer der Stars 

    der Show, Walter Huston, an, ob nicht auch ein Song geschrieben werde, der ihn in 
    seiner Rolle als alternder Peter Stuyvesant musikalisch herausstellen könnte. Da Weill 
    Huston unbekannt war, fragte er ihn in einem Telegramm nach seiner Stimmlage; 
    Huston antwortete sehr ehrlich: „Habe überhaupt keine Stimmlage.“ Weill hörte sich 
    daraufhin eine Radioshow an, in der Huston auftrat, um dann in wenigen Stunden mit 
    Anderson einen schlichten, lyrischen Song mit einem Tonumfang von knapp über einer 
    Oktave zu schreiben.

    Lou Reed singt den auch: http://www.youtube.com/watch?v=RQsJK0voNRI 
    Und es gibt noch Chet Baker und Sarah Vaughn und Winston Marsalis und Frank Sinatra 
    und ...
  

Montag, 23. September 2013

Entweder - Oder - Weder - Noch


    SOWOHL ENTWEDER ALS WEDER ODER AUCH NOCH
      frühnhd. ein(t)weder, entweder, mnd. ēntwēder ‘einer von beiden’

      althochdeutsch: (h)wedar „welcher, einer von zweien“

      Weder ... noch, meint keines von zweien oder mehreren.
      Keine der Parteien wollte ich wirklich wählen. Weder die einen, noch die anderen.
      Entweder ... oder, meint eines von zweien oder mehreren.
      Für eine mußte ich mich entscheiden. Oder mit der Erststimme die einen und mit der 
      Zweiten die anderen.
      Sowohl ... als auch, meint beide oder alle.
      Und jetzt kriegen wir wohl sowohl die einen, als auch die anderen. Koalition. 

      Wie bedauerlich, da kann ich demokratisch wählen, und es wird keine 99,91 % 
      Ergebnisse geben, aber es bleibt mir, für mein Gefühl, nur die Wahl des kleineren 
      Übels. Regen oder Traufe. Gut, die FDP ist raus, erschreckend, die 'Alternative für 
      Deutschland' wäre beinahe drin, Mutti hat kräftg dazugewonnen und Peer freut sich 
      über einige kleine Prozente mehr in der Niederlage.

      WEDER GLÜCK NOCH STERN!

      Es war ein Narr! sprach mitleidslos die Welt,
      Ein Träumer! milderte die Nachbarschaft
      Und nur sein Herzfreund sprach: Er war ein Dichter!

      Vor seinem Krankenlager aber sass
      Die bleiche Schwester der Barmherzigkeit
      Und blickte sinnend auf ein Blatt Papier,
      Das gestern erst der flinke Telegraph,
      Mit seinen krausen Zügen überdeckt,
      Und nur mit Mühe konnte sie entziffern:
      »Ihr erstes Stück! Ein Sensationserfolg!
      Berühmt mit einem Schlag! Wir gratuliren!«
      Er aber, dem dies kleine Blatt Papier
      Die heissersehnte Botschaft künden sollte:
      Glück auf, nun hast du nicht umsonst gelebt –
      Er schlief und sah es nicht, denn er war todt.
      Der dunkle Winterabend warf sein Licht
      Kalt durch die zugefrornen Fensterscheiben
      Und spielte zitternd um ein Frauenbild,
      Das auf die bleiche Stirn des todten Dulders
      Unsäglich schön und mitleidsvoll herabsah.

      Darunter aber wand ein welker Kranz
      Sich grün um ein vergilbtes Atlasband;
      Drauf stand, voreinst von Freundeshand geschrieben, 

      Das Sprüchlein: Lorbeerbaum und Bettelstab!

      Arno Holz 1892
      
      -------------------------------------------------

      Bundestagswahl - Auszählungs-Ergebnisse um 8.30 Uhr am 23.9.2013 
      (Spiegel online) in %:

       Wahlbeteiligung: 71,5 (Die Welt sagt 73)


       CDU/CSU 41,5
       Zitat der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU): "Feiern dürfen wir heute schon, 

       denn wir haben's toll gemacht."

        NICHTWÄHLER 28,5 (27)
        SPD 25,7
        FDP 4,8
        Linke 8,6
        Grüne 8,4
        Piraten 2,2
        AfD 4,7
        Sonstige 4,1

        ------------------------------------------------
 

       Jeder der folgenden zwölf Begriffe ist ein Synonym für Entweder-Oder:

       Alternation, antivalente Disjunktion, Antivalenz, ausschließende Disjunktion,   

       ausschließendes Oder, Bisubtraktion, exklusives ODER, kontradiktorischer
       Gegensatz, Kontrajunktion, Kontravalentor, Kontravalenz, vollständige Disjunktion

       --------------------------------------------------

ENTWEDER- ODER!

Zu alt schon für die Knabenspiele,
Zu jung noch für der Männer Rath,
Sehnt sich mein Herz nach einem Ziele,
Verlangt mein Geist nach einer That.


O Schicksal, flicht mir in die Haare
Ein Lorbeer- oder Myrthenblatt!
Ich bin der faden Flegeljahre
Schon längst von ganzer Seele satt.


Zu frischer That, zu kühnem Wagen,
Ergeht ein hoher Ruf an mich.
Wach' auf, mein Herz! denn es will tagen,
Schlag' mir zum Siege, oder - brich!

Richard Glass 1809-1883

 
     Während 1990 noch 82,2 Prozent der Wähler bei der Bundestagswahl ihre Stimme  
     abgaben, waren es bei der Wahl nach der Großen Koalition 2009 nur noch 70,8 
     Prozent. Am höchsten war die Wahlbeteiligung in der Geschichte der Bundesrepublik 
     im Jahr 1972, damals lag sie bei 91,1 Prozent. (rp online)