Freitag, 13. Juli 2012

Egon Schiele - ein Geheimnis


Diese Bilder lassen mich nicht in Ruhe. Was ist das?

Beide gehören wohl zur "Toten Mutter" Serie. Eine Frau, eine Mutter, fast schon tot, einem Gerippe gleich, ein totes Kind mit vollem schwarzen Haar im rechten Arm, im linken ein weiteres Kind, stehend oder fest gewickelt im Harlekins-Kostüm. Oder ist es die Seele des verstorbenen Kindes auf sich selbst niederblickend? Tötet das Kind die Mutter? Die Mutter das Kind?


Eine andere Variante des Bildes. Die Mutter in Pieta-Haltung fast farblos, auf jeden Fall tief im Leid, diesmal zwei lebendige Kinder, das eine etwas älter, beide im Clowns-Kostüm. Es könnten auch schreckliche Puppen sein. Vielleicht betet das Kind im rechten Arm?

Egon Schiele Mutter mit zwei Kindern 1915


 Tote Mutter 1910

Donnerstag, 12. Juli 2012

Hölderlin zweimal Sommer



DER SOMMER

Wenn dann vorbei des Frühlings Blüte schwindet,
So ist der Sommer da, der um das Jahr sich windet.
Und wie der Bach das Tal hinuntergleitet,
So ist der Berge Pracht darum verbreitet.
Daß sich das Feld mit Pracht am meisten zeiget,
Ist, wie der Tag, der sich zum Abend neiget;
Wie so das Jahr verweilt, so sind des Sommers Stunden
Und Bilder der Natur dem Menschen oft verschwunden.

d. 24 Mai 1778.
Scardanelli.

Die Vertonung von Ligeti findet ihr hier.
http://www.youtube.com/watch?v=dRnF6nUt1DY 

Horst Janssen, Hölderlin mit 16 und mit 72

AN DIE PARZEN

Nur Einen Sommer gönnt, ihr Gewaltigen!
Und einen Herbst zu reifem Gesange mir,
Daß williger mein Herz, vom süßen
Spiele gesättiget, dann mir sterbe.

Die Seele, der im Leben ihr göttlich Recht
Nicht ward, sie ruht auch drunten im Orkus nicht;
Doch ist mir einst das Heilige, das am
Herzen mir liegt, das Gedicht, gelungen,

Willkommen dann, o Stille der Schattenwelt!
Zufrieden bin ich, wenn auch mein Saitenspiel
Mich nicht hinab geleitet; Einmal
Lebt ich, wie Götter, und mehr bedarfs nicht.

Francesco Salviat, 16. Jahrhundert, Die Drei Parzen 

Mittwoch, 11. Juli 2012

Ferienbücher - Lesen bis in die Puppen


Ferien und Bücher, ein feines Pärchen.

Ferien und gute Bücher, spannende Bücher, gruselige Bücher, ganz leicht arbeitsverbundene Bücher, schon-immer-mal-gelesen-seien-wollende Bücher, alle rausgesucht und eingesackt, und nun gewichtiger Teil des Übergewichts, das teuer bezahlt werden muß, weil die Fluglinie mal schnell das erlaubte Koffergewicht runtergesetzt hat. Blödsinnige Bücher, die man noch schnell am Flughafen kauft, aus Angst man könnte zu wenige eingepackt haben, ganz und gar idiotische Zeitschriften, ebenfalls vom Flughafen, Bücher die im Ferienhaus von Vormietern zurckgelassen wurden, Bücher der Mitreisenden, Bücher, die versteckt unter verramschten Billigheftchen im örtlichen Kiosk rumliegen, überhaupt und ganz und gar und auf jeden Fall: Bücherlesen und Ferien, großartig!
Ich kann bis in die Puppen * lesen, weil ich ausschlafen kann und niemand sich für etwaige Augenringe interessiert, ich bin frei von schlechtem Gewissen, was geht mich "Fiesco" an, was interessiert mich die Biographie von Rostand, ich bin im Urlaub und genau so dämlich oder anspruchsvoll wie ich es will und so lese genau das, worauf ich genau jetzt Lust habe, Ätsch! Ich mag es auch, wenn das was ich lese überhaupt nicht zum jeweiligen Urlaubsort passt, oder eben gerade im Gegenteil haargenau.
In den Süstaaten herumkurvend gab es James Burke (erstklassige Krimis) und

Lesen - Photographie von André Kertész - New York City November 1950

Ein paar Vorschläge:

Josephine Tey, für die Liebhaber englischer feiner Krimis der 30er und 40er Jahre, Alan Grant ist ein sehr britischer, sehr sensitiver, sehr cleverer Detektiv und besonders zu empfehlen ist "Alibi für einen König" ("Daughter of Time"), in dem Mister Grant verletzt im Hospital liegt und aus Langeweile und Faszination mit einem Bildnis Richard III. beginnt, dessen Kriminalfall aufzurollen, mit erstaunlichen Ergebnissen.
Ebenso Dorothy Sayer, empiregeprägt, oberklassenzugehörig und intellektuell unerbittlich, nicht so verbindlich wie Agatha Christie, aber dafür auch nicht so nett und retardierend.

Oder wie wäre es mit was-auch-immer von Lion Feuchtwanger? Seine Bücher sind richtig dick, atemberaubend gut geschrieben und man hat auch noch das Gefühl,schlauer zu sein, wenn man sie beendet. "Die häßliche Herzogin oder Margarete Maultasch" ist mein Liebling.

Die Biographie von Keith Richards vielleicht? Zeitgeschichte durch coole drogenvolle Augen. Oder die von Jakob Michael Reinhold Lenz von Sigrid Damm, "Vögel, die verkünden Land". Das ist der Lenz aus der Büchner-Novelle gleichen Namens, der Dichter, der nahezu aus unserem Wissen verschwunden ist, obwohl er es verdient hätte, gelesen zu werden.

"Das kurze wundersame Leben des Oscar Wao" von Junot Diaz, weil es einfach herzzerreissend schön ist, und lustig!

Macht mir Vorschläge, bitte - ich bin, was Lesen betrifft, leicht verführbar!


Noch ein Tipp, aber dieser ist zum Gucken, Peter Greenaway hat eine wundersame Liebeserklärung an die Liebe und die Liebe zum geschriebenen Wort inszeniert. "Pillowcase" oder "Bettlektüre". Ein merkwürdiger, fast hypnotischer Film mit dem ganz jungen und sehr schönen Ewan McGregor.

* Der Ursprung der Redewendung »bis in die Puppen schlafen« oder anders »bis in die Puppen aufbleiben«, »bis in die Puppen arbeiten, fernsehen« etc. mit der Bedeutung von ›sehr lange‹ stammt aus dem Berlin des 18. Jahrhunderts. Mitte des Jahrhunderts wurden am Großen Stern im Berliner Tiergarten – noch heute ist der damals von Hecken umgebene Platz unter diesem Namen bekannt – Statuen der antiken Mythologie aufgestellt. Der Berliner Volksmund bezeichnete diese Standbilder als »Puppen« und den Großen Stern als »Puppenplatz« (Lutz Röhrich, »Das große Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten«, Herder, Freiburg 1992). Das »Deutsche Sprichwörter-Lexikon«, Darmstadt 1977 (Nachdruck von 1873), gibt weiter an, dass die Berliner am Wochenende Spaziergänge »bis in die Puppen« zu machen pflegten. Zu Fuß war dies damals vom Stadtkern aus ein sehr weiter Weg. Von der räumlichen wurde diese Wendung auf die zeitliche Ausdehnung übertragen und wird so noch heute im Sinne von ›sehr lange‹ verwendet. (Gesellschaft für Deutsche Sprache)

Dienstag, 10. Juli 2012

Palma di Mallorca - Antonio Gaudi


Antoni Gaudí i Cornet 1852 - 1926

Gaudis Werke zu betrachten, als Gaudi zu bezeichnen wäre eine herzlose Untertreibung. Ich habe erlebt, wie ein Mitglied meiner Famile, beim Anblick eines von ihm entworfenen Hauses, urplötzlich in wirklich und wahrhaftige Tränen der Erschütterung ausbrach. Der Überdruck durch den Anblick von so viel Schönheit auf einmal musste sich einen körperlichen Ausweg suchen.

Katalanischen Modernismus nennt die Forschung, die spezielle Ausformung des Jugendstils in Katalonien, der in Barcelona entstand, und dessen wunderbarste Kreationen auch dort zu finden sind, die Kathedrale der Sagrada Familia, abzüglich ihrer später entstandenen "nachempfundenen" Betonteile, ist wohl das berühmteste Beispiel. Ein wenig wie Hundertwasser mit mehr Poesie, Katholizismus und weicheren Linien könnte man es vielleicht beschreiben.

Im Auftrag des Bischofs von Mallorca begann Gaudi um 1899 mit den Skizzen für den Umbau der Kathedrale der Heiligen Maria von Palma, einem der größten Kirchenbauten der iberischen Halbinsel. Gaudi bezeichnete La Seu, der Sitz, örtlicher Name für die Kathedrale, als „den grössten und vollkommensten Erfolg in Harmonie, Konstruktion und Mechanik des gotischen Stils“. Vier Jahre verbrachte er mit den Vorbereitungen, es folgten circa 10 Jahre Arbeit, dann um 1914, nach einem Streit mit den Bauleuten und wohl auch mit einigen, über die revolutionär wirkende Modernität der Umbauten, erbosten Mallorcinern, abrupter Abbruch der Bautätigkeit.
Das Innenleben der Kathedrale ist heute eine eklektische Mischung aus Gothik mit maurischen Elementen, barockigen Einzelteilen, Gaudi und einer nur fünf Jahre alten Kapelle mit Unterwassermotiven und anthrazitfarbenen Gruselfenstern. Aber der Raum an sich ist grandios in seiner bombastischen Größe, am besten zu erleben, wenn man sich auf eine der Kirchenbänke legt und nach oben starrt. Wie muß sich in spanischer Bauer gefühlt haben, der nichts als Hütten, Ställe und vielleicht, das ihn schon beeindruckende, Herrenhaus seines Dorfes kannte und zum ersten Mal einen solchen Koloss von Gebäude erblickte? Klein? Überwältigt? An Wunder glaubend? Dem Himmel nahe? Gott?





Die Kathedrale


In jenen kleinen Städten, wo herum
die alten Häuser wie ein Jahrmarkt hocken,
der sie bemerkt hat plötzlich und, erschrocken,
die Buden zumacht und, ganz zu und stumm,

die Schreier still, die Trommeln angehalten,
zu ihr hinaufhorcht aufgeregten Ohrs -:
dieweil sie ruhig immer in dem alten
Faltenmantel ihrer Contreforts
dasteht und von den Häusern gar nicht weiß:

in jenen kleinen Städten kannst du sehn,
wie sehr entwachsen ihrem Umgangskreis
die Kathedralen waren. Ihr Erstehn
ging über alles fort, so wie den Blick
des eignen Lebens viel zu große Nähe
fortwährend übersteigt, und als geschähe
nichts anderes; als wäre Das Geschick,
was sich in ihnen aufhäuft ohne Maßen,
versteinert und zum Dauernden bestimmt,
nicht Das, was unten in den dunkeln Straßen
vom Zufall irgendwelche Namen nimmt
und darin geht, wie Kinder Grün und Rot
und was der Krämer hat als Schürze tragen.
Da war Geburt in diesen Unterlagen,
und Kraft und Andrang war in diesem Ragen
und Liebe überall wie Wein und Brot,
und die Portale voller Liebesklagen.
Das Leben zögerte im Stundenschlagen,
und in den Türmen, welche voll Entsagen
auf einmal nicht mehr stiegen, war der Tod. 

Rainer Maria Rilke 1907


Der Gaudi-Altar, das darüberhängende Teil ist aus Kork, Pappe und Getreidehalmen konstruiert und nächtens voller Lämpchen glühend.


Das Rosenfenster von Gaudi

Montag, 9. Juli 2012

Ein erster Urlaubstag


Wie beschreibt man seliges Entschleunigen?
Wiki sagt:
Müßiggang ist das Aufsuchen der Muße, das entspannte und von Pflichten freie Ausleben, nicht die Erholung von besonderen Stresssituationen oder körperlichen Belastungen. Er geht z. B. mit geistigen Genüssen oder leichten vergnüglichen Tätigkeiten einher, kann jedoch auch das reine Nichtstun bedeuten.
Hmmm, suchen ist mir schon zu aktiv und leider wird das Wort meist negativ bestzt, wie in M. ist aller Laster Anfang.
Wie wäre es mit reiner Muße?
Mit Muße bezeichnet man die Zeit, welche eine Person nach eigenem Wunsch nutzen kann, um sich zu erquicken und zu erbauen.
Besser, aber das Verb "nutzen" im Zusammenhang mit meinem heutigen Ablassen von allem absichtsvollen Tun, will mir nicht recht schmecken. Nichtnutzen, nichtsnutzig sein, ist nicht unnütz.

Meine Fußnägel wurden grün lackiert, ich habe ein halbes Buch gelesen, geschlummert, geschwommen, Haare gewaschen, geschlummert, geschlemmt, in den Himmel gestarrt, Bougainvilleas betrachtet, Kaffee getrunken, geschlummert. Ich habe eigentlich sehr viel getan, indem ich nichts getan habe.


Samstag, 7. Juli 2012

Theater macht auch mal Urlaub


URLAUB

Ich verreise so gerne. Flugangst hin oder her, woandershin ist fast immer schön. Und wenn nicht, dann weiß man es immerhin hinterher.
Vermutlich müßte ich, um all die Orte zu besuchen, die ich noch kennenlernen möchte, ungefähr 175 Jahre alt werden, natürlich bei voller Gesundheit und reisefähig. Ob das klappt? (Zündet sich eine weitere Zigarette an.) 

Und nahezu überall wo ich war, gab es Theater, sizilianisches Marionettenspiel direkt aus dem 17. Jahrhundert, mit Rittern, die während Schwertkämpfen in mehrere Teile zerfallen konnten, moderne griechische Inszenierungen im antiken Amphitheater von Ephesus, wo die Akustik so perfekt war, dass man sogar das zarte Rascheln der Kostümstoffe hören konnte, ein sowjetischer avantgardistischer Hamlet auf konzeptioneller Schachbrettbühne oder Jude Law als Hamlet, der überraschenderweise ganz großartig war. Theater in einem Klosterhof in Madrid und in einer Kirche in Toronto, im Staatstheater von Belgrad, in einem feuchten Keller in New York und an der verregneten Steilküste auf Rügen. Mal gräßlich, mal atemberaubend, dilettantisch-rührend oder kalt und perfekt.  Aber immer Theater.
Mal schauen, was Mallorca zu bieten hat. Aber wenn's kein Theater gibt, ist auch nicht schlimm, dann gucke ich einfach in den Sonnenuntergang.
Der Flughafen Tegel von oben, ist er nicht hübsch? Und wenn der andere Flughafen nie fertig wird, können wir weiter bequem von hier aus in die Welt fliegen.



Viel zu spät begreifen viele
Die versäumten Lebensziele,
Freunde, Schönheit der Natur,
Gesundheit, Reisen und Kultur.
Darum, Mensch, sei zeitig weise!
Höchste Zeit ist´s! Reise, reise!

Wilhelm Busch 

Reisen

Meinen Sie Zürich zum Beispiel
sei eine tiefere Stadt,
wo man Wunder und Weihen
immer als Inhalt hat?

Meinen Sie, aus Habana,
weiß und hibiskusrot,
bräche ein ewiges Manna
für Ihre Wüstennot?

Bahnhofstraßen und Rueen,
Boulevards, Lidos, Laan-
selbst auf den Fifth Avenueen
fällt Sie die Leere an.

Ach, vergeblich ist das Fahren.
Spät erfahren Sie sich:
bleiben und Stille bewahren
das sich umgrenzende Ich.

Gottfried Benn 1950

Donnerstag, 5. Juli 2012

Otto Dix - Selbstportrait mit Staffelei und mit Muse


"Ich werde mich an den Sünden und Tugenden meiner Vorfahren rächen." O.D.

Otto Dix Selbstportrait mit Staffelei 1926

"Entweder ich werde berüchtigt – oder berühmt." O.D.

Otto Dix Selbstportrait mit Muse 1924


Mittwoch, 4. Juli 2012

Diane Arbus zum...Mal! - Ausstellung im Gropiusbau


Ich glaube wirklich, dass da Dinge gibt, die niemand sehen würde, wenn ich sie nicht photographieren würde.
I really believe there are things nobody would see if I didn't photograph them. D. A.

DIANE ARBUS
Eine Retrospektive im Martin-Gropius-Bau
by Jeu de Paume, Paris. In association with The Estate of Diane Arbus LLC, New York and with the participation of Martin-Gropius-Bau Berlin, Fotomuseum Winterthur and Foam Photography Museum, Amsterdam.


Helene Weigel 1971 © Estate of Diane Arbus

Helene Weigel von Diane Arbus 1971 photographiert, photographiert von mir im Gropiusbau 2012. Die Weigel starb am 1. Mai 1971.


Die Sache die wichtig zu wissen ist, dass du niemals weisst. Du fühlst immer irgendwie deinen Weg.
The thing that's important to know is that you never know. You're always sort of feeling your way.  
D.A.

Der argentinische Dichter Jorge Luis Borges in New Yorks Central Park, Harper’s Bazaar, March 1969 © Estate of Diane Arbus

James Brown 1966 © Estate of Diane Arbus

Ich arbeite aus der Ungeschicklichkeit heraus. Damit meine ich, ich mag es nicht Dinge zu arrangieren. Wenn ich vor etwas stehe, anstatt es zu arrangieren, arrangieren ich mich selbst.
I work from awkwardness. By that I mean I don't like to arrange things. If I stand in front of something, instead of arranging it, I arrange myself. 
D.A.

Theater hat auch Ferien - privat


Ich habe Ferien.

Seit Oktober durchtheatert und nun, plötzlich, Stopp, ausatmen und erholen.
Wie geht das? Rennen, rennen und Halt? Ja, so geht das.
Bücher lesen, mit Mitmenschen über etwas anderes als den Knackpunkt einer Szene reden, ungehörte Musik anhören, kein Theater von Innen sehen, den eigenen Kleiderschrank anstatt der dürftigen Angebote eines Koffers zur Auswahl haben, Nichts, rein gar nichts tun, verblöden.
Wenn wahr wird, was Kulturstaatssekretär Naumann verkündet, muß ich als freischaffender Theater-Regisseur ab dem 1.1.2013 keine Umsatzsteuer mehr bezahlen! Jetzt kriegen sie (der Staat) noch 19% - Urlaubsstimmung steigt.
In Berlin ist es drückend warm, abendlich unterkühlt und feucht, aber in nur vier Tagen liege ich im nicht-deutsch-eroberten Teil von Mallorca und bräune meine theaterverblasste Haut - Stimmung hebt sich gen Himmel.
Gestern hat sich ein Kollege für eine vor zwanzig Jahren zugefügte, fast vergessene, Kränkung unerwartet und glaubwürdig entschuldigt - Unterkiefer ist  auf's Dekolleté gefallen - und Stimmung entsprechend nach oben verrutscht.
Alten, uralten, fast verloren geglaubten Freund wiedergetroffen und immer noch liebgehabt. Stimmung schwankt.
Beste Freundin lebt, seit vorgestern, zum ersten Mal seit 33 Jahren wieder in derselben Stadt und schneit, unangemeldet, zum Kaffee ins Haus - Stimmung erreicht orgiastische Höhen.
Berlin wird entspannt wiederentdeckt und ist genauso schön, dreckig, laut, aufregend wie in meiner Erinnerung.  Stimmung hat genau dies erwartet.
Eine Freundin hat ihr erstes, allererstes Buch geschrieben und wagt sich damit in die Welt - Bravo! Hut ab! Chapeau! Stimmung verbeugt sich tief!
Hoffnung, sprich Mitmensch, erweist sich als halbgarer Feigling, Stimmung erlebt Untiefen.
Gestern "Die Sieben Todsünden" in der Komischen Oper gesehen, ja, ich gestehe, ich war im Theater, bin also schwach geworden, und bin froh, ob meiner Schwäche, denn was Dagmar Manzel dort darbietet, ist jeder Schwäche wert. So wagemutig, so zerbrechlich, so kraftvoll, so schutzlos.
Meine gesamte Familie, mit der ich in die Ferien fahren werde, kränkelt, wird aber, ja, wird aber, zum Urlaubsabflugstag wunderbarerweise fit und fröhlich und munter sein. Stimmung erlaubt sich hellseherische Visionen.

Luftsprung

Ich habe Ferien!


Dienstag, 3. Juli 2012

Goya - Selbstportrait mit Staffelei



Goya, Selbstportrait mit Staffelei 1790-95, Real Academia de Bellas Artes de San Fernando, Madrid, Spanien

 Zauberhaft. Er malt sich selbst beim Malen, als wäre es das Studio-Portrait eines  Kleinstadt-Photographen, extra-hübsch angezogen, der Blick einladend verführerisch, "seht, so sehe ich aus, wenn die Muse mich besucht". Selbst die Beinstellung ist nahezu neckisch. Harmlos.
Derselbe Mann wird, nur wenig später, falls die Datierung stimmt, die Capriccios ersinnen.
Der Mensch ist ein Geheimnis, jeder Mensch.