Samstag, 7. Juli 2012

Theater macht auch mal Urlaub


URLAUB

Ich verreise so gerne. Flugangst hin oder her, woandershin ist fast immer schön. Und wenn nicht, dann weiß man es immerhin hinterher.
Vermutlich müßte ich, um all die Orte zu besuchen, die ich noch kennenlernen möchte, ungefähr 175 Jahre alt werden, natürlich bei voller Gesundheit und reisefähig. Ob das klappt? (Zündet sich eine weitere Zigarette an.) 

Und nahezu überall wo ich war, gab es Theater, sizilianisches Marionettenspiel direkt aus dem 17. Jahrhundert, mit Rittern, die während Schwertkämpfen in mehrere Teile zerfallen konnten, moderne griechische Inszenierungen im antiken Amphitheater von Ephesus, wo die Akustik so perfekt war, dass man sogar das zarte Rascheln der Kostümstoffe hören konnte, ein sowjetischer avantgardistischer Hamlet auf konzeptioneller Schachbrettbühne oder Jude Law als Hamlet, der überraschenderweise ganz großartig war. Theater in einem Klosterhof in Madrid und in einer Kirche in Toronto, im Staatstheater von Belgrad, in einem feuchten Keller in New York und an der verregneten Steilküste auf Rügen. Mal gräßlich, mal atemberaubend, dilettantisch-rührend oder kalt und perfekt.  Aber immer Theater.
Mal schauen, was Mallorca zu bieten hat. Aber wenn's kein Theater gibt, ist auch nicht schlimm, dann gucke ich einfach in den Sonnenuntergang.
Der Flughafen Tegel von oben, ist er nicht hübsch? Und wenn der andere Flughafen nie fertig wird, können wir weiter bequem von hier aus in die Welt fliegen.



Viel zu spät begreifen viele
Die versäumten Lebensziele,
Freunde, Schönheit der Natur,
Gesundheit, Reisen und Kultur.
Darum, Mensch, sei zeitig weise!
Höchste Zeit ist´s! Reise, reise!

Wilhelm Busch 

Reisen

Meinen Sie Zürich zum Beispiel
sei eine tiefere Stadt,
wo man Wunder und Weihen
immer als Inhalt hat?

Meinen Sie, aus Habana,
weiß und hibiskusrot,
bräche ein ewiges Manna
für Ihre Wüstennot?

Bahnhofstraßen und Rueen,
Boulevards, Lidos, Laan-
selbst auf den Fifth Avenueen
fällt Sie die Leere an.

Ach, vergeblich ist das Fahren.
Spät erfahren Sie sich:
bleiben und Stille bewahren
das sich umgrenzende Ich.

Gottfried Benn 1950

1 Kommentar:

  1. Wenn Du in Urlaub fährst oder mal etwas freie Zeit zwischen zwei Arbeiten hast und Dir bewußt ist, dass Du (vielleicht) einige Zeit kein Theater oder kein selbstgemachtes Theater haben wirst... dann schreibst Du Beiträge auf eine Weise, die den Namen Deines Blogs unglaublich verdienen.
    Ich weiß nicht ob es Absicht ist oder Dir passiert, aber Du "verabschiedest" Dich dann vom Theater. Immer mit ganz viel Neugier und Vorfreude auf kommendes, aber immer auch ein bißchen so, als würde man selber in Urlaub fahren und die Beziehung muss zu Hause bleiben, weil sie nicht mitkommen kann. Du schreibst dann (keineswegs nur dann, aber dann immer) sehr liebevoll über Theater und ein bißchen so, als wolltest Du sagen:"Ich geh' jetzt...aber ich komm' wieder - und dann bist Du mir noch genauso essentiell... und eigentlich habe ich dich sowieso auf der ganzen Welt entdeckt!".
    Und ich finde das wunderschön so und schmunzle immer beim lesen.
    Ich wünsche Dir einen spannenden und entspannenden Urlaub. Und bleib' nach der Betrachtung des Sonnenuntergangs ruhig noch eine Weile sitzen - der Sternenhimmel auf Mallorca ist oft sehr klar und lichtunverschmutzt. Und DAS ist auch ein Theater... das größte, das wir kennen, mit Regisseuren und Darstellern, die wir noch nicht mal alle kennen. :)

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