"Mein Vater, ist es möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst." Matth.26
Vincent van Gogh 1889 Der Olivengarten
DER
ÖLBAUMGARTEN
Er ging hinauf unter
dem grauen Laub
ganz grau und
aufgelöst im Ölgelände
und legte seine Stirne
voller Staub
tief in das
Staubigsein der heißen Hände.
Nach allem dies. Und
dieses war der Schluss.
Jetzt soll ich gehen,
während ich erblinde,
und warum willst Du,
dass ich sagen muss
Du seist, wenn ich
Dich selber nicht mehr finde.
Ich finde Dich nicht
mehr. Nicht in mir, nein.
Nicht in den andern.
Nicht in diesem Stein.
Ich finde Dich nicht
mehr. Ich bin allein.
Ich bin allein mit
aller Menschen Gram,
den ich durch Dich zu
lindern unternahm,
der Du nicht bist. O
namenlose Scham...
Später erzählte man:
ein Engel kam -.
Warum ein Engel? Ach
es kam die Nacht
und blätterte gleichgültig
in den Bäumen.
Die Jünger rührten
sich in ihren Träumen.
Warum ein Engel? Ach
es kam die Nacht.
Die Nacht, die kam,
war keine ungemeine;
so gehen hunderte
vorbei.
Da schlafen Hunde und
da liegen Steine.
Ach eine traurige, ach
irgendeine,
die wartet, bis es
wieder Morgen sei.
Denn Engel kommen
nicht zu solchen Betern,
und Nächte werden
nicht um solche groß.
Die Sich-Verlierenden
lässt alles los,
und sie sind
preisgegeben von den Vätern
und ausgeschlossen aus
der Mütter Schoß..
Rainer Maria
Rilke
Aus: Neue Gedichte
(1907)
Todesangst in Gethsemane Andrea Mantegna um 1460