Hätte mich jemand ins Theater eingeladen und das zu Erwartende in etwa so beschrieben, nur Frauen, meist nackt, viel Tanz, eine gynäkologische Untersuchung, viel Blut, viel Wasser, viel in Englisch und eine Gruppe Kinder, ich hätte, höchstwahrscheinlich höflich dankend abgelehnt. Gott sei Dank hat mich keiner eingeladen, sondern ich habe Ulrich Seidlers Kritik in der Berliner Zeitung gelesen, der überwältigt und ziemlich fassungslos einen wunderbaren Text geschrieben hat. Ich liebe diesen Kritiker, auch wenn ich, weiß Gott, nicht immer seiner Meinung bin. Aber er liebt.
Ich habe sowas, wie das, was ich heute gesehen habe, noch nie gesehen.
Der Abend ist eine Materialschlacht, Tänzer/Akrobaten/Spieler, die sich völlig verausgaben und dabei gemeinsam Spaß haben, Licht, Musik, Video und mehr Bühnenelemente, als sich ein Stadttheater in zwei Jahren leisten könnte, aber die überwältigende Menge macht Sinn.
Frau, Flüssigkeiten, Wasserwesen, Kraft, Leid, Ertrinken, Ersaufen, Schwimmen/ Schweben, Sexualität von weiblichen Wesen, Fortpflanzung, Erniedrigung, Schmerz.
Zweimal kommen hilfreiche, männliche technische Mitarbeiter auf die Bühne, freundliche Fremdkörper. Eine Umkehrung der gewöhnlichen Machtverhältnisse.
Das Bühnenbild ist so gigantisch, das es dem Klimawandel gewiss einiges an Hilfe leistet. Aber die Bilder, die entstehen sind magisch.
Es gibt Längen und einige zu offensichtliche Schockelemente, aber, aber was bleibt, ist, dass sich die Spielerinnen sich unterstützen, sich Kraft geben, sich beschützen und mich unterhalten wollen, mich einbeziehen wollen. Nie wird auf mich herabgesehen, ich werde immer berücksichtigt, angesprochen.
Ein Fest, dass Frauen feiert, das Frausein feiert, ohne Sentimentalität und ohne Besserwisserei, aber mit der Gewissheit, das wir Leben erzeugen können. Ein Privileg. Eine Last. Ein Glück.
Im Finale springen kindliche Haie durchs Wasser, das übersät ist mit leeren Wasserflaschen und fordern unsere Zustimmung.
Manchmal ist er vielleicht zu offensichtlich, aber der Abend hinterlässt Spuren, was mehr ist, als was ich über viele meiner letzten Theaterabende sagen kann. Und ich hatte in keinem Moment das Gefühl belehrt zu werden. Es wurde mit mir gesprochen.
Konzept & RegieFlorentina Holzinger