Montag, 12. März 2012

Heimweh


Heimweh, die Sehnsucht nach dem Ort, wo man zu Hause ist.
 
Das Wort ist im 17. Jahrhundert in der Schweiz entstanden. (Wahrscheinlich wurde es dort wohl als Cheimweh ausgesprochen?) Ja, das Gefühl, das Leiden selbst wurde "Schweizer Krankheit" genannt, oder auch morbus Helveticus. 
Im Mittelalter war Soldatenexport einer der wenigen florierenden Schweizer Wirtschaftszweige, die Reste davon kann man heute noch in der Schweizer Garde des Papstes finden. Tausende Sprößlinge armer Bergbauern verdingten sich in ganz Europa als Söldner, und ein hartes, mühseliges Leben gewohnt, waren sie wohl ausgezeichnete Soldaten. Julius II. bestellte sich dann 1506 bei den Eidgenossen 150 Männer, die eine Garde zu seinem persönlichen Schutz bilden sollten.
"Die erste Bewährungsprobe ließ nicht lange auf sich warten. Am 6. Mai 1527, bei der Plünderung Roms durch deutsche Landsknechte und spanische Söldner, starben drei Viertel der Schweizergarde, als sie Papst Clemens VII. beim Rückzug in die Engelsburg deckten. Zur Erinnerung an diesen Einsatz werden die Rekruten der Schweizergarde bis heute am 6. Mai vereidigt." (Aus: Wie kam der Papst zur Schweizergarde? planet wissen)


Diese Schweizer jedenfalls müssen oft und heftig unter Heimweh gelitten haben. Keine Berge, wenig Kühe und viel zu selten ein "ch" oder "li". Das ging so weit, dass es in Frankreich bis ins 18. Jahrhundert hinein bei Strafe verboten war, den Kuhreihen oder Chue-Reyen, eine Schweizer Volksmelodie, die beim Abtreiben der Kühe von der Alm zum Einsatz kam, zu singen oder zu pfeifen, da sie bei Schweizern einen so heftigen Leidensdruck auslösen konnte, dass sie ihrer Pflicht vergassen, Fahnenflucht begingen und heimwärts rannten.
1798 schrieb der Arzt Johann Gottfried Ebel, selbst helvetische Kühe erkrankten an Heimweh, würden ihnen in der Fremde Kuhreihen vorgetragen: «Sie werfen augenblicklich den Schwanz krumm in die Höhe, zerbrechen alle Zäune und sind wild und rasend.» (Wiki)

Ich, als Berliner Kuh, habe zwar keine entsprechende Melodie, aber trotz wunderbarer Proben, überfällt mich doch gelegentlich De Nostalgia vulgo, Heimwehe oder Heimsehnsucht in heftiger Form.

Franz Schüssele, Alphorn und Orgel, Fryburger Kuhreihen
http://www.youtube.com/watch?v=7X_9kXjxcRk

4 Kommentare:

  1. 2.
    Nur wer die Sehnsucht kennt,
    Weiß, was ich leide!
    Allein und abgetrennt
    Von aller Freude,
    Seh' ich ans Firmament
    Nach jener Seite.
    Ach! Der mich liebt und kennt,
    Ist in der Weite.
    Es schwindelt mir, es brennt
    Mein Eingeweide.
    Nur wer die Sehnsucht kennt,
    Weiß, was ich leide!

    goethe

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  2. Heimweh, allein das Wort macht traurig, und das eigene Kinderheimwehweh ist da, Tränen tropfen in die Milchnudeln, eine fremde Frau, die Tante heißt, sagt das Wort Heimweh. Heimweh kann sich anfühlen wie Weggeschmissensein.

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  3. Heimatsehnsucht ist, denk ich, weniger konkret als Heimweh und deswegen umfassender. Und beides tut unterschiedlich weh.

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  4. Heimweh haben bedeutet immerhin, eine Heimat haben. Ein Heim. Ein Sehnsuchtsziel. Je konkreter desto Schmerz.
    Hm. Ja. Ich relativiere das. Vertrieben, emigriert, dem Boden entzogen oder entflohen, mindert das sicher nicht sondern das Gegenteil. Je Unmöglicher die Rückkehr desto Weh.
    Berlin ist noch da. (Aber auch ganz schön anders geworden)

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