Dienstag, 21. Februar 2012

Ein wirklich vernichtender Fluch



HEINRICH HEINE

NICHT GEDACHT SOLL SEINER WERDEN
 
»Nicht gedacht soll seiner werden!«
Aus dem Mund der armen alten
Esther Wolf hört ich die Worte,
Die ich treu im Sinn behalten.

Ausgelöscht sein aus der Menschen
Angedenken hier auf Erden,
Ist die Blume der Verwünschung -
Nicht gedacht soll seiner werden!

Herz, mein Herz, ström aus die Fluten
Deiner Klagen und Beschwerden,
Doch von ihm sei nie die Rede -
Nicht gedacht soll seiner werden!

Nicht gedacht soll seiner werden,
Nicht im Liede, nicht im Buche -
Dunkler Hund im dunkeln Grabe,
Du verfaulst mit meinem Fluche!

Selbst am Auferstehungstage,
Wenn, geweckt von den Fanfaren
Der Posaunen, schlotternd wallen
Zum Gericht die Totenscharen,

Und alldort der Engel abliest
Vor den göttlichen Behörden
Alle Namen der Geladnen -
Nicht gedacht soll seiner werden!

Nachgelesene Gedichte 1845 - 1856 

Künstler unbekannt

Torahtreue Juden tabuisierten den Namen Jesu zum "Namenlosen" oder zu "jenem Mann" ("Otho HaIsch").Wurden sie dennoch zur Nennung dieses Namens gezwungen, so transkribierte man ihn als hebräische Verwünschungsformel:"Jesch`u" = "jimach schemo we-sichro", zu deutsch: "Sein Name und seine Erinnerung sollen ausgelöscht werden".

Ezekiel 33

33:13 Denn wo ich zu dem Gerechten spreche, er soll leben, und er verläßt sich auf seine Gerechtigkeit und tut Böses, so soll aller seiner Frömmigkeit nicht gedacht werden; sondern er soll sterben in seiner Bosheit, die er tut.
33:14 Und wenn ich zum Gottlosen spreche, er soll sterben und er bekehrt sich von seiner Sünde und tut, was recht und gut ist,
33:15 also daß der Gottlose das Pfand wiedergibt und bezahlt, was er geraubt hat, und nach dem Wort des Lebens wandelt, daß er kein Böses tut: so soll er leben und nicht sterben,
33:16 und aller seiner Sünden, die er getan hat, soll nicht gedacht werden; denn er tut nun, was recht und gut ist; darum soll er leben. 


Gegen Vergessen

will mich erinnern
dass ich nicht vergessen will
denn ich will ich sein
Ich will mich erinnern
dass ich vergessen will
denn ich will nicht zuviel leiden

Ich will mich erinnern
dass ich nicht vergessen will
dass ich vergessen will
denn ich will mich kennen

Denn ich kann nicht denken
ohne mich zu erinnern
denn ich kann nicht wollen
querer ohne mich zu erinnern
denn ich kann nicht lieben
denn ich kann nicht hoffen
denn ich kann nicht vergessen
ohne mich zu erinnern

Ich will mich erinnern
an alles was man vergisst
denn ich kann nicht retten
ohne mich zu erinnern
auch mich nicht und nicht meine Kinder

Ich will mich erinnern
an die Vergangenheit und an die Zukunft
und ich will mich erinnern
wie bald ich vergessen muss
und ich will mich erinnern
wie bald ich vergessen sein werde

Erich Fried


2 Kommentare:

  1. Erinnern. Ich erinnere mich.
    Aktiv, ich denke, um mich zu erinnern.
    Passiv, da steigt etwas hoch ins Bewusstsein. Es erinnert mich. Nicht ich. Oder. Wer erinnert da wen.

    Vergessen, passiv oder aktiv. Vielleicht ist aktives Vergessen auch Verdrängen, also doch Erhalten, nur nicht im Bewusstsein. Die unverstandenen Einflüsse.

    Eines Menschen nicht zu gedenken, sich seiner nicht aktiv zu erinnern, muss gar kein Fluch sein. Vielleicht ist sogar das Gegenteil richtig. Jeder gibt etwas in die Welt. Vielleicht ist das wichtiger als der Name des Gebenden. Wenn die Person sich zurücknimmt, hinter dem, was sie bewirkt, still, ohne Eitelkeit, bleibt sie, auch namenlos.

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  2. Neben und unter dem Todesstreifen in Berlin-Mitte liegen die Gräber des Invalidenfriedhofs. Auf dem Streifen ist jetzt ein Weg und eine Wiese. Auf der Wiese ist ein einzelnes neues kleines Schild mit dem Namen eines der längst Gestorbenen, über dessen Grab die Grenzsoldaten mit den Hunden liefen.

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