Mein Sonntag.
Viel zu früh aufgewacht, am Computer Patience gespielt und im Fernseher Law & Order geguckt, dann Eier mit Speck gegessen und erstmal weitergeschlafen. Später auf dem Weg zu einer Verabredung schenkt mir eine Fremde auf meine Bitte um Feuer ihr Feuerzeug. Im Cafe mit einer Freundin ein schweres Thema besprochen und keine Lösung gefunden. In der Nationalgalerie Bilder von Caspar David Friedrich angeguckt, wunderschön der Mönch am Meer, befreit vom Schutzschmutz aus 150 Jahren. Zitat der Saalaufsicht: "Die Restauratorin hat acht Schichten mit einem Wattetupfer entfernt, die vier Jahre waren nicht vergeudet." In einem kleinen Restaurant lese ich mich in einem ebenfalls kleinen Buch fest, will es dem Wirt abkaufen und bekomme es ebenfalls geschenkt, Antoine de Saint-Exupérys Beschreibung seiner Reise nach den USA im Kriegsjahr 1940, eine notwendige Atempause zwischen seinen Einsätzen als Pilot der französischen Luftwaffe.
Abends in den völlig ausverkauften Kammerspielen "Black Maria" von René Pollesch. Ohne je gekokst zu haben, stelle ich mir vor, dass das sich ähnlich anfühlen könnte, nur das man sich hier Worte einhilft, statt weißem Puder. Viele Themen, viele Behauptungen, die immer wieder in Frage gestellt und dann wiederholt werden. Widersprüche, Heftigkeiten, Verwirrungen. Selten Bon Mots, wenig Ironie, Gott sei Dank, Nachdenken, Gedanken werden gedacht und verworfen oder aus gänzlich anderer Position verteidigt.
Die Unsichtbarkeit des weißen heterosexuellen Mannes ist ein verstörendes Bild, er ist so sehr allgegenwärtig, das man seine ständige Anwesenheit als Hauptakteur nicht befragt, er wird nicht mehr als das gesehen, was er ist, eine von vielen Möglichkeiten. Repräsentation: Vertretung einer Gesamtheit von Personen durch eine einzelne Person oder eine Gruppe von Personen, nennt das Wiki.
Der Anteil von Frauen und Männern an der Weltbevölkerung ist ungefähr
gleich. Derzeit leben etwa 3,82 Milliarden Frauen und 3,89 Milliarden
Männer auf der Erde.
(Fünf Fragen - fünf Antworten)
Black Maria. So nannte man das 1893 gebaute erste Filmstudio der Welt.
Das Schwarz der Dachpappe, aus der es gebaut war, und seine Enge
erinnerte an die schwarz lackierten Gefangenentransporter, lahme
Pferdekutschen, die man "Black Maria" nannte nach dem damals
berühmtesten Rennpferd. Das Haus stand auf Rollen, denn sein Dach, das
man öffnen und schließen konnte, folgte der Sonne.
Ein freudiger, rasend schneller und verspielter Theater-Diskurs. Es sprechen: ein Goldgräber in Alaska, der amerikanische Träumer, Filmemacher, Abbilder und Abgebildete, die, die man sieht und die, die im Dunklen bleiben, sie reden frenetisch über Vergessen und Erinnern, auch sich an den Text erinnern, Über Anschussfehler und den KNACKS. Der Knacks, die Verletzung, die verändert, aber kein Drama erzeugt, nur alles verändert, ohne dramentauglich zu sein. Sie reden über eigentlich Alles. Mein Kopf raucht.
Eine hochkonzentrierte Souffleuse begleitet schützend den prall sprachgefüllten Abend. Wie lernt man solchen Text?
Astrid Meyerfeldt, die ich eigentlich nicht mag, war großartig. Die anderen in unterschiedlicher Weise auch. Franz Beil ist meine Neuentdeckung.
Zweimal hinreißende Bilder, das Bühnenbildhaus aus Teerpappe mit Lämpchen als Bolzen dreht sich zur Sonne hin, die Sonne ist ein Scheinwerfer. Später, in einer runden Trommel mit Sehschlitzen sieht man die Phasen der Bewegung eines gallopierenden Pferdes, Es sieht aus wie Film, ist aber noch Photographie, diese Bilder werden dann auf das sich drehende Bühnenhaus projeziert, fliegende Pferde!
War das ein guter Abend? Für mich war es so. Aber viele Kritiken beschreiben Ermüdung durch Wiederholung. Vielleicht ist es gut, wenn man nicht zu oft ins Theater geht?
Josef Maria Eder, Professor an der Technischen Hochschule in Wien, schreibt 1884:“Die Muybridge’schen Aufnahmen der Pferde werfen alle bisherigen Theorien über den Kopf. So erhebt sich beispielsweise ein galoppierendes Pferd nicht zuerst mit den Vorder−, sondern mit den Hinterbeinen vom Erdboden. Ebenso sind in einem Moment seine Beine alle nach allen Richtungen gegen den Erdboden gestemmt, wie wenn es störrig wäre, und gleich darauf schwebt es in der Luft und hat alle Beine unter den Bauch gezogen. Mit einem Worte, alle unsere Vorstellungen und Darstellungen von der Bewegung des Pferdes waren von Anfang bis zu Ende falsch.”
Bildfolge eines
galoppierenden Rennpferds. Serienfotografie von Eadweard Muybridge,
erstmals veröffentlicht 1887 in Philadelphia.
Wiki:
Die Black Maria (englisch für Schwarze Maria) war das erste kommerzielle Filmstudio der Welt. Es wurde im Jahr 1892 von dem Filmpionier William K. L. Dickson auf dem Gelände von Thomas Alva Edisons Laboratorien in West Orange, New Jersey, erbaut und diente von 1893 bis 1901 als Produktionsstätte für die Filme der Edison Manufacturing Company.
Vorausgeschickt: ich liebe das Wort Pappplakat und einstmals wurde Flußschiffahrt mit zwei f geschrieben, nur zwei f, weil halt ein Vokal auf den Konsonanten folgte, aber jetzt müssen wir Flussschifffahrt schreiben, weil es diese alte Rechtschreibregel nicht mehr gibt.
Ich mag die Idiotien unserer Sprache, und ich bin hin- und hergerissen, natürlich muß und wird sich diese Sprache verändern. Aber sollte sie sich nicht natürlich verändern?
Der Sprachpurismus des 17. und 18. Jahrhunderts versuchte, aus damals durchaus ehrenwerter nationaler Gesinnung heraus, die deutsche Sprache vor Überfremdung zu retten. Das brachte uns großartige Worterfindungen aber auch alberne Ersatzlösungen. Der Gesichtserker für die Nase ist darunter wohl nur eine satirische Überhöhung.
Ich teutscher Michel
Versteh schier nichel,
In meinem Vatterland
Es ist ein schand.
Man thuet jetz reden
Als wie die Schweden
In meinem Vatterland
Es ist ein schand.
Ein jeder Schneyder
Will jetzund leyder
Der Sprach erfahren sein
Vnd redt Latein:
Welsch vnd Frantzösisch
Halb Japonesisch
Wann er ist voll und doll
Der grobe Knoll.
...
Ihr fromme Teutschen
Man solt euch beutschen
Daß jhr die Muettersprach
So wenig acht.
Ihr liebe Herren
Das heißt nit mehren
Die Sprach verkehren
Zerstöhren.
https://de.wikipedia.org/wiki/Deutscher_Sprachpurismus
1901 entschied die Orthographischen Konferenz Thür und Thal künftig ohne dem h nach dem t zu schreiben, aber Theater und Thron behielten ihr h, weil sie Fremdwörter waren, oder weil, wie es eine Anekdote berichtet, der Kaiser auf dem h in seinem Thron bestand.
Die letzte Rechtschreibreform 1996 brachte uns Stängel von Stange stammend, anstatt dem bis dahin üblichen Stengel, aber Eltern blieben Eltern, obwohl sie von den Älteren hergeleitet eigentlich Ältern sein müßten.
Die Zeit und die Entwicklung der Gesellschaft und der Technologie tuen unaufgeregt auch ihr Ding, einige Wörter sterben aus, neue entstehen, Fremdwörter sind irgendwann nicht mehr als solche erkennbar, Anglizismen stehlen sich ein.
Ich
verstehe den Wunsch nach gendergerechter (geschlechtsgerechter) Sprache zutiefst, aber Student*innen
läßt sich schwer sprechen und Mensch*innen zerstört ein Wort um das uns
englischsprechende Mensch*innen beneiden, weil sie nur das ungelenke
human being haben. Der Mensch, das Mensch - Büchners Woyzeck benutzt
beides. Andererseits haben es die englischsprechenden Menschen respektive
Menschinnen leicht, sie haben mit ihrem "the" einen genderunbelasteten
Artikel.
In unserem Sprachbereich wütet jetzt ein wahrhaft böser Streit um das generische Masculinum.
Das generische Maskulinum ist eine Gruppe von
Substantiven maskulini generis, die benutzt werden, wenn man keinen
Bezug auf das natürliche Geschlecht haben möchte.
Der Bäcker, die Person, der Mensch, die Sonne, der Mord, die Rettung, der Frieden, das Kind, die Liebe, der Tod, die Krankheit, die Heilung, die Gerechtigkeit, der Hass.
Beim Schreiben geht es ja noch irgendwie, aber wie spreche ich gendergerecht? Student - Synkope - * - innen? Das klingt wie Schluckauf.
Ich selbst bin Regisseur, Regisseurin, Regisseuse? Wer, was, bin ich?
https://www.zeit.de/2018/23/gendergerechte-sprache-rechtschreibung-duden-binnen-i-sternchen/seite-3
«Das Böse sehe ich funkeln in den Augen der Fatwas / Wenn ich die Wahrheit enthülle, kriecht das Monster aus seinem Versteck.»
Gestern beim Rumzappen auf diese faszinierende Dokumentation gestossen. Ihr findet sie in der 3 Sat Mediathek.
Fesselnd, bestürzend, Augen öffnend.
Das Portrait einer saudi-arabischen Dichterin, Portrait einer Frau von der wir nur die Augen sehen dürfen, selbst ihre Augenbrauen müssen bedeckt bleiben.
Sie hat bei einer großen Poesie-Talentshow in Abu Dhabi, "Poet der Millionen", in der arabische Länder den dichtenden Superstar suchen, als einzige Frau teilgenommen und den dritten Platz belegt. Das Publikum saß übrigens, getrennt nach Geschlecht, in zwei verschiedenen Sälen.
Bitte unbedingt ansehen.
Hissa Hilal - eine Stimme hinter dem Schleier
1972 in einem Ruderboot auf einem See im Brandenburgischen, meine erste Liebe hatte mir eine Kassette geschenkt, "Thick As A Brick" von Jethro Tull, erst Jahre später erfuhr ich mehr über Ian Anderson und seine Angewohnheit auf einem Bein stehend Querflöte zu spielen. Den Kassettenrekorder hatte ich kurz zu vor zur Jugendweihe geschenkt bekommen, er war aus dem Westen.
Geduld mußte ich haben.
Ein Film lief im Fernsehen oder im Kino, nur dann wenn er lief. Nicht meine Lust zählte, sondern das Programm des Ost oder West Fernsehsenders, bzw. des Kinobetreibers, Angebot und Nachfrage wurden zusätzlich ungemein verschärft und eingeschränkt durch die gnadenlosen, geschmacksfreien Zensurbehörden der DDR. Ich konnte eine Musik hören, wenn sie im Radio lief, oder ich die Platte im Besitz hatte oder einen Mitschnitt. Ich konnte einen Film sehen, wenn er im Fernsehen lief oder, eher selten, in einem Kino der DDR.
Ende der 70er kaufte meine Mutter einen VHS-Player und brachte Kassetten mit, wenn sie zu ihrem Bruder in die USA fuhr. Meine erste Erinnerung ist "Der Pate" Teil 1, ich verliebe mich in Al Pacino. Ein wenig später in Donald Sutherland's "Casanova". Diese dicken schwarzen Video-Kassetten waren mein Schatz und meine Einstiegsdroge in die Gewohnheit der Ungeduld.
Noch 2003 in Rostock mußte ich, man mag es kaum glauben, bis zu 5 Minuten warten, bis ein Lied heruntergeladen war und der nächste Teil einer geliebten Serie lief wirklich nur einmal in der Woche.
Geduld.
Oder sollte ich es Vorfreude nennen? Instant gratification, sofortige Befriedigung ist jetzt angesagt. Und ich bin ein Ungedulds-Junkie. Will alles jetzt und sofort sehen und hören.
Das "Game of Thrones" so lange braucht, um die letzte Staffel zu produzieren, finde ich darum großartig. Ich muß warten. Ein guter Entzug.
Ich benötige Geduld.
Gut für mich.
Auf etwas warten zu müssen, etwas zu erwarten, erhöht mein Interesse. Gibt ihm einen Wert.
Vorausgeschickt: ich inszeniere gerade ein französisches Stück in dem außerordentlich viel gegessen wird. Ich weiß nicht, ob euch schon mal aufgefallen ist, wie in Stücken und Filmen aus Frankreich wirklich und wahrhaftig gegessen wird, während Nahrungsaufnahme in deutschen Produktionen meist Mittel zu irgendeinem künstlerischen Zweck oder beiläufiges Nebenbei ist und in US-Produktionen von außerordentlich dünnen Darstellern undefinierte Salate auf Tellern hin- und hergeschoben werden und nach dem Geschiebe die Gabel im vagen Irgendwo zwischen Teller und Mund der zerbrechlichen, meist weiblichen, Darstellerin verharrt, während sie ihre Probleme besprechen.
Essen als notwendiges Übel, als Bedrohung des perfekten Körpers, als Genuss, als Bestandteil des Lebens oder sogar als Teil der menschlichen Kommunikation.
Gedankensprung nach Brandenburg.
Laut Aussage des Statistischen Bundesamtes lag die Einwohnerzahl von Senftenberg 2015 bei 24.625 Menschen. Da es jährlich weniger werden, mögen es jetzt vielleicht noch 23.000 sein. Der Braunkohlebergbau, Stolz und Ernährer dieser Gegend, ist verschwunden, die Umgestaltung zum Naherholungsgebiet noch in der Entwicklung.
Soweit das große Ganze, nun zum kleinen Persönlichen.
Auch wenn meine Theaterwohnung ein durchaus angenehme Küche vorweisen kann, möchte ich doch hin und wieder zwischen Probe und Probe nur schnell etwas essen gehen. Aber wo? Das Angebot ist überschaubar, ich, als verwöhnter Berliner, würde sagen, mit einem kurzen & kurzsichtigen Blick.
Fast immer verfügbar: zwei Dönerläden, ein asiatischer Imbiss, ein Grieche, ein Inder, der vermischt Asiatisches anbietet und der klassisch deutsch-irische Pub, halt der übliche globalisierte Fastfoodmansch. "Geraldine" die feine Konditorei öffnet um Eins und schließt um sechs Uhr, die andere Konditorei hat fettere, aber auch sehr gute Torten und beide servieren einen guten "Strammen Max". Im Reformhaus gibt es Fischsuppe, aber nur bis halb Drei, die schicke "Drogerie" ist ok, aber recht teuer für alle Tage, der tolle von Albanern geführte Italiener auch.
Alles hausgemacht! Heute um 13.00 beim Mittagstisch "Wild wie Sau", gibt es keine Bratkartoffeln, weil die Burger noch vorbereitet werden müssen und Eier für Schnitzel Hamburger Art sind auch keine mehr da. Aber ich könnte Sahnenudeln haben.
ABER! Aber REWE hat von 7 bis 24 Uhr geöffnet und ist gut sortiert.
Morgen bin ich wegen Schauspielerüberbeschäftigung probenfrei und also zuhause, dann gibt es selbstgemachtes Schnitzel mit Speckbohnen!
Zweiunddreissigmal das gleiche Stück in dichter Folge, davor zwei Monate täglich nicht immer leichte Proben. Ein höchst eigenartiges Erlebnis, en suite hatte ich vorher noch nie gespielt, meist Repertoire, ein Stück zwei- oder dreimal im Monat, wenn es fett kam, war ich in acht oder zehn verschiedenen Stücken, hatte also etwa 25 Vorstellungen im Monat. Diesmal sechs Tage die Woche Hase Hase, am Sonntag um 16 Uhr, sonst pünktlich um 20 Uhr. 1000 meist ältere Leute, die, zumindest, in der Menge, beseelt wirkten.
Und du spielst.
Ein Kollege hat Liebeskummer, die Grippe geht um, dein Rücken schmerzt, das Wetter wechselt, die zentrale Rolle wird umbesetzt,
du spielst.
Heute war gut, gestern war besser, du spielst.
Die neue Mama hat ein unsicheres Verhältnis zum Text, du spielst.
Ein Zuschauer lebt während Deines Monologes seinen Bronchialkatarrh aus und Du spielst, anstatt ihn in Deinen Text einzubauen. "Mein Gott, mach, das der Husten dieses Mannes besser wird."
Regie gibt Dir einen gesicherten Raum, du und die Spieler "spielen" Möglichkeiten durch. Die genaueste Möglichkeit wird gesucht und gelegentlich gefunden.
Spielen ist dem Jetzt ausgeliefert. Es ist "live". Du bezahlst in bar. Das ist die Lust und die Leistung.
Kathi, Anna, Nelly, Markus, Raphael, Marek, Pierre, Alexandra, Florian, Philippe, Nathu, Susanne - wir haben es gut gemacht. Zuverlässig und leidenschaftlich, gemeinsam und individuell.
Die Schillerklause befindet sich direkt neben dem Schillertheater, gleich links um die erste Ecke, die genaue Adresse lautet Am Schillertheater 10625 Berlin (Schiller-Ecke Schlüterstraße) in Berlin-Charlottenburg und dieser Ort ist ein überaus kostbares Stück Berliner Geschichte - die klassische berlinische Eckkneipe, Heimat derer, die einfach gern einen trinken und derer, die einen Kummer mit sich rumschleppen und derer, die ihre leere Wohnung nicht aushalten, aber auch von denen, die nur ihren Feierabend gemütlich verbringen wollen.
Beim zweiten Besuch weiß jeder Deinen Namen und Dein Getränk, die Preise sind unüblich menschlich (Der reichhaltige Buffetteller kostet knapp über 4 Euro!) und die Bedienung, nein, die Bewirtung ist geradezu atemberaubend persönlich und freundlich.
Die Wirtin arbeitet auch noch als Nachtkrankenschwester, die eine Kellnerin studiert Pädagogik, und alle sind leidenschaftliche Gemütlichmacher. Hier fühlt man sich aufgenommen, gemocht.
Ein einsames Relikt, nahezu alle ähnlichen Orte in Ost-Berlin, die ich kannte, sind verschwunden, der Trichter zum Beispiel, die Absackerkneipe der Ost-Berliner Taxifahrer. Und nicht alles läßt sich durch Ambiente ersetzen. Im Trichter konnte man zu Ostzeiten noch nach Mitternacht ein Schnitzel bekommen, irgendwo in der Oderberger gab es eine Kneipe für harte Trinker, mit einem Balken überm Tresen über den sie ihre Krawatten warfen, um das erste Glas am Morgen trotz Zittern an den Mund führen zu können. In der Möwe versackte jeder, der sich zu Ostzeiten als Künstler empfand, besoffen war ok, aber Sandalen verhinderten den Eintritt. Im Cafe Moskau saßen ddrische Huren und ihre Zuhälter und es gab Zigaretten nach 24 Uhr.
Eine Kneipe ist ein erweitertes Wohnzimmer, ein Zwischenaufenthalt, ein Raum zum Runterkommen, nichts schickes, nichts trendiges. Die Stühle sind mittelbequem, die Luft erinnert vage an Zeiten ungehinderten Zigarettenkonsums, das Personal spricht nicht fließend Denglisch. Es gibt am Alt-Berliner-Buffet Buletten und Bockwurst.
https://mitvergnuegen.com/2017/11-tolle-alte-berliner-kneipen-die-ihr-kennen-solltet
Ob zu einem gepflegten Bier oder diversen anderen
Getränken !? Wir halten eine vielfältige Auswahl für
Sie bereit!
Ob großer oder kleiner Hunger !? Verschiedene Kleinigkeiten
oder unser Kalt-Warmes Buffet bieten sich an!
Ob als Stammgast oder im Vorbeigehen! Ob vor oder nach
dem Theater- oder Opernbesuch! Ob Ballkleid und Smoking
oder in Jeans und Turnschuhen!
Genießen Sie eine angenehme Zeit in ungezwungener
Atmosphäre in unserem gemütlichen Berliner Ambiente!
Gerne dürfen Sie uns auch ansprechen, wenn Sie eine
Feirlichkeit planen!
Nicole Kidman, Reese Witherspoon, Shailene Woodley, Alexander Scarsgard, Laura Dern, Zoe Kravitz und und und... spielen mit.
Die Handlung spielt in Kalifornien zwischen zumeist weiblichen Angehörigen der wahrhaft obersten Mittelschicht. Die Figuren sind Archetypen der amerikanischen Serienwelt, ausnahmelos gutaussehend, die meisten wohlhabend oder reich, die Variationen liegen ausschließlich in der Art, mit der sie ihre spezifischen Probleme handhaben.
Klingt das öde? Ja. Ist es aber, erstaunlicherweise, nicht.
Das Thema ist Gewalt, psychische und physische in menschlichen Beziehungen und die Umbenennungen, die Beschönigungen, die wir erfinden, in größter Not, damit solches ertragbar bleibt, bis es dann eben nicht mehr geht.
Eine Frau wird geschlagen, eine betrügt ihren Mann, eine wurde vergewaltigt, eine ist so beschäftigt, dass sie nicht zuhören kann.
Im Vorspann laufen Kinder durchs Bild. Und dann ihre Mütter.
Frau Kidman kann ihr Gesicht wieder bewegen, auch wenn sie immer noch ungemütlich schön ist, selbst nach brutalsten Übergriffen. Frau Witherspoon ist eine glaubwürdige besserwisserische Klatschtante mit besten Absichten und die Kleinbürgerlichkeit in sich, die sie bekämpft, hat Anklänge von Tragik, Frau Woodley ist nicht so perfekt wie ihre Mitspielerinnen und behauptet sich erstaunlicherweise dennoch, Frau Dern ist einfach immer der Hammer. Zoe Kravitz ist nervtötend in der besten vorstellbaren Art. Herr Skarsgard ist ein leidender, brutaler, egozentrischer Dreckskerl, den ich mögen will und nicht mögen darf.
Die Kinder sind der Drehpunkt, sie wissen noch nicht, was aus ihnen werden wird. Aber wir ahnen es leider schon.
Woher kriegen die Amis diese wunderbaren Zwergendarsteller? Woher haben die das Timing, die Entspanntheit.
Ich, die ich das Glück hatte, nie körperlich drangsaliert zu werden, habe doch, wie ihr alle, psychische Mißhandlung erlebt und ausgeteilt. Ja, leider war ich nicht nur Opfer.
Die 7 Folgen haben mich gut erwischt. Ich habe über mich nachgedacht. Das ist doch schon mal was.
19 Vorstellungen "Hase Hase" gespielt und 13 kommen noch.
Eine spannende Erfahrung für mich erstmalig ensuite, also nahezu ununterbrochen hintereinander zu spielen, jeden Abend dieselbe Inszenierung desselben Stücks und doch ist jeder Abend verzückend anders.
Die Truppe ist gut miteinander, schwächelt einer, schwächeln alle, und wenn wir fliegen, heben wir gemeinsam ab.
Die Leute im Saal, jeden Abend zwischen 800 und 1000 tun das ihre. Sie sind primär auf Spaß aus oder hören genau hin, mal zurückhaltender, mal überbordend enthusiastisch, alt, jung, alles durcheinander, aber immer miteinander.
19 Vorstellungen mit zwischen 770 und 1027 Zuschauern, also circa
17 000 Menschen haben uns zugesehen - ein schöner Irrsinn.
Da ich erst nach der Pause richtig losspielen darf, gucke ich vorher viel zu, spüre den Atem, die immer leicht unterschiedliche Geschwindigkeit, groove mich ein, und langweile mich nicht, wirklich nicht. Guten Spielern zuzugucken, wie sie variieren, ausprobieren, in unsichere Gewässer geraten und doch immer auf wundersame Weise das erprobte/geprobte Festland wieder erreichen, ist mir ein Vergnügen.
Und es ist wirklich ganz anders als Repertoire zu spielen, denn da liegen 2, 3, 4 Wochen zwischen den einzelnen Vorstellungen und ein Teil des Hirns ist mit Erinnern, Wiederherstellen beschäftigt, aber wenn du wochenlang allabendlich dieselbe Geschichte spielst, wirst du freier im Kopf, wagemutiger, frecher.
Heute war Frau Dupperi in ihrem Gespräch mit Gott etwas betrunkener, gestern dagegen hatte ihre Altmädchenhaftigkeit mehr Gewicht.
Jeder Abend ist eine kleine
Abenteuerreise, eine neue Betonung ist auszuprobieren, eine andere Pause. Der Körper hat auch seine eigenen Interessen, der Rücken spinnt, also tanzt er anders, einmal bin ich müder, ein anderes Mal energiegeladen und hüpfend.
Wird man sich einer Pointe zu sicher, gelingt sie nicht, überhaupt ist Erfüllung von Anweisungen oder die selbstgewisse Rückversicherung auf einmal Gelungenes der Tod des Spiels.
Jeder Abend kann schiefgehen, dass macht es so aufregend.
Ich habe wirklich nicht erwartet, das mir SPIELEN, nach einer so langen Zeit der Abstinenz, so sehr viel Spaß machen würde. Ein altmodisches Adjektiv trifft es am genauesten, es ist GEIL.
nnn
"O what a night!"
Kennt ihr das? Diese Dialoge, die man im Kopf durchprobiert? Die, in denen man beherrscht, klug, schlagfertig wirkt? Man feilt nächtelang an der präzisesten Formulierung, wobei die Repliken des Gegenübers vorhersehbar, unüberzeugend und schwach bleiben.
"Wo kömmt der Witz mir her?"
Aus der Ruhe, der Repetition, der Distanz zur realen, anstrengenden, persönlichen Auseinandersetzung. Allein mit sich im eigenen Kopf, wird man nicht von Emotionen übermannt, verheddert sich nicht in halbgaren Argumenten, und wenn doch, fängt man einfach nochmal von vorne an. Und irgendwann klappt es, man steht als klarer Sieger, als intelligenter, scharfsinniger Mensch der im Recht ist da - nur dass der Opponent davon leider nichts weiß.
"Cry Baby"
Wenn ich in Wut gerate, was, zum Glück, nicht oft vorkommt, fängt meine Unterlippe ohne mein Zutun an zu zittern und mir steigen Tränen in die Augen. Ich hasse das. Es läßt mich schwach erscheinen, wenn ich Stärke zeigen sollte. Ich fühle mich wie The Incredible Hulk, und sehe aus wie Rotkäppchen, wenn der Wolf sein Maul aufreißt.
"On a clear day you can see forever"
Meine Lieblingsschwester hat mich früher manchmal "Harmonieschnittchen" genannt, weil ich oft versucht habe, notwendige Auseinandersetzungen zu vermeiden, zu vermitteln, Kompromisse auszuhandeln . Ich habe mir das in einem langwierigen Prozess abtrainiert, weil ich mitlerweile denke, dass Klarheit letztlich gut tut. Klarheit meint nicht leichtfertige Aggression, nicht respektloses Runtermachen, sondern ehrliche, bemühte Aufrichtigkeit.
"I'm a dreamer"
Aber im alltäglichen Umgang fällt mir das manchmal immer noch schwer. Noch immer schockiert mich wirklich schlechtes Benehmen so sehr, dass mir "die Worte fehlen". Fassungslos verschlägt es mir die Sprache. Und dann ist es zu spät für eine Antwort und der stumme, nutzlose Kopfdialog geht los.
"Neverending story"
Und nun bin ich schon ziemlich alt und führe noch immer Gespräche in meinem Kopf, die nie das Licht der Welt erblicken.