Vorausgeschickt: Ich liebe Science Fiction. Ich gucke mir in diesem Genre jeden Scheiß an und bin leicht verführbar.
Avengers, Thor, Guardians, Star Wars, Batman, Mad Max - ich bin da.
Infiziert haben mich Ridley Scott, Isaac Asimov und Stanislaw Lem.
Heute in
der Spätvorstellung: Valerian, Luc Bessons neuester Science-fiction Film.
Geschrieben auf der Basis einer französischen Comic-Serie, die er als
Kind liebte und nun in fünfjähriger Arbeit verfilmt hat.
Besson.
Im Rausch der Tiefe. Nikita.
Leon Der Profi. Leon Der Profi. Leon Der Profi. Ach, ach, ach. Zehn mal gesehen. Jedesmal geweint. Ich hätte auch den Blumentopf gespielt.
Das Fünfte Element. Lucy war dann nicht so meins.
Mannomann.
Mehr als zwei Stunden lang, großartige Bilder, tolle Bilder, zitierte Bilder, allzubekannte Bilder, viele Bilder, zu viele Bilder, viel zu viele Bilder.
Avatar hängt als Mutterschiff über dem Plot, nur dass hier die mit-der-Natur-im-Reinen-seienden-Aliens, nicht langgestreckt und blau sind, sondern wie hyperschlanke, gebleichte nubische Volkstänzer mit Barbiefigur aussehen. Sie schimmern und neigen in Momenten des Glücks zum Piruettendrehen. Ihre Haustiere sind bunt und niedlich und scheißen Überfluß.
Einige der anderen auftretenden Aliens haben schon in Star Wars und Guardians Of The Galaxy kleinere Rollen verkörpert. Bessere Flugkampfszenen als in Star Wars 4/5/6 hat sowieso noch keiner gedreht und Rutger Hauer, was ist dem nur seit Bladerunner geschehen, hat einen Kurzauftritt, später bemüht sich Clive Owen chancenlos um die Darstellung eines interessanten Bösewichts.
Einfall reiht sich an Einfall, eine Idee erschlägt die nächste, nur nichts auslassen. Keine Sekunde lang darf mal nichts passieren. Hektik. Hast. Hysterie. Überdosis. Ich habe zwischendurch die Augen geschlossen, um meine Pupillen auszuruhen. Im Zentrum dieses visuellen Orkans sitzt dann eine dünne Geschichte gespielt von recht schlechten Schauspielern unter Verwendung hölzener Dialogversatzstücke und pseudo-philosophischen Dünnschisses.
Irgendjemand muß ich in einem Film mögen, für ihn zittern, ihm Glück wünschen, ihn lieb haben. Wo ist Groot, wen man ihn braucht? Wenn die Mitte fehlt, hilft halt auch all der Bombast drumherum nicht recht.
Caspar Shaller schrieb in der ZEIT: Es ist die teuerste Schöpfung der französischen Filmgeschichte, eine bombastische
space opera,
getrieben von europäischen Hoffnungen auf eine von Hollywood
unabhängige Filmindustrie, die in der Lage ist, Blockbuster auf den
Markt zu bringen. Drei Jahre hat Besson am Konzept gearbeitet, 18 Monate
am Storyboard gewerkelt, zwei Jahre beim Schnitt verbracht. Die
Finanzmittel trieb er beim Festival von Cannes auf, wo er mit Drehbuch
und Skizzen hausieren ging. 80 Millionen Euro kamen an einem Tag
zusammen. Weil er den Blockbuster wie einen Indie-Film finanziert habe,
so Besson, habe ihm niemand reingeschwatzt oder genörgelt, wenn er zu
sehr auf den Putz gehauen habe. Das ist das Problem: Niemand hat ihm
zärtlich über den Kopf gestreichelt, in sanftem, aber bestimmtem Ton
gesagt: "Nein, Luc, das reicht", und ihm das Silbertablett mit dem Koks
weggenommen.
http://www.zeit.de/2017/30/valerian-luc-besson-film-kritik
Wiki informiert uns, dass Valeriana eine Pflanzengattung aus der Unterfamilie der Baldriangewächse sind. Mich hat der Film ermüdet.
Sonntag, 23. Juli 2017
Samstag, 22. Juli 2017
Eine richtige Kneipe
Ich liebe Cafes, esse gern in guten Restaurants, aber manchmal muß es eine Kneipe sein.
Eine Kneipe ist ein öffentlich zugänglicher Raum, in dem sehr viel Bier, hochprozentiger Alkohol, aber auch Getränke ganz ohne Alkohol verkauft und getrunken werden. Manchmal bieten sie auch ein beschränktes Speiseangebot. Die Einrichtung, das Ambiente, ist nicht der Rede wert. Eine Kneipe wird von einem Kneipier betrieben oder, immer noch selten, seinem weiblichen Equivalent. Eine Kneipe ist heutzutage leider nicht mehr leicht zu finden.
Der Pub Carolina in Rostock, ehemals Bresis Pub, ohne Apostroph, ist solch eine Kneipe in der Rostocker Altstadt etwa zwanzig Meter von der hiesigen Schauspielschule entfernt. Was dazu führte, dass Dozenten und Studenten dieser Schule, zumindestends früher, hier oft trinkenderweise anzufinden waren. Ein altes Haus, klassischer Eckeingang (Eckkneipe), Neonschild, kurze Treppe mit festem Geländer für kinetisch verunsicherte Heimwärtsstolperer. Drinnen erst eine längliche Strecke mit Barhockern am Tresen und hinten nach links abbiegend, jedoch ohne wirkliche Abtrennung, ein etwas intimerer Raum. Wenig Deko, Bierwerbung, mehr Bierwerbung. Der ehemalige Wirt war rundlich, charmant und rotgesichtig, der neue Wirt trägt Pferdeschwanz und ist ebenfalls charmant. Es darf hier geraucht werden, nein, es soll geraucht werden. Vor mir steht immerhin ein Zweiliter Aschenbecher.
Die Gäste des heutigen Freitagabends sind zehn Männer und, außer mir, eine weitere Frau meines Alters. Wir teilen uns in eine größere heitere Gruppe, zwei ernste Trinker am äußeren linken Tresenrand, einen einzelner Koreaner, der knietief in sein Samsung-Phone versunken wie nebenbei sein Budweiser schluckt und mich.
Die Männer trinken bis auf einen einzelnen Gin/Tonic Individualisten, Halblitergläser Bier. Wie passt nur so viel Flüssigkeit in einen Körper?
Ich bestelle eine Bockwurst, Sprudelwasser und 'nen doppelten Jim Beam. Die Wurst ist knackig, der Senf scharf, das Graubrot angeröstet.
Es folgt eine filmreife Szene: Eine wunderschöne junge Frau kommt herein, steuert zielsicher auf den jüngeren des ernsthaft diskutierenden Männerpaares zu. Zweimal, "Du kommst heute nicht nach Hause, versteht Du?" Man stelle sich diesen und die folgenden Sätze gesprochen, nicht geschrien, mit dunkler Stimme und wunderbarem russischen Akzent vor. Sie gießt langsam sein eben frisch serviertes Bier über ihn. "Du kommst heute nicht nach Hause, die Tür ist verschlossen!" Sie gibt ihm eine Ohrfeige, ein unerwartet lautes Klatschen, sie schlägt heftig auf ihn ein, wirft zwei Aschenbecher ziellos in den Raum, beendet den Angriff mit einem sachlich nachgestzten "Arschloch!" und geht. Er reagiert nicht, gar nicht, nimmt hin. Geschockt? Gelähmt? Um Würde bemüht? Nachdem sie gegangen ist, folgt seine Kurzinfo: "Das war meine russische Frau." Der bezopfte Wirt wischt das verschüttete Bier weg, die beiden Männer reden ernsthaft weiter, nun über Frauen, aber im Allgemeinen. Die anderen Gäste hatten kurz innegehalten, gelacht, und dann weiter getrunken.
Eine Kneipe ist ein öffentlich zugänglicher Raum, in dem sehr viel Bier, hochprozentiger Alkohol, aber auch Getränke ganz ohne Alkohol verkauft und getrunken werden. Manchmal bieten sie auch ein beschränktes Speiseangebot. Die Einrichtung, das Ambiente, ist nicht der Rede wert. Eine Kneipe wird von einem Kneipier betrieben oder, immer noch selten, seinem weiblichen Equivalent. Eine Kneipe ist heutzutage leider nicht mehr leicht zu finden.
Der Pub Carolina in Rostock, ehemals Bresis Pub, ohne Apostroph, ist solch eine Kneipe in der Rostocker Altstadt etwa zwanzig Meter von der hiesigen Schauspielschule entfernt. Was dazu führte, dass Dozenten und Studenten dieser Schule, zumindestends früher, hier oft trinkenderweise anzufinden waren. Ein altes Haus, klassischer Eckeingang (Eckkneipe), Neonschild, kurze Treppe mit festem Geländer für kinetisch verunsicherte Heimwärtsstolperer. Drinnen erst eine längliche Strecke mit Barhockern am Tresen und hinten nach links abbiegend, jedoch ohne wirkliche Abtrennung, ein etwas intimerer Raum. Wenig Deko, Bierwerbung, mehr Bierwerbung. Der ehemalige Wirt war rundlich, charmant und rotgesichtig, der neue Wirt trägt Pferdeschwanz und ist ebenfalls charmant. Es darf hier geraucht werden, nein, es soll geraucht werden. Vor mir steht immerhin ein Zweiliter Aschenbecher.
Die Gäste des heutigen Freitagabends sind zehn Männer und, außer mir, eine weitere Frau meines Alters. Wir teilen uns in eine größere heitere Gruppe, zwei ernste Trinker am äußeren linken Tresenrand, einen einzelner Koreaner, der knietief in sein Samsung-Phone versunken wie nebenbei sein Budweiser schluckt und mich.
Die Männer trinken bis auf einen einzelnen Gin/Tonic Individualisten, Halblitergläser Bier. Wie passt nur so viel Flüssigkeit in einen Körper?
Ich bestelle eine Bockwurst, Sprudelwasser und 'nen doppelten Jim Beam. Die Wurst ist knackig, der Senf scharf, das Graubrot angeröstet.
Es folgt eine filmreife Szene: Eine wunderschöne junge Frau kommt herein, steuert zielsicher auf den jüngeren des ernsthaft diskutierenden Männerpaares zu. Zweimal, "Du kommst heute nicht nach Hause, versteht Du?" Man stelle sich diesen und die folgenden Sätze gesprochen, nicht geschrien, mit dunkler Stimme und wunderbarem russischen Akzent vor. Sie gießt langsam sein eben frisch serviertes Bier über ihn. "Du kommst heute nicht nach Hause, die Tür ist verschlossen!" Sie gibt ihm eine Ohrfeige, ein unerwartet lautes Klatschen, sie schlägt heftig auf ihn ein, wirft zwei Aschenbecher ziellos in den Raum, beendet den Angriff mit einem sachlich nachgestzten "Arschloch!" und geht. Er reagiert nicht, gar nicht, nimmt hin. Geschockt? Gelähmt? Um Würde bemüht? Nachdem sie gegangen ist, folgt seine Kurzinfo: "Das war meine russische Frau." Der bezopfte Wirt wischt das verschüttete Bier weg, die beiden Männer reden ernsthaft weiter, nun über Frauen, aber im Allgemeinen. Die anderen Gäste hatten kurz innegehalten, gelacht, und dann weiter getrunken.
Sonntag, 16. Juli 2017
Ach, ich rauche so gerne.
Siehst du die Gräber dort im Tal?
Das waren die Raucher von Reval.
Und siehst du die Gräber an anderen Orten?
Das waren die Raucher von anderen Sorten.
Und siehst du die Gräber dort in der Ferne?
Das waren welche, die rauchten so gerne.
Das waren die Raucher von Reval.
Und siehst du die Gräber an anderen Orten?
Das waren die Raucher von anderen Sorten.
Und siehst du die Gräber dort in der Ferne?
Das waren welche, die rauchten so gerne.
Volksmund
Rauchen schadet meiner Gesundheit. Schreibe eintausend mal: Rauchen schadet meiner Gesundheit. Rauchen schadet meiner Gesundheit. Rauchen schadet meiner Gesundheit.
Stimmt. Aber. Stimmt. Aber. Stimmt. Aber.
Ich habe eine sehr schlaue und wunderbar gradlinige Freundin. Rumeiern gilt bei ihr nicht, Dinge werden benannt und nicht verschleiert. Meine Freundin raucht. Sie hat ein ernstes Problem mit ihrer Lunge. Nichtrauchen wäre nötig. Und meine kluge, scharfsichtige Freundin, haspelt, verfällt in Kindchenstimme, argumentiert wie ein grenzdebiler Teenager, weiß, wie blöd das ist und kann doch nicht anders. Alle Tricks aus jedem Buch, Hypnose, Akupunktur, Elektroersatzzigaretten wurden ausprobiert und funktionierten und dann funktionierten sie nicht mehr.
Andere haben es geschafft. Respekt.
Völlig wahnsinnigerweise versuchen neuerdings sogar Staat und Zigarettenindustrie mich vom Rauchen, an dem sie gut verdienen, abzuhalten. Photographien auf jeder Schachtel, irgendwo zwischen abtörnendem Ekel und melancholischer Tauer. Geschwüre, Zahnstummel, Eiter, depressive Impotenz und die trauernden Hinterbliebenen verstorbener Kettenraucher zieren meine Gaulouise Schachteln. Infamer verlogener Mist.
Die Einnahmen durch die Tabaksteuer betrugen im Jahr 2014 14,3 Milliarden Euro. 1970 waren es noch 6,5 Milliarden Euro. Damit ist die Tabaksteuer nach der Energiesteuer (früher: Mineralölsteuer) die ertragreichste Verbrauchsteuer. ... Während das Gesundheitsministerium die Tabaksteuer als sogenannte Lenkungssteuer sieht, die eine Senkung des Tabakkonsums bewirken soll, hat das Finanzministerium ein Interesse an möglichst hohen Steuereinnahmen zur Deckung des Staatshaushalts.(Wiki)
Ich war jetzt fünf Wochen kränklich, zum ersten Mal in meinem Leben, höchst irritierend.
Ein Infekt. Blah. In den letzten Wochen verabschiedete sich meine Stimme. Zehn Tage Schweigen und Nichtrauchen folgten. Sogar Proben mußte ich absagen, das gab es noch nie! Das war nicht schön, gar nicht schön, aber irgendwie aushaltbar.
Nun bin ich auf dem Weg der Besserung und rauche wieder. Warum?
WHAT THE FUCK!
Auf Schokolade verzichten? Kein Problem. Auf Alkohol? Nicht wirklich schwer. Aber aufs Rauchen?
Ich habe eine Verabredung mit mir getroffen, nicht mehr nebenbei zu rauchen. Wenn ich rauche, dann tue ich nichts weiter als dies, rauchen. Der Versuch eine Sucht in einen Genuß zurückzuverwandeln.
Ich weiß, für Nichtraucher muß das vollkommen lächerlich klingen.
Freitag, 14. Juli 2017
Stumm. Meine Stimme, Mimi und ich.
Die Stimmlippen, auch: Stimmfalten, sind paarige schwingungsfähige Strukturen im Kehlkopf. Sie sind ein wesentlicher Teil des stimmbildenden Apparates des Kehlkopfes, bestehend aus der von Epithel überzogenen Stimmfalte, dem eigentlichen Stimmband, dem Musculus vocalis und den Aryknorpeln jeweils beider Seiten. Die Stimmlippen werden beidseits bei der Stimmgebung durch Anblasen aus dem Brustkorb in Schwingungen versetzt und bilden so den Primärschall der Stimme.
Meine Mutter hat mir erzählt, dass wir gemeinsam, als ich zwei Jahre alt war, meine zauberhafte Nenn-Tante Sloma in einem Westberliner Delikatessladen in dem sie damals arbeitete, besuchen gingen. 1960, also noch vor dem Mauerbau, man bin ich alt!
Eine laute, dunkle, heisere Stimme brüllte: "Loma!", die Kunden wendeten sich der Quelle des wüsten Schreis zu und ihr Blick fiel auf mich, klein, blond, süß.
Am Telefon wurde ich später des öfteren als Herr Schall identifiziert und einige Regisseure drängten mich, meine Töne eine Oktave nach oben zu quetschen. Blond, Unschuld, Opfer - hohe Stimme. WTF?
Mein Vater spielte über 500 Mal den Arturo Ui und brüllte sich vor den Vorstellungen fachgerecht ein. Ich schrie dilettantisch mit und bekam die ersten Knötchen auf den Stimmbändern. Die gingen wieder weg, kamen nach zehn Jahre wieder & wurden operiert. Ohne Narkose, nur Vereisungsspray in den Hals, selbst die Zunge festhalten und Professor Doktor Wendler, ein ganz wunderbarer Arzt, schnitt mit einer ganz kleinen Schere, die an der Spitze eines langen Metallinstrumentes angebracht war, das kleine Gewächs weg. Ein Test-Ton direkt danach - war noch Zukunft, oder nicht mehr? Dann sechs Wochen Schweigen. Danach war alles, was mich umgab mit geschriebenen Worten vollgeschmiert. Selbst die Raufasertapete.
Am Rande: versucht mal ohne zu sprechen, ein Buch zu kaufen. Der Verkäufer antwortet sehr laut, sehr langsam und sehr deutlich. Keine Stimme, kein Gehör, kein Hirn?
Jahre später verfiel ich auf den Plan, entgegen meiner eigenen festen Erwartung, nun doch Schauspielerin werden zu wollen. Der Stimmtest amüsierte meinen Phoneater, wiederum Professor Dr. Wendler, etwas zu sehr.
Aber ich war fleißig, Sprecherziehung, Atemübungen, Ausdauertraining. Herr Aderholt, der, mit dem französischen Regisseur, der ein tschechisches Stück mit einer Eifersuchtsszene inszeniert, war mein Sprecherzieher, für mich der ganz falsche. Er sagte, ich solle mich auf einen Tisch legen und meine Mauern fallen lassen. Ich bin anstattdessen mit starken Halsschmerzen nach Hause gegangen.
Und fand dann, durch den Rat einer Freundin, Mimi.
Mimi, deren Nachname mir leider ums Verrecken nicht einfallen will. Sie war einst Chorsängerin an der Komischen Oper und hatte viel mit Felsenstein gearbeitet, den sie sehr bewunderte. Sie liebte Stimmen, konnte verdruckste, gestemmte, verkrampfte Töne aber körperlich nicht ertragen, also nahm sie ihre Liebe und machte Deine/meine Stimme ihrer würdig.
Erinnerungen: unzählige Zeitungsausschnitte mit anatomischen Darstellungen von Kehlköpfen, eine winzige Küche, ihre Passion, ihr Bedürfnis nach körperlicher Nähe, so dass ich oft fast rückwärts aus dem Küchenfenster hing.
Aber meine empfindliches/empfindsames Organ wuchs und gedieh und wurde stärker, widerstandsfähiger. Und hat seitdem viel geleistet, viel mitgemacht und tapfer durchgehalten, trotz meiner dummen Raucherei und meiner Neigung zur Asozialität.
Im Allgemeinen ähnelt mein physisches Naturell dem eines Ackergaules, stabil, ausdauernd und kräftig. Wenn ich allerdings Stress habe, oder Kummer, dann sind es immer meine Stimmlippen, die zuerst reagieren. Meine Schwachstelle und meine Sensibilität vereint.
Ich mag meine Stimme, sie ist zweistimmig, dunkel mit hellen Untertönen. Nicht kratzig oder derb, eher gut gebraucht. Zwar nicht herrlich verderbt, wie die von Sophie Rois, aber auch nicht harmlos. Kein Piepsstimmchen, auch nicht wunderbar süffig, nicht schön im klassischen Sinn, keine klassisch zarte Mädchenstimme, aber mittlerweile die einer erwachsenen Frau. Sie ist halt meine Stimme, die, mit der ich streiten kann und zustimmen, laut denken und leise vermuten. Sie läßt mich teilnehmen am Leben, aktiv und widerborstig und ganz ich selbst.
Apropos: ich liebe Gesang, kann aber leider nicht gut singen, auch weil meine Physis hohe Töne, obwohl als Sopran eingestuft, nur widerwillig produziert. Schade, schade.
Vor 15 Jahren dann nochmal Ödeme, nachdem ich in einer neuen Stelle am Volkstheater in Rostock ein Jahr durchgearbeitet hatte und nachlässig geworden war, noch eine Op, diesmal unter Vollnarkose,
Und jetzt, 2017, mitten im Sommer mein persönlicher Supergau. Ein Virusinfekt. Geschlagene vier Wochen lang! Für mich, die ich nie krank bin, eine völlig unbekannte Katastrophe. Husten, noch mehr Husten und dann, als ich grad dachte, es geht wieder, schlich sich der Scheißinfekt auf meine Stimmbänder und legte mich still.
Allein sein und stumm. Wie merkwürdig. Man lebt im eigenen Kopf und hat Angst, dass man da für immer bleiben muß, allein im eigenen Kopf. Kein guter Ort. Ich bin gern mit Anderen, brauche Widerspruch, ich will, muß mich mitteilen, auseinandrsetzen.
Heute Abend habe ich sie, meine Stimme, nach acht Tagen völliger Stilllegung wieder gehört, noch etwas angerauht, noch nicht in voller Kraft, aber wiedererkennbar, hörbar, meine Stimme.
Meine Mutter hat mir erzählt, dass wir gemeinsam, als ich zwei Jahre alt war, meine zauberhafte Nenn-Tante Sloma in einem Westberliner Delikatessladen in dem sie damals arbeitete, besuchen gingen. 1960, also noch vor dem Mauerbau, man bin ich alt!
Eine laute, dunkle, heisere Stimme brüllte: "Loma!", die Kunden wendeten sich der Quelle des wüsten Schreis zu und ihr Blick fiel auf mich, klein, blond, süß.
Am Telefon wurde ich später des öfteren als Herr Schall identifiziert und einige Regisseure drängten mich, meine Töne eine Oktave nach oben zu quetschen. Blond, Unschuld, Opfer - hohe Stimme. WTF?
Mein Vater spielte über 500 Mal den Arturo Ui und brüllte sich vor den Vorstellungen fachgerecht ein. Ich schrie dilettantisch mit und bekam die ersten Knötchen auf den Stimmbändern. Die gingen wieder weg, kamen nach zehn Jahre wieder & wurden operiert. Ohne Narkose, nur Vereisungsspray in den Hals, selbst die Zunge festhalten und Professor Doktor Wendler, ein ganz wunderbarer Arzt, schnitt mit einer ganz kleinen Schere, die an der Spitze eines langen Metallinstrumentes angebracht war, das kleine Gewächs weg. Ein Test-Ton direkt danach - war noch Zukunft, oder nicht mehr? Dann sechs Wochen Schweigen. Danach war alles, was mich umgab mit geschriebenen Worten vollgeschmiert. Selbst die Raufasertapete.
Am Rande: versucht mal ohne zu sprechen, ein Buch zu kaufen. Der Verkäufer antwortet sehr laut, sehr langsam und sehr deutlich. Keine Stimme, kein Gehör, kein Hirn?
Jahre später verfiel ich auf den Plan, entgegen meiner eigenen festen Erwartung, nun doch Schauspielerin werden zu wollen. Der Stimmtest amüsierte meinen Phoneater, wiederum Professor Dr. Wendler, etwas zu sehr.
Aber ich war fleißig, Sprecherziehung, Atemübungen, Ausdauertraining. Herr Aderholt, der, mit dem französischen Regisseur, der ein tschechisches Stück mit einer Eifersuchtsszene inszeniert, war mein Sprecherzieher, für mich der ganz falsche. Er sagte, ich solle mich auf einen Tisch legen und meine Mauern fallen lassen. Ich bin anstattdessen mit starken Halsschmerzen nach Hause gegangen.
Und fand dann, durch den Rat einer Freundin, Mimi.
Mimi, deren Nachname mir leider ums Verrecken nicht einfallen will. Sie war einst Chorsängerin an der Komischen Oper und hatte viel mit Felsenstein gearbeitet, den sie sehr bewunderte. Sie liebte Stimmen, konnte verdruckste, gestemmte, verkrampfte Töne aber körperlich nicht ertragen, also nahm sie ihre Liebe und machte Deine/meine Stimme ihrer würdig.
Erinnerungen: unzählige Zeitungsausschnitte mit anatomischen Darstellungen von Kehlköpfen, eine winzige Küche, ihre Passion, ihr Bedürfnis nach körperlicher Nähe, so dass ich oft fast rückwärts aus dem Küchenfenster hing.
Aber meine empfindliches/empfindsames Organ wuchs und gedieh und wurde stärker, widerstandsfähiger. Und hat seitdem viel geleistet, viel mitgemacht und tapfer durchgehalten, trotz meiner dummen Raucherei und meiner Neigung zur Asozialität.
Im Allgemeinen ähnelt mein physisches Naturell dem eines Ackergaules, stabil, ausdauernd und kräftig. Wenn ich allerdings Stress habe, oder Kummer, dann sind es immer meine Stimmlippen, die zuerst reagieren. Meine Schwachstelle und meine Sensibilität vereint.
Ich mag meine Stimme, sie ist zweistimmig, dunkel mit hellen Untertönen. Nicht kratzig oder derb, eher gut gebraucht. Zwar nicht herrlich verderbt, wie die von Sophie Rois, aber auch nicht harmlos. Kein Piepsstimmchen, auch nicht wunderbar süffig, nicht schön im klassischen Sinn, keine klassisch zarte Mädchenstimme, aber mittlerweile die einer erwachsenen Frau. Sie ist halt meine Stimme, die, mit der ich streiten kann und zustimmen, laut denken und leise vermuten. Sie läßt mich teilnehmen am Leben, aktiv und widerborstig und ganz ich selbst.
Apropos: ich liebe Gesang, kann aber leider nicht gut singen, auch weil meine Physis hohe Töne, obwohl als Sopran eingestuft, nur widerwillig produziert. Schade, schade.
Vor 15 Jahren dann nochmal Ödeme, nachdem ich in einer neuen Stelle am Volkstheater in Rostock ein Jahr durchgearbeitet hatte und nachlässig geworden war, noch eine Op, diesmal unter Vollnarkose,
Und jetzt, 2017, mitten im Sommer mein persönlicher Supergau. Ein Virusinfekt. Geschlagene vier Wochen lang! Für mich, die ich nie krank bin, eine völlig unbekannte Katastrophe. Husten, noch mehr Husten und dann, als ich grad dachte, es geht wieder, schlich sich der Scheißinfekt auf meine Stimmbänder und legte mich still.
Allein sein und stumm. Wie merkwürdig. Man lebt im eigenen Kopf und hat Angst, dass man da für immer bleiben muß, allein im eigenen Kopf. Kein guter Ort. Ich bin gern mit Anderen, brauche Widerspruch, ich will, muß mich mitteilen, auseinandrsetzen.
Heute Abend habe ich sie, meine Stimme, nach acht Tagen völliger Stilllegung wieder gehört, noch etwas angerauht, noch nicht in voller Kraft, aber wiedererkennbar, hörbar, meine Stimme.
Mittwoch, 12. Juli 2017
Shakshouka - mhmmmmm!
In Hamburg passierte, was jeder erwarten konnte und erwartet hat und jetzt schmeißen alle wild mit diffusen Namen um sich und fordern Taten oder verteidigen Unverteidigbares oder schenken Polizisten Schokolade oder bereuen ihre Selfies.
Schwarzer Block, Linke Autonome, Links-Radikale, Links-Extremisten, Links-Terroristen, Terror-Touristen, Anarchisten alles dasselbe. Nur nicht denken, lieber aufregen, verurteilen, reagieren, verbieten. Nur nicht Widersprüche sehen müssen, Schattierungen, wo schwarz-weiß doch so tumb und handlich ist.
Warum gibt es Dialektik nicht als Schulfach? Darum.
Deshalb heute ein Blog zum Kochen, handfest, nährend, beruhigend.
Shakshouka
Ich habe mir neulich auf Rat einer Bekannten ein Kochbuch gekauft: "Jerusalem" von Yotam Ottolenghi und Sami Tamimi. Und jetzt sitze ich am Computer, mein Mund ist geschmacksverzückt und ich verdaue und bin etwas froh.
Aus einem Artikel in DER ZEIT: Ottolenghi jobbte in Londoner Restaurantküchen, spezialisierte sich zunächst auf Patisserie – und lernte eines Tages den Palästinenser Sami Tamimi kennen, ebenfalls Koch und wie er in Jerusalem aufgewachsen – wenngleich im muslimischen Ostjerusalem. ...Die beiden gründeten 2002 das erste Ottolenghi-Deli, sind seither Geschäftspartner und Co-Autoren und führen zwei Restaurants. In Jerusalem, Kochbuch und Stadtporträt gleichermaßen, hat jeder der beiden seinen Wurzeln im Nahen Osten nachgespürt und das Beste aus der arabisch-jüdisch-polnisch-italienisch-deutsch-christlich-jüdisch-muslimisch geprägten Küche des Einwandererlandes Israel zusammengetragen.
Also heute zum Frühstück gab es bei mir Shakshouka, dass heißt auf arabisch شكشوكة, auf hebräisch שקשוקה und ist eine Spezialität der nordafrikanischen und jüdischen Küche und lächerlich einfach und unfassbar wohlschmeckend und wohl auch ziemlich gesund.
Für meine verfressene Person benötige ich: eine rote Paprika kleingewürfelt, 2 Eßlöffel Tomatenmark, zwei Knoblauchzehen gehäckselt, Salz, Pfeffer, eine Prise Kreuzkümmel, einen Teelöffel Harissa, in Pulverform würzt es auch gut & hält länger! Ich habe noch einen Klacks Akazienhonig drunter gerührt.
Diese Zutaten in Olivenöl bei kleiner Hitze etwa 5 Minuten anbraten, bis eine dunkelrote Paste brutzelt, die intensiv nach Sommer riecht und nach Basar?
Dann zwei dicke überbrühte Tomaten dazufügen & nochmals zehn Minuten köcheln lassen, bis es eine dicke, zähflüssige Masse bildet. Dann zwei Vertiefungen eindrücken, in jede ein Ei geben, das Eiweiß mit dem Tomatenpaprikapamps leicht verrühren und dabei versuchen, das Eigelb in der Mitte unverletzt zu lassen. Schmeckt aber auch, wenn das nicht klappt.
Mit Pitabrot oder Baguette oder was immer man an Brot mag, in meinem Fall ein Steinofenbrötchen von Butter-Lindner, zum Tunken! Petersilie drüber, wenn's beliebt.
Es gezunterheyt!
Schwarzer Block, Linke Autonome, Links-Radikale, Links-Extremisten, Links-Terroristen, Terror-Touristen, Anarchisten alles dasselbe. Nur nicht denken, lieber aufregen, verurteilen, reagieren, verbieten. Nur nicht Widersprüche sehen müssen, Schattierungen, wo schwarz-weiß doch so tumb und handlich ist.
Warum gibt es Dialektik nicht als Schulfach? Darum.
Deshalb heute ein Blog zum Kochen, handfest, nährend, beruhigend.
Shakshouka
Ich habe mir neulich auf Rat einer Bekannten ein Kochbuch gekauft: "Jerusalem" von Yotam Ottolenghi und Sami Tamimi. Und jetzt sitze ich am Computer, mein Mund ist geschmacksverzückt und ich verdaue und bin etwas froh.
Aus einem Artikel in DER ZEIT: Ottolenghi jobbte in Londoner Restaurantküchen, spezialisierte sich zunächst auf Patisserie – und lernte eines Tages den Palästinenser Sami Tamimi kennen, ebenfalls Koch und wie er in Jerusalem aufgewachsen – wenngleich im muslimischen Ostjerusalem. ...Die beiden gründeten 2002 das erste Ottolenghi-Deli, sind seither Geschäftspartner und Co-Autoren und führen zwei Restaurants. In Jerusalem, Kochbuch und Stadtporträt gleichermaßen, hat jeder der beiden seinen Wurzeln im Nahen Osten nachgespürt und das Beste aus der arabisch-jüdisch-polnisch-italienisch-deutsch-christlich-jüdisch-muslimisch geprägten Küche des Einwandererlandes Israel zusammengetragen.
Also heute zum Frühstück gab es bei mir Shakshouka, dass heißt auf arabisch شكشوكة, auf hebräisch שקשוקה und ist eine Spezialität der nordafrikanischen und jüdischen Küche und lächerlich einfach und unfassbar wohlschmeckend und wohl auch ziemlich gesund.
Für meine verfressene Person benötige ich: eine rote Paprika kleingewürfelt, 2 Eßlöffel Tomatenmark, zwei Knoblauchzehen gehäckselt, Salz, Pfeffer, eine Prise Kreuzkümmel, einen Teelöffel Harissa, in Pulverform würzt es auch gut & hält länger! Ich habe noch einen Klacks Akazienhonig drunter gerührt.
Diese Zutaten in Olivenöl bei kleiner Hitze etwa 5 Minuten anbraten, bis eine dunkelrote Paste brutzelt, die intensiv nach Sommer riecht und nach Basar?
Dann zwei dicke überbrühte Tomaten dazufügen & nochmals zehn Minuten köcheln lassen, bis es eine dicke, zähflüssige Masse bildet. Dann zwei Vertiefungen eindrücken, in jede ein Ei geben, das Eiweiß mit dem Tomatenpaprikapamps leicht verrühren und dabei versuchen, das Eigelb in der Mitte unverletzt zu lassen. Schmeckt aber auch, wenn das nicht klappt.
Mit Pitabrot oder Baguette oder was immer man an Brot mag, in meinem Fall ein Steinofenbrötchen von Butter-Lindner, zum Tunken! Petersilie drüber, wenn's beliebt.
Es gezunterheyt!
Sonntag, 2. Juli 2017
Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei.
Heute mittag bekam ich von einem Polizisten, auf meine Frage, warum die Rosa-Luxemburg-Strasse denn gesperrt sei, die Antwort: "Der Adjutant der Volksbühne hat seinen letzten Tag, da machen die ein Fest." Die Sperrung begann um 6 Uhr früh für eine Party, die um 20.30 Uhr beginnen sollte.
Die Volksbühne schmeißt also ein Abschiedsfest und das Berliner Wetter kommentiert. Sommernovember. Es pisst aus Kannen. Was wetterunverwöhnte preußische Fans nicht daran hinderte, in Massen zu erscheinen. Das "OST" wurde bereits weggekrant, das Räuberrad ging auf Tour, noch eine letzte Vorstellung von "Baumeister Solness", eine Rede von Lederer, eine von Frank, die zynisch begann und verzweifelt endete, und nun ist Schluß. Komisch.
Im Gebäude meiner Oberschule, der Zweiten Erweiterten Oberschule, dem Grauen Kloster, ist heute die Staatliche Wirtschaftsfachschule für Hotellerie und Gastronomie am Hausvogteiplatz.
Mein Kinder-Lieblingskino Camera, verstaubte zunächst im Tacheles und ist nun Teil eine finanziellen Verschiebe-Transaktion, die ich nicht mal im Ansatz durchschauen kann.
Mein Heimat-Theater, das Deutsche ist mir heute so fremd wie jedwedes andere Schauspielhaus.
Die Wohnung meiner Oma ist ein Museum.
Da, wo ich als Kind meine Wochenenden verbrachte, wohnt jetzt ein reicher Westberliner Anwalt.
Meine Lebensverortungen verändern sich bis zur Unkenntlichkeit. Ich bleibe.
C’est la vie - So ist das Leben.
Trotzdem komisch.
Ja. Und ich habe heute geweint.
Castorf, Hübchen & Wuttke sind traurig - Ich bedanke mich für das Photo bei Burkhardt Ritter
Samstag, 1. Juli 2017
ALS ADAM HAT GESÜNDIGT
Das mir höchst dubiose, feuchte Toilettenpapier von Hakle behauptet, es sei perfekt für unsere deutschen Ärsche, Deutschländer-Würstchen empfehlen sich als besonders national verdaulich, Blen-Da-Med läßt Deutschlands Zähne wieder richtig zubeißen und die Deutsche Bank führt einen "Zinsdialog" mit uns.
(Wir nehmen euch gnadenlos aus, aber reden vorher noch nett darüber.)
Werbung allüberall.
Dreist und dumm oder kalt und gewieft. Werbung greift uns an, greift in uns ein, auch wenn wir es nicht wollen.
Überteuerte Autos fahren durch grandiose Landschaften, übelst glückliche Familien essen am Wochenende gemeinsam irgendeinen links- oder rechtsdrehenen Jogurth (Mit der Ehe für Alle, werden das gerechterweise nun auch homosexuelle Pärchen erleben dürfen.) Zauberhafte Kinder flippen beglückt aus, wenn sie mäßig schmeckende Schokoladeneier, die mieses Plastespielzeug enthalten, geschenkt bekommen. Vorgeschnitzelte Kräuter aus Tüten ersetzen echte Frische, Miracolipampe gewöhnliche Tomatensauce, Gemüse flutscht ausgelaugt aus Blechdosen. Der nächste Film ist toller als der letzte. Butter ist keine Butter, aber genausogut, Wurst ist fleischfrei, schmeckt aber nicht so. Wäsche & Zähne werden weißer, Haut jünger & glatter. Duft macht sexy. Febreze tötet Geruch.
Manchmal sind wir glücklich, manchmal verzweifelt, die beworbenenen Dinge werden daran nichts ändern. Aber die Gaukelei ist sprägend und manchmal stärker als wir.
Baby Boomer, Generation X, Generationen Y & Z, Millenials und all wir anderen, wer weiß schon noch, wer er ist, hecheln eifrig, künstlich erzeugten Bedürfnissen hinterher, das Portomonnaie im Anschlag, das Hirn betäubt.
Werbetexter verdienen Geld, Dichter oft nicht, also haben einige Dichter für Geld Werbetexte geschrieben.
Zum Beispiel Joachim Ringelnatz
Hast du einmal viel Leid und Kreuz
Dann trinke Geldermann und Deutz
Und ist dir wieder besser dann
Dann trinke Deutz und Geldermann
oder Frank Wedekind
Vater, mein Vater! Ich werde nicht Soldat
dieweil man bei der Infantrie nicht Maggi-Suppen hat!
Söhnchen, mein Söhnchen! Kommst du erst zu den Truppen
so isst man dort auch längst nur Maggi's Fleischkonservensuppen.
oder Bertolt Brecht für Speyr, eine Autofirma
Ein Auto, in dem man überlebt.
(Wir nehmen euch gnadenlos aus, aber reden vorher noch nett darüber.)
Werbung allüberall.
Dreist und dumm oder kalt und gewieft. Werbung greift uns an, greift in uns ein, auch wenn wir es nicht wollen.
Überteuerte Autos fahren durch grandiose Landschaften, übelst glückliche Familien essen am Wochenende gemeinsam irgendeinen links- oder rechtsdrehenen Jogurth (Mit der Ehe für Alle, werden das gerechterweise nun auch homosexuelle Pärchen erleben dürfen.) Zauberhafte Kinder flippen beglückt aus, wenn sie mäßig schmeckende Schokoladeneier, die mieses Plastespielzeug enthalten, geschenkt bekommen. Vorgeschnitzelte Kräuter aus Tüten ersetzen echte Frische, Miracolipampe gewöhnliche Tomatensauce, Gemüse flutscht ausgelaugt aus Blechdosen. Der nächste Film ist toller als der letzte. Butter ist keine Butter, aber genausogut, Wurst ist fleischfrei, schmeckt aber nicht so. Wäsche & Zähne werden weißer, Haut jünger & glatter. Duft macht sexy. Febreze tötet Geruch.
Manchmal sind wir glücklich, manchmal verzweifelt, die beworbenenen Dinge werden daran nichts ändern. Aber die Gaukelei ist sprägend und manchmal stärker als wir.
Baby Boomer, Generation X, Generationen Y & Z, Millenials und all wir anderen, wer weiß schon noch, wer er ist, hecheln eifrig, künstlich erzeugten Bedürfnissen hinterher, das Portomonnaie im Anschlag, das Hirn betäubt.
Werbetexter verdienen Geld, Dichter oft nicht, also haben einige Dichter für Geld Werbetexte geschrieben.
Zum Beispiel Joachim Ringelnatz
Hast du einmal viel Leid und Kreuz
Dann trinke Geldermann und Deutz
Und ist dir wieder besser dann
Dann trinke Deutz und Geldermann
oder Frank Wedekind
Vater, mein Vater! Ich werde nicht Soldat
dieweil man bei der Infantrie nicht Maggi-Suppen hat!
Söhnchen, mein Söhnchen! Kommst du erst zu den Truppen
so isst man dort auch längst nur Maggi's Fleischkonservensuppen.
oder Bertolt Brecht für Speyr, eine Autofirma
Ein Auto, in dem man überlebt.
Kathreiner Malzkaffee hat es sogar in ein Volkslied geschafft:
ALS ADAM HAT GESÜNDIGT
Als Adam hat gesündigt
da sprach der Liebe Gott,
am ersten wird gekündigt
am zweiten seid ihr fort.
Ja, uns geht´s gut, wir haben keine Sorgen
uns geht´s gut, wir denken nicht an morgen
uns geht´s gut, wir trinken Abends Tee
und wenn wir morgens früh aufstehen,
Kathreiner Malzkaffee.
Adam schiebt den großen Möbelwagen
Eva muß das Nachtkonsölchen tragen
Kain der trägt die alte Gipsfigur
und das kleine Abelchen die Nachttopfgarnitur
Ja, uns geht´s gut, wir haben keine Sorgen...
Töff töff töff, da kommen sie gefahren
die einst Gottes Untermieter waren
töff töff töff, wo wollen sie denn hin?
sie wollen nach Jerusalem, in 'ne Mietskaserne ziehn
Ja, uns geht´s gut, wir haben keine Sorgen...
Adam ging zum Arbeitsamt zum Stempeln
Eva wird Verkäuferin im Tempel
Kain der geht ins Priesterseminar
und das kleine Abelchen wird Studienreferendar
Ja, uns geht´s gut, wir haben keine Sorgen...
Kain der nahm das klitzekleine Keulchen
damit schlug er Abel eins auf`s Mäulchen
da sprach Gott der hoch am Himmel stand
ja, wenn ihr jetzt nicht artig seid, bewerf ich euch mit Sand
Ja, uns geht´s gut, wir haben keine Sorgen...
Werbung Für Kathreiner Malzkaffee - "Uns geht's gut"
Oder ein Variant aus dem Liederbuch Ruhr
Adam schiebt den großen Möbelwagen
Eva muß das Nachtkonsölchen tragen
Kain der trug die grosse Nippfigur
und das kleine Abelchen die Lokusgarnitur
Ja, uns geht´s gut, wir haben keine Sorgen
uns geht´s gut, wir brauchen nichts zu borgen
uns geht´s gut, wir trinken Abends Tee
und wenn wir morgens früh aufstehen,
dann tut uns gar nichts weh
Töff töff töff, da kommen sie gefahren
Töff töff töff, im Untermieterwagen
töff töff töff, wo wollen die denn hin?
sie wollen nach Jerusalem zur Mietskaserne rin
Adam geht ins Arbeitsamt zum Stempeln
Eva wird Verkäuferin bei Hämpeln
Kain der muß nun bald zum Militär
und das kleine Abelchen rennt immer hinterher
Da nahm Kain sein klitzekleines Keulchen
schlug dem Abel eins damit auf`s Mäulchen
sprach der liebe Gott vom Himmelsrand
wenn ihr jetzt nicht artig seid, dann werf ich euch mit Sand
Noten zum Lied
Dienstag, 27. Juni 2017
#actorslive - meine Antwort auf den Gastbeitrag
Warum liebe ich meinen Beruf? Schauspielerin, Regisseurin, egal. Warum?
1
Szene aus einem Film, den fast niemand gesehen hat.
"Freitag", die Geschichte des Robinson Crusoe (Peter O'Toole) aus der Sicht seines Gefährten Freitag, eines Bewohners einer Nachbarinsel, der auf einem Jagdausflug seines Stammes von dem gestrandeten Briten gekidnappt wird.
Crusoe organisiert ein Wettrennen, zeichnet Start- und Ziellinie, drei, zwei, eins.
Der weiße Mann rennt um sein Leben, schwitzt, hechelt, müht sich beängstigend.
Freitag hat den Zweck des Wettrennens "mißverstanden", er glaubt, es ginge darum, wer schöner läuft.
Er verliert und ich verliere jubelnd mit ihm.
2
Der Text von Thomas Brasch "Warum spielen?"
http://johannaschall.blogspot.de/2010/11/tabori.html+
3
Ich weine selten. Aber auf der Bühne liebe ich es, zu weinen. Wenn ich meine Lieblingsnichte ärgern will, weine ich aus dem Stand, kurze Konzentration auf den Punkt, an dem das Gähnen entsteht, und schon fließt es aus beiden Augen.
4
Spielen als Weg aus der bedrohlichen Vereinsamung. Für Leute wie mich, die nicht von Natur aus extrovertiert sind, etwas wie ein Notausgang.
5
Ich mache das jetzt seit 40 Jahren und habe mehrmals im Jahr die Möglichkeit mich mit fremden Zeiten, unbekannten Menschen, neuen Konflikten auseinanderzusetzen.
6
Janosch, der kleine Tiger ist krank und muß operiert werden, in der dritten Reihe springt ein Kind auf und ruft unterstützend "Das hatte ich auch schon mal!"
7
Auf der Bühne weiß ich was ich tue. Im Leben laufe ich oft verwirrt den Ereignissen hinterher.
8
Sprache ist eine Droge. Schöne, wahre Sätze machen mich an.
9
Ich brauche Geschichten. Mein Leben, das mir oft zerhackt und zufällig erscheint, findet seine glaubhafte, verständliche Spiegelung auf der Bühne.
10
Wenn Theater mich packt, überrascht, bin ich ganz und gar jungfräulich.
11
Ich bin dem Theater verfallen. What the fuck.
12
Es macht Spaß. Ich vergessse alles andere.
13
10 bis 14 Uhr und 19 bis 22 Uhr. Für ein normales Leben untauglich.
14
Der kleine Maulwurf brauchte große Taschen für sein Spielzeug.
15
Ed Wood glaubte an seine Filme.
16
Eine leere Bühne. Ein gefüllter Zuschauerrraum. Sex.
17
18.30 Uhr Maske, Entfremdung.
18
19.30 Action.
1
Szene aus einem Film, den fast niemand gesehen hat.
"Freitag", die Geschichte des Robinson Crusoe (Peter O'Toole) aus der Sicht seines Gefährten Freitag, eines Bewohners einer Nachbarinsel, der auf einem Jagdausflug seines Stammes von dem gestrandeten Briten gekidnappt wird.
Crusoe organisiert ein Wettrennen, zeichnet Start- und Ziellinie, drei, zwei, eins.
Der weiße Mann rennt um sein Leben, schwitzt, hechelt, müht sich beängstigend.
Freitag hat den Zweck des Wettrennens "mißverstanden", er glaubt, es ginge darum, wer schöner läuft.
Er verliert und ich verliere jubelnd mit ihm.
2
Der Text von Thomas Brasch "Warum spielen?"
http://johannaschall.blogspot.de/2010/11/tabori.html+
3
Ich weine selten. Aber auf der Bühne liebe ich es, zu weinen. Wenn ich meine Lieblingsnichte ärgern will, weine ich aus dem Stand, kurze Konzentration auf den Punkt, an dem das Gähnen entsteht, und schon fließt es aus beiden Augen.
4
Spielen als Weg aus der bedrohlichen Vereinsamung. Für Leute wie mich, die nicht von Natur aus extrovertiert sind, etwas wie ein Notausgang.
5
Ich mache das jetzt seit 40 Jahren und habe mehrmals im Jahr die Möglichkeit mich mit fremden Zeiten, unbekannten Menschen, neuen Konflikten auseinanderzusetzen.
6
Janosch, der kleine Tiger ist krank und muß operiert werden, in der dritten Reihe springt ein Kind auf und ruft unterstützend "Das hatte ich auch schon mal!"
7
Auf der Bühne weiß ich was ich tue. Im Leben laufe ich oft verwirrt den Ereignissen hinterher.
8
Sprache ist eine Droge. Schöne, wahre Sätze machen mich an.
9
Ich brauche Geschichten. Mein Leben, das mir oft zerhackt und zufällig erscheint, findet seine glaubhafte, verständliche Spiegelung auf der Bühne.
10
Wenn Theater mich packt, überrascht, bin ich ganz und gar jungfräulich.
11
Ich bin dem Theater verfallen. What the fuck.
12
Es macht Spaß. Ich vergessse alles andere.
13
10 bis 14 Uhr und 19 bis 22 Uhr. Für ein normales Leben untauglich.
14
Der kleine Maulwurf brauchte große Taschen für sein Spielzeug.
15
Ed Wood glaubte an seine Filme.
16
Eine leere Bühne. Ein gefüllter Zuschauerrraum. Sex.
17
18.30 Uhr Maske, Entfremdung.
18
19.30 Action.
#actorslive - GASTBEITRAG von Mareile Blendl
#actorslive
Ich möchte heute über meine Liebe zu meinem Beruf sprechen. Ich will das schon lange tun, aber er kommt dann immer irgendwie dazwischen. Der Beruf. Und dann lese ich wieder so einen Artikel auf facebook, über die prekären Arbeitsbedingungen beim Film, beim Theater sowieso, und leider stimmt das ja auch alles total, was da steht und dann denk ich wieder: Mensch, du wolltest doch mal über deine Liebe zu deinem Beruf schreiben. Warum du das überhaupt alles so machst. Wo doch der große Ruhm sich bis jetzt noch gar nicht eingestellt hat.Obwohl den immer alle unterstellen. Wenn man sagt: „Ich bin Schauspielerin“. Dann folgt sehr oft die Frage: „Oh, aber ich KENN sie doch gar nicht“. Ehrlich, mich haben das sogar schon junge, unerfahrene Regieabsolventen gefragt: „Du bist Schauspielerin? Und woher KENN ich dich“? Klar, ist ja ein öffentlich ausgeübter Beruf. Da muss man sich schon eine öffentlich geäußerte Meinung gefallen lassen, wenn man da so das Maul aufreisst, auf deutschen Bühnen und vor deutschen Kameras. Und natürlich auch international.
Gerade kam mein Versicherungsnachweis aus Österreich. Ich hab‘ inzwischen schon eine halbe DinA4 Seite mit unterschiedlichen Versicherungszeiten im Nachbarland aufzuweisen. Werde ich demnächst einfach dauerhaft bei mir tragen. Für den nächsten Zweifler. Dem halte ich das dann unter die Nase und sage: „Ja, international gebucht. Sehen Sie hier. Haha!“. „Und leben tu ich auch noch“.
Anerkennung muss man sich eben verdienen. Am besten mit Frechheit. Frechheit siegt. Wenn mir also demnächst wieder mal, zum Beispiel auf dem Spielplatz, zum Beispiel eine andere Mutter sagt: „Also so wie du, so könnte ICH ja NICHT leben“ (Kein Witz, das passiert REGELMÄßIG), dann traue ich mich (vielleicht) endlich zurück zu geben: „Ja, das verstehe ich. Das geht mir mit deinem Beruf GANZ GENAU SO. Egal, was für einen Beruf die dann hat.
Aber warum macht man das? Jetzt mal ehrlich? Knapp 20.000 ICE Meilen in drei Monaten abfahren? Für viel zu wenig Gage?
Weil es der Wahnsinn ist. Weil man dann nicht nur ein Leben lebt. Sondern viele. Weil man jedesmal in eine neue Welt abtaucht. Weil „spielen“ die komplexeste aller menschlichen Fähigkeiten ist. Wenn ich meinem kleinen Sohn dabei zuschaue, wie er spielend die Ereignisse seines Kinderalltags reflektiert um sie zu begreifen, um zu lernen, was es heißt ein Mensch zu sein, in seiner tiefsten Bedeutung, dann weiss ich, warum es Sinn macht, (inzwischen) mit der BahnCard100 bewaffnet, Deutschland unsicher zu machen.Weil wir, alle meine Kollegen und ich, ausloten was es heißt, als menschliche Spezies diesen Planeten zu bewohnen. Das klingt jetzt sehr pathetisch und ist auch ganz genau so gemeint. Pathos muss man schon aufbringen, wenn man das alles auf sich nimmt. Es erfordert einfach eine besondere emotionale Gestimmtheit, wenn man beruflich in der Lage sein muss, mit einem persönlich ganz und gar UN- dafür allerdings umso BE-kannteren Menschen ach, -was weiss denn ich- zu tun. Was halt im Drehbuch steht. Oder im Theaterstück. Küssen, schlagen, erschlagen, überzeugen, bedrohen, anlügen, anflirten, ihm einen Schlauch in die Nase schieben, um so zu tun, als ob man ihm den Magen auspumpt (obwohl: Das war ein Pferd, bei dem ich sowas tun mußte. Ein tierischer Kollege).
Dafür muss man besondere Kanäle offen stehen haben. Um all das geschehen zu lassen. Es in dem Moment, in dem es stattfindet, als so real zu akzeptieren, wie es ist. Von wegen: „Die tun doch nur so“. Wenn zwei Schauspieler sich anschreien, weil sie, sagen wir mal, die Eskalation einer Ehekrise darstellen, dann ist das in dem Moment, in dem sie sich dieser Energie hingeben, nämlich real. (Es sei denn, es handelt sich um ein Format aus dem Reality TV. Aber das ist eine andere Geschichte. Die eher was über den Rezipienten erzählt, wie ich meine).
Es gibt ja diese komische Social Media Psychologin, oder Verhaltensforscherin, PSYCHONEUROLOGIN nennt sie sich selber: Vera Birkenbihl. Die mit der absurden Frisur. (Die hab ich HIER genauer beschrieben). In einem ihrer Youtube Tutorials (in DIESEM), warnt sie uns Schauspieler: „Sie machen sich krank“. Für das Gehirn macht es nämlich ihr zu Folge keinen Unterschied, ob heftige, sie bezieht sich vor allem auf NEGATIVE Emotionen, aus einer realen Situation aus dem persönlichen Umfeld, oder aus einer geschriebenen und demnach künstlich hergestellten Krise entstehen: „Es werden dieselben Stoffe ausgeschüttet, dieselben biochemischen Abläufe aktiviert“. Soweit stimme ich ihr zu. Je besser es läuft, auf der Bühne (oder vor der Kamera), desto realer fühlt es sich an. Das kann sogar mal ein bisschen weh tun.
Und trotzdem ist es am Ende ein völlig anderer Prozess. Ein Reinigender, finde ich. Ist natürlich jetzt wirklich keine bahnbrechenden Erkenntnis. Katharsis, das kennt man seit der sechsten, naja, spätestens, seit der achten Klasse Deutschunterricht. Ich glaube da aber dran. Viel mehr, als an vieles Andere.
Das Irre an der Sache ist nämlich, dass man es ja nicht, wie das kleine Kind in seiner Puppenküche, zu persönlichen Forschungs- und Entwicklungszwecken betreibt. Das eigentlich irre an der Sache ist, das man es STELLVERTRETEND tut. Für Alle und besonders für die, die zuschauen. Für die Zuschauer.
Ich finde das, vor allem im Theater, wo man es so unmittelbar erlebt, immer wieder einfach unglaublich. Wenn sich das Parkett, und hoffentlich auch die Ränge füllen, wenn silbergelockte Omis sich mit ihren steif gewordenen Knien mühsam den Weg auf ihre Aboplätze in der Mittelreihe frei bitten: „Oh, danke, Entschuldigung, würde Sie bitte, ja?, vielen Dank, sehr höflich“ und so. Oder die ganz Jungen. Manche sind zum ersten Mal dabei. Die fühlen sich vermutlich wie ich in der Kirche: Linkisch, ungetauft und ohne spezifische religiöse Erziehung, immer irgendeine geheimnisvolle Etikette vermutend, sitzen sie da und haben sich einen Abend frei genommen, haben eine Karte gekauft oder geschenkt bekommen und liefern sich dem aus, was die andere Seite einstudiert hat.
Das ist doch fast ein kleines Wunder, das Menschen denen ein digitales Universum zur Verfügung steht, mit jeder Art von Unterhaltungsangebot, mehr, als man sich jeh erträumen könnte, da zusammen kommen, in den Theatern des Landes. Um sich mit den Gedanken eines Autors ‚rum zu schlagen, der seit vielen hundert Jahren Tod und begraben ist. Um sich gemeinsam damit auseinander zu setzten, worum es am Ende geht: Um uns Menschen. Um unsere Ameisensorgen, unsere Bienenprojekte, um unseren Himmel, unsere Hölle. (Sag ich jetzt mal so. Frei nach Friedrich Schiller).
Darstellendes Spiel, egal in welcher Form, live, auf der Bühne oder vor der Kamera, ist für mich die einzige Form von angewandter Spiritualität, deren Sinn sich mir erschließt: Komplex, ambivalent, emotional, intelligent, grenzauslotend, forschend, schöpferisch und feierlich. Oder peinlich und am Thema vorbei. Passiert den Besten. Und kann durchaus auch als sehr reinigend empfunden werden.
So. Das wollte ich jetzt mal sagen. Es den aktuellen Debatten über Formalismus und Postdramatik (z.B. DIESER hier) und all den absolut nötigen Artikeln über die Arbeitsbedingungen der Branche hinzufügen. In der vagen Hoffnung, damit eine schlagende Antwort parat zu haben, wenn ich mal wieder in deiner anderen Welt gefragt werde: „Warum machst du das nur alles“?
Eigentlich könnte ich, jetzt wo ich angefangen habe, erst so richtig los legen! Was z. B. ist mit einer Gesellschaft los, die diejenigen, die sich an ihrer Stelle in unser aller Kind hineinversetzen, um zu erforschen, wie es mit uns allen, der Gesellschaft und dem Einzelnen in ihr, weitergehen könnte, so wenig Respekt entgegen bringt? Und vor allem daran interessiert ist, wieviel Geld und welche Quote irgendwo raus zu pressen sein könnte? Und warum ist diese Quote so eine verdammt geschmacklose Zuschauerin, die offensichtlich am liebsten den ganzen Nachmittag auf dem Sofa abhängt um sich irgendwas Andrea Berg-mäßiges reinzupfeifen? Kann mir das mal jemand sagen? Hm?! Ach, ich schreib hier einfach demnächst weiter. Tut gut. XX Mary Reili
Hier noch die Verlinkung zum Blog:
http://www.maryreiliblog.com/actorslife/
Sonntag, 25. Juni 2017
Judenhass, Antisemitismus, Selbsthass - harter Tobak
Ich hasse niemanden weil er Jude ist. Keinen Menschen, und schon gar kein ganzes Volk. Wie blöd wäre das denn?
Ich kenne dumme Juden, schlaue Juden, reiche Juden, arme Juden. Verbissene und analytische, lustige und humorlose. Ich kenne Holocaustopfer und solche, die diese Ungeheuerlichkeit, als billige Entschuldigung für eigenes Fehlverhalten mißbrauchen.
Ich bin Jude.
Ich hasse niemanden weil er Muslim ist. Aber jeden, der Muslime, weil sie Muslime sind, für besser, gottnäher, entscheidungsfähiger, gerechter hält.
Ich bin kein Muslim.
Ich bin Jude.
Ich bin es, nicht durch eigene Wahl, nur durch ererbtes Recht, genetisches Lotto.
Meine Mutter, den Nazis knapp entkommen, trifft auf meinen Vater, der dem eigenen Nazisein knapp entkam. Ein gutes Paar.
Manche meiner Leute sehen so aus, das man sie gleich erkennt, meine Oma zum Beispiel, meine Cousins. Andere, ich zum Beispiel, sehen aus, wie jeder zweite hier, in diesem verwirrten Deutschland, dunkelblond, blauäugig, stabil. Meine Tante fand das schlau, unsichtbar für den Feind, untergetaucht. Falls...
Idioten und Ideologen aller Nationen greifen zum Antisemitismus, wenn ihnen nichts besseres einfällt, um eigenverschuldete ökomische Katastrophen wegzuerklären. Auch Leute mit dem Herzen am "rechten" Fleck, die es einfach tief innen fühlen, das es da eine dunkle Absprache gibt, greifen gern zu wabrigen Visionen von jüdischen Verschwörungen. Weltverschwörungen. Wir sind nämlich alle immer in Kontakt.
Wir opfern christliche Babies, horten Geld, sind eigentlich Echsenwesen, haben allgemein was Übles vor. Rothschild, die Weisen von Zion und ähnlicher durchsichtiger Dreck.
Wir dienen als Ausrede für jedwede Schrecklichkeit. Leichtes Ziel von übler Nachrede jeglicher Art.
Heute, wird von mir eine klare pro-jüdische Haltung verlangt. Ich bin kein Israeli, kein gläubiger Jude, nur ein Teil der Auchdazugehörigen, dass jedes Volk so hat. Ich bleibe ein deutscher, atheistischer Zweifler.
Dumme Sache, wir haben Volk und Religion in ein Paket gepackt und nun müssen wir mit mir, und den anderen lästigen ungläubigen Juden umgehen, ob wir wollen oder nicht.
Und ich kann nicht aufhören meine eigenen Leute strenger zu betrachten, als unsere Widersacher. Ich verachte auch die Organisatoren des verkrüppelten, verdorbenen Sozialismus mehr als jene, die ganz offen für den Kapitalimus sind. Eine gute Idee zu verderben, scheint mir übler, als einer schlechten anzuhängen.
Wir bauen Siedlungen auf der Westbank, die uns nicht gehört. Wir mißachten die Rechte der Palästinenser, die wohnten, wo wir jetzt wohnen, den Engländern sei Dank. Und das die zunehmend mörderischer und verbohrter werden, entschuldigt unser eigenes Versagen nicht.
Erdogan nimmt die Evolutionstheorie aus dem Lehrplan. Der Stellvertreter von Trump möchte, dass wir Darwins "Evolutions-Theorie" nur als eine von vielen möglichen Theorien sehen. Orthodoxe Juden glauben auch, dass G'tt die Erde vor wenigen tausend Jahren erschaffen hat.
Wir erlauben jüdischen Frauen alle Rechte, wenn sie nicht den familiären Rahmen überschreiten.
Wir wählen, wen wir können, jeden amerikanischen Präidenten, der uns, in diesem Fall Israel, nicht den Geldhahn zudreht.
Wir stellen Volk über Recht. Unsere Sicherheit, vor Gerechtigkeit für alle.
Die vollständige Gleichsetzung von Antisemitismus und Kritik an israelischer Politik zum einen und die Sonderstellung des Antisemitismus gegenüber allen anderen Formen von Minoritätenverachtung will mir nicht schmecken.
Wir sind genauso kritikwürdig wie alle anderen. Jeder Schwule, der angegriffen wird, weil er schwul ist, ist einer zu viel. Jede Lesbe ebenso und jeder, der sich als transgender beschreibt. Aber auch jeder Muslim der, ohne Grund zu geben, als unwerter, als irgendeiner von uns, angesehen wird, verdient meine Solidarität.
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