Samstag, 22. Juli 2017

Eine richtige Kneipe

Ich liebe Cafes, esse gern in guten Restaurants, aber manchmal muß es eine Kneipe sein.

Eine Kneipe ist ein öffentlich zugänglicher Raum, in dem sehr viel Bier, hochprozentiger Alkohol, aber auch Getränke ganz ohne Alkohol verkauft und getrunken werden. Manchmal bieten sie auch ein beschränktes Speiseangebot. Die Einrichtung, das Ambiente, ist nicht der Rede wert. Eine Kneipe wird von einem Kneipier betrieben oder, immer noch selten, seinem weiblichen Equivalent. Eine Kneipe ist heutzutage leider nicht mehr leicht zu finden.

Der Pub Carolina in Rostock, ehemals Bresis Pub, ohne Apostroph, ist solch eine Kneipe in der Rostocker Altstadt etwa zwanzig Meter von der hiesigen Schauspielschule entfernt. Was dazu führte, dass Dozenten und Studenten dieser Schule, zumindestends früher, hier oft trinkenderweise anzufinden waren. Ein altes Haus, klassischer Eckeingang (Eckkneipe), Neonschild, kurze Treppe mit festem Geländer für kinetisch verunsicherte Heimwärtsstolperer. Drinnen erst eine längliche Strecke mit Barhockern am Tresen und hinten nach links abbiegend, jedoch ohne wirkliche Abtrennung, ein etwas intimerer Raum. Wenig Deko, Bierwerbung, mehr Bierwerbung. Der ehemalige Wirt war rundlich, charmant und rotgesichtig, der neue Wirt trägt Pferdeschwanz und ist ebenfalls charmant. Es darf hier geraucht werden, nein, es soll geraucht werden. Vor mir steht immerhin ein Zweiliter Aschenbecher.
Die Gäste des heutigen Freitagabends sind zehn Männer und, außer mir, eine weitere Frau meines Alters. Wir teilen uns in eine größere heitere Gruppe, zwei ernste Trinker am äußeren linken Tresenrand, einen einzelner Koreaner, der knietief in sein Samsung-Phone versunken wie nebenbei sein Budweiser schluckt und mich.
Die Männer trinken bis auf einen einzelnen Gin/Tonic Individualisten, Halblitergläser Bier. Wie passt nur so viel Flüssigkeit in einen Körper?
Ich bestelle eine Bockwurst, Sprudelwasser und 'nen doppelten Jim Beam. Die Wurst ist knackig, der Senf scharf, das Graubrot angeröstet.

 
Es folgt eine filmreife Szene: Eine wunderschöne junge Frau kommt herein, steuert zielsicher auf den jüngeren des ernsthaft diskutierenden Männerpaares zu. Zweimal, "Du kommst heute nicht nach Hause, versteht Du?" Man stelle sich diesen und die folgenden Sätze gesprochen, nicht geschrien, mit dunkler Stimme und wunderbarem russischen Akzent vor. Sie gießt langsam sein eben frisch serviertes Bier über ihn. "Du kommst heute nicht nach Hause, die Tür ist verschlossen!" Sie gibt ihm eine Ohrfeige, ein unerwartet lautes Klatschen, sie schlägt heftig auf ihn ein, wirft zwei Aschenbecher ziellos in den Raum, beendet den Angriff mit einem sachlich nachgestzten "Arschloch!" und geht. Er reagiert nicht, gar nicht, nimmt hin. Geschockt? Gelähmt? Um Würde bemüht? Nachdem sie gegangen ist, folgt seine Kurzinfo: "Das war meine russische Frau." Der bezopfte Wirt wischt das verschüttete Bier weg, die beiden Männer reden ernsthaft weiter, nun über Frauen, aber im Allgemeinen. Die anderen Gäste hatten kurz innegehalten, gelacht, und dann weiter getrunken.

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