Dienstag, 27. Juni 2017

#actorslive - meine Antwort auf den Gastbeitrag

Warum liebe ich meinen Beruf? Schauspielerin, Regisseurin, egal. Warum?


Szene aus einem Film, den fast niemand gesehen hat. 
"Freitag", die Geschichte des Robinson Crusoe (Peter O'Toole) aus der Sicht seines Gefährten Freitag, eines Bewohners einer Nachbarinsel, der auf einem Jagdausflug seines Stammes von dem gestrandeten Briten gekidnappt wird. 
Crusoe organisiert ein Wettrennen, zeichnet Start- und Ziellinie, drei, zwei, eins.
Der weiße Mann rennt um sein Leben, schwitzt, hechelt, müht sich beängstigend. 
Freitag hat den Zweck des Wettrennens "mißverstanden", er glaubt, es ginge darum, wer schöner läuft. 
Er verliert und ich verliere jubelnd mit ihm.
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Der Text von Thomas Brasch "Warum spielen?"
http://johannaschall.blogspot.de/2010/11/tabori.html+
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Ich weine selten. Aber auf der Bühne liebe ich es, zu weinen. Wenn ich meine Lieblingsnichte ärgern will, weine ich aus dem Stand, kurze Konzentration auf den Punkt, an dem das Gähnen entsteht, und schon fließt es aus beiden Augen.
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Spielen als Weg aus der bedrohlichen Vereinsamung. Für Leute wie mich, die nicht von Natur aus extrovertiert sind, etwas wie ein Notausgang.
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Ich mache das jetzt seit 40 Jahren und habe mehrmals im Jahr die Möglichkeit mich mit fremden Zeiten, unbekannten Menschen, neuen Konflikten auseinanderzusetzen.
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Janosch, der kleine Tiger ist krank und muß operiert werden, in der dritten Reihe springt ein Kind auf und ruft unterstützend "Das hatte ich auch schon mal!"
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Auf der Bühne weiß ich was ich tue. Im Leben laufe ich oft verwirrt den Ereignissen hinterher.
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Sprache ist eine Droge. Schöne, wahre Sätze machen mich an.
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Ich brauche Geschichten. Mein Leben, das mir oft zerhackt und zufällig erscheint, findet seine glaubhafte, verständliche Spiegelung auf der Bühne.
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Wenn Theater mich packt, überrascht, bin ich ganz und gar jungfräulich.
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Ich bin dem Theater verfallen. What the fuck.
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Es macht Spaß. Ich vergessse alles andere.
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10 bis 14 Uhr und 19 bis 22 Uhr. Für ein normales Leben untauglich.
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Der kleine Maulwurf brauchte große Taschen für sein Spielzeug.
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Ed Wood glaubte an seine Filme.
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Eine leere Bühne. Ein gefüllter Zuschauerrraum. Sex.
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18.30 Uhr Maske, Entfremdung.
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19.30 Action.

5 Kommentare:

  1. Ich bin Authist. Spätdiagnostiziert. Wie bei den meisten, die das Rain Man-Klischee nicht deutlich genug erfüllen oder sich wenigstens an den Kern der Stringtheorie herandenken.
    Die meisten Menschen sind mir merkwürdig. Aber ich interessiere mich für sie. Das habe ich immer getan. Menschen immitieren hilft sie zu verstehen. Auch sie zu entschlüsseln, reale wie fiktive, im Leben, wie auf der Bühne.
    Man sagt Immitation ist die höchste Form der Bewunderung. Immitation ist aber auch das Abstellen von Verwunderung.
    Im Gegensatz zur landläufigen Meinung über Authisten empfinde ich ausgesprochen intensiv... wenngleich möglicherweise anders strukturiert. Empfinden ist trotzdem kein Problem für mich. Es ist der Ausdruck.
    Schauspiel ist Ausdruck, ist adäquate Übersetzung von Gefühl in Signal. Im Leben geht mir das oft zu nervenzerfetzend schnell. Auf der Bühne darf ich mich herantasten... auf jede Weise, mental, emotional und physisch. Ich darf den Ausdruck entwickeln. Die Bühne ist für mich ein viel essentiellerer Ort als für viele meiner Kollegen - auch wenn sie sie fraglos schätzen und genießen.
    Die Bühne ist für mich ein sicherer Ort, an dem ich in Ruhe Unruhe fühlen darf, auf dem selbst das größte und intensivste Chaos absehbare Struktur gewinnt und Präzision in der Explosion.
    Bühne nicht zu haben ist für mich keine Frage von Wirtschaftlichkeit, mir fehlt ein Regulativ, ein Raum, in dem ich mich sehr sicher und gespannt entspannt mich Gefühlen auseinandersetzen kann.
    Es ist tatsächlich so, dass einer der labilsten und oft als extrem betrachteter Beruf für mich und in meinem Leben stabilisierend funktioniert. Ich glaube nicht dass ich den sozialen oder spitituellen Aspekten meines Berufes das Maximum möglicher Wertschätzung entgegen bringe. Wahrscheinlich nicht - obwohl ich, im seinem abgesteckt definierten Rahmen, ausgesprochen gerne in einem Ensemble arbeite. Sehr wohl aber schätze ich die kostbare Besondertheit des Ortes Bühne zutiefst und werde nicht müde sie zu vertreten und zu vermitteln. Denn für mich ist sie das entscheidende.
    Ich habe vieles auf der Bühne entdeckt und dann privat weiterverwendet, sie ist für mich ein emotionales Labor von beachtlicher Schönheit.
    Filme sehe ich gerne. Ich mache sie nicht gerne. Ihre Kleinteiligkeit, ihre zerstückelte Chronologie, die manische Jagd nach dem “first take” - Filme machen ist wie das Leben selbst. Unstrukturiert, schnell, unzureichend geprobt, auf Orte verteilt. Nicht meine Wahl. Die Bühne ist ein Zentrum, der Ort einer Geschichte, an einem Abend. Zuschauer und Darsteller teilen die gleiche Lebenszeit miteinander, getrennt zusammen. Berührung ohne anfassen. Gemeinsam. Jeder ein Teil von einer Struktur, die allein deswegen funktioniert, weil jeder dieser Teil ist, der er sein soll. Theater ist auf die Spitze getriebenes Leben von bestechender Ordnung und Klarheit.

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  2. Eine ehemalige Kollegin von mir hat ein Ritual. Wenn sie das erste Mal die Bühne betritt legt sie liebevoll die Hand auf den Boden. Es ist eine Begrüßung. Ich habe sie immer gerne dabei beobachtet. Es sieht sehr respektvoll, vertraut und wertschätzend aus.
    Ich verstehe dieses Ritual sehr und die Gefühle, aus denen es entsteht - aber ich habe es nie übernommen, es ist ihr's.
    Aber jedes Mal, wenn ich ein festes Engagement verlasse, dann nehme ich mir nach der letzten Vorstellung die Zeit noch einmal auf die Bühne zu gehen... um mich zu verabschieden - und zu bedanken.
    Ich mag keine Abschiede, ich vermeide sie. Ich vermeide sie mit Menschen sogar je mehr je wichtiger sie mir sind.
    Aber dieser muss sein.

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  3. Danke für diesen Beitrag!!! <3
    Ich kann das alles nur bejahen.
    Für mich ist Theater eine Brücke! Theater stellt Verbindungen her. Zwischen dir und mir und mir und mich. Zwischen den Tiefen der Seele und dem Weiten da draussen. Einheit. Theater ist geil. Yoga versucht das auch. Aber es fehlt der Aspekt des gemeinsam etwas "kreatives" schaffen. Her mit den Engagements.. ;-)

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  4. Yoga? Ich verstehe den Vergleich nicht.

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