Samstag, 27. Juni 2015

Mount Olympos - Jan Fabre - to glorify the cult of tragedy

THEATER IST EINE VORBEREITUNG AUF DEN TOD?

Troubleyn / Jan Fabre
Mount Olympus
to glorify the cult of tragedy
(a 24h performance)
Uraufführung
Jan Fabre die Flucht des Künstlers

Es ist zu lang, nicht lang genug, es ist antikisierender Kitsch, es ist rabiater Exzess, es ist perfekt gearbeitet und choreographiert, es ist hohl, es ist tief. Es ist dilettantisch und perfekt durchorganisiert. Es ist bedeutungsschwanger, es ist bedeutend. Es ist kultisch, es ist Kult. Es ist frei und totalitär.
Es irritiert meine Ossi-Sensibilitäten durch die paramilitärische Disziplin und gefühlte totale Auslieferung der Spieler an den Erschaffer. Es ist ... ???
Warum ist das gesamte Ensemble weiß?

Für „Mount Olympus“ probte er (Jan Fabre) mit einem streng ausgewählten Team in den vergangenen zwölf Monaten täglich von 11 Uhr bis Mitternacht. „Im Laboratorium ist alles möglich, Tag und Nacht.“ Ein Handy braucht Fabre für seinen Kunstalltag nicht. Mit der Außenwelt verständigt er sich mithilfe seiner Assistentin. „Ich mag es, nicht erreichbar zu sein.
BZ

Eine von vielen Szenenfolgen: 
Ein Mann in deutlich theatererdachter Rüstung, silbern glänzender Bein- & Armschiene, Brustpanzer und geschlossener Helm, schwingt eine Kette, sie ist lang, vielleicht 4 Meter, er schleudert sie, er läßt sie schlängeln, schlagen, schleifen. Sie rutscht ihm aus den Händen, es sieht gefährlich aus, auch für das Publikum und die elegante stöckelbeschuhte Dame, die links von ihm auf einem Tisch ungerührt Posen tanzt. Er hört nicht auf, dreht sich wild mit der Kette, die fliegt, hart aufschlägt, weiterfliegt, sich einige Male um seinen Hals legt, ihm an die Beine drischt. Er fällt, ächzt, steht wieder auf. Weiter. Vor der schönen Frau kann er nicht einfach aufgeben. Er schnauft, stürzt, schlägt immer wieder lang hin, rappelt sich auf, schwingt die schwere Kette, 10 Minuten, 15.
Hinter ihm ein Videostandbild eines Mannes in ebensolcher Rüstung mit an die bepanzerten Wangen gelegten Händen.
Der Krieger kann nicht mehr. Er faltet die Kette zusammen und wirft sie weg. Enthelmt sich, atmet schwer, kniet an der Rampe, keuchend.
Eine Reihe Menschen mit Wassergefäßen kommt langsam von hinten. Alle sind in Varianten von gefaltetem und gegürtetem weißen Lakenstoff gekleidet - Griechenklischee und praktisch, weil leicht waschbar. Sie setzen die Gefäße an der Rampe ab, treten zurück und beginnen, der Krieger gemeindet sich ein, einen Chor.
No - no - no - fuck - fuck - fuck - take me - take me - Kopf senkt sich - hinknien - Kopf hebt sich - Atemseufzer - aufstehen und ...
Wieder und wieder. Langsam, für mich nicht langsam genug, löst sich die Einheitlichkeit auf, Individualität bricht ein. Die Worte bleiben die gleichen: No - no - no - fuck - fuck - fuck - take me - take me...
Und was jetzt passiert, über eine sehr lange Zeit, ist grandios und Hochleistungstheater und verstörend schön. Wir blicken hinter den hehren Ton des Chores, hinter die hohe Form, hinter die genehme Veredelung und - Chaos wird sichtbar.
Wieviele Arten des Nein gibt es? Es wird verhandelt, getändelt, gekrächzt, gebibbert, geliebäugelt, gebrüllt, gehaucht. Eine ältere Diva will ihren Stolz nicht verlieren und reizt alle Varianten des verzeifelten Tändelns aus, ein harscher Mann verliert die erwartete Fassung, ein dickes Mädchen gackert hysterisch No in den Himmel, wo vielleicht Götter seien könnten.
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Der Tanz der schwingenden Schwänze war hinreißend! Und dann reihen sie den blinden klagenden Ödipus zur Zorbasfilmmelodie in die Tanzreihe ein. Besser geht es nicht. "Every man needs a little bit of madness!"

Selbst für den großen Grenzüberschreiter Jan Fabre ist das ein Ausnahmeprojekt: 24 Stunden lang tanzen, spielen, schwitzen, lieben, leiden, schlafen, träumen sich 27 Performer*innen durch die Mythen der griechischen Antike. Ganz wie damals in Athen wird Theater zum Ausnahmezustand, zum politischen Raum, zu einer beinahe spirituellen Zeit-Reise für Darsteller und Publikum gleichermaßen. Fabre trägt das Publikum in einem Bilderstrom durch eine Performance zwischen Wachen und Schlafen, Traum und Realität. Dabei begegnen einem Medea, Antigone, Dionysos und andere Heroen in all ihrer Triebhaftigkeit und Archaik.
Aus dem Werbetext der Berliner Festspiele

© Troubleyn / Jan Fabre

Ein großes, respektvolles, verneigendes Danke an die Darsteller:
ore Borremans, Katrien Bruyneel, Annabelle Chambon, Cédric Charron, Renée Copraij, Anny Czupper, Els Deceukelier, Barbara De Coninck, Piet Defrancq, Mélissa Guérin, Stella Höttler, Sven Jakir, Ivana Jozic, Marina Kaptijn, Gustav Koenigs, Sarah Lutz, Moreno Perna, Gilles Polet, Pietro Quadrino, Antony Rizzi, Matteo Sedda, Merel Severs, Kasper Vandenberghe, Lies Vandewege, Andrew Van Ostade, Marc Moon Van Overmeir, Fabienne Vegt.

Asylanten - Flüchtlinge - Immigranten - Fremde


Asyl 
lat. asylum von griech. ἄσυλον zu ἄσυλος - unberaubt, sicher


Das Mittelmeer, umfaßt von drei Kontinenten. Seit Jahrtausenden befahren von Handelsschiffen & genauso lange schon Kampfplatz unzähliger Kriege, mißbraucht zur Kolonialisierung zweier Kontinente & Urlaubsziel des modernen europäischen Mittelstandes. 
Heute, Kluft zwischen "Erster" und "Dritter" Welt, Abgrund, Schützengraben. An manchen Stellen mehr als 5000 Meter tief, blau, sehr blau und untief. Untiefe, ein Januswort, es kann gar nicht tief aber auch tiefer als tief, unüberwindbar tief bedeuten. 
Es fahren auf diesem Meer, nebeneinander, sich ignorierend gelegentlich kollidierend, massige Kreuzfahrtburgen, elegante Segeljachten, riesige Tanker und Containerschiffe & auch hölzerne Ruderboote, rostzerfressene Blechwannen & löchrige Kutter. Die meisten Reisenden erreichen ihr Ziel, einige nicht.

Der Weg über das Mittelmeer ist nach einer Studie der Internationalen Organisation für Migration die weltweit gefährlichste Route für Flüchtlinge. Im Jahr 2014 ertranken mehr als 3.000 Menschen und seit dem Jahr 2000 mindestens 23.000 bei dem Versuch, in ein europäisches Land zu gelangen. WIKI

WASSERGERÄUSCH

von Marco Martinelli

...
2917
2917
Ein Name, sagen wir
Yusuf
Yusuf hört sich gut an
er kommt nichts weiter als
aus West-Sahara
Kein Datum dabei
Ausgelöscht
Macht mich rasend, wenn ich kein Datum hab 

Yusuf ist ein Jungspund
Ein Schwarzer

Was sollen die schon kapieren
Nichts kapieren die
Schwarzhaut
Und du kommst denen mit Demokratie 

Lächerlich

Die hocken noch auf den Bäumen
fressen sich noch gegenseitig, gut möglich 

Und man erzählt denen was von Demokratie Zeiterschwendung
Yusuf
Seit kaum 2 Monaten
bei den Fischern in der Lagune
Lagune von Naila


Tausende von Flüchtlingen aus dem Maghreb (Tunesien, Algerien, Marokko, Libyen, Mauretanien) sind in den letzten Jahren bei ihrem Versuch, jenes Meer zu überqueren, zumeist von erpresserischen Schleusern auf seeuntauglichen Booten zusammengepfercht, um an die rettenden Küsten Europas zu gelangen, elend ertrunken.


Quelle: Archivbild: imago / Independent Photo Agency

Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.
Matthäus 11.28

In Bremen auf der Bühne im harten Scheinwerferlicht, ein hinter reflektierender Sonnenbrille und strenger Phantasieuniform nur über Mikrophon kommunizierender Schauspieler, die Gesten karg, die Sprache präzise. Ein General, der die Wasserleichen ertrunkener Flüchtlinge bürokratisch sortieren und archivieren soll. Er ist zunehmend überfordert. Die Menge der Ertrunkenen, ihre unbekannten Biographien und Beweggründe, machen sie für ihn unbeherrschbar. Der General verzweifelt an der schieren Flut des Elends. Wir wollen diese Flüchtlinge nicht, aber sie sollen sich, Opfer unseres inhumanen Sicherheitsdenkens, doch sortieren, abheften, benennen lassen.

"Das westliche Paradies konstituiert sich aus der Hölle für die dritte Welt" Heiner Müller

Im Hintergrund, spärlich beleuchtet, drei Musiker, einer aus Togo, zwei von der Elfenbeinküste, ihren Weg nach Bremen kenne ich nicht, weiß nur, dass einer von ihnen sagte, er hätte den Weg über das Wasser nicht gewagt, sie machen Musik. Gute Musik. Sehr gute. Ganz fremd und ganz nah. Und sie haben Spaß beim Musizieren. Der General zählt die Toten, namenlose Fremde, Verlierer des globalen ökonomischen Wettkampfes. Ganze Kontinente voller "Opfer", bemitleidet oder verachtet, nicht gekannt. Die Musiker spielen. Töne, Rhythmen, die sich meinem viervierteltaktigen deutschen Gemüt verweigern und es einladen. Mein Fuß wippt, meine Schultern heben sich, ich tanze.
Ich weiß nichts über Afrika, nichts. Wenigstens das weiß ich jetzt.

 Kopf eines Ooni, eines Herrschers der Ife in Nigeria, eines der mächtigsten und reichsten Königreiche Afrikas im Mittelalter.

WasserGeräusch

von Marco Martinelli

Kooperation der bremer shakespeare company mit [africtions] - Festival für zeitgenössischen Tanz aus Afrika Bremen 6. bis 16. November 2014

Übersetzung: Elsbeth Gut Bozetti.
Regie: Marco Martinelli.
Musik/Perkussion: Kofi Mawuna Agbadohu, Jean-Baptiste Gama, Amandin Koue Manet.
Mit: Michael Meyer



DIE SIEBEN GRÖSSTEN HERKUNFTSLÄNDER VON FLÜCHTLINGEN

AFGHANISTAN: 2,5 MILLIONEN 
SYRIEN: 2,4 MILLIONEN

SOMALIA: 1,1 MILLIONEN

SUDAN: 649.300

DEMOKRATISCHE REPUBLIK KONGO: 499.500
MYANMAR: 479.600 
IRAK: 401.400 


DIE FÜNF GRÖSSTEN AUFNAHMELÄNDER VON FLÜCHTLINGEN

PAKISTAN: 1,6 MILLIONEN 
IRAN: 857.400

LIBANON: 856.500 
JORDANIEN: 641.900 
TÜRKEI: 609.900


https://de.wikipedia.org/wiki/Schiffsungl%C3%BCck_im_Mittelmeer_am_19._April_2015



Dienstag, 23. Juni 2015

Parks in Berlin - Der Schillerpark


Laufen soll Rauchern helfen, nicht gleich, sondern erst etwas später unter den Folgen ihrer Sucht zu leiden, bzw. an ihr zu versterben. Das habe ich im Internet gelesen und es geglaubt. Also laufen eine rauchende Freundin und ich, Kettenraucher aus Leidenschaft, neuerdings durch Berliner Parks und verschaffen uns dadurch das gute Gefühl, wenn schon nicht gesund, so doch wenigstens gesünder als andernfalls zu sein. 
Parks sind gut, sie vermitteln mitten in der Stadt einen trügerischen Eindruck von sauberer Luft, Natürlichkeit, Chlorophyll - altgriechisch χλωρός chlōrós „hellgrün, frisch" und φύλλον phýllon „Blatt" - und überhaupt etwas, das irgendwie gut für einen ist. Man schlendert, der Blick greift weiter, Wege führen nirgendwo hin. Für mich überzeugten Stadtbewohner ist dies gerade die Menge Natur, die ich ertrage, ohne agoraphobisch zu reagieren, und für meine Freundin ist es, wenn auch ärmlicher Ersatz für geliebte brandenburgische Landschaften, Oderwiesen, Rapsfelder.
Grunewald, Rehberge, Tiergarten, den Friedrichshain kenne ich aus Kindertagen, den lassen wir weg, und letztlich der Schillerpark im Wedding, ein Park, der meinen  Großstadtverwartungen entspricht. Kahl, Abfall allüberall, das Gras mickert, die winzigen Kinderspielplätze laden nicht zum Spiel ein, mehrere afrikanische Mannschaften bolzen um die Wette und über allem thront, fremd und zusammenhangslos ein Schillerdenkmal.


 Das Wort Park (von mlat. parricus „Gehege“; Mehrzahl Parks in Deutschland und Österreich, Pärke in der Schweiz) bezeichnet nach den Regeln der Gartenkunst gestaltete größere Grünflächen, die der Verschönerung und der Erholung dienen.



Roter Wedding

Links, links, links, links!
Die Trommeln werden gerührt.
Links, links, links, links!
Die Arbeiterklasse marschiert.
Wir fragen euch nicht nach Verband und Partei
Seid ihr nur ehrlich im Kampf mit dabei
Gegen Unrecht und Reaktion.
Wir sind durch die Not, durch den Hunger vereint,
Uns binden die Opfer im Kampf vor dem Feind,
Unsre Lieder der Revolution!
    Roter Wedding grüßt euch, Genossen,
    Haltet die Fäuste bereit!
    Haltet die roten Reihen geschlossen,
    Dann ist der Tag nicht mehr weit!
    Kämpfen wir als Sozialisten
    Endlich in einer Front!
    Arbeitsbrüder, Kommunisten,
    Rot Front! Rot Front!
Links, links, links, links!
Der Kampf wird weiter geführt.
Links, links, links, links!
Ein Lump, wer kapituliert!
Wir tragen die Wahrheit von Haus zu Haus
Und jagen die Lüge zum Schornstein hinaus.
Wie Karl Marx es und Lenin gelehrt.
Und schlug auch der Feind unsre Besten tot,
Der Wedding kommt wieder; Berlin bleibt rot,
Damit Deutschland den Deutschen gehört.
    Roter Wedding grüßt euch, Genossen,
    Haltet die Fäuste bereit!
    Haltet die roten Reihen geschlossen,
    Dann ist der Tag nicht mehr weit!
    Kämpfen wir als Sozialisten
    Endlich in einer Front!
    Arbeitsbrüder, Kommunisten,
    Rot Front! Rot Front!
  
Text: Ernst Busch nach Erich Weinert
Musik: Hanns Eisler



Schillerdenkmal geschaffen von Reinhold Begas
Das Original wurde 1871 auf dem Gendarmenmarkt enthüllt und steht dort jetzt wieder
 
Friedrich Schiller denkt auf einem Brunnensockel, der aber nicht als Brunnen funktioniert und unten sitzen vier allegorische Frauenfiguren (Philosphie, Lyrik, Tragödie & Geschichte)

Eine Kopie aus Bronze steht im südlichen Teil des Schillerparks im Ortsteil Wedding des heutigen Stadtbezirks Berlin-Mitte. Dafür fand das Material des Rathenaubrunnens Verwendung, eines Denkmals für Emil und Walther Rathenau, das seit 1930 im Volkspark Rehberge stand, von den Nationalsozialisten 1934 aus „weltanschaulichen“ Gründen von seinem Standort entfernt und 1941 eingeschmolzen wurde. Wiki
 
Allegorie der Tragödie

Frei empfängt mich die Wiese mit weithin verbreitetem Teppich,
Durch ihr freundliches Grün schlingt sich der ländliche Pfad,
Um mich summt die geschäftige Bien’, mit zweifelndem Flügel
Wiegt der Schmetterling sich über dem röthlichten Klee,
Glühend trifft mich der Sonne Pfeil, still liegen die Weste,
Nur der Lerche Gesang wirbelt in heiterer Luft.
 
Aus: Friedrich Schiller "Der Spaziergang"

Allegorie der lyrischen Dichtkunst
 

Sonntag, 14. Juni 2015

15. Juni 1215 - Magna Carta Libertatum


DIE GROSSE URKUNDE DER FREIHEITEN
Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit.
Europäische Menschenrechtskonvention Artikel 1

Ein Original der Magna Carta von 1215 London, British Library

Die Magna Carta ist eine von König Johann Ohneland zu Runnymede in England am 15. Juni 1215 besiegelte Vereinbarung mit dem revoltierenden englischen Adel. 
Wiki

§ 46. Kein freier Mann soll verhaftet, gefangen gesetzt, seiner Güter beraubt, geächtet, verbannt oder sonst angegriffen werden; noch werden wir ihm anders etwas zufügen, oder ihn ins Gefängnis werfen lassen, als durch das gesetzliche Urtheil von Seinesgleichen, oder durch das Landesgesetz.

§ 47. Wir werden das Recht oder die Gerechtigkeit an Niemand verkaufen, Niemand verweigern und für Niemand aufschieben.

Der durch die Anerkennung der Magna Carta erreichte Frieden war nur von kurzer Dauer. Weder der König noch die rebellischen Barone hatten wohl je die Absicht, die Magna Carta dauerhaft anzuerkennen. Der König wandte sich an seinen Oberlehnsherrn Papst Innozenz III., der die Magna Carta am 24. August 1215 für nichtig erklärte und jedem, der sie befolgte, die Exkommunikation in Aussicht stellte.
Wiki

Selbst wenn man bedenkt, dass diese Artikel nur für freie Männer galt, was einen Großteil der damaligen Bevölkerungweiter im rechtlosen Raum beließ, so schimmert doch eine Ahnung von Hoffnung in diesen Worten. Fast ein Gedicht. Das Recht nicht verkaufen, verweigern oder aufschieben - leider gilt dies alles nur für den mythischen Herrn Niemand. 

Titelmelodie von: Mein Name ist Niemand/Nobody
https://www.youtube.com/watch?v=59H6i9MxE2k

 Skulpturengruppe “Blendung des Polyphem´, Länge: über 5,00 m. Zwischen 166 und 156 v. Chr. entstanden. Alle Skulpturen Funde aus der Grotte des Tiberius (Komplex Villa des Tiberius). Originalfunde wurden mit in die Rekonstruktion aufgenommen. Original ist z. B. das rechte angewinkelte Bein des Polyphem. Urspung: vermutlich aus Rhodos oder Pergamon, vermutlich um 180 bzw. 160 v. Chr.

Odysseus zu Polyphem:
Niemand ist mein Name; denn Niemand nennen mich alle,
Meine Mutter, mein Vater, und alle meine Gesellen. 


Polyphem, nachdem er geblendet wurde:
Was geschah dir für Leid, Polyphemos, dass du so brülltest
Durch die ambrosische Nacht, und uns vom Schlummer erwecktest?

Ihnen erwiderte drauf aus der Felsenkluft Polyphemos:
Niemand würgt mich, ihr Freund', arglistig! und keiner gewaltsam! 



Odyssee Neunter Gesang

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Denn das ist Schuld, wenn irgendeines Schuld ist:
die Freiheit eines Lieben nicht vermehren
um alle Freiheit, die man in sich aufbringt.
Wir haben, wo wir lieben, ja nur dies:
einander lassen; denn daß wir uns halten,
das fällt uns leicht und ist nicht erst zu lernen. 


Rainer Maria Rilke

 

Azzurro Ultramarin - Das Blau von jenseits des Meeres


ULTRAMARINBLAU

Die Landschaft war in ein schwefliges Gelb getaucht, nur das Wasser war türkisblau bis zum tiefsten Ultramarin. Die Weiden beginnen ...
Paul Klee, Tagebucheintrag 
Michelangelo Grablegung 1500/01
Rechts im Vordergrund, nur in Umrissen zu erkennen, befindet sich 
die Jungfrau Maria, für ihren Mantel hätte der Maler das kostbare
Ultramarinblau benötigt, und so blieb das Gemälde aus Geldmangel
unvollendet. 

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Azzurro oltramarino ist wahrlich eine edle Farbe, schön, vollkommen 
über alle Farben, von demselben kann man nicht leicht zuviel 
Rühmens machen. Mit dieser Farbe und dem Golde erhält jedes Ding 
auf der Mauer oder Tafel Glanz.
  Cennino Cennini
  
Natürliches Ultramarin ist ein Pigment, das aus dem Schmuckstein  
Lapislazuli gewonnen wird. Das Mineral Lasurit im Gestein Lapislazuli ist ein komplexes schwefelhaltiges Aluminiumsilikat, dieses besitzt die blaue Farbe. 
Das Gestein ist nur an einer einzigen Fundstelle im Norden Afghanistans in herausragender Qualität - also mit hohem Lasuritanteil - zu finden. Dieser überaus wertvolle Rohstoff kam über den Seeweg nach Zentraleuropa. 
Aus dem gemahlenen Lapislazuli wurde in verschiedenen Reinigungsverfahren das besonders lichtechte blaue Farbpigment Ultramarinblau gewonnen. 
Dazu wurde das zu Pulver zermahlene Mineral in ein Gemisch aus Wachs, 
Harz und Öl gebracht, das man anschließend unter Wasser knetete. 
Dabei löste sich das blaue Pigment aus der Masse.

Aufgrund des kostbaren und seltenen Ausgangsmaterials war Ultramarin während der Zeit des ausgehenden Mittelalters, der Renaissance und in der frühen Neuzeit ein extrem kostbares Farbpigment, dessen Wert den von 
purem Gold überstieg. Aufgrund seiner Kostbarkeit konnte es in der Malerei 
nur sparsam eingesetzt werden und kam vor allem bei bildlichen Darstellungen von Jesus Christus oder der Jungfrau Maria zu Einsatz. Außerdem wurde es in der Buchmalerei verwendet.

 WIKI
Um aus Lapislazuli das kostbare Ultramarinblau zu gewinnen, waren
etwa 50 verschiedene Arbeitsgänge nötig!

Je tiefer das Blau wird, desto tiefer ruft es den Menschen in das Unendliche, weckt in ihm die Sehnsucht nach Reinem und schließlich Übersinnlichem. 
Es ist die Farbe des Himmels.
Vassily Kandinsky



Yves Klein : Propositions monochromes 10.-25. Mai 1957
 
Artikel über "International Klein Blau", IKB, Yves Kleins
patentiertes Blau.
http://www.brandeins.de/wissen/mck-wissen/qualitaet/ins-blaue-hinein-yves-klein/


Vermeer Das Mädchen mit dem Perlenohrring
1665
Vermeer, ein langsamer Maler und immer in Geldnot, verwendete
dennoch das teure Ultramarinblau. Er starb hochverschuldet.

Dürer bezahlte 1521 für die Unze für 24 Gulden, andere Quellen
sagen 12 Dukaten, das Fünfzigfache dessen, was er für Azurit
 oder deutsch-Blau hätte bezahlen müssen, ein Vermögen.

http://kremer-pigmente.de/ultramarin.htm 

Samstag, 13. Juni 2015

Schauspieler haben ein Leben vor dem Ruhm


Manchmal, wenn mir ein Schauspieler in irgendeinem gerade gehypten Blockbuster überraschend auffällt, gehe ich aus dem Kino nach Hause und betreibe Archäologie. Wo kommt er her? Wie hat er angefangen? Was hat er verloren, aufgegeben? Und was dazugewonnen?
Kleine und kleinste Rollen. Idiotische Drehbücher. Unfertigkeiten. Dazulernen. Talent. Großes Talent. Gefälliges Talent. Bedachte oder gierige Auswahl des Materials. Glücksfälle und Peinlichkeiten. Eile oder Geduld. Die holprigen Wege zum Ruhm.
Immer ist es ein höchst spannendes Unterfangen.
Körper verändern sich, absichtlich, trainingsgeplagt und testrosongefüttert oder naturgewollt; kindliche Gesichter verlieren ihre rosige Rundlichigkeit und morphen zu Landschaften mit tiefen Schatten und harten Kanten. Manierismen gewinnen die Überhand oder Unangestrengtheit siegt.
Jeder durchläuft den Weg über die glühenden Kohlen unterschiedlich, keiner unbeschadet, auch wenn bei manchem der Gewinn groß ist.

Daniel Craig
Tom Hardy
Benedict Cumberbatch
James Mcavoy

Circa 50 Filme.

Daniel Craig in Love is the devil

Frauendarsteller in mittelalterlichen Morality-Plays, proletarische Liebhaber berühmter englischer Maler, gelähmte trinkfreudige Todesliebhaber, tiefunglückliche würdebesessene Aristrokraten, überorganisierte Kleinkriminelle, psychopathische Posträuber, tragisch depressive Polizisten. Unterwegs treffe ich die merkwürdigsten Charaktere verfangen in eigenartigste Geschichten.

Manchmal war es ein unerwartetes Schulterschütteln, ein Zucken der Mundwinkel an falscher bzw. richtiger Stelle, ein irritierender Blick. Manchmal war einer einfach blass und schwach, manchmal wurschtelte sich einer heroisch durch einen mißlungenen Plan. Und einige, wenige Male war da ein Erstaunen, ein Wachrütteln, ein Erschüttern. Da schaute einer anders auf die Welt. Offener, kälter, mitleidender.

Bei den Guten, den wirklich Guten begebe ich mich immer auf einen abenteuerlichen, zutiefst befriedigenden Pfad, den der Überraschung.

Und wenn sie dann als James Bond oder was weiß ich Atem holen von der harten Arbeit, indem sie wiederum hart arbeiten, um uns diese unglaubwürdigen, doch geliebten Superhelden, neu und unerwartet zu offerieren, dann gönne ich ihnen den Hype und die Glorie. Sie haben es sich verdient.

Dienstag, 9. Juni 2015

Das größte, jemals aufgenommene Foto


DIE NASA PRÄSENTIERT DAS GRÖSSTE, JEMALS AUFGENOMMENE PHOTO  

Sehr kleiner Ausschnitt!

Das VIDEO zum Photo:
http://www.huffingtonpost.de/2015/06/06/nasa-groesstes-bild_n_7524556.html?utm_hp_ref=germany#comments

Der Andromedanebel ist eine Spiralgalaxie vom Typ Sb. Sie ist im Messier-Katalog als M31 und im New General Catalogue als NGC 224 verzeichnet. Am Sternenhimmel ist sie im Sternbild Andromeda, nach dem sie benannt ist, zu finden. In klaren Nächten kann die Andromedagalaxie von einem dunklen Standort aus mit bloßem Auge gesehen werden. Sie ist das fernste Objekt, das regelmäßig mit bloßem Auge gesehen werden kann... Sie
ist rund 2,5 Millionen Lichtjahre entfernt. 

WIKI



Ein Lichtjahr ist die Strecke, die eine elektromagnetische Welle wie das Licht in einem julianischen Jahr im Vakuum zurücklegt. Das sind 9,461 Billionen Kilometer (9,461 · 1012 km).
WIKI

9461.000.000.000.000 Kilometer mal 2.500.000 Lichtjahre = ???

Wir Menschen sind Meister der Unterschätzung. Wir haben wieder und wieder die Größe des Kosmos unterschätzt – alles, was wir kennen, ist nur ein winziger Teil einer viel größeren Struktur, eines Planeten, eines Sonnensystems, einer Galaxie und so weiter. Aber wir haben auch die Fähigkeit des menschlichen Geistes unterschätzt, diesen Kosmos zu verstehen. Was ist nun das Besondere am Hier und Jetzt? Wenn wir tatsächlich die einzige Lebensform in dem Teil des Raums sind, den wir überblicken, dann hat es 13,8 Milliarden Jahre gedauert, bis jemand die Galaxien da draußen und ihre Schönheit sehen konnte. Davor waren sie nur eine große Platzverschwendung. Zum ersten Mal in diesen 13,8 Milliarden Jahren ist der Kosmos selbstbewusst geworden. Aber wir haben auch zum ersten Mal die Technik, dass wir entweder das Leben über den gesamten Kosmos verbreiten können – oder aussterben. Entweder reißen wir uns zusammen und schaffen etwas Stabiles, eine dauerhafte Form der Zivilisation, oder wir versauen es. Das ist dann das Ende von Leben und Bedeutung im Kosmos. Und diese Frage wird hier auf diesem kleinen Planeten entschieden.
Max Tegmark


http://www.faz.net/aktuell/wissen/weltraum/kosmologe-max-tegmark-glaubt-an-paralleluniversen-12966431.html 

Wolfgang Herrndorf - tötete sich selbst am 26. August 2013 in Berlin am Hohenzollernkanal

Wie wär's, wenn wir uns einfach in fünfzig Jahren wiedertreffen?
Wolfgang Herrndorf



Ein Totengedenktag, fast zwei Monate zu früh.

Arbeit und Struktur, Wolfgang Herrndorfs Blog über seine Arbeit und sein Leben, geschrieben in Ungewissheit in den Jahren seines Sterbens. Die Texte habe ich gelesen an dem Abend als die Nachricht seines Todes öffentlich wurde, gelesen und beweint bis zum nächsten Morgen. So schön, so traurig, so klug, so bar aller Sentimentalität, dass es mich fast zerrissen hat. Es geschieht selten, dass ich weine während ich lese.
  HERBSTTAG

Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren laß die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
gieb ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben. 


Rainer Maria Rilke

http://www.zeit.de/2014/39/wolfgang-herrndorf-roman

http://www.sueddeutsche.de/kultur/arbeit-und-struktur-von-wolfgang-herrndorf-abschliessen-wollte-er-nicht-aufhoeren-1.1837839-2

http://www.wolfgang-herrndorf.de/archiv/ 

"Im Projekt Regression noch mal Wackenroder gelesen: “Was soll ich aber von jenen sagen, die mir immer am verdrießlichsten gefallen sind und die meiste Langeweile erregt haben? – Die als Knaben mit unnützer Hitze und wilder Eitelkeit über Kunst und Wissen fielen und alles wie Blumen pflückten und rissen, um sich damit zu putzen; die als Jünglinge noch Knaben blieben, und sich bald mutlos dem Eigennutze, der Sorge für ihre dürftige Wohlfahrt überließen, die sie ihr Schicksal, ihr Verhängnis nannten? – Immer tiefer in das Leben hineingelebt, fällt es wie Mauern hinter jedem ihrer Schritte, den sie zurückgelegt haben; sie sehn auch nur vorwärts, ihrem Gewinne, ihren Titeln, ihrer Ehrerbietung entgegen, die ihnen andre bezeigen, immer enger wird ihr Weg zu beiden Seiten, immer mehr schrumpft ihr Herz zusammen, und das, woran sie leiden, ist ihr Stolz, ihre Krankheit ist ihr Glück, die sie Erfahrung und Weisheit nennen. Sie billigen mit einschränkendem Bedauern die Begeisterung, weil sie sie für das Jünglingsfeuer halten, an dem sie sich als Kinder auch verbrannten, um sich nachher desto mehr davor zu hüten: sie behandeln den Enthusiasten gern wie einen jüngern unmündigen Bruder, und sagen ihm, wie mit den Jahren alles, alles schwindet, und wie er dann das eigentliche Leben, die eigentliche Wahrheit kennenlernt. So unterweist der Schmetterling den Adler, und will, daß er sich doch auch einmal, wie er getan, einspinnen soll, und dem Fluge und der tändelnden Jugend ein Ende machen. So wahr ist es, daß viele in der Unerfahrenheit der Jugend noch am besten sind, daß die Klugheit der Jahre sie erst mit dem dichtesten Nebel überhängt, und daß sie dann den Glanz der Sonne leugnen.”

https://www.freitag.de/autoren/magda/berlin-hohenzollernkanal 

Montag, 1. Juni 2015

MAD MAX: FURY ROAD


Australische Filme aus den Achtzigern, vor Jane Campion, vor Baz Luhrman, vor der wundervollen "Priscilla, Queen of the Desert" und auch vor Peter Jackson - viel fällt mir da nicht ein. Eigentlich nur Peter Weir und George Miller. 
Peter Weir: "The Last Wave", "Gallipoli" (mit Mel Gibson), The Year of Living Dangerously (mit Mel Gibson) und natürlich, obwohl nicht mehr sehr australisch, die Dead Poet's Society.

O Kapitän, mein Kapitän! Die grause Fahrt ist aus,
Dein Schiff hielt jedes Wetter aus und trägt den Preis nach Haus,
Die Glocken dort im nahen Port, sie läuten dir vom Turm,
Die Menge jauchzt und folgt dem Kiel, der grimmig fest im Sturm.

Doch o Herz, Herz, Herz!
O Tropfen blutigrot!
Wo auf dem Deck mein Kapitän
Gefallen, kalt und tot.

Walt Whitman, übersetzt von W. Schölermann

Zu "Gallipoli" die Erinnerung an ein Totenfeld in der Normandie übersät mit weißen Kreuzen in strenger Ordnung, alles Australier, gefallene Soldaten des Ersten Weltkrieges, keiner älter als 19.

Und dann kam da dieser komische Film über einen sehr zornigen Mann in einer Welt in der nur noch das Auto, und die Fähigkeit es zu fahren, den Menschen mit der offenbar durch unsere Nachlässigkeit zerstörten Zivilisation verband. Mel Gibson, mit dem Charme eines unschuldigen Psychopathen, gepeinigt von den Erinnerungen an seine ermordete Familie, raste, schoß, litt in fremdartigen, krassen, unnahbaren Landschaften. Neu und aufregend. Die nächsten zwei Teile waren kostspieliger, aber immer noch wild. Mad Max. 
Mel Gibson hat mir diese frühen Filme und auch ein paar gute, die er später gedreht hat, durch sein Outing als katholisches, antisemitisches, homophobes Arschloch fast versaut. 
Miller hat dann so Zeugs gedreht. Nichts wichtiges. 
Und jetzt, 35 Jahre später: Mad Max Teil 4. 
Der Dialog ist auf das absolute Minimum zusammengekocht, Stöhnen, Grunzen, Atmer, Blicke, eigenartige Gesten erzählen ganze Grundsatzkonversationen. Max ist bei Tom Hardy, nicht photogen psychpathisch, seine Stimmen sind alte Bekannte und für Rachephantasien ist er zu erschöpft und zu beschäftigt damit, zu überleben. Er ist eher Opfer, Beobachter des Geschehens, nicht der Macher, der Protagonist, eher der Narr, der alles weiß, alles erleidet und sich doch nie verändern kann.

 

NARR:

Aus ging die Kerze und um uns wurd’s düster.

William Shakespeare "König Lear" 
Charlize Theron, oder Imperator Furiosa ist die Handlungstreibende, die Rachegöttin. Ich bin nicht ausreichend gewandt in den aktuellen Feminismusdebatten, aber das ahnungslose hübsche Mädchen und schicksalsgeschüttelte Großmütter den Hauptteil des "Endkampfes" bestritten, hat mir gefallen.

Die Großen, oder guten Science Fiction Filme sind einfach, aber nicht einfarbig. Weiß und schwarz gibt es nicht, aber deutlich erkennbare Graustufen. 

Fast ein Ballettfilm, wunderbar choreographiert, rhythmisch immer genau auf dem Punkt. John Seale hat die Bilder erschaffen, stark und überraschend. Er war schon pensioniert und ist zurückgekommen.

Was wünsche ich mir, wenn ich in einen Actionfilm gehe? Atemlosigkeit, Überraschung, Spannung und Hoffnung. Habe ich alles bekommen.

Dieser Mann beschreibt es viel besser und auf den Punkt genau.
http://www.newyorker.com/magazine/2015/05/25/high-gear-current-cinema-anthony-lane 
 

Sonntag, 31. Mai 2015

Maler der zweiten und dritten Reihe


Emile Bernard Die Weizenernte 1888

Die Modernität ist das Vergängliche, das Flüchtige, das Zufällige, die eine Hälfte der Kunst, deren andere Hälfte das Ewige und Unwandelbare ist. Das Schöne besteht aus einem ewigen, unveränderlichen Teil, dessen Quantität außergewöhnlich schwierig zu bestimmen ist, und einem relativen, von Umständen abhängigen Teil, der, wenn man will, einer nach dem anderen oder auch alle zusammen, die Epoche, die Mode, die Moral, die Leidenschaft sein kann.
Baudelaire in seinem Aufsatz "Le Peintre de la vie" - "Maler des modernen Lebens" - 1863 erschienen im Pariser Figaro 


Emile Bernard Eisenbahnbrücke 1887

Gestern in der Bremer Kunsthalle in einer Ausstellung von Zeichnungen und Gemälden von Emile Bernard - einige gute Bilder, aber mir wurde ganz traurig zumute, als ich von Saal zu Saal ging, von Stilwechsel zu Stilwechsel, und sah, wie ein begabter Mann auf der Suche nach "seinem" Stil immer unschärfer, manchmal sogar peinlich wurde. Bernard war mit Lautrec befreundet, mit van Gogh, mit Cezanne, er hat gemalt und verglichen und anders gemalt und sich nie als genügend empfunden. So wirkte es jedenfalls auf mich.  

Claude Monet Railway Bridge at Argenteuil 1873
Das hängt nicht in Bremen!

Später beim Gang durch andere Säle mit den Bildern anderer Maler der gleichen Zeit: immer wieder Einbruch der Technik, metallener Konstruktionen, von Härte, Moderne und Geschwindigkeit in die Welt.

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunst/ausstellung-zu-emile-bernard-der-kuenstler-den-van-gogh-bewunderte-13489247.html 

Gustave Caillebotte "Pont de l'Europe" 1876

http://www.welt.de/kultur/kunst-und-architektur/article110097831/Der-Maler-des-modernen-Lebens.html 

 
Louis Anquetin Der Windstoß auf der Seine-Brücke 1889