Montag, 11. Mai 2015

Petrichor - Der Geruch des Regens auf trockener Erde


Es gibt Worte, die sagen, was nicht zu sagen ist.

Petrichor 
 
Ruhe. Trockenheit. Süße. Hitze. Erde. Dichte. Unbeweglichkeit. Durst
trifft auf 
Leichtigkeit. Eile. Helligkeit. Auflösung, Geruchlosigkeit. Sättigung. Feuchtigkeit.

Festigkeit auf Tropfen.
Fläche auf kleinste Teile.
Schoß auf Sättigung. 
Erwartung auf Erfüllung.
  


Petrichor

Wiki schreibt:
Der Begriff Petrichor bezeichnet den Geruch von Regen auf trockener Erde. Das Wort leitet sich aus dem Griechischen ab. Das Wort petros bedeutet Stein und ist kombiniert mit Ichor, der Flüssigkeit, die, nach der griechischen Mythologie, in den Adern der griechischen Götter fließt.
Der Begriff wurde 1964 von zwei australischen Forschern, I.J. Bear und R.G. Thomas, in einem Artikel für die Fachzeitschrift Nature geprägt. Im Artikel beschreiben die Autoren, wie der Geruch durch ein Öl entsteht, das bestimmte Pflanzen während Trockenperioden absondern, welches wiederum von Tonböden und Gesteinen adsorbiert wird. Während des Regens wird das Öl, zusammen mit einer anderen Verbindung namens Geosmin, in die Luft freigesetzt. Durch die Verbindung entsteht der markante Geruch. In einem Folgebericht zeigten Bear und Thomas 1965, dass das Öl die Keimung von Samen und das frühe Pflanzenwachstum verzögert.
 
http://www.zeit.de/2015/05/geruch-regen-stimmts 

Moses und Aron an der Komischen Oper Berlin


Vorrede auf dem Theater:

Estragon: 
Wir finden doch immer was, um uns einzureden, dass wir existieren, nicht wahr, Didi? 
Wladimir: 
Ja, ja. Wir sind Zauberer.
 Samuel Beckett "Warten auf Godot"


Arnold Schönberg
Moses und Aron 
Oper in drei Akten
1923 – 1937

Vorausgeschickt: obwohl ich wenig von moderner klassischer Musik verstehe, ihr sogar eher ängstlich begegne, habe ich heute in der Komischen Oper fast zwei Stunden fasziniert zugehört und -gesehen. Das hatte ich nicht erwartet und macht mich ziemlich froh. Es war anstrengend, weil meine Aufmerksamkeit zwischen Textmitlesen und dem Bühnengeschehen zu folgen, hin und her springen mußte. Aber es war aufregend. Nicht, dass ich mit allen assoziativen Bildern glücklich war, aber ich hatte immerzu interessante Reibungspunkte. 
Mit mir waren fünf Studenten, vier Kanadier und eine Türkin, und wir haben im Anschluß fast zwei Stunden gestritten und haben dabei sogar unsere sehr unterschiedlichen Eindrücke einander verständlich mache können. Selten und großartig. 
Und der Chor ist unglaublich! Einhundert Sänger die, während sie diese komplizierte Musik singen, in jedem Augenblick die Spannung halten und offensichtlich immer genau wissen, was sie gerade denken, welche Haltung sie warum einnehmen. Intelligent choreographiert und intensiv gespielt. Bis zur ersten Stückprobe hatten sie bereits 100 musikalische Proben! 100!

Der Riß zwischen der Idee und ihrer Realisation, der Einbruch der Propaganda in die Utopie, der unüberbrückbare Graben zwischen dem Gedanken und seiner Wirklichwerdung - die Geschichte des letzten Jahrhunderts, und des jetzigen, als Fundus des Schreckens. 
Die Tödlichkeit der Ismusse. Faschismus, Stalinismus, Fundamentalismus - ein Reigen des Tötens.

MOSES 
Unvorstellbarer Gott! Unaussprechlicher, vieldeutiger Gedanke! Lässt du diese Auslegung zu? Darf Aron, mein Mund, dieses Bild machen? So habe ich mir ein Bild gemacht, falsch, wie ein Bild nur sein kann! So bin ich geschlagen! So war alles Wahnsinn, was ich gedacht habe, und kann und darf nicht gesagt werden! O Wort, du Wort, das mir fehlt!

Die letzten Worte die Moses in der Aufführung singspricht. 

Schönberg hat die Oper in Berlin geschrieben. Es ist ein Berlinstück, obwohl er ein jüdischer Österreicher durch und durch war. Er hat den letzten Takt von "Moses und Aron" in Berlin komponiert, kurz danach ging er 1933 ins Exil. Er hat die Oper im hereinbrechenden Schatten des Dritten Reichs geschrieben.
Barrie Kosky

Schönberg am 20. April 1923 in einem Brief an Kandinsky:

Was ich im letzten Jahr zu lernen erzwungen wurde, habe ich nun endlich kapiert, und werde es nicht wieder vergessen. Dass ich nämlich kein Deutscher, kein Europäer, ja vielleicht kaum ein Mensch bin (wenigsten ziehen die Europäer die schlechtesten ihrer Rasse mir vor), sondern, dass ich Jude bin. Ich habe gehört, dass auch ein Kandinsky in den Handlungen der Juden nur Schlechtes und in ihren schlechten Handlungen nur das Jüdische sieht, und da gebe ich die Hoffnung auf Verständigung auf. Es war ein Traum. Wir sind zweierlei Menschen. Definitiv!"
Zwei Wochen später schrieb er abermals an Kandinsky:  


"Und da tun Sie mit und lehnen mich als Juden ab. Habe ich mich Ihnen denn angetragen ... Wie kann ein Kandinsky ... es unterlassen eine Weltanschauung zu bekämpfen, deren Ziel Bartholomäusnächte sind!" 
http://www.zeit.de/1964/44/die-erde-ist-kein-vergnuegungslokal 

Kurze Zusammenfassung der in der Oper zitierten biblischen Moses & Aaron Geschichte:
Nachdem Mose von Gott am brennenden Dornbusch zum Führer und Befreier Israels berufen worden war, kehrt er nach Ägypten zurück und trifft dort auf seinen Bruder. Gott macht Aaron zu Moses Sprecher und gemeinsam treten die Brüder vor den Pharao, um von ihm die Freiheit der Hebräer zu fordern. Anfangs wirkt er durch seinen Stab einige Wunder : Als er den Stab zu Boden wirft, wird dieser zur Schlange und verschlingt die Stab-Schlangen der ägyptischen Magier, er macht durch den Stab das Wasser des Nils zu Blut und läst die Frosch- und Stechmückenplage aus. Später ist nur noch berichtet, dass Moses so einen Stab hat, mit dem er Wunder vollbringt. Verglichen mit seinem dynamischen Bruder ist Aaron keine Führerpersönlichkeit. Nur an einer Stelle wird sein Name zuerst genannt, obwohl er der ältere Sohn ist, und nur zweimal spricht Gott direkt zu ihm. Zwar handelt Aaron zweimal auch unabhängig von Mose - doch beide Male geht es gründlich schief: Als Mose sehr lange auf dem Berg Sinai bleibt, wo er die 10 Gebote erhält, gibt Aaron dem Drängen des Volkes nach und errichtet ein goldenes Stierbild, das von den Hebräern als Götze angebetet wird. Von seinem Bruder zur Rede gestellt, schiebt Aaron alle Schuld dem Volk zu ....
Aus: In 18 Monaten durch die Bibel
http://www.its-gospel-time.de/index.php?option=com_glossary&func=view&Itemid=433&catid=124&term=Aaron 

Interview mit dem Intendanten der Komischen Oper Barrie Kosky.
http://www.zeit.de/2014/40/komische-oper-berlin-barrie-kosky 

Moses und Aron Chorprobe:
https://www.youtube.com/watch?v=cFYvIYkDECE 

Sonntag, 10. Mai 2015

e.e. cummings - falls es himmel geben sollte wird meine mutter - if there are any heavens my mother



falls es himmel geben sollte wird meine mutter


Rebecca Haswell Clarke Cummings
---------------------

falls es himmel geben sollte wird meine mutter(ganz für sich)
einen haben. Es wird kein stiefmütterchenhimmel auch
kein zerbrechlicher himmel voller maiglöckchen sondern
es wird ein schwarzroter rosenhimmel sein.

mein vater wird(tief wie eine rose
hoch wie eine rose)sein

stehend nah meiner

(wiegend über ihr
still)
mit augen die wirklich blumenblätter sind und sehen

nichts mit dem gesicht eines dichters wirklich das
eine blume ist und nicht ein gesicht mit
händen
die wispern
dies ist mein geliebte meine

(plötzlich im sonnenlicht

wird er sich verneigen,

& und der ganze garten wird sich verneigen.
 
 Black Baccara Rose


if there are any heavens my mother will(all by herself)have
one. It will not be a pansy heaven nor
a fragile heaven of lilies-of-the-valley but
it will be a heaven of blackred roses

my father will be(deep like a rose
tall like a rose)

standing near my

(swaying over her
silent)
with eyes which are really petals and see

nothing with the face of a poet really which
is a flower and not a face with
hands
which whisper
This is my beloved my

(suddenly in sunlight

he will bow,

& the whole garden will bow) 

 
e.e. cummings 

Samstag, 9. Mai 2015

Theater hat auch Wirkung (auf mich)


Ich bin Mitte 50 (Wie ist das passiert?) und gehe immer noch oft und oft gern ins Theater. Ein Junkie, süchtig, nicht belehrbar. 
Im Lauf der Jahre haben sich Grundmuster für Theaterabende herausgeschält, die, verallgemeinernd, aber doch recht präzise, beschreiben, wie ich einem Theaterabend begegne und was er mit mir anstellt. (Ausnahmen sind erwünscht!)



1. Ich habe Spaß, lächle oder lache und weiß, wenige Stunden später, nicht mehr ganz genau was ich eigentlich gesehen habe. Pointen, Arrangements, Gesten bleiben hängen, der Zusammenhang löst sich schnell ins angenehm Vage auf. Habe ich ein schlechtes Gedächtnis? Sind zwei Stunden Vergnügen ein schätzenswerter Zeitraum? Oder vergeude ich hier Lebenszeit für Oberflächliches? Ist Lachen an sich ein Wert? Zwei Stunden waren meine Mundwinkel gravitationsgeschützt. Ist das genug? Muß es genug sein? Ist Amüsement ein Wert an sich? Manchmal - ja. Ja. 
In der zweiten Vorstellung "Der Spanischen Fliege" in der Volksbühne war der Spaß am Bühnenirrwitz beinah genauso groß, wie die Lust daran, den um mich herum sitzenden Berliner Intellektuellen, bei der Entscheidung zwischen Lachkrampf und vergeistigter Zurückhaltung zuzusehen.

2. Ich bin ein zu prüfender Student in einer Prüfung, von der ich nicht weiß, welches Fach angesetzt ist. Bin ich sensibel/schlau/offen/tief genug, zu verstehen, was verlangt wird? Der Prüfungsdruck ist erheblich. Kafka hätte seine Freude. Oft falle ich durch. Bin ich zu blöd/alt/verbohrt oder ist der Theaterabend nicht genügend? Will mich der Regisseur auf die Probe stellen? Will ich geprüft werden? Beweise ich mein Lebensrecht als Mensch/Kunstkonsument durch die bestandende Prüfung? Oder kann mich das arrogante Arschloch von Regisseur einfach mal am mir eigenen Arsch lecken? Ich bin gekommen, habe meine Karte bezahlt und muß mich erniedrigen/verachten lassen? Oder bin ich einfach denkfaul? Man will doch so gern dazugehören, zu denen die "IN" sind, trendy, up to date sind. Wie schütze ich mich vor der eigenen Harmoniesucht? 
Kunst kommt von Können, nicht von Wollen, sonst hieße es Wunst.
Aber, andererseits, die Gefährdung bequem, selbstgerecht und öde zu werden, ist nicht zu unterschätzen. 
Bob Wilson leicht und sicher abgelegt unter Design, veränderte sich unter der Erfahrung der Rekonstruktion seiner ersten großen Operninszenierung von "Einstein on the Beach". Auch wenn ich noch immer denke, dass er zu viel und zu selbstsicher und selbstzitierend arbeitet. 



3. Ich weiß eine halbe Stunde, im schlimmsten Fall zwei Stunden vorher, was stattfinden wird, 
und die Mühe meine Augenlider davon abzuhalten, sich zu senken, bzw. die Anstrengung meinen unabwendbaren Schlaf als intensives Nachdenken zu tarnen, erschöpfen mich vollständig.
Die Beispiele sind zahllos. Ich bin wohl ein arrogantes Arschloch oder habe einfach zuviel Theater gesehen.

4. Ich bin einverstanden. Nicht gut. Nicht schlimm. Nichts weiter. Manchmal ist es dann ein einzelner Spieler, eine Szene, die mich packt, weckt und tragisch verloren im Gesamtramsch ersäuft.

5. Ich bin ahnungslos, fassungslos, urteilslos und atemlos. Froh. Jahre später springen unerwartet Bilder, Szenen auf und erklären mir Welt oder zumindest mein eigenes wirres Verhalten. Menschen spielen, es wurde neu gedacht. "Das Trunkene Schiff" & "Othello" von Castorf, Armin Petras "Das Käthchen von Heilbronn", "Minna von Barnhelm" und und und. ... "Ödipus Stadt" am DT, "Onkel Wanja" in Ingolstadt, "Struwelpeter" von den Tiger Lillies, Vieles, sehr vieles als ich jung, naiv und ahnungslos war. Gott sei Dank gibt es das immer wieder, erhofft & ungeahnt.

Das ist geblieben: Das Zentrum der Theaterkunst ist der Spieler oder pc: die SpielerIn. Die postdramatische Situation ist eine von Dramaturgen erdachte, wir leben weiter dramatisch. Authentizität auf der Bühne ist eine pornographische Phantasie. Wir müssen selber leben. Auf der Bühne kann nur aus voller Seele lügend nach der Wahrheit gehascht werden. Ein Zipfel Wahrheit wird gepackt, ein Zipfel, gebt mir den Zipfel!
Gebt mir Fragen, Schönheit, Erkennbarkeit & Solidarität mit meiner Not. Gebt mir den Zipfel.

Ich sehe überall Konzepttheater. Zugunsten von Konzepten hat man den Schauspielern ihre ganze Wildheit, Kühnheit und Brillanz ausgetrieben! Herbert Fritsch



 Alle Photographien © Eolo Perfido

P.S. 
6. Ein unbenennbares Gefühl betrogen zu werden, läßt mich nicht los. Ist das Kunst oder Mist?

Donnerstag, 7. Mai 2015

Genesis & Ödipus - Sebastião Salgado & Romeo Castellucci



Zweimal Kunst an diesem Tag. 
Einmal wurde in mir beim Gang durch die kühlen Räume der neuen C/O Galerie im Amerikahaus, ein Staunen über die Heiligkeit, das Verehrungswürdige, das Wunder der Welt geweckt, Ehrfurcht benennt es vielleicht am besten. 
Und später in der Schaubühne, ein Abend exerziert wie ein langes religiöses mystisches Ritual, der mich ein bisschen amüsiert und ziemlich erstaunt hinterließ. Erstaunt, weil das alte Märchen vom Kaiser der nackt ist, in meinem Kopf auftauchte, nur dass da kein Kind war, das am Ende "Aber er hat ja gar nichts an!" gerufen hat.


Afrika: Mursi Frauen im südwestlichen Äthiopien mit Lippentellern

 

So oft habe ich Geschichten photographiert, die die Degradierung des Planeten zeigen.
Ich hatte die Idee, dass ich die Fabriken die verschmutzen photographieren sollte, und all die Müllhalden sehen müsste. Aber, letztendlich, dachte ich, die einzige Art uns anzuspornen, uns Hoffnung zu geben, ist Bilder des unverdorbenen Planeten zu zeigen - die Unschuld zu sehen.

So many times I've photographed stories that show the degradation of the planet. I had one idea to go and photograph the factories that were polluting, and to see all the deposits of garbage. But, in the end, I thought the only way to give us an incentive, to bring hope, is to show the pictures of the pristine planet - to see the innocence.

Sebastião Salgado



Ödipus der Tyrann von Sophokles, übertragen von Friedrich Hölderlin.

Euch, Kinder, wenn ihr schon die Sinne hättet,
Möcht ich noch vieles mahnen. Jetzt gelobt mir,
Was immer leben muß, und daß ihr leichter
Wollt leben als der euch gezeugt, der Vater.

Die erste halbe Stunde schaue ich Karmeliterinnen bei ihren alltäglichen Verrichtungen zu, 
zauberartige Umbauten, so dass ich fast dachte, einen Film zu sehen. Halbschatten,
glasklare Gesänge, keine Worte, voyeuristische Schnipsel. Bis auf einen kurzen Moment des Zweifels,
ob ich möglicherweise im falschen Saal gelandet sein könnte - Ödipus! - lasse ich mich 
in die Bilder fallen. Die Bühne öffnet sich, jetzt strahlendweiß, und die Nonnen beginnen
Ödipus zu spielen. Alle Figuren sind Frauen, außer Teresias, der ist eine männliche Nonne.
Tja, und da wurde es problematisch. Wenn nun Ödipus Schuld, seinen Vater zu töten
und mit seiner Mutter zu schlafen, nun zu unser aller Erbschuld gemacht wird, leben wir
in einer ganz und gar männlichen Welt. Und so sind denn auch die beiden einzigen 
Darsteller, die in die Heftigkeit, die Intensität gehen dürfen, Männer. Teresias, der auch
den stärksten Moment des Abends hat - er benennt den ungeheuren Tabubruch und er, die
Bühne, der Raum gerät ins Vibrieren, ins Zittern, ins Schwanken. Von jetzt ab ist ein Riss
in der Welt. Der zweite Mann ist der Regisseur selbst, der per Video in Großaufnahmen circa 20 Minuten zeigt, wie er nachdem er mit Tränengas besprüht wurde - geblendet - versucht sich 
das Zeug aus den Augen zu reiben, unterstützt von einem vorsorglich bereitgestellten 
DRK-Helfer. Er will, im Gegensatz zu Ödipus nicht erblinden und zeigt seinen Mut, solch ein
Experiment zu unternehmen. 20 Frauen, unter ihnen Angela Winkler, Jule Böwe, 
Rosabel Huguet & Ursina Lardi bereiten den Boden für dieses Video. Der katholische Mann,
der in Stärke & Qual erleidet und wohl deshalb von vielen Frauen gepflegt werden muß.
Der Kaiser ist nicht nur nackt, sondern auch katholisch.
Am Ende ist die Bühne leer bis auf drei überdimensionale pulsierende Furzkissen und die - furzen,
was sonst.
Eine Rentierkarawane des Volkes der Nenzen im nördlichen Sibirien



Alle Photos © Sebastião Salgado


Mittwoch, 6. Mai 2015

Tornado in Mecklenburg-Vorpommern




DER FLIEGENDE ROBERT



Wenn der Regen niederbraust,
Wenn der Sturm das Feld durchsaust,
Bleiben Mädchen oder Buben
Hübsch daheim in Ihren Stuben. -
Robert aber dachte: Nein!
Das muss draußen herrlich sein! -
Und im Felde patschet er
Mit dem Regenschirm umher.
Hui wie pfeift der Sturm und keucht,
Dass der Baum sich niederbeugt!
Seht! Den Schirm erfasst der Wind,
Und der Robert fliegt geschwind
Durch die Luft so hoch, so weit;
Niemand hört ihn, wenn er schreit.
An die Wolken stößt er schon,
Und der Hut fliegt auch davon.
Schirm und Robert fliegen dort
Durch die Wolken immer fort.
Und der Hut fliegt weit voran,
Stößt zuletzt am Himmel an.
Wo der Wind sie hingetragen,
Ja, das weiß kein Mensch zu sagen.

Heinrich Hoffmann (1809-1894)

Die Tiger Lillies Singen "Flying Robert"

 György Sándor Ligeti
Nonsense Madrigals IV. Flying Robert



Montag, 4. Mai 2015

Don Giovanni an der Komischen Oper


Morgen hingehen, Karten vorbestellen, (unbedingt darauf achten, dass Papendell singt!) hinsetzen, verzaubert sein.

Günter Papendell als Don Giovanni - ein glückliches Ereignis!

Mannoman ist der großartig! Ein zarter Mann, bei dem man sich fragt, wo er überhaupt diese Riesenstimme herholt, ein Clown, ein Sprachkomiker, ein Tänzer, ein wildes Kind.

Giovanni ähnelt hier ein wenig dem Joker von Heath Ledger, vibrierend, auf der Suche nach dem nächsten Kick, er weiß was er tut, kann nicht anders, lädt uns ein, sein Vergnügen mitzugenießen und für eine kurze Zeit unsere biederen moralischen Einwände beiseite zu lassen. Ihr wollt es doch auch, oder? Keine Zeit. Keine Zeit. Genuß muß gefunden & genommen werden, selbst der Tod ist dafür am Ende kein zu hoher Preis. Er tut was wir alle wünschen und nicht wagen, weil er mehr riskiert, mehr giert, mehr Spaß hat, mehr Lust, mehr, einfach mehr. Und dies auf fast kindliche Art. Eingestreut und perfekt gesetzt - Sprachwitze der albernsten Art - die Namen der Mitspieler bieten sich ja auch wirklich an.

Während der Champagnerarie spielt er Pferd & Reiter, die Füße hüpfen während die Stimme leicht und weich klingt. Das ist sowohl kunstvoll und witzig aber auch technisch beeindruckend. Frag mal einen Sänger, ob er eine Arie lang hüpfen würde!


Auf denn zum Feste,
Froh soll es werden,
Bis meine Gäste
Glühen von Wein!
Siehst du ein Mädchen
Nahen dem Garten,
Lass' sie nicht warten,
Führ' sie herein.
Tanzen lass' alle sie
Wirr durcheinander;
Hier Menuette,
Da rasche Walzer,
Dort Allemanden
Spiel' ihnen auf.
Ich aber leise,
Nach meiner Weise,
Führe das Liebchen
Ins Kämmerlein.
Drum ohne Sorgen
Deinem Register
Schreibst du schon morgen
Zehne noch ein.


Finale des ersten Teiles:

Mutlos soll mich niemand sehen.
Mag die Welt in Trümmer gehen,
Niemand soll mich zagen sehn
Nein, ich bleib' fest und trotz' dem All.





Günter Papendell, Bariton
"Es ist eine sehr spezielle, sehr körperliche Dauerspannungsspielweise, die auf Dauer wahnsinnig anstrengend ist und wo man gucken muss, wie man das in den Körper reinkriegt, ohne nach zehn Minuten schon total ausgepowert zu sein."
Giovanni singt ein Mädchen an, er singt eine lyrische Kanzonette mit den Bewegungszitaten des Gitarristen einer zweitklassigen Rockband - genial.
Horch auf den Klang der Zither,
Mach auf das Gitter,
O lindre meine Pein
Und lass mich glücklich sein!
Lässt du mich trostlos flehn,
So macht ein rascher Tod,
Du Falsche, sollst es sehn,
Ein Ende meiner Not.
Mir lacht dein süßes Mündchen
Voller Wonne,
Und dein liebliches Auge strahlt
Wie die Sonne;
Magst du auch grausam sein,
Was gilt's, du hast mich lieb:
Lasse mich nicht allein,
du loser Herzensdieb.

Die Inszenierung ist von Herbert Fritsch und dementsprechend lustvoll, auch wenn sich der zweite Teil ein wenig gegen die Methodik sträubt. Die Dramaturgie des Librettos häuft hier eine Menge großer Arien an und letztendlich stehen dann da doch Sänger und Sängerinnen und singen einfach. Papendell nicht, er spielt, er verweigert das Genre, die Tradition und spielt somit auch an gegen die Erstarrung und das Zufriedengeben. Ich kenne den Mann nicht und würde ihm trotzdem heute Abend gern meine Liebe erklären.


Alle Photos © Monika Rittershaus


Samstag, 2. Mai 2015

SONNTAGNACHMITTAG AUF DER INSEL LA GRANDE JATTE


    GEORGES SEURAT
    SONNTAGNACHMITTAG AUF DER INSEL

      LA GRANDE JATTE


      Un dimanche après-midi à l'Île de la Grande Jatte 
      1884-1886 Art Institute of Chicago





Des kleinen Mannes höllisches Utopia


Der Kunstkritiker Jules Christophe schrieb 1890 in der Seurat gewidmeten Nummer 368 der Zeitschrift Les Hommes d'aujourd'hui  
(Die Menschen von heute) in einem von Seurat persönlich mitgestalteten Artikel:

„An einem Nachmittag unter flimmerndem Sommerhimmel sehen wir die 
 glitzernde Seine, elegante Villen am gegenüberliegenden Ufer, kleine, 
auf dem Fluß dahingleitende Dampfschiffe, Segelboote und ein Ruderboot. 
Unter den Bäumen, ganz in unserer Nähe, gehen Leute spazieren, andere sitzen 
oder liegen faul im bläulichen Gras. Einige angeln. Wir sehen junge Mädchen, ein Kinderfräulein, eine alte Großmutter unter einem Sonnenschirm, die aussieht 
wie Dante, einen Bootsmann, der faul hingestreckt seine Pfeife raucht und dessen Hosenbeine von der hellen Sonne regelrecht verschlungen werden. 
Ein dunkelvioletter Hund schnuppert am Gras, ein roter Schmetterling fliegt umher, 
eine junge Mutter geht mit ihrer kleinen Tochter spazieren, die ganz in 
Weiß gekleidet ist und eine lachsfarbene Schärpe trägt. Nahe dem Wasser 
stehen zwei Kadetten der Militärschule Saint-Cyr. Ein junges Mädchen bindet 
einen Strauß; ein Kind mit rotem Haar und blauem Kleid sitzt im Gras. 
Wir sehen ein Ehepaar mit seinem Baby und ganz rechts das hieratische, aufsehenerregende Paar, einen jungen Geck mit seiner eleganten Begleiterin 
am Arm, die einen purpur-ultramarinfarbenen Affen an der Leine führt.“


Ernst Bloch in "Das Prizip Hoffnung":
Dieses Bild ist ein einziges Mosaik der Langeweile, eine meisterhafte Darstellung 
der enttäuschten Hoffnung des süßen faulen Lebens ... 
Das Gemälde zeigt einen Mittelstands-Sonntag-Morgen auf einer Insel 
in der Seine bei Paris ... der, trotz der Erholung, die hier stattfindet, 
eher zum Hades gehört als zu einem Sonntag ... 
Das Ergebnis ist endlose Langeweile, des kleinen Mannes höllisches Utopia, 
den Sabbath zu umgehen und doch an ihm festzuhalten; 
sein Sonntag wird zu einem lästigen Muss, statt einer kurzen Kostprobe des Paradieses.

This picture is one single mosaic of boredom, a masterful rendering of the disappointed longing 
and the incongruities of a dolce far niente ... The painting depicts a middle-class Sunday morning 
on an island in the Seine near Paris…despite the recreation going on there, seems to belong more to 
Hades than to a Sunday…The result is endless boredom, the little man's hellish utopia of skirting 
the Sabbath and holding onto it too; his Sunday succeeds only as a bothersome must, not as a 
brief taste of the Promised Land.


Sonntag im Park mit George
(Sunday in the Park with George)


Sunday, by the blue purple yellow red water
On the green purple yellow red grass
Let us pass through our perfect park
Pausing on a Sunday

By the cool blue triangular water
On the soft green elliptical grass
As we pass through arrangements of shadow
Toward the verticals of trees
Forever

By the blue purple yellow red water
On the green orange violet mass of the grass
In our perfect park

Made of flecks of light
And dark
And parasols
Bum bum bum bum bum bum
Bum bum bum

People strolling through the trees
Of a small suburban park
On an island in the river
On and ordinary Sunday
Sunday
Sunday

Stephen Sondheim 
Das Buch stammt von James Lapine 



Anderes Lied aus demselben Musical, es singt Bernadette Peters!

    Im Paradies der Kleinbürger sind alle Menschen Fremde


Als "Mosaik von Langeweile" beschrieb der Philosoph Ernst Bloch das Bild. Der 1977 gestorbene Marxist sah nur "Sonntagselend" und "Landschaft des gemalten Selbstmordes" auf dem Gemälde "Grande Jatte" von Georges Seurat ( 1859 bis 1891 ).

Für den Kunstkriker Felix Feneon dagegen, einen Zeitgenossen des Malers, war es ein heiteres Werk: "Eine sonntägliche zusammengewürfelte Menge", erblickte er auf der Leinwand, "die sich im Freien vergnügt, unter einem hochsommerlichen Himmel." Feneon bewunderte die zwischen 1884 und 1886 gemalte "Grande Jatte"; in seinen Artikeln warb er für Seurat und seinen "neuen Weg, die Wirklichkeit zu entschlüsseln" _ aufgerastert nämlich in unzählige, winzige Lichtpunkte; Das Bild dokumentiert die Erfindung des Pointillismus. Das Publikum folgte dem Kritiker nicht, das Bild blieb im Besitz des Malers bis zu dessen frühem Tod 1891 " "So gerne", notierte der Maler Paul Signac in seinem Tagebuch, hätte Seurats Mutter "die großen Werke ihres Sohnes den Museen vermacht, doch welches Museum wäre heute bereit, sie anzunehmen?" Neun Jahre nach Seurats Tod veranstalteten Signac und seine Freunde im Auftrag der Familie eine Verkaufsschau. Ungerahmt kosteten Seurats Zeichnungen zehn Franc, mit Rahmen 100. Die "Grande Jatte" ging tür 800 Franc an einen Pariser Großbürger. 1911 weigerte sich der Vorstand des Metropolitan Museum in New York, den Ankauf zu bewilligen; mehr Kunstsinn und Mut bewies 1924 der reiche Frederic Clay Bartlett aus Chicago: In Paris erstand er das Gemälde für 20000 Dollar. Kurz danach stiftete er es dem Art Institute of Chicago, wo es als Schlüsselwerk der europäischen Moderne gehütet wird. 1931 bot ein französisches Konsortium 400000 Dollar, um es zurückzukaufen. Vergeblich. Die Leinwand mißt 207 mal 308 Zentimeter und paßte nur knapp in das Atelier des 25 Jahre alten Malers. Ein Kollege beschrieb ihn als "unendlich hartnäckig", er sei "von einer Energie, die nicht minder extrem ist als seine Schüchternheit". Künstlerische Experimente konnte sich der 1859 geborene Seurat leisten; Sein Vater, ein durch Grundstücksspekulation reich gewordener Gerichtsbeamter, unterstützte ihn großzügig. Die Kunstakademie hatte er schon mit 21 verlassen, er wollte keines der üblichen Historienbilder malen, auch keine Nixen und Nymphen _ er verzichtete auf eine der üblichen Künstlerkarrieren. Bei der vierten Impressionisten-Ausstellung 1879 habe er einen "tiefen, unerwarteten Schock" erlitten, schreibt der Ausstellungsmacher Robert L. Herbert im Katalog der Seurat-Retrospektive 1991 im Pariser Grand Palais. Danach arbeitete der Künstler allein, zeichnete mit dem fetten, schwarzen Conte-Stift Porträts und Figuren von einfachen Leuten, malte kleinformatige Landschaften und ging, wie die Impressionisten, ins Freie, besonders gern ans Wasser. Das Licht einzufangen wurde Seurat wichtig, und nirgends sprach es ihn so an wie an der Seine in Asnieres, einem Vorort im Nordwesten von Paris. "Die Badenden, Asnieres" heißt sein erstes großformatiges Gemälde, das 1884 vom offiziellen Salon zurückgewiesen wurde, dafür aber bei der Ausstellung der "Unabhängigen Künstler" auffiel. Es zeigt badende Männer und )ungen am Ufer der Seine, sie blicken hinüber zu einer nahen Insel im Fluß: Es ist die Grande Jatte, der Schauplatz seines nächsten Werkes. Die Impressionisten, bestrebt, den Augenblick einzufangen, malten meist spontan in der Matur. Seurat dagegen bereitete sein Gemälde sorgfältig vor. An Ort und Stelle fixierte er aufvielen Holztäfelchen das Ufer, Rasen und Bäume, teilweise ohne Menschen. Die zeichnete er parallel dazu in unterschiedlichen Positionen als Studien in Schwarzweiß, Im Atelier fügte er beides zusammen. Etwa 40 Figuren, so beschreibt Feneon die Menschen auf dem Bild, "steif dasitzend, horizontal ausgestreckt, kerzengerade aufgerichtet". Zeitgenossen sprachen gar von einer "pharaonischen Prozession", und Seurat selbst bezeichnet den Tempelfries des griechischen Bildhauers Phidias als Vorbild: "Die Panathenäen des Phidias bildeten eine Prozession. Ich möchte moderne Menschen darstellen, die sich wie aufdiesem Fries ergehen, in ihrem Wesentlichen erfaßt." Als modernes Arkadien zeigt Seurat die Insel in der Vorstadt: Weder Flaschen noch Picknickkörbe sind auf dem gepflegten Rasen zu sehen. Unsichtbar bleiben auch die Restaurants, Cafes, Bootswerften und Wohnhäuser, die Anfang der achtziger Jahre bereits zwei Drittel der Inselfläche bedeckten. Die Besucher, Seurats "moderne Menschen", ergehen sich gesittet oder lagern im Schatten. Keiner badet, niemand hat sich seiner Kleidung entledigt. Feneon nennt sie eine "zusammengewürfelte" Gesellschaft, und wirklich trafen sich damals auf der schmalen Landzunge in der Seine Angehörige verschiedener sozialer Schichten - für den heutigen Betrachter ist jedoch schwer zu erkennen, ob der hingestreckte Mann mit Mütze und Pfeife ein Arbeiter aus dem nahen Industrie-Vorort Clichy ist oder ein Wassersportler aus Paris im zünftigen Outfit. Für die Bürger der Hauptstadt war Asnieres, von wo eine Fähre zur Grande Jatte übersetzte, dank der neuen Eisenbahnlinie bequem und schnell zu erreichen. Doch Technik und Fortschritt ver-änderten die idyllischen Erholungszentren, überzogen sie mit Fabriken und Billigquartieren für Arbeitskräfte _ sie wurden zum Eldorado für Spekulanten wie Seurats Vater. Auch das ländliche Asnieres hatte in den letzten Jahren seine Bevölkerung verdoppelt und sich zur Schlafstadt für Kleinbürger entwickelt _ jene aufstrebende Schicht, die von der Regierung der Dritten Republik als sozialer Stabilitätsfaktor gefördert wurde. So dürfte denn die Grande Jatte am Sonntag vorwiegend von kleinen Kaufleuten, Verkäuferinnen, Angestellten und Beamten samt ihren Familien besucht worden sein. Im Hintergrund des Bildes sind zwei Soldaten zu erkennen und - am weißen Umhang und an der Haube mit den langen Bändern - eine Krankenschwester in Rückenansicht, neben der alten Frau unter dem Schirm. Alle anderen haben ihre Berufskleidung mit dem Sonntagsstaat vertauscht. Die Frauen auf dem Bild sind ins enge Korsett geschnürt, die meisten tragen den modischen, die weiblichen Formen betonenden "cul de Paris" unter dem weiten Rock und den Hut, ohne den _ und ohne männliche Begleitung _ sich keine ehrbare Frau in der Öffentlichkeit zeigte. Vielen hat das Bild Rätsel aufgegeben: Sollten die zwei Mädchen zu Füßen des Trompeters leichte Beute für die herannahenden Soldaten darstellen? Sollte die Anglerin nach einem Mann fischen? Immerhin klingen die französischen Wörter für "fischen" (pecher) und "sündigen" (pecher) fast gleich. Und signalisieren Hund und Affe, von der Dame im Vordergrund an der Leine geführt, nur modische Extravaganz oder (nach traditioneller Symbolik) niedere Wollust? Der Begleiter dieser Dame trägt Zylinder, Stock und Monokel, typische Attribute des Großbürgers, der für gewöhnlich im Bois de Boulogne promenierte, einem Ort, der im Unterschied zur Grande Jatte nicht als gemischt, sondern als exklusiv galt. Dorthin gehörte der "wohlbekannte Pariser Herr aus den besten Kreisen", dessen Gattin - so berichtet das Journal "Autour de Paris" 1887 - einen Skandal machte, als sie herausfand, daß er mit ihrem Kammermädchen den Sonntag auf der Grande Jatte verbracht hatte. Doch Seurat erzählt keine Anekdoten, seine Protagonisten haben weder Gesicht noch Körpersprache, weder eigene Geschichte noch Individualität. Die "modernen Menschen", die er "in ihrem Wesentlichen erfassen" wollte, hat er auf typische Attribute wie Zylinderhut, Stöckchen oder Korsett reduziert - sie sind Zeichen in seinem Fries. Der Schlüssel zur Moral der Arbeiterklasse liegt in einem sonntäglichen Ruhetag", lautete 1874 das Fazit eines von der Academie des Sciences Morales et Politiques preisgekrönten Textes. Statt unter sich zu bleiben wie die Männer auf Seurats "Die Badenden, Asnieres", sollten die Arbeiter den Sonntag mit ihren Familien verbringen. So empfahl es auch die Regierung der Dritten Republik: Proletarier sollten Kneipen und Protestversammlungen meiden und durch bürgerliche Verhaltensweisen Ordnung und Stabilität sichern. Zwar war ein arbeitsfreier Tag in der Woche üblich, aber nicht durch Gesetze garantiert - die gab es erst 1892 für Frauen und Kinder und 1906 für Männer. Besonders in den achtziger Jahren wurde leidenschaftlich darüber debattiert: Seurats Thema war aktuell. Ob die Arbeiter oder Kleinbürger mit dem ihnen verordneten "bürgerlichen Familiensonntag" viel anfangen konnten, ist fraglich; es gibt wenig Männer auf Seurats Grande Jatte. "Lauter glückloses Nichtstun" sieht Ernst Bloch darauf, "Puppen, intensiv mit starrem Lustwandel beschäftigt". In den Augen des Marxisten kündet Seurats Bild vor allem von der Malaise der Arbeiter und Kleinbürger, von der Entfremdung in der industriellen Gesellschaft.

Auszug eines Artikels in art, das Kunstmagazin:

 

Donnerstag, 30. April 2015

Für Ö. anstelle einer Zigarette: e.e. cummings - XVII



XVII

Madame,ich werde dich mit meiner seele berühren.
dich berühren und berühren und berühren
bis du mir
plötzlich ein lächeln gibst, schüchtern obszön

(Madame,ich werde 
dich mit meiner seele berühren.)Dich
berühren, das ist alles,

leicht und du wirst gänzlich
mit unendlicher fürsorge

das gedicht werden das ich nicht schreibe. 

Michael Triegel Schlafende Ariadne 2010

Lady, i will touch you with my mind.

Touch you and touch and touch
until you give
me suddenly a smile,shyly obscene


(lady i will
touch you with my mind.)Touch
you,that is all,

lightly and you utterly will become
with infinite care

the poem which i do not write.












DIE SCHRECKLICHE DEUTSCHE SPRACHE - Mark Twain


Nur so, für zwischendurch als Spaß.