Im Zuge meines, durch eine Freundin sanft-nachdrücklich verstärkten, Vorhabens,
wenigstens einmal wöchentlich an die "frische Luft" zu gehen und darin herumzulaufen,
waren wir heute im Grunewald. So lerne ich einig emir bisher unbekannte Gegenden Berlins
doch noch kennen. Das Publikum war reicher als in Rehberge, die Hunde schicker und unglaublich zahlreich. Man konnte an mehreren Ständen Bio-Hundekekse erwerben.
Eine Dame in rosa T-Shirt mit "Yeah Friday"-Aufdruck, rosa Hose und rosa Schuhen,
etwa Mitte 60, sehr bauchlastig, der Mann dazu ebenfalls sehr jugendlich-sportlich gekleidet,
aber mit dem kahlen Kopf und Schnurrbart eines Pickelhaubenträgers,
ihr Hund, ein verängstigter Terrier, hieß Alberto.
Im Jagdschloß eine Ausstellung mit vielen Renaissanceporträts, einige davon geradzu
überraschend schlecht gemalt, wobei es sicher auch nicht einfach gewesen sein kann,
die meist außerordentlich häßlichen Mitglieder der Famile derer zu Brandenburg
mit Farbe auf Leinwand zu bringen. Die meisten flabberig fett, mit bösen kleinen
dicklichen Mündern und dummen, weit auseinanderstehenden Augen. Die Männer
oft auch noch eingeklemmt in zu enge Rüstungen. Da haben wohl ein paar Cousinen
zuviel ihre Cousins geheiratet. Und auch bei einigen, der zahlreichen Cranachs,
besonders des Älteren, konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie in großer
Eile, unter dem Einfluß von Alkohol oder schlechtgelaunt gemalt worden sein müssen.
Zitat Freundin: "Zweitklassige Kunst ist viel unterhaltsamer."
Das Brücke-Museum kommt ein andermal dran.
In den Grunewald,
seit fünf Uhr früh,
spie Berlin seine Extrazüge.
Ueber die Brücke von Halensee,
über Spandau, Schmargendorf, über den Pichelsberg,
von allen Seiten,
zwischen trommelnden Turnerzügen, zwischen Kremsern mit Musik,
entlang die schimmernde Havel,
kilometerten sich die Chausseeflöhe.
»Pankow, Pankow, Pankow, Kille, Kille« »Rixdorfer« »Schunkelwalzer« »Holzauktion«
Jetzt ist es Nacht.
Noch immer
aus der Hundequäle
quietscht und empört sich der Leierkasten.
Hinter den Bahndamm, zwischen die dunklen Kuscheln,
verschwindet
eine brennende Cigarre, ein Pfingstkleid.
Luna: lächelt.
Zwischen weggeworfnem
Stullenpapier und Eierschalen
Stullenpapier und Eierschalen
suchen sie die blaue Blume
Arno Holz: Phantasus. Stuttgart 1978
Das Jagdschloss Grunewald
1788
Eigentlich wie heute, nur jetzt mit viel, sehr viel mehr Hunden
Heinrich Bollandt
Erdmann August, Kronprinz zu Brandenburg-Bayreuth im Alter von drei Jahren
Erste Hälfte des 17. Jahrhunderts
Früher Punk
Lucas Cranach der Ältere
Judith mit dem Kopf des Holofernes
1530
Selbst der Tote guckt noch provozierend auf den Betrachter
Geißelung Christi
um 1480
Vier Volkstänzer geißeln Jesus,
man beachte bei der Figur vorne rechts
die ungewöhnliche Anbringung des linken Knies!
Herrlich grässlich!
Im Hof des Jagdsclosses Grunewald
Johannes Brixe
Wildsau wird von drei Jagdhunden gerissen.
In der Jagdausstellung steht auf der Liste der von einem der preussischen Könige
erlegten Tieren übrigens auch ein Wal!
Welcher Künstler hat die Wildschweinplastik im Hof erschaffen?
Im Innenhof befindet sich eine aus Metall (aus Gußeisen, laut Fontane 1894 und Berdrow 1902) hergestellte Wildschweinjagdplastik aus dem Jahre 1862, welche sich ursprünglich vor dem Schlosseingang befand, später dann aber vor den Jagdzeugschuppen verlegt wurde, wo sie auch heute noch steht. Auf dem Sockel steht der Name (des Künstlers?): “Johannes Brix – Berlin”. Leider konnte ich über diesen Künstler bisher nichts in Erfahrung bringen. Dafür, dass es sich um eine sehr “lebensechte” Plastik handelt, ist es sehr verwunderlich, dass von ihm nicht weitere Werke bekannt oder benannt sind.
Börsch-Suphan schrieb 1981/97, Seite 9: “An die Jagdromantik des 19. Jahrhunderts erinnert noch heute die in Zink gegossene Wildschweingruppe von Wilhelm Wolf, die 1862 im Hof aufgestellt wurde.”
Die naheliegende Frage ist nunmehr, weshalb der Name “Johannes Brix” auf dem Sockel der Plastik geschrieben steht und nich jener von Friedrich Wilhelm Wolf?
Anlässlich einer Schlossführung am 27.01.2013 wurde mir dazu die Auskunft gegeben, dass Wilhelm Wolf der Künstler, aber Johannes Brix der Gießer der Plastik ist. Zur damaligen Zeit stellte ich die Fertigkeit des Gießens für sich selbst schon eine herausragende Leistung dar.
Forst Grunewald website "Der GruneWald im Spiegel der Zeit"