Freitag, 17. April 2015

Der Schlussstein, der alles zusammenhält.


Im Gewölbebau spielt der Schlussstein eine entscheidende Rolle: erst wenn er eingesetzt ist, wird die Konstruktion selbsttragend, und das Lehrgerüst kann entfernt werden. Wiki

HEINRICH VON KLEIST

An Wilhelmine von Zenge 
Berlin, 16. November 1800

Ich gieng an jenem Abend vor dem wichtigsten Tage meines Lebens in Würzburg spatzieren. Als die Sonne herabsank war es mir als ob mein Glück untergienge. Mich schauerte wenn ich dachte, daß ich vielleicht von Allem scheiden müßte, von Allem, was mir theuer ist. Da gieng ich, in mich gekehrt, durch das gewölbte Thor, sinnend zurück in die Stadt. Warum, dachte ich, sinkt wohl das Gewölbe nicht ein, da es doch keine Stütze hat? Es steht, antwortete ich, weil alle Steine auf einmal einstürzen wollen u. ich zog aus diesem Gedanken einen unbeschreiblich erquickenden Trost, der mir bis zu dem entscheidenden Augenblicke immer mit der Hoffnung zur Seite stand, daß auch ich mich halten würde, wenn Alles mich sinken läßt

 Capua, Arkade der Fassade des Amphitheaters; der Schlussstein zeigt eine Büste der Diana.

Prothoe in Penthesilea:
Steh, stehe fest, wie das Gewölbe steht,
Weil seiner Blöcke jeder stürzen will!
Beut deine Scheitel, einem Schlußstein gleich,
Der Götter Blitzen dar, und rufe, trefft!
Und laß dich bis zum Fuß herab zerspalten,
Nicht aber wanke in dir selber mehr,
So lang ein Athem Mörtel und Gestein,
In dieser jungen Brust, zusammenhält.

Wiki schreibt: Der mittlere Stein im Bogen wird Schlussstein genannt und ist häufig dekorativ herausgearbeitet. Von der Statik her unterscheidet er sich nicht von den anderen Steinen. Die Basis des Bogens heißt Kämpfer. Sie muss sorgfältig gearbeitet sein, damit die Druckkräfte an die Umgebung weitergeleitet werden können. Sie definiert die Kämpferlinie. Oberhalb der Kämpferlinie beginnt der eigentliche Bogen. Die ersten Steine, die auf dem Kämpfer aufliegen, bezeichnet man als Anfänger. 

 Brücke von 1899

In einem Schlussstein

Sohn einer Zeit, die unsre Zeit nicht kennt,
Entfaltest Du dies graue Pergament,
Ist von der Hand, die diesen Spruch geschrieben,
Vielleicht noch kaum ein flücht‘ger Staub geblieben.
Das Haupt, das nach Unsterblichkeit getrachtet,
Ging namenlos dahin und unbeachtet.
Das Schicksal dessen, der Dir dieses weiht,
Ermahne Dich an eigne Sterblichkeit.
Genieß das Leben, wie der Schreiber dieses,
So nur erlangst Du Glück des Paradieses.
Sei mit den Guten gut, mit Frohen froh,
Bis Dir der Hauch des Erdenlebens floh.
Wenn Dich mein wohlgemeinter Spruch nicht wundert,
Sind Brüder wir, aus zweierlei Jahrhundert:
Wo meine Hand lag, fass des Blattes Rände —
So reichen wir uns brüderlich die Hände!

Adolf Böttger

* 21. Mai 1815 in Leipzig; † 16. November 1870 in Gohlis
Aus der Sammlung Vermischte Gedichte




 

1 Kommentar:

  1. So wunderbar wie Kleist hatte mein Vater, Ingenieur und gelernter Maurer, mir das Rundbogenprinzip nicht beschrieben.
    Aber sein Entzücken über die praktische Schlauheit, physikalische Kräfte so zu auszunutzen, dass alle Einzelteile sich gegenseitig oben halten, gerade weil sie alle einzeln runterfallen möchten, ist mir seit der Kinderzeit eindrücklich haften geblieben.

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