Dienstag, 14. Oktober 2014

Antigone 3 - Zwei Brüder



ZWEI BRÜDER


So begann es ...



Picasso (vermutlich) Zwei Brüder 1905/06


Picasso (vermutlich) Zwei Brüder 1905/06


Und so endet es ...



TRAUER AN DES BRUDERS GRAB


Weithin über die Lande und über die Meere gezogen,
Kehre endlich ich heim, Bruder, zu traurigem Dienst,
Dass ich als letztes Geschenk dir weihe die Gabe der Toten
Und deine Asche umsonst rufe, die stumme, umsonst,
Da dich selbst nun einmal ein bittres Geschick mir entrissen.
Bruder, mein Bruder, warum wurdest du mir geraubt!
Nimm es denn hin, was unsere Väter nach altem Brauche
Für die Toten bestimmt als ein Ehrengeschenk,
Nimm es hin, was reichliche Brudertränen benetzten:
Sei auf ewige Zeit, Bruder gegrüßt und leb wohl!

Catull


Oder es endet so ...

ETEOKLES: 
Verdammt sei Polyneikes! „Streit“ verheißt
Sein Name. Doch dass er’s wagt, gegen die Heimat
Krieg zu führen mit Barbaren-Übermacht –
Ich hätte ihn erwürgen sollen, als wir noch spielten.
Jetzt erfüllt sich unsres Vaters Fluch.

POLYNEIKES: 
Vorsorge traf ich für des Vaters Erbe,
Mich und ihn, damit der Fluch sich nicht erfüllt,
Den Ödipus uns hinterließ, und Bruderzwist
Um Macht und Reichtum uns vernichtet.
Freiwillig trat ich zurück, zog in die Fremde
Und überließ Eteokles für ein Jahr die Krone,
Um Thebens Herrscher dann zu sein im nächsten Jahr.
Er aber, der einen Eid geschworen hat auf diesen Pakt,
Bricht sein Wort und will den Thron
Und meinen Erbteil mir nicht zugestehen.
Noch jetzt bin ich bereit, wenn er mir gibt,
Was mein, des Heeres Abzug zu befehlen,
Mein Amt als König auszuüben, für ein Jahr,
Um es ihm herzuleihen für die gleiche Zeit.
In diesem Fall belagere ich Theben nicht
Und zieh die Sturmleitern zurück von seinen Mauern.
Doch wird mein Anteil mir versagt, wage ich alles!
Die Götter rufe ich als Zeugen,
Dass ich nur kämpfe für mein Recht,
Weil mich der Bruder rechtlos aus der Heimat drängt!

ETEOKLES: 
Wär unser Handeln nur auf eine Art zu deuten,
Es gäb auf dieser Erde keinen Streit.
In Wahrheit ist den Menschen nichts gemeinsam,
Worte nur. Ich, Mutter, sprech es offen aus:
Vor nichts mache ich halt, ich gehe jeden Weg,
Und sei's bis in den dunklen Schoß der Erde,
Wenn ich von dort mir Herrschaft holen könnte.
Als Ältester bin ich zum Königsein geboren
Und kann unmöglich abtreten die Macht an einen,
Der nicht dazu taugt. Ich wär kein Mann!
Und schwach und schmachvoll stünde Theben da,
Wenn ich, durch fremde Waffen eingeschüchtert,
Mein Zepter einem Nebenkönig überließ.
Nein! Will Polyneikes ungekrönt in unsern Mauern wohnen,
Meinetwegen. Doch was den Thron betrifft,
Geb ich nicht nach und zerreiße unsern Pakt,
Der Stadt zum Heil, die es verdient,
Dass nur der Beste sie regiert.

POLYNEIKES: 
Mutter –

ETEOKLES: 
Du bist ihr Sohn nicht mehr!

IOKASTE: 
Nie zeigtet ihr euch mehr als Söhne eures Vaters.

POLYNEIKES: 
Er verhöhnt mich!

ETEOKLES: 
Und du, hast du mich nicht verhöhnt?

POLYNEIKES: 
Bruder, wo stehst du in der Schlacht?

ETEOKLES: 
Warum fragst du?

POLYNEIKES:
 Wenn ich dich finde, töt' ich dich.

ETEOKLES:
Ich komme dir zuvor.


Goya - Kampf mit Keulen 1820/23

      Das Bild bezieht sich auf die Sage von Kadmos & den Drachenzähnen. Nachdem er 
      einen Drachen getötet hatte, erschien Kadmos, dem Sohn eines phönizischen Königs, 
      die Pallas Athene und befahl ihm, die Zähne des Drachen in aufgelockertes Erdreich 
      zu säen. Er öffnete mit dem Pflug eine breite Furche im Boden und fing an, die 
      Drachenzähne auszustreuen. Bald darauf begann die Scholle sich zu rühren, und aus 
      den Furchen hervor blickten zuerst die Spitzen von Lanzen, dann Helme hervor, bald 
      ragten Schultern und bewaffnete Arme aus dem Boden, und endlich standen hunderte 
      gerüstete Krieger, vom Kopf bis zum Fuße der Erde entwachsen, vor ihm. Einer des 
      erdentsprossenen Volke rief Kadmos zu: "Nimm deine Waffen nicht, Menge dich nicht 
      in unsere inneren Kriege!" und er holte mit einem Schwertstreich gegen einen der 
      ihm zunächst aus der Furche hervorgekommenen Brüder aus; ihn selbst streckte zu 
      gleicher Zeit eine geworfene Lanze nieder, der von einem anderen geflogen kam. 
      Auch der, welcher ihm den Tod gegeben, verhauchte unter einer Wunde den gerade 
      empfangenen Atem wieder. Der ganze Männerhaufen tobte in fürchterlichem Kampf, 
      nur fünf überlebten. Mit diesen fünf Kriegern baute Kadmos eine neue Stadt und 
      taufte sie Kadmeia, die später Theben genannt wurde. (nach www.sagen.at)



Sonntag, 12. Oktober 2014

Meine Grippe


INFLUENZA - DER EINFLUSS




Ich spreche hier über die harmlose Form der Grippe! Jammer. Jammer!

Ein komisches Ding so eine Grippe.

Die ersten Tage metzelt sie dich einfach nieder. Du liegst, dämmerst, selbst der Gang zur Toilette verlangt heroische Kraftanstrengungen. Jammervoll, klein, selbstmitleidig, läppisch, so fühlst du dich. Wohl dem, der jemanden sein eigen nennt, der in solcher Zeit Hühnersuppe liefert und zarten Zuspruch, und dann geht und dich in Stille leiden läßt..
Erstaunlich, wo überall und wie intensiv so ein Körper zu schmerzen in der Lage ist, und wie völlig unterschiedliche Schmerzen man gleichzeitig fühlen kann. Ich weiß jetzt, wie mein Gang aussehen wird, wenn ich einst neunzig Jahre alt werden sollte, genau so: schlurfend, zögernd, wackelig, angestrengt und unvorstellbar langsam. Zwei, drei Tage Gliederschmerzen, Kopfschmerzen, Halsschmerzen, Fieberschmerzen. So weit, so normal, so schlecht. 
Dann kommt der Schnupfen. Wo lagert der ganze Schnodder? Verdrängt er das Gehirn? Ist er Teil des Gehirns? Schnaube ich gerade jetzt wichtige Teile meines Großhirns in das siebzigste Tempotaschentuch? Kann meine Nase wirklich dreissig Zentimeter groß werden und leuchtend rot und wund und juckend? Werde ich je wieder einen klaren Gedanken denken können?
Als nächstes der Husten. Grippe plus Rauchen, keine gute Mischung. Wahrlich nicht. Husten - mittelhochdeutsch huoste, althochdeutsch huosto, Substantivierung eines das Hustengeräusch nachahmenden lautmalend Wortes (Wiki) - habt ihr, die Raucher unter euch, eine visuelle Vorstellung davon, wie eure Lungen aussehen? Hoffentlich nicht. In einem ziemlich banalen Actionfilm, "Constantine", wird Keanu Reeves, als Dämonenjäger, für seine erfolgreiche Arbeit damit belohnt, dass ihm die schwarzen öligen Nikotinablagerungen, Ergebnis jahrelangen Kettenrauchens, aus seinen Lungen gerissen werden - ich beneide ihn, wenn ich Grippehusten habe.

Auch das geht vorbei und es bleibt - eine Erschöpfung. Normalerweise schlafe ich gern, aber nicht sehr lang, jetzt nutze ich jede Minute für ein Nickerchen. Eigentlich bin ich wieder gesund, aber mein Körper glaubt es noch nicht. Und ich schaue aus meinen Augen heraus, wie aus einem verschmierten Fenster, aus meinem verwirrten Körper heraus, und die Welt ist in genau demselben desperatem Zustand, wie sie es vorher war, vor meiner Grippe.

GRIPPE, nur Grippe, in dieser Form nicht Lebensbedrohliches, nur die Erfahrung der eigenen Hilflosigkeit.

Ein komisches Ding so eine Grippe.

Die Dinger, Grippeviren, sehen so aus, wie man sich fühlt.
Rezepte gegen Grippe

Beim ersten Herannahen der Grippe, erkennbar an leichtem Kribbeln in der Nase, Ziehen in den Füßen, Hüsteln, Geldmangel und der Abneigung, morgens ins Geschäft zu gehen, gurgele man mit etwas gestoßenem Koks sowie einem halben Tropfen Jod. Darauf pflegt dann die Grippe einzusetzen.
Die Grippe – auch ›spanische Grippe‹, Influenza, Erkältung (lateinisch: Schnuppen) genannt – wird durch nervöse Bakterien verbreitet, die ihrerseits erkältet sind: die sogenannten Infusionstierchen. Die Grippe ist manchmal von Fieber begleitet, das mit 128° Fahrenheit einsetzt; an festen Börsentagen ist es etwas schwächer, an schwachen fester – also meist fester. Man steckt sich am vorteilhaftesten an, indem man als männlicher Grippekranker eine Frau, als weibliche Grippekranke einen Mann küßt – über das Geschlecht befrage man seinen Hausarzt. Die Ansteckung kann auch erfolgen, indem man sich in ein Hustenhaus (sog. ›Theater‹) begibt; man vermeide es aber, sich beim Husten die Hand vor den Mund zu halten, weil dies nicht gesund für die Bazillen ist. Die Grippe steckt nicht an, sondern ist eine Infektionskrankheit.
Sehr gut haben meinem Mann ja immer die kalten Packungen getan; wir machen das so, dass wir einen heißen Grießbrei kochen, diesen in ein Leinentuch packen, ihn aufessen und dem Kranken dann etwas Kognak geben – innerhalb zwei Stunden ist der Kranke hellblau, nach einer weiteren Stunde dunkelblau. Statt Kognak kann auch Möbelspiritus verabreicht werden.
Fleisch, Gemüse, Suppe, Butter, Brot, Obst, Kompott und Nachspeise sind während der Grippe tunlichst zu vermeiden – Homöopathen lecken am besten täglich je dreimal eine Fünf-Pfennig-Marke, bei hohem Fieber eine Zehn-Pfennig-Marke.
Bei Grippe muß unter allen Umständen das Bett gehütet werden – es braucht nicht das eigene zu sein. Während der Schüttelfröste trage man wollene Strümpfe, diese am besten um den Hals; damit die Beine unterdessen nicht unbedeckt bleiben, bekleide man sie mit je einem Stehumlegekragen. Die Hauptsache bei der Behandlung ist Wärme: also ein römisches Konkordats-Bad. Bei der Rückfahrt stelle man sich auf eine Omnibus-Plattform, schließe aber allen Mitfahrenden den Mund, damit es nicht zieht.
Die Schulmedizin versagt vor der Grippe gänzlich. Es ist also sehr gut, sich ein siderisches Pendel über den Bauch zu hängen: schwingt es von rechts nach links, handelt es sich um Influenza; schwingt es aber von links nach rechts, so ist eine Erkältung im Anzuge. Darauf ziehe man den Anzug aus und begebe sich in die Behandlung Weißenbergs. Der von ihm verordnete weiße Käse muß unmittelbar auf die Grippe geschmiert werden; ihn unter das Bett zu kleben, zeugt von medizinischer Unkenntnis sowie von Herzensroheit.
Keinesfalls vertraue man dieses geheimnisvolle Leiden einem sogenannten ›Arzt‹ an; man frage vielmehr im Grippefall Frau Meyer. Frau Meyer weiß immer etwas gegen diese Krankheit. Bricht in einem Bekanntenkreis die Grippe aus, so genügt es, wenn sich ein Mitglied des Kreises in Behandlung begibt – die andern machen dann alles mit, was der Arzt verordnet. An hauptsächlichen Mitteln kommen in Betracht:
Kamillentee. Fliedertee. Magnolientee. Gummibaumtee. Kakteentee.
Diese Mittel stammen noch aus Großmutters Tagen und helfen in keiner Weise glänzend. Unsere moderne Zeit hat andere Mittel, der chemischen Industrie aufzuhelfen. An Grippemitteln seien genannt:
Aspirol. Pyramidin. Bysopeptan. Ohrolax. Primadonna. Bellapholisiin. Aethyl-Phenil-Lekaryl-Parapherinan-Dynamit-Acethylen-Koollomban-Piporol. Bei letzterem Mittel genügt es schon, den Namen mehrere Male schnell hintereinander auszusprechen. Man nehme alle diese Mittel sofort, wenn sie aufkommen – solange sie noch helfen, und zwar in alphabetischer Reihenfolge, ch ist ein Buchstabe. Doppelkohlensaures Natron ist auch gesund.
Besonders bewährt haben sich nach der Behandlung die sogenannten prophylaktischen Spritzen (lac, griechisch; so viel wie ›Milch‹ oder ›See‹). Diese Spritzen heilen am besten Grippen, die bereits vorbei sind – diese aber immer.
Amerikaner pflegen sich bei Grippe Umschläge mit heißem Schwedenpunsch zu machen; Italiener halten den rechten Arm längere Zeit in gestreckter Richtung in die Höhe; Franzosen ignorieren die Grippe so, wie sie den Winter ignorieren, und die Wiener machen ein Feuilleton aus dem jeweiligen Krankheitsfall. Wir Deutsche aber behandeln die Sache methodisch:
Wir legen uns erst ins Bett, bekommen dann die Grippe und stehen nur auf, wenn wir wirklich hohes Fieber haben: dann müssen wir dringend in die Stadt, um etwas zu erledigen. Ein Telefon am Bett von weiblichen Patienten zieht den Krankheitsverlauf in die Länge.
Die Grippe wurde im Jahre 1725 von dem englischen Pfarrer Jonathan Grips erfunden; wissenschaftlich heilbar ist sie seit dem Jahre 1724.
Die glücklich erfolgte Heilung erkennt man an Kreuzschmerzen, Husten, Ziehen in den Füßen und einem leichten Kribbeln in der Nase. Diese Anzeichen gehören aber nicht, wie der Laie meint, der alten Grippe an – sondern einer neuen. Die Dauer einer gewöhnlichen Hausgrippe ist bei ärztlicher Behandlung drei Wochen, ohne ärztliche Behandlung 21 Tage. Bei Männern tritt noch die sog, ›Wehleidigkeit‹ hinzu; mit diesem Aufwand an Getue kriegen Frauen Kinder.
Das Hausmittel Cäsars gegen die Grippe war Lorbeerkranz-Suppe; das Palastmittel Vanderbilts ist Platinbouillon mit weichgekochten Perlen.
Und so fasse ich denn meine Ausführungen in die Worte des bekannten Grippologen Professor Dr. Dr. Dr. Ovaritius zusammen:
Die Grippe ist keine Krankheit – sie ist ein Zustand –!

Peter Panter

Vossische Zeitung, 03.02.1931, Nr. 28.



Donnerstag, 9. Oktober 2014

Theater vermeidet die eigenen Ängste

 
  Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe 

  den ersten Stein auf sie.        Johannes 877 Luther 1912

   Meine Schwester nannte mich früher des öfteren "Harmonieschnittchen", und 
   hatte wohl Recht damit, ich hätte nahezu alles getan, um nicht in Konflikte zu 
   geraten. Heute, viele Jahre später, kann ich weit besser streiten, weiß mehr 
   um die Notwendigkeit einer eigenen Haltung und kann sie selbstbewußter
   und unangestrengter vertreten und, gelegentlich, sogar ändern oder 
   aufgeben.

   ABER, immer wieder, dieses ABER, wie vermeide ich den eingebauten 
   Schutzreflex in meiner Arbeit? Wie umgehe ich, den, unbewußten, Versuch 
   meine wirklichen Ängste, Feigheiten, Schwächen elegant zu umschiffen, sie 
   eitel zu verkleiden oder ironisierend klein und gefällig zu machen?

   In den Arbeiten Anderer sehe ich das sofort. Da wird sich gedrückt, es 
   werden Figuren, ihre Reaktionen und Nöte lächerlich gemacht, Hoffnungen 
   als von vornherein idiotisch dargestellt und existentielle Verluste in 
   lächerliche und vorhersehbare Niederlagen umgewandelt. Besserwisserei 
   statt riskantem offenen Austausch. Urteile werden gefällt, Schubladen sauber 
   geöffnet, geordnet und geschlossen, und ich, in diesem Fall Zuschauer, 
   werde mit leichter Hand belehrt, verurteilt, abgewatscht und gänzlich unter 
   Wert behandelt. Überhaupt, die trendige Allzweckwaffe Ironie, sie schützt vor 
   jedweder Eigenbeteiligung. "Ich bin raus, es ist nicht wirklich so gemeint und 
   wenn doch, dann kann ich es jederzeit mit einem bösen Kichern widerrufen."
   Genannt wird es postdramatisch, eines der blödesten Wortschöpfungen 
   überhaupt, als würde die Erschöpfung einzelner Philosophen, die Verzweiflung
   real existierender Menschen außer Kraft setzen. 

   Wenn ich mich mit mir fremden Menschen über meine Fassungslosigkeit 
   im Angesicht der Welt verständigen will, darf ich mich nicht raushalten, und
   so schwanke ich zwischen eifrigem Selbstschutz und voyeristischer
   Entäußerung und gefährde mich und bin froh, dass ich es noch kann und
   Spieler finde, die bereit sind mit mir zu springen. 



Dienstag, 7. Oktober 2014

Nikolaus Lenau - Herbst


Nikolaus Lenau

HERBST 


Rings ein Verstummen, ein Entfärben:
Wie sanft den Wald die Lüfte streicheln,
Sein welkes Laub ihm abzuschmeicheln;
Ich liebe dieses milde Sterben.

Von hinnen geht die stille Reise,
Die Zeit der Liebe ist verklungen,
Die Vögel haben ausgesungen,
Und dürre Blätter sinken leise.

Die Vögel zogen nach dem Süden,
Aus dem Verfall des Laubes tauchen
Die Nester, die nicht Schutz mehr brauchen,
Die Blätter fallen stets, die müden.

In dieses Waldes leisem Rauschen
Ist mir als hör' ich Kunde wehen,
daß alles Sterben und Vergehen
Nur heimlich still vergnügtes Tauschen.


Freitag, 3. Oktober 2014

Sylvie Guillem


Ich, die ich nichts von Tanz verstehe, möchte euch meine Lieblingstänzerin vorstellen, die ich, leider, nie live gesehen habe, immer nur digital, aber sie übertanzt auch diese Grenze.

"I am difficult wth myself, so I have the right to be difficult with others."

"Ich bin schwierig mit mir selbst, deshalb habe ich das Recht, auch schwierig mit anderen zu sein." 

Self-portrait for French Vogue, 2004.

Sylvie Guillem

oder Mademoiselle Non, wie sie auch genannt wird, weil sie unabhängig, unregierbar und eigensinnig ist. Sie ist schön, sie ist elegant, aber das Großartigste ist, dass ich in jeder Sekunde weiß, was sie denkt, wenn sie tanzt. Ihr Gesicht, ihre Augen sind so durchlässig und flexibel, wie ihr Körper. Sie ist kühl, nicht kalt.

Self-portrait for French Vogue, 2004.

Apartment PDD 

Sacred Monsters 

Sacred Monsters 

Bolero 

Wet Woman 

Beine, Beine und Füße 

 

Sylvie Guillem in Blue Yellow
© Warner Vision and captured from the DVD

 

hals Maul kleine opfah - Auch das ist Sprache



SMS-Gespräch 2014 stark gekürzt:

A:
Mädchen -- bitte erhäng dich mal - Wallah du Fishfresse du wer denkst du wer du bist beleidigst xxxx und ziehst mich im Spiel mit rein Bitte hab so ein hass auf dich tfuu auf dich bitte -.- !! MÄDCHEN Zieh mich nicht im Spiel mit rein mädchen du trägst Kopftuch wo ist dein Respekt?Mädchen Zieh mich noch ein mal mit im Spiel rein Dan erlebst du deine Fish fressen Gesicht nicht mehr sondern Haj fresse Wallah! !! Wie kann ein Mädchen mit angeblichen. Respekt und stolz wie du so ein Zeichen machen 
... 
Mädchen denkst du du kannst dich cool fühlen wenn du mit deine Drecks Freunde bist und xxxx beleidigst tfuu auf dich bitte Wallah warte ab morgen und xxx Dan dich fertig machen wenn sie will - du babjBitch erhäng dich - Wallah wie gehst das nur tffu wie würdest du erzogen jz mal ehrlich 
....

B:
Warum sollte ich 1 Respekt haben und wer bist du opfah
B:
?
A:
Halt die fresse hab Respekt du ehrenloser Wallah warte ab
B:
... hals Maul kleine opfah
A:
Hahahahaha du Zwerg lebt bitch
B:
Hals maul opfah
A:
Was bitch du schlampe geh mal blasen du spermafresse leck eier du nutte Wallah du bist die gröste Ehrenloser schlampe du hurentochter WALLAH hahahahaha  denkst du ich habe Angst vor dir du Nutte Bitch leck eier du Bläserin Kopftuch aber unerzogen Bitch tfüü auf dich du schlampen Gesicht
..................

B:
Ja weil du sie und mein bruder voll beleidigt hast
B:
Warum den so schiss egal bye
A:
schiss hahahaha komm doch Wallah
....

B:
Bye ich schreibe nicht mit solchen überzogenen mädchens bye!
Und noch was das Tausendste mal wer auch immer dir das gesagt hat das ich über dich geredet habe tfuu auf den



 
"Doch die Darstellungen in den Medien sind häufig übertrieben", erklärt Inken Keim vom Institut für deutsche Sprache in Mannheim: "Und wenn Jugendliche von dort etwas übernehmen, dann sind das vermutlich eher vorübergehende Modeerscheinungen."

http://www.sueddeutsche.de/wissen/jugendsprache-yalla-lan-bin-ich-kino-1.911134

Wallah (auch: Vallah; arabisch ‏والله‎, DMG wa-llāh) ist ein arabischer Ausdruck mit der Bedeutung „(ich schwöre) bei Gott“ (Wiki)


tfuu - nicht sicher, könnte ich spucke auf dich bedeuten

hdf - Halt die Fresse 

Dienstag, 30. September 2014

Hallo! Hier spricht Edgar Wallace.

Ungefähr bis zu meinem zehnten Lebensjahr gab es nahezu kein Fernsehen für mich. Dann, 1968 - 1978, es existierten drei Westprogramme und das Fernsehen der DDR mit zwei Sendern, und ich wurde, von meinen Eltern streng rationiert, Teil der zuschauenden Menge.

Die Geschichte des Fernsehens in Deutschland 

Ganz vorneweg: Ich habe die Wallace Filme geliebt, überdreht, theatrig, kindergruselig und durchschaubar. Sie wurden oft um 20.15 Uhr gezeigt, nach der Tagesschau am Samstag, oder als Spätfilm nach dem Wort zum Sonntag. In Zeiten ohne Videorecorder war Fernsehen eine streng geregelte Angelegenheit. Am Samstag Nachmittag Professor Flimmrich für Märchenfilme, oft russische, das Ostsandmännchen am Abend und, wenn man Eltern hatte, die Westfernsehen zuliessen und nicht gerade in Sachsen wohnte, von 18.00 bis 19.00 Uhr halbstündige Vorabendserien wie "Maxwell Smart - Immer, wenn er Pillen nahm..." Und am Sonnabend halt der Samstagsfilm.
"Hier spricht Edgar Wallace" dann Schüsse, Blutflecken und schrille Musik. Die meisten Filme an die ich mich erinnere in Schwarz-Weiß und mit schattigen schrägen Einstellungen, viel Nebel, weil die Handlung ja in England, meist in London, stattfand und dort war es bekanntermaßen oft nebelig. Gedreht wurde übrigens in Deutschland.

Die Schauspieler schauspielerten was das Zeug hielt. Keiner war auch nur ansatzweise natürlich. Eddie Arendt, Karin Dor, Elisabeth Flickenschildt mit dem Wahnsinn in der Stimme, Klaus Kinski, Pinkas Braun mit dem Wahnsinn im Auge. Ödipuskomplexe die Menge und nordische Sexbomben mit Hartplastikfrisuren, Blacky Fuchsberger oder Heinz Drache als kühle, heute würde man coole sagen, Komissare. Logik war unnötig. Spannung enorm. Humor sicher.


Blacky Fuchsberger & Klaus Kinski

Der Herrensitz Marks Priory war schon zur Zeit der Sachsen gegründet worden, und der Westturm hatte ein hohes Alter. Die anderen Teile des Gebäudes stammten aus den verschiedensten Zeiten. Lord Willie Lebanon, der Herr von Marks Priory, ärgerte sich über das Haus, obwohl ihn der Aufenthalt hier in gewisser Weise beruhigte. Dr. Amersham hielt es für ein Gefängnis, in dem er eine unangenehme Pflicht zu erfüllen hatte, und nur Lady Lebanon sah darin den Stammsitz ihres uralten Geschlechts. Lady Lebanon war schlank und nicht allzu groß, aber ihre tadellose Figur wirkte weder klein noch unbedeutend. Das reiche, schwarze Haar, das dem feingeschnittenen Gesicht einen reizvollen Rahmen gab, trug sie in der Mitte gescheitelt. Von Zeit zu Zeit leuchteten ihre dunklen Augen auf und verrieten einen fanatischen Charakter, obwohl sie sonst in ihrem Wesen fest, kühl und klar war. Immer schien sie sich bewußt zu sein, daß sie als Aristokratin die Pflicht hatte, zu repräsentieren; der Geist der neuen Zeit hatte sie nicht berührt. Sie hatte einen Vetter geheiratet und war erfüllt von der Bedeutung des alten Geschlechts der Lebanon.
Ihr Sohn Willie fand wenig Freude an dem Leben, das er auf Marks Priory führen mußte, und langweilte sich. Obwohl er verhältnismäßig schwächlich war, hatte er mit Erfolg die Militärakademie in Sandhurst besucht. Darauf tat er als Leutnant zwei Jahre Dienst in Indien, was einen sehr guten Einfluß auf seinen Gesundheitszustand hatte. Schließlich bekam er jedoch einen schweren Fieberanfall und wurde dadurch etwas nervös und unruhig. Lady Lebanon erzählte das ihren Gästen, wenn sie sich überhaupt zu einer Erklärung herbeiließ. Unvoreingenommene Beobachter hätten vielleicht einen anderen Grund für die Nervosität des Lords finden können.Edgar Wallace: Das indische Tuch - Kapitel 3
Ins Deutsche übertragen von Hans Herdegen 

Der Grüne Bogenschütze 
Der ganze Film

Trailer Das Indische Tuch & Der Frosch mit der Maske

Wikipediaseite von Alfred Vohrer, dem wohl stilbestimmendsten Regisseur der Edgar Wallace Reihe http://de.wikipedia.org/wiki/Alfred_Vohrer

Ein Bonbon:
Talkshow 1977 "Je später der Abend" Reinhard Münchenhagen und Klaus Kinski als Gast
https://www.youtube.com/watch?v=HskcRzUGcuU 

"Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund" ist der Titel der Autobiographie Klaus Kinskis, die heute, nachdem seine Tochter seinen Mißbrauch an ihr veröffentlicht hat, einen sehr bitteren Beigeschmack bekommen hat.

Eine verliebte Ballade für ein Madchen namens Yssabeau

Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund,
ich schrie mir schon die Lungen wund
nach deinem weißen Leib, du Weib.
Im Klee, da hat der Mai ein Bett gemacht,
da blüht ein schöner Zeitvertreib
mit deinem Leib die lange Nacht.
Da will ich sein im tiefen Tal.
Dein Nachtgebet und auch dein Sterngemahl.


Im tiefen Erdbeertal, im schwarzen Haar,
da schlief ich manches Sommerjahr
bei dir und schlief doch nie zuviel.
Ich habe jetzt ein rotes Tier im Blut,
das macht mir wieder frohen Mut.
Komm her, ich weiß ein schönes Spiel
im dunklen Tal, im Muschelgrund…
Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund!


Die graue Welt macht keine Freude mehr,
ich gab den schönsten Sommer her,
und dir hat’s auch kein Glück gebracht;
hast nur den roten Mund noch aufgespart,
für mich so tief im Haar verwahrt…
Ich such ihn schon die lange Nacht
im Wintertal, im Aschengrund…
Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund.


Im Wintertal, im schwarzen Erdbeerkraut,
da hat der Schnee sein Nest gebaut
und fragt nicht, wo die Liebe sei.
Ich habe doch das rote Tier so tief
erfahren, als ich bei dir schlief.
Wär nur der Winter erst vorbei
und wieder grün der Wiesengrund!
… ich bin so wild nach deinem Erdbeermund!


Paul Zech

Sonntag, 28. September 2014

Muß ich schreiben? Rainer Maria Rilke - Briefe an einen jungen Dichter - Letters to a young poet


Briefe an einen jungen Dichter
Erster Brief



An Franz Xaver Kappus  

Paris am 17. Februar 1903

Sehr geehrter Herr,
Ihr Brief hat mich erst vor einigen Tagen erreicht. Ich will Ihnen danken für sein großes und liebes Vertrauen. Ich kann kaum mehr. Ich kann nicht auf die Art Ihrer Verse eingehen; denn mir liegt jede kritische Absicht zu fern. Mit nichts kann man ein Kunst-Werk so wenig berühren als mit kritischen Worten: es kommt dabei immer auf mehr oder minder glückliche Mißverständnisse heraus. Die Dinge sind alle nicht so faßbar und sagbar, als man uns meistens glauben machen möchte; die meisten Ereignisse sind unsagbar, vollziehen sich in einem Raume, den nie ein Wort betreten hat, und unsagbarer als alle sind die Kunst-Werke, geheimnisvolle Existenzen, deren Leben neben dem unseren, das vergeht, dauert.
Wenn ich diese Notiz vorausschicke, darf ich Ihnen nur noch sagen, daß Ihre Verse keine eigene Art haben, wohl aber stille und verdeckte Ansätze zu Persönlichem. Am deutlichsten fühle ich das in dem letzten Gedicht «Meine Seele». Da will etwas Eigenes zu Wort und Weise kommen. Und in dem schönen Gedicht «An Leopardi» wächst vielleicht eine Art Verwandtschaft mit diesem Großen, Einsamen auf. Trotzdem sind die Gedichte noch nichts für sich, nichts Selbständiges, auch das letzte und das an Leopardi nicht. Ihr gütiger Brief, der sie begleitet hat, verfehlt nicht, mir manchen Mangel zu erkläre, den ich im Lesen Ihrer Verse fühlte, ohne ihn indessen namentlich nennen zu können.
Sie fragen, ob Ihre Verse gut sind. Sie fragen mich. Sie haben vorher andere gefragt. Sie senden sie an Zeitschriften. Sie vergleichen sie mit anderen Gedichten, und Sie beunruhigen sich, wenn gewisse Redaktionen Ihre Versuche ablehnen. Nun (da Sie mir gestattet haben, Ihnen zu raten) bitte ich Sie, das alles aufzugeben. Sie sehen nach außen, und das vor allem dürften Sie jetzt nicht tun. Niemand kann Ihnen raten und helfen, niemand. Es gibt nur ein einziges Mittel. Gehen Sie in sich. Erforschen Sie den Grund, der Sie schreiben heißt; prüfen Sie, ob er in der tiefsten Stelle Ihres Herzens seine Wurzeln ausstreckt, gestehen Sie sich ein, ob Sie sterben müßten, wenn es Ihnen versagt würde zu schreiben.
Dieses vor allem: fragen Sie sich in der stillsten Stunde Ihrer Nacht: muß ich schreiben? Graben Sie in sich nach einer tiefen Antwort. Und wenn diese zustimmend lauten sollte, wenn Sie mit einem starken und einfachen ich muß dieser ernsten Frage begegnen dürfen, dann bauen Sie Ihr Leben nach dieser Notwendigkeit; Ihr Leben bis hinein in seine gleichgültigste und geringste Stunde muß ein Zeichen und Zeugnis werden diesem Drange. Dann nähern Sie sich der Natur. Dann versuchen Sie, wie ein erster Mensch, zu sagen, was Sie sehen und erleben und lieben und verlieren.

Schreiben Sie nicht Liebesgedichte; weichen Sie zuerst denjenigen Formen aus, die zu geläufig und gewöhnlich sind: sie sind die schwersten, denn es gehört eine große, ausgereifte Kraft dazu, Eigenes zu geben, wo sich gute und zum Teil glänzende Überlieferungen in Menge einstellen.

Darum retten Sie sich vor den allgemeinen Motiven zu denen, die Ihnen Ihr eigener Alltag bietet; schildern Sie Ihre Traurigkeiten und Wünsche, die vorübergehenden Gedanken und den Glauben an irgendeine Schönheit - schildern Sie das alles mit inniger, stiller, demütiger Aufrichtigkeit und gebrauchen Sie, um sich auszudrücken, die Dinge Ihrer Umgebung, die Bilder Ihrer Träume und die Gegenstände ihrer Erinnerung.
Wenn Ihr Alltag Ihnen arm scheint, klagen Sie ihn nicht an; klagen Sie sich an, sagen Sie sich, daß Sie nicht Dichter genug sind, seine Reichtümer zu rufen; denn für den Schaffenden gibt es keine Armut und keinen armen, gleichgültigen Ort. Und wenn Sie selbst in einem Gefängnis wären, dessen Wände keines von den Geräuschen der Welt zu Ihren Sinnen kommen ließen - hätten Sie dann nicht immer noch Ihre Kindheit, diesen köstlichen, königlichen Reichtum, dieses Schatzhaus der Erinnerungen? Wenden Sie dorthin Ihre Aufmerksamkeit. Versuchen Sie die versunkenen Sensationen dieser weiten Vergangenheit zu heben; Ihre Persönlichkeit wird sich festigen, Ihre Einsamkeit wird sich erweitern und wird eine dämmernde Wohnung werden, daran der Lärm der anderen fern vorüber geht. Und wenn aus dieser Wendung nach innen, aus dieser Versenkung in die eigene Welt Verse kommen, dann werden Sie nicht daran denken, jemanden zu fragen, ob es gute Verse sind. Sie werden auch nicht den Versuch machen, Zeitschriften für diese Arbeiten zu interessieren: denn Sie werden in ihnen Ihren lieben natürlichen Besitz, ein Stück und eine Stimme Ihres Lebens sehen.

Ein Kunstwerk ist gut, wenn es aus Notwendigkeit entstand. In dieser Art seines Ursprungs liegt sein Urteil: es gibt kein anderes. Darum, sehr geehrter Herr, wußte ich Ihnen keinen Rat als diesen: in sich zu gehen und die Tiefen zu prüfen, in denen Ihr Leben entspringt; an seiner Quelle werden Sie die Antwort auf die Frage finden, ob Sie schaffen müssen.

Nehmen Sie sie, wie sie klingt, an, ohne daran zu deuten. Vielleicht erweist es sich, daß Sie berufen sind, Künstler zu sein. Dann nehmen Sie das Los auf sich, und tragen Sie es, seine Last und seine Größe, ohne je nach dem Lohne zu fragen, der von außen kommen könnte. Denn der Schaffende muß eine Welt für sich sein und alles in sich finden und in der Natur, an die er sich angeschlossen hat.
Vielleicht aber müssen Sie auch nach diesem Abstieg in sich und Ihr Einsames darauf verzichten, ein Dichter zu werden (es genügt, wie gesagt, zu fühlen, daß man, ohne zu schreiben, leben könnte, um es überhaupt nicht zu dürfen). Aber auch dann ist diese Einkehr, um die ich Sie bitte, nicht vergebens gewesen. Ihr Leben wird auf jeden Fall von da ab eigene Wege finden, und daß es gute, reiche und weite sein mögen, das wünsche ich Ihnen mehr, als ich sagen kann.
Was soll ich Ihnen noch sagen? Mir scheint alles betont nach seinem Recht; und schließlich wollte ich Ihnen ja auch nur raten, still und ernst durch Ihre Entwicklung durchzuwachsen; Sie können sie gar nicht heftiger stören, als wenn Sie nach außen sehen und von außen Antwort erwarten auf Fragen, die nur Ihr innerstes Gefühl in Ihrer leisesten Stunde vielleicht beantworten kann.
Es war mir eine Freude, in Ihrem Schreiben den Namen des Herrn Professor Horacek zu finden; ich bewahre diesem liebenswürdigen Gelehrten eine große Verehrung und eine durch die Jahre dauernde Dankbarkeit. Wollen Sie ihm, bitte, von dieser meiner Empfindung sagen; es ist sehr gütig, daß er meiner noch gedenkt, und ich weiß es zu schätzen.
Die Verse, welche Sie mir freundlich vertrauen kamen, gebe ich Ihnen gleichzeitig wieder zurück. Und ich danke Ihnen nochmals für die Größe und Herzlichkeit Ihres Vertrauens, dessen ich mich durch diese aufrichtige, nach bestem Wissen gegebene Antwort ein wenig würdiger zu machen suchte, als ich es, als ein Fremder, wirklich bin.

Mit aller Ergebenheit und Teilnahme:

Rainer Maria Rilke 



R.M.Rilke selbst in sehr jungen Jahren


Wikiseite mit den Links zu den übrigen neun Briefen:


http://de.wikipedia.org/wiki/Briefe_an_einen_jungen_Dichter


Letter Nº1
Paris
February 17, 1903


Dear Sir,
     Your letter arrived just a few days ago. I want to thank you for the great confidence you have placed in me. That is all I can do. I cannot discuss your verses; for any attempt at criticism would be foreign to me. Nothing touches a work of art so little as words of criticism: they always result in more or less fortunate misunderstandings. Things aren't all so tangible and sayable as people would usually have us believe; most experiences are unsayable, they happen in a space that no word has ever entered, and more unsay able than all other things are works of art, those mysterious existences, whose life endures beside our own small, transitory life.
     With this note as a preface, may I just tell you that your verses have no style of their own, although they do have silent and hidden beginnings of something personal. I feel this most clearly in the last poem, "My Soul." There, some thing of your own is trying to become word and melody. And in the lovely poem "To Leopardi" a kind of kinship with that great, solitary figure does perhaps appear. Nevertheless, the poems are not yet anything in themselves, not yet any thing independent, even the last one and the one to Leopardi. Your kind letter, which accompanied them managed to make clear to me various faults that I felt in reading your verses, though I am not able to name them specifically.
     You ask whether your verses are any good. You ask me. You have asked others before this. You send them to magazines. You compare them with other poems, and you are upset when certain editors reject your work. Now (since you have said you want my advice) I beg you to stop doing that sort of thing. You are looking outside, and that is what you should most avoid right now. No one can advise or help you - no one. There is only one thing you should do. Go into yourself. Find out the reason that commands you to write; see whether it has spread its roots into the very depths of your heart; confess to yourself whether you would have to die if you were forbidden to write. This most of all: ask yourself in the most silent hour of your night: must I write? Dig into yourself for a deep answer. And if this answer rings out in assent, if you meet this solemn question with a strong, simple "I must", then build your life in accordance with this necessity; your whole life, even into its humblest and most indifferent hour, must become a sign and witness to this impulse. Then come close to Nature. Then, as if no one had ever tried before, try to say what you see and feel and love and lose. Don't write love poems; avoid those forms that are too facile and ordinary: they are the hardest to work with, and it takes a great, fully ripened power to create something individual where good, even glorious, traditions exist in abundance. So rescue yourself from these general themes and write about what your everyday life offers you; describe your sorrows and desires, the thoughts that pass through your mind and your belief in some kind of beauty Describe all these with heartfelt, silent, humble sincerity and, when you express yourself, use the Things around you, the images from your dreams, and the objects that you remember. If your everyday life seems poor, don't blame it; blame yourself; admit to yourself that you are not enough of a poet to call forth its riches; because for the creator there is no poverty and no poor, indifferent place. And even if you found yourself in some prison, whose walls let in none of the world's sound - wouldn't you still have your childhood, that jewel beyond all price, that treasure house of memories? Turn your attention to it. Try to raise up the sunken feelings of this enormous past; your personality will grow stronger, your solitude will expand and become a place where you can live in the twilight, where the noise of other people passes by, far in the distance. And if out of , this turning within, out of this immersion in your own world, poems come, then you will not think of asking anyone whether they are good or not. Nor will you try to interest magazines in these works: for you will see them as your dear natural possession, a piece of your life, a voice from it. A work of art is good if it has arisen out of necessity. That is the only way one can judge it. So, dear Sir, I can't give you any advice but this: to go into yourself and see how deep the place is from which your life flows; at its source you will find the answer to, the question of whether you must create. Accept that answer, just as it is given to you, without trying to interpret it. Perhaps you will discover that you are called to be an artist. Then take that destiny upon yourself, and bear it, its burden and its greatness, without ever asking what reward might come from outside. For the creator must be a world for himself and must find everything in himself and in Nature, to whom his whole life is devoted.
     But after this descent into yourself and into your solitude, perhaps you will have to renounce becoming a poet (if, as I have said, one feels one could live without writing, then one shouldn't write at all). Nevertheless, even then, this self searching that I ask of you will not have been for nothing. Your life will still find its own paths from there, and that they may be good, rich, and wide is what I wish for you, more than I can say.
     What else can I tell you? It seems to me that everything has its proper emphasis; and finally I want to add just one more bit of advice: to keep growing, silently and earnestly, through your whole development; you couldn't disturb it any more violently than by looking outside and waiting for outside answers to questions that only your innermost feeling, in your quietest hour, can perhaps answer.
     It was a pleasure for me to find in your letter the name of Professor Horacek; I have great reverence for that kind, learned man, and a gratitude that has lasted through the years. Will you please tell him how I feel; it is very good of him to still think of me, and I appreciate it.
     The poem that you entrusted me with, I am sending back to you. And I thank you once more for your questions and sincere trust, of which, by answering as honestly as I can, I have tried to make myself a little worthier than I, as a stranger, really am.
Yours very truly,

Rainer Maria Rilke

Link for the other nine letters:
http://www.carrothers.com/rilke_main.htm