Samstag, 13. September 2014

A verkörpert B, während C zuschaut.



Der agierende Schauspieler

Das deutsche Wort Schauspieler benennt den Spielenden der angeschaut wird, während er spielt, der spielt, um angeschaut zu werden und, hoffentlich, genau hinschaut während er spielt.

Ein Spieler ist etwas anderes, einer, der "alles auf eine Karte setzt", ein hohes Risiko des Verlustes eingeht, in Hoffnung auf den ungeheuren Gewinn. Ein Spielender wiederum, ist einer der Spiele spielt, unschuldige und andere. Verspielt, spielerisch, spielend -  hat man alles verspielt und verloren und trägt dennoch ein verspieltes Kleid? Geht man spielerisch mit einer Situation um oder ist es spielend leicht, sie in den Griff zu bekommen? Spiel dich nicht auf, du solltest das besser runterspielen. Da hat sich was abgespielt.

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schauen Vb. ‘den Blick auf etw. richten, betrachten, achtgeben, sich kümmern um, innerlich erblicken, erfassen, erkennen’, ahd. scouwōn
spielen Vb., ahd. spilōn (8. Jh.), mhd. spiln, spilen ‘Scherz treiben, sich vergnügen (mit Leibesübungen, Kampfspiel, Brett- oder Würfelspiel), sich lebhaft bewegen, fröhlich sein, musizieren’, asächs. spilon ------------------------------------------------------------------------------------

Ich mag den englischen Begriff actor fast lieber - der der etwas tut, der handelt. Die Wörter sind bereits geschrieben, in älteren Stücken und einigen neuen ist die Grundhandlung vorgegeben und nun kommt der, der Situation und Wörter in seinem Handeln aufeinanderprallen läßt.

Anne Carson beschreibt es so und besser:

Warum gibt es die Tragödie? 
Weil du voll Wut bist. Warum bist du voll Wut? Weil du voller Schmerz bist... Wut und Schmerz - du mußt sie im Zaum halten, eine Form um sie errichten, wo sie sich austoben können, ohne dass du oder deine Familie sterben müssen. Es gibt eine Theorie, dass es gut für dich ist, Geschichten über andere Menschen anzusehen, die in Wut und Schmerz versunken sind - dass es deine Dunkelheit läutern könnte. Willst du in deine Abgründe allein hinabsteigen? Nicht unbedingt. Wie, wenn es ein Schauspieler es für dich tuen könnte? Werden sie nicht deshalb actors = Tuende genannt? Sie tuen für dich. Du opferst sie der Aktion, der Tat. Und dieses Opfer ist eine Form der tiefsten Intimität mit deinem eigenen Leben. In ihm siehst du dich selbst, die jetzige und mögliche Gestaltung deiner Natur durchspielen. Du kannst dir deines Bewusstseins dieser Natur bewusst sein, wie du es niemals im Moment des Erlebens bist. Der Schauspieler, indem er dich wiederholt, opfert einen Moment seines Lebens, um dir deine Geschichte zu geben.

Anne Carson Trauer Lektionen: Vier Stücke
Die Übersetzung versucht den Inhalt möglichst genau wiederzugeben, nicht die einzelnen Wörter.  

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actor late 14c., "an overseer, guardian, steward," from Latin actor "an agent or doer," also "theatrical player," from past participle stem of agere (see act). Mid-15c. as "a doer, maker," also "a plaintiff." 
Online Etymology Dictionary
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Picasso Der Schauspieler 1903

Why does tragedy exist? Because you are full of rage. Why are you full of rage? Because you are full of grief… Grief and rage - you need to contain that, to put a form around it, where it can play itself out without you or your kin having to die. There is a theory that watching unbearable stories about other people lost in grief and rage is good for you—may cleanse you of your darkness. Do you want to go down to the pits of yourself all alone? Not much. What if an actor could do it for you? Isn’t that why they are called actors? They act for you. You sacrifice them to action. And this sacrifice is a mode of deepest intimacy with your own life. Within it you watch yourself act out the present or possible organization of your nature. You can be aware of your own awareness of this nature as you never are at the moment of experience. The actor, by reiterating you, sacrifices a moment of his own life in order to give you a story of yours.

Anne Carson Grief Lessons: Four Plays by Euripides

In der Reihenfolge ihres Alters: Aischylos, Sophokles, Euripides


Euripides, römische Kopie einer griechischen Büste von 330 v.u.Z

Das Titelzitat ist von Eric Bentley.

Donnerstag, 11. September 2014

Ekkehard Schall - Wenn Theater nicht irgend einen Anlass zum Denken bietet, dann interessiert es mich nicht.



Hans-Dieter Schütt

Ekkehard Schall:

„Ich hab's erlebt, was will man mehr“



Letzte Gespräche
Verlag Das Neue Berlin
Ausschnitte

(Und, nein, ich bekomme keine Tantiemen, aber ich finde die Texte interessant und nicht nur aus verwandtschaftlichen Gründen.)


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Aber Sie gingen nicht schnurstracks von Frankfurt nach Berlin?

Wo denken Sie hin! An großen Theatern vorzusprechen, das wagte ich nicht. Gera war so etwa die Grenze meines Mutes. Den schönsten Satz hörte ich vom Intendanten des Stadttheaters Zeitz. Ich bewarb mich, er wollte wissen, woher ich komme, ich sagte: Frankfurt an der Oder – da setzte er sein ungläubigstes Staunen auf und fragte doch allen Ernstes: Und von da wollen Sie gleich nach Zeitz? Ich ging in mein Hotelzimmer und weinte.


 Autogrammpostkarte



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Vor allen Überlegungen über eine Rolle und allen Einfällen dazu liegt schwer wie ein Bleigürtel eine Grundangst, die gleichzeitig eine Grundhoffnung ist, die es absolut in Frage stellt, aufzutreten und vor Menschen einen intimen oder einen öffentlichen Vorgang – den man selber nie so erlebte – auszubreiten, exakt und unbeholfen, detailgenau und chaotisch. Diese Angst speist, wenn er draußen steht, allen Ausdruck des Schauspielers - der sich zutiefst lächerlich machen kann (auch vor sich selbst), wenn er seine Unglaubwürdigkeit (von der er weiß) nicht vergessen machen kann im Spiel, mit Chuzpe und schamlos. Der Schauspieler Wolf von Beneckendorff sagte mir mal früh um sieben in der Garderobe in Babelsberg, wir saßen uns gegenüber und wurden geschminkt: Um diese Zeit merkt man deutlich, dass das kein Beruf für Erwachsene ist. Recht hatte er. Aber was vor dem Schritt auf die Bühne liegt, muss jeder mit sich selbst ausmachen.

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Mich als Schauspieler interessiert die ganze Figur nicht. Ich spiele Haltungen, ich halte mich an Nahtstellen oder Bruchstellen auf und wechsle zu neuen Nahtstellen oder neuen Bruchstellen. Jede Haltung ist eine Möglichkeit, aber es ist in jeder Situation immer auch eine andere Haltung möglich. Der Mensch stellt sich auf Situationen ein und übt sich so zwangsläufig in Irrationalität – die seiner Vernunft eine harte Schule bleibt. Quantität schlägt an Überraschungspunkten in eine neue Qualität um, nicht nach den Maßgaben eines Lehrbuches. Nicht so spielen, als ergäbe sich alles, nein, spielen, dass etwas eintrifft. Nichts nacheinander spielen, was man auch übereinander geht. Man kann spielend jede Haltung einnehmen, aber man sollte davon ausgehen, dass man sich von ihr auch wieder verabschieden kann - wie von einer Freundin.
Mut und Feigheit, Sehkraft und Blindheit, Güte und Gewalttätigkeit, Liebe und Hass, Kraft und Ohnmacht – das bildet Klumpen, die von Situation zu Situation in anderer Rezeptur geknetet sein können. Nein, ich gestalte nicht Menschen. Ich summiere Möglichkeiten, wie man sich in ausgedachten Lagen verhält. Mich bewegt die Wahrhaftigkeit von Teilen, die zusammenzusetzen sind. Mich interessieren am Theater nicht Menschen, mich interessieren Probleme. Das, was ich sehe, soll etwas sein, über das ich nach der Vorstellung unbedingt noch nachdenken und sprechen will. Und wenn ich ein neues Stück probe, dann ist das Wichtigste: das Vergessen. Ja, das Vergessen der Erfahrungen, die bei der letzten Arbeit zum Erfolg führten. Einerseits sind die Erfahrungen der goldene Fundus, andererseits darf Erfahrung nicht zum Rezept werden, das man sich selber ausschreibt. Die Droge Wiederholung ist eine sehr gefährliche Droge. In Proben bin ich immer hineingegangen mit dem Vorsatz, mir nichts klar, sondern mir zuerst einmal alles unklar zu machen. Brücken nicht hinter sich abbrechen, sondern vor sich. Die Rätsel durch Spielpraxis beruhigen: Nein, sie müssen nicht zu früh ihre Lösung gestehen.


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Brecht ging es immer darum Gefühle als Bestandteil einer Haltung kenntlich zu machen. Es galt, Emotionen einzubinden in geistige Prozesse, in Interessensphären der jeweiligen Gestalt. Gefühle als unerwartete Geschäftsstörungen, als Ausdruck für Kontrollverluste.
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Ernst Busch war ein grandioser Schauspieler, grandios auch, weil er seine Kunst mit seiner Existenz beglaubigte. Wie Erwin Geschonneck. Ihm ist das zwanzigste Jahrhundert nicht schlechthin auf den Leib geschrieben gewesen, es ist ihm unter die Haut gegangen, es ist ihm als Nummer in diese Haut eingraviert worden, und was ihm da alles unter die Haut gegangen war, das leuchtete ein Künstlerleben lang nachdrücklicher als alle Orden, die er ja ebenfalls bekam. Er kam politisch dort an, wofür er sein Leben lang gekämpft hatte, und er kam bei den Menschen an. Und der Mann hat seine Haut nie zu Markte getragen. Geschonneck bekam am BE jede Rolle, auch jede, mit der er überfordert war – Brecht liebte ihn, aus politischen Gründen.

Geschonneck spielte am frühen BE, Bernhard Minetti am späten BE. Extremer können sich Lebenswege nicht voneinander unterscheiden. Zum 90. Geburtstag von Bernhard Minetti 1995 fand eine Festveranstaltung just im Berliner Ensemble statt. Ich habe diese schwammige Ausrede von Heiner Müller gehasst, er stelle solche Leute wie Bernhard Minetti bloß, indem er sie am Berliner Ensemble für einen Geist benutze, der ihnen wie eine Strafe vorkommen müsse. Ich habe Müller gesagt, ich als ehemaliger Genosse möchte nicht an einem Theater sein, das sich mit ehemaligen Nazis hervortut. Da wurde ein Minetti zum hohen runden Geburtstag auf der Bühne Brechts auf einen Ehrensessel gesetzt und gefeiert – und ein Mann wie Erwin Geschonneck, Kommunist, KZ-Häftling, Überlebender des Flüchtlingsschiffs „Arcona”, Brecht-Protagonist erster Ordnung, muss seinen hohen Geburtstag am Hackeschen Markt in einer Nische feiern. Ihm wurde das BE nicht huldvoll geöffnet. Das war eine Schande.


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Ich will sterben, und ich hoffe
daß ich sterbe wie erhofft
nicht verwirrt und nicht besoffen
sterben mehrmals, oft und oft.

Meinetwegen auch mit Schmerzen
meinetwegen auch mit Wut
sterben nicht nur mit dem Herzen
sterben so, als sei es gut
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Die Fragen stellte Hans-Dieter Schütt
Die Antworten und das Gedicht sind von Ekkehard Schall
 

Montag, 8. September 2014

Wera Muchina - Der Junge und das Mädchen



DER FLIEGENDE PROLETARIER

Nach dem Titel eines Majakowki Gedichtes

Skulptur von Wera Ignatjewna Muchina, geboren am 19. Juni in Riga, Lettland,
gestorben am 6. Oktober 1953 in Moskau. Sie war eine sowjetische Bildhauerin.
 
Der russische Pavillon auf der Weltausstellung in Paris oder der
Exposition Internationale des Arts et Techniques appliqués à la vie moderne  
1937.

Der Pavillon der UdSSR, riesig, aber, so lese ich, halbleer, weil nicht genug Ausstellungsstücke vorhanden waren. Davor "Der Junge und das Mädchen", wie
Wera Muchina ihr Werk nannte, oder auch "Der Arbeiter und die Kolchosbäuerin". Unter diesem Namen wurde es bekannt, berühmt, berüchtigt. Die Skulptur ist 20 Meter hoch, aus rostfreiem Stahl und stand zunächst in Paris. Der Pavillon selbst war 35 Meter hoch! Dann wurde sie nach Moskau verbracht und vor der Allunions - Landwirtschaftsausstellung heute das Allrussischen Ausstellungszentrum, aufgestellt. Seit 1947 verwendet Mosfilm sie als sein Erkennungszeichen.









Ein mögliches Vorbild?
Marmorkopie der Tyrannenmörder im Nationalmuseum in Neapel - eine leicht surreale Ähnlichkeit, oder? Stalin soll, wegen dieses möglichen Bezuges, den von der Bildhauerin gewünschten hohen Sockel verboten haben.

Als Tyrannenmörder (auch Tyrannentöter) wird eine antike Statuengruppe bezeichnet, die im Jahr 477/76 v. Chr. auf der Agora von Athen aufgestellt wurde und die beiden Attentäter Harmodios und Aristogeiton darstellt, die 514 v. Chr. Hipparch, den Bruder des Tyrannen Hippias, getötet hatten. Wiki



Sonntag, 7. September 2014

Mein lieber Schwan!



SCHWAN
SCHWANENHALS, SCHWANENGESANG, MIR SCHWANT ETWAS.

Herr Schwan, Herr Schwan, dein Gesang ist süß, aber deine Eier sind sauer.

Sprichwort

Leo Slezak, berühmter österreichischer Tenor, sang den Lohengrin, in dieser Oper wird der Gralsritter Lohengrin, auf einem Schwan reitend zu Elsa, der Herzogin von Brabant als Helfer und Beschützer gesandt. Er gebietet ihr, ihn niemals nach seinem Namen zu fragen und reist mitsamt Schwan wieder ab. Der verantwortliche Bühnentechniker zog eines Abends den Reiseschwan zu früh oder zu schnell, jedenfalls gelang Slezak der Aufstieg nicht, woraufhin er sich mit fragendem Gesicht an das Publikum wandte und " Wann kommt der nächste Schwan?" fragte. 

Im Aassee von Münster hat sich der weibliche Teil eines Paars schwarzer Schwäne, nach dem Tod ihres Partners, unsterblich in ein schwanenförmiges Tretboot verliebt. Sie begleitete es überallhin. Andre ebenfalls Schwänen nachgebildete Gefährte führten zu keinerlei Reaktion.
Nach Ansicht des zooeigenen Verhaltensbiologen ist nicht davon auszugehen, dass sich das Tier jemals von seinem Tretboot trennen wird.” 


Die Schwanen- oder kontinentbedingt Giraffenhälse der Frauen der Padaung


http://de.wikipedia.org/wiki/Padaung

Wieso sagt man, wenn jemand eine Vorahnung hat, dass ihm etwas schwant? Ist der Schwan im Volksglauben ein Vogel mit Zukunftsahnung?

Ob die Wendung etwas mit dem Schwan zu tun hat, ist nicht geklärt. Sie findet sich zuerst im Mittelniederdeutschen (Braunschweig 1514), aber in der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts auch schon im Hochdeutschen. Möglicherweise liegt das Verb wanen ›wähnen, ahnen‹ zugrunde, wobei zwischen einem vorgestellten Personalpronomen und diesem Verb die Wortgrenze sich verschoben hat (mir’s wanet > mir swanet. Ähnliches ist – in umgekehrter Richtung – bei dem Wort Otter (›Schlange‹) eingetreten, das auf Natter zurückgeht. Hier wurde das anlautende n als Ende eines vorangehenden unbestimmten Artikels empfunden (ein[e] Atter); das a im vermeintlichen Anlaut wurde zu o verdumpft. – Eine andere Herleitungsmöglichkeit bringt doch den Schwan ins Spiel: Der Wendung könnte neulateinisch olet mihi (›es ahnt mir‹, von lat. olere, ›riechen, sich durch Geruch bemerkbar machen‹) zugrunde liegen. Von Gelehrten der frühen Neuzeit könnte dieses Verb scherzhaft an das lateinische Wort für den Schwan, olor, angeschlossen worden sein, so dass schwanen die »wörtliche« Übersetzung von olere wäre.
Gefunden bei:

 
SCHWANENGESANG

Kyknos (altgr.: Κύκνος, Schwan), ist in der griechischen Mythologie der Sohn des Sthenelos und der Okeanide Klymene (Okeanide).
Kyknos war König von Ligurien und Geliebter des Phaethon. Als Phaethon tot vom Himmel in den Fluss Eridanus stürzt, eilt Kyknos herbei und trauert um ihn. Von Apollon wird er daraufhin aus Mitleid in einen Schwan aus leuchtenden Sternen am Nachthimmel verwandelt. Bevor Kyknos aus Trauer über den geliebten Freund starb, sang er auf jene von keinem anderen Gesang an trauriger Schönheit übertroffene Weise. Wiki

Der Schwan

Diese Mühsal, durch noch Ungetanes
schwer und wie gebunden hinzugehn,
gleicht dem ungeschaffnen Gang des Schwanes.

Und das Sterben, dieses Nichtmehrfassen
jenes Grunds, auf dem wir täglich stehn,
seinem ängstlichen Sich-Niederlassen:

in die Wasser, die ihn sanft empfangen
und die sich, wie glücklich und vergangen,
unter ihm zurückziehen, Flut um Flut;

während er unendlich still und sicher


immer mündiger und königlicher
und gelassener zu ziehn geruht. 

Rainer Maria Rilke
Aus der Sammlung Neue Gedichte, Erster Teil

 Wenn Schwäne an Land sind, watscheln sie wie Balletttänzerinnen ohne Tanz.
Eine sich bedroht fühlende Schwänin hat einmal mit ihren Flügeln den Yorkie meiner Mutter ohnmächtig geschlagen, eins ihrer Kinder war blind, die ersten Wochen des Sommers schwamm es noch in einiger Entfernung hinter seiner Familie her, eines Tages nicht mehr, ich habe ihn nie wieder gesehen.

Und dann gibt es noch Die Sechs Schwäne, ein Märchen in der Sammlung der Gebrüder Grimm auch unter Die Zwölf Brüder oder, Hoffnung aller Mädchen, die sich unansehnlich finden, Das häßliche Entlein von Hans Christian Andersen.

http://de.wikisource.org/wiki/Die_sechs_Schw%C3%A4ne_%281812%29

http://www.grimmstories.com/de/grimm_maerchen/die_zwoelf_brueder

Und aus der Carmina Burana von Carl Orff, das Lied des gebratenen Schwanes:

Olim lacus olumeram

Der gebratene Schwan singt:

Einst schwamm ich auf den Seen umher,
Einst lebte ich und war schön,
Als ich ein Schwan noch war.

Armer, armer!
Nun so schwarz
Und so arg verbrannt!

Es dreht und wendet mich der Koch.
Das Feuer brennt mich sehr.
Nun setzt mich vor der Speisemeister.

Armer, armer!
Nun so schwarz
Und so arg verbrannt!

Jetzt liege ich auf der Schüssel
Und kann nicht mehr fliegen,
Sehe bleckende Zähne um mich her!

Armer, armer!
Nun so schwarz
Und so arg verbrannt!

Leviticus 11:27
Unter den Vögeln sollt ihr Folgende verabscheuen - man darf sie nicht essen, sie sind abscheulich: ... das Käuzlein, den Schwan, den Uhu...


Freitag, 5. September 2014

"Die zehn wichtigsten Bücher"


Ich soll laut Ann Rosa Lux meine mir wichtigsten Bücher auflisten. Zehn ist als Anzahl vorgegeben. 
Wichtige Bücher. Wichtig? Wann? Wofür? Ich versuch's, ohne Gewähr, dass ich morgen noch meiner Meinung sein werde.

Die Bibel - Gott
Die häßliche Herzogin Margarete Maultasch - Lion Feuchtwanger

http://de.wikipedia.org/wiki/Margarete_von_Tirol
Isaac Asimov - The Foundation Trilogy
Gedichte, Gedichte, Gedichte - Brecht, cummings, Rilke, Auden, Stevie Smith, Emily Dickinson, Dorothy Parker, T.S. Eliot, Dylan Thomas ....
Die Gesammelten Werke - William Shakespeare & Heinrich von Kleist
Das kurze wundersame Leben des Oscar Wao - Junot Diaz
Die Junge Garde - Alexander Fadejew
Das Manifest der Kommunistischen Partei - Karl Marx & Friedrich Engels
Super Sad True Love Story - Gary Shteyngart
Gott, eine Biographie - Jack Miles



Ach, das sind schon elf und wenn man erst anfängt, dann kommt aus allen Gehirnecken noch ein Buch, dass gekränkt fragt, warum es nicht genannt wird:
Jane Austen & Der Brockhaus Auflage von 1928 - 39, Das Nesthäkchen, fast alles von Wedekind, Ann Carson, Mary Poppins, der Herr Friedrich Schiller, The rest is noise von Alex Ross, ...

Ich entschuldige mich bei allen nichtgenannten und doch tiefgeliebten und ungemein wichtigen Büchern, die ich jetzt nicht erwähnt habe.

Wunderschöne Bibliotheken 

Mit lieben Grüßen in Richtung Astrid Ann Marie Pollmann aka Ann Rosa Lux

Für die, die gern in der Badewanne lesen:

 

Mittwoch, 3. September 2014

NICK VEASEY - RÖNTGENBILDER



AN RÖNTGEN

O Röntgen konterfeie
Mein Herz mit deinem X,
Das Beste d´rin bleibt übrig,
Vom herzen leider nix!

Das Beste ist das Bildnis
Vom schönen Liebchen mein,
Das lacht dir dann entgegen
In deinem Strahlenschein!

Gabriele von Rochow






Alle Photos © Nick Veasey

Die Röntgenaufnahmen wurden teilweise mit Photoshop bearbeitet!
Der farbige Unterstrich ist von mir hinzugefügt.




Delete - Löschen


LÖSCHEN


Etwas zu löschen heißt: 

ein Feuer vernichten
oder 
eine Flüssigkeit zu etwas hinzugeben
oder 
das Leuchten einer Lichtquelle beenden
oder 
eine Ladung aus einem Schiff oder LKW entfernen

oder 
Informationen aus Dateien entfernen, dabei wird in das sogenannte logische und das physikalische Löschen unterschieden, wobei Erstgenanntes in der Regel schneller und Letztgenanntes gründlicher ist.

Von einem Dateisystem werden Dateien und Verzeichnisse gelöscht, indem ihr Eintrag (Harter Link) aus dem zugeordneten Verzeichnis entfernt wird. Verweist kein harter Link, d. h. kein Dateiname mehr auf die Datei, wird der zugeordnete Speicherplatz als frei markiert wird. Die Daten selbst befinden sich dann noch auf dem Datenträger und werden erst durch die Speicherung weiterer Daten ggf. überschrieben. Dadurch kann ein Löschvorgang erheblich schneller erfolgen, als wenn die Daten vollständig überschrieben werden müssten. Allerdings können auf diese Weise „gelöschte" Daten später wiederhergestellt werden, solange sie noch nicht überschrieben wurden. Das Löschen von Daten, sodass sie auch nicht mehr auf dem Datenträger befinden, wird auch als physikalisches Löschen oder sicheres Löschen bezeichnet. Dabei werden die Daten ein oder mehrmals mit anderen Daten überschrieben. Dieser Vorgang dauert länger als das einfache, logische Löschen der Dateiverweise, wird jedoch bei Anwendungen mit Bezug auf Datensicherheit oder Datenschutz bevorzugt, da es die einzige Möglichkeit ist, Daten dauerhaft vom Datenträger zu entfernen.

Wictionary & Wiki

Wenn ich etwas auslösche, vernichte ich es.
Wenn etwas verlöscht, hat es keine Kraft mehr zu sein. Es ist erloschen.
Wenn etwas gelöscht ist, wo ist es dann?


O das Neue, Freunde, ist nicht dies,
dass Maschinen uns die Hand verdrängen.
Lasst euch nicht beirrn von Übergängen,
bald wird schweigen, wer das "Neue" pries.

Denn das Ganze ist unendlich neuer,
als ein Kabel und ein hohes Haus.
Seht die Sterne sind ein altes Feuer,
und die neuern Feuer löschen aus.

Glaubt nicht, dass die längsten Transmissionen
schon des Künftigen Räder drehn.
Denn Aeonen reden mit Aeonen.

Mehr, als wir erfuhren, ist geschehen.
Und die Zukunft fasst das Allerfernste
rein in eins mit unserm innern Ernste. 




Rainer Maria Rilke 1922

Aus: Die Gedichte 1922-1926

 

Montag, 1. September 2014

Ein allerletztes merkwürdiges Buch - Prodigiorum ac Ostentorum Chronicon des Conrad Lycosthenes


Conrad Lycosthenes

Wunderwerck oder Gottes unergründtliches vorbilden, das er inn seinen gschöpffen allen, so Geystlichen, so leyblichen... von anbegin der weldt, biß... zu unserer diser zeit, erscheynen lassen: Alles mit schönen Abbildungen gezierdt durch Johann Herold...
Verteütscht, Basel: Petri,1557



Prodigiorum ac ostentorum chronicon
Chronik von Wundern und  Vorzeichen

Ein Prodigium, lateinisch für Wunderzeichen, Ungeheuerlichkeit, ist im Kontext der römischen Religiosität ein – als göttliches Zeichen des Zorns interpretiertes – seltsames Ereignis, wie ein Meteoriteneinschlag, eine Fehlbildung bei Menschen oder derartiges. Wiki


Wunderzeichen von 3959 v. Chr. bis 1556 !!!


Als Wunderzeichen wurden in der frühen Neuzeit Naturphänomene bezeichnet, die sich scheinbar „gegen den gewöhnlichen Lauf der Natur“ ereigneten. Sie konnten als übernatürliche Vorzeichen oder Warnungen (Omen) ausgelegt werden. Der Begriff entwickelte sich im 16. Jahrhundert aus dem lateinischen Wort Prodigium. Damit geht der Begriff über den bloßen Wunderbegriff hinaus. Wiki


Offenbarung Johannes Kapitel 13

Und ich trat an den Sand des Meeres und sah ein Tier aus dem Meer steigen, das hatte sieben Häupter und zehn Hörner und auf seinen Hörnern zehn Kronen und auf seinen Häuptern Namen der Lästerung. Und das Tier, daß ich sah, war gleich einem Parder und seine Füße wie Bärenfüße und sein Mund wie eines Löwen Mund. Und der Drache gab ihm seine Kraft und seinen Stuhl und große Macht. Und ich sah seiner Häupter eines, als wäre es tödlich wund; und seine tödliche Wunde ward heil. Und der ganze Erdboden verwunderte sich des Tieres und sie beteten den Drachen an, der dem Tier die Macht gab, und beteten das Tier an und sprachen: Wer ist dem Tier gleich, und wer kann mit ihm kriegen?

Zeichen und Wunder sahen wir geschehn
in längst vergangnen Tagen,
Gott wird auch unsre Wege gehn,
uns durch das Leben tragen.

Text: Diethard Zils 1978, nach dem französischen “Nous avons vu les pas de notre Dieu”


Zeichen und Wunder

Lieb Vaterland, magst ruhig sein,
doch kann ein Umschwung geschehen.
Der Opposition fiel das Drohwort ein,
in die Opposition zu gehen.
 
Karl Kraus

Guardians of the Galaxy


DIES IST AUSSCHLIESSLICH FÜR LIEBHABER VON TRASHIGEN CARTOON-VERFILMUNGEN!

Eine Space Opera - Weltraum Oper zum einen, zitatstrotzend & selbstrefferentiell zum andern, die Dialoge sind knapp und witzig, die Verfolgungsjagden und Schlachten so schnell geschnitten, dass selbst das große Kino im Sony-Center zu klein war, um sie wirklich genießen zu können ohne seekrank zu werden. Die Helden: der bekannte coole Taugenichts mit Herz, ein melancholischer Muskelprotz, eine zwielichtige grünhäutige Schönheit (in Avatar war die Haut dieser Schauspielerin blau), ein Waschbär, der sich nicht als Waschbär empfindet und ein Baummensch zum Liebhaben. "I am Groot!"
In etwa: Han Solo, Leia, R2-D2, C-3PO & Chewbacca in Starwars Teil 15.

Die Geschichte habe ich zwar verstanden, aber sie ist letzendlich völlig irrelevant - es gibt etwas, was alle haben wollen, die einen sind böse, die anderen ambivalent und los! 
Die Bösen spielen allerdings so hölzern und bombastisch, dass man denken könnte, sie hätten das Ironie-Memorandum nicht bekommen. Die Helden haben es dagegen gründlich gelesen und geben ihrem Affen Zucker bis dieser diabetesgeplagt um Gnade fleht.
Mein Lieblingsmoment war, als beim klassischen Gang der Heroen in den Endkampf, Gruppengang von vorn schräg rechts aufgenommen, die grüne Dame gähnt, wie von der hundertsten Wiederholung der archetypischen Einstellung ermüdet.
Seit Avatar scheint der Teil Hollywoods, der sich mit der Verfertigung gigantischer Science-Fiction und Phantasy-Filme beschäftigt, wie auf einem überenthusiastischen koksbefeuerten Abenteuertrip zu sein. Was ist noch alles möglich mit dieser irren neuen Technik? Die Geschichten bleiben die alten, wie auch anders, aber von atemlosem Staunen und zitternden Augäpfeln abgelenkt, bemerken wir es noch kaum.
 
Han Solo forever!

Sonntag, 31. August 2014

WUT!



      
    Singe den Zorn, o Göttin, 
    des Peleiaden Achilleus 
  Illias, erste Zeile

      Sei nicht so wütend, die Gänse zu beißen, und nicht so schwach, von 
      Gänsen dich beißen zu lassen.

 
      Dampf ablassen oder vor Ärger platzen?
      Aufbrausen, einen Koller kriegen, einen Wutausbruch haben,  
      sich entrüsten, sich empören, es satt haben, toben, seinem Zorn
      freien Lauf lassen, in die Luft gehen, die Fassung verlieren, rot sehen, 
      ergrimmen, aufbegehren, austicken, ausrasten, aus der Haut fahren, 
      mit der Geduld am Ende sein, in Rage geraten, explodieren, rasen,
      fuchsteufelswild werden, einen Hals haben, garstigwerden, vor Wut 
      schäumen oder tief durchatmen und bis zehn oder 155 zählen? Was tun
      in dem Augenblick, wo der Kragen platzt, der Hut hoch geht,
      Schluß ist, man an die Decke geht?
     
      Zorn gleicht einem vorübergehenden Wahnsinn, denn er ist, ebensowenig    
      wie dieser, Herr über sich selbst.
      Seneca 
  
      "Johanna, die Milch kocht über!" flötete Fräulein Montowski durch das
      Klassenzimmer, wenn ich, siebenjährig, wegen irgendeiner empfundenen
      Ungerechtigkeit, wieder die idiotische Disziplin der sozialistischen
      Grundschule störte. Lehrer, Therapeuten, Kummerkastentanten, alle
      möglichen Leute raten einem dazu, Ruhe zu bewahren. Wer die
      Contenance verliert, macht sich klein. Wer pur reagiert, verliert die
      Oberhand. Wer die Kontrolle verliert, verliert. Warum eigentlich?

      In meiner Jugend wurde ich oft von allzuleicht erregbarem Jähzorn gequält,
      das hat sich gelegt. Gottseidank. 
      Es dauert heutzutage lang, sehr lang bis ich die Ruhe verliere. 
      Und dann folgt erst noch die Phase, wo ich die Wut unterdrücke,
      meine Unterlippe zittert und ich, welch Ironie, vor Wut platzen könnte,
      weil ich nicht weinen mag, weil das wie Demut wirken könnte.
      Sicher ist meine größere Geduld auch antrainierte Vorsichtigkeit, um nicht 
      andauernd mit beiden Beinen knietief in verschiedensten Fettnäpfchen
      herumzustehen, aber auch Folge der entspannteren Amüsiertheit meines 
      höheren Alters.
      ABER, aber, wenn mein Limit erreicht ist, dann ...
      Ich bin froh, dass ich noch sauer werden kann. Froh, dass ich nicht
      immer überlegt und bedacht handele. Wenn ich lange genug Verständnis
      und Mitgefühl gezeigt habe und mir im Gegenzug Unverschämtheit und 
      Nachlässigkeit erwiesen wurde, dann lege ich irgendwann mein wohl-
      erzogenes, einsichtiges, immer auch die Gegenseite verstehendes
      Ich ab und lasse meinem garstigen, empörten, verletzten Ego freien
      Lauf. Oh, welche Erleichterung! Ja, die Folgen muß ich ausbaden, und
      wenn schon. Das ist es wert!
      Fuck it!
     
http://www.sueddeutsche.de/kultur/peter-sloterdijk-zorn-und-zeit-entdecke-buerger-den-zorn-1.878953