Mittwoch, 30. Juli 2014

Ich bin alt, sagt man mir.



Fremdblick und Eigensicht. 
Außen und innen.
Kopf und Körper.
Sehnsucht und reale Aussichten. 
Ich bin, im Blick junger Menschen, alt,
Ich bin, in mir, mal jung mal alt, mal unentschieden.
nach Laune, Glücksumständen, Sex & Gesundheit.
 Dreissigjährige, die sich auf ihre Jugend berufen, langweilen mich.
Sechzigjährige, die sich jungendlich benehmen, amüsieren mich,
oder ich bemitleide sie.
 Was ist das für ein Ding, das Alter?
Wir alle werden sterben,
ein unleugbarer Fakt.
Der Abstand zum vermutlichen Todeszeitpunkt verringert sich, 
stündlich, minütlich, unentwegt.
Muß ich deshalb andauernd auf die Uhr gucken?
Uhrenvergleich.
Ich weiß mehr,
aber mir bleibt weniger zu tun übrig.
Die Zukunft wird kürzer.

Das Alter

Das Alter ist ein höflich' Mann:
Einmal über's andre klopft er an;
Aber nun sagt niemand: "Herein! "
Und vor der Türe will er nicht sein.
Da klinkt er auf, tritt ein so schnell,
Und nun heißt's, er sei ein grober Gesell.

Johann Wolfgang von Goethe


Wiki definiert: Unter dem Alter versteht man den Lebensabschnitt rund 
um die mittlere Lebenserwartung des Menschen, also das Lebensalter 
zwischen dem mittleren Erwachsenenalter und dem Tod. Das Altern 
in diesem Lebensabschnitt ist meist mit einem Nachlassen der Aktivität 
und einem allgemeinen körperlichen Niedergang (Seneszenz) verbunden.


Statuette der Aphrodite mit Taube und Efeukranz 
Tarent, angeblich aus Canosa in Apulien
3. Jh. v.Chr.
Museum zu Allerheiligen Schaffhausen

Die Taube ist der Aphrodite heilig wegen ihrer Wollust. 
Es wird nämlich gesagt, dass sie am meisten Sex habe.
Apollodor, Athen

Montag, 28. Juli 2014

Krieg ist eine Abzocke - Smedley D.Butler




 Generalmajor Smedley Darlington Butler 
1881-1940

Er war bis 1931 Generalmajor beim United States Marine Corps. Zweimal wurde er mit der Medal of Honor ausgezeichnet. General Douglas McArthur bezeichnete ihn als einen der wirklich großen Generäle der amerikanischen Geschichte. 

1935, nach seinem Abschied aus dem Militär schrieb er ein Buch mit dem Titel „War is a racket“ - "Krieg ist eine Abzocke"


„Es gibt keine Gaunerei (Abzocke), die die militärische Gang nicht auf Lager hat. Sie hat ihre ‚Spitzel‘, die mit dem Finger auf die Feinde zeigen, sie hat ihre ‚Muskelmänner‘  zur Vernichtung der Feinde, sie hat ein ‚Gehirn‘, das die Kriegsvorbereitungen trifft, und einen ‚Big Boss‘, den supernationalistischen Kapitalismus.
Es mag merkwürdig anmuten, dass ausgerechnet ich als Angehöriger des Militärs einen solchen Vergleich wage. Aber die Wahrhaftigkeit zwingt mich dazu. Ich habe dreiunddreißig Jahre und vier Monate als Mitglied der agilsten Militärmacht dieses Landes, der Marine-Infanterie, im aktiven Dienst verbracht. Ich habe in allen Rängen gedient, vom Leutnant bis zum Generalmajor. Und einen Großteil dieser Zeit war ich ein erstklassiger Muskelmann für das Big Business, für die Wall Street und die Banker. Kurzum, ich war ein Gangster des Kapitalismus. Damals ahnte ich, dass ich nur ein Teil eines großen Gangsterplans war. Jetzt weiß ich es….
Ich habe 1903 mitgeholfen, Honduras für die amerikanischen Obsthandelsfirmen “zuzurichten”. Ich habe 1914 mitgeholfen, Mexiko und insbesondere Tampico für die wichtigen amerikanischen Ölinteressen abzusichern. Ich habe dazu beigetragen, dass die Jungs von der National City Bank, die in Haiti und Kuba abkassierten, einen angenehmen Aufenthalt hatten. Ich half mit bei der Plünderung von einem halben Dutzend Republiken in Mittelamerika zugunsten der Wall Street. Die Liste der Gangstereinsätze ist lang. 1909–1912 war ich an der Säuberung Nicaraguas für das internationale Bankhaus Brown Brothers beteiligt. 1916 machte ich in der Dominikanischen Republik den Weg frei für die amerikanischen Interessen am Zucker. In China sorgte ich zusammen mit anderen dafür, dass Standard Oil ungestört seine Ziele verfolgen konnte.
In all diesen Jahren habe ich, wie die Drahtzieher zu Hause sagen würden, ein tolles Ding nach dem anderen gedreht. Im Rückblick glaube ich, dass ich Al Capone ein paar wertvolle Tipps hätte geben können. Er operierte bestenfalls in drei Bezirken. Ich operierte auf drei Kontinenten.“
Zitat aus Tariq Ali: „Fundamentalismus im Kampf um die neue Weltordnung “  S. 439, Heyne-Verlag 2003


Link zum vollständigen englischen Text:
http://www.ratical.org/ratville/CAH/warisaracket.html 

Sonntag, 27. Juli 2014

KRIKELKRAKEL KRAKELEI KRITZELEI KRIKELEI


KRIKELKRAKEL KRAKELEI KRITZELEI KRIKELEI

Im Digitalen Wörterbuch der Deutschen Sprache findet man unter krakeln: 
‘zittrig, ungleichmäßig, schlecht leserlich schreiben’ (19. Jh.). Die Herkunft des nd. md. Verbs ist unbekannt. Vergleichbar sind mnd. krōken, krāken ‘falten’, krōke, krāke, krōkel, krākel ‘(Gesichts)falte, Runzel’, vielleicht auch nhd. Krakel ‘dürrer Zweig’ (danach der diesem ähnliche Schriftzug?). Vgl. Krakelfüße ‘seltsame Schrift’ (Lessing), Krakelwerk ‘seltsam gestaltetes Werk’ (Goethe). – krak(e)lig Adj. ‘zittrig, unleserlich geschrieben’ (19. Jh.). Krakelei f. ‘das Krakeln, Gekrakelte’, nd. Krakelie (19. Jh.). 
klieren, krickeln, kritzeln 


Im Etymologischen Wörterbuch steht: Krakel "unregelmäßiger Schriftzug" std. stil. (16. Jh., Bedeutung 19. Jh.) Stammwort. In der Bedeutung "dürrer Ast" bezeugt seit dem 16. Jh. (zunächst in der Form Gragel). Dann übertragen auf Schriftzüge usw.; bei krakelig "zerbrechlich" tritt ein anderes Merkmal der dürren Äste in den Vordergrund. Wohl lautmalend zu krachen (Krach). Verb: krakeln; Abstraktum: Krakelei. S. auch krickeln.
 
 
WIEDERGEBURT

Ein Kunstbarbar mit schlaffer Hand
Befleckt das Bild eines Genies,
Indem er es voll Unverstand
Mit eignen Krakeln überzieht.

Die fremden Farben mit den Jahren
Platzen schuppenwelk herab;
Bis das, was das Genie gestaltet,
In alter Schönheit wieder strahlt.
 
So muss auch jener Irrtum schwinden,
Der lang schon meine Seele quält,
Bis sich Visionen wiederfinden,
Die rein der erste Tag enthält.

Alexander Puschkin 1819
übersetzt von Eric Boerner  

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EDWARD HOPPER 
KRAKELEIEN - SCRIBBLES





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Jakob Krakel-Kakel

Jakob Krakel-Kakel war schon ein alter Rabenvater. Aber – dem Himmel sei es geklagt – er machte noch immer Seitenflüge. Besonders häufig traf er sich in einer Felsengalerie mit seiner Nichte, der Nebelkrähe. Er schwärmte so für aschblonde Federn. Da saß er und schnäbelte, statt sich die Felsenbilder zu besehen, wie es ehrbare Leute tun. Denn dazu sind die Felsengalerien da, wie jeder weiß. Die Felsen blieben freilich ungerührt, aber sonst war es betrübend.
»Krah«, sagte Jakob Krakel-Kakel und ließ sich elegant auf den Rand seines Nestes niedergleiten. »Jakob«, sagte Frau Krakel-Kakel, die häuslich auf ihren Eiern saß, »Jakob, wo sind die bestellten Regenwürmer?« »Regenwürmer sind dieses Jahr sehr schwer zu beschaffen. Ich fand nichts als einen Engerling, den ich im Versehen verschluckte.« Jakob Krakel-Kakel hatte Übung in solchen Dingen. »Jakob, wo warst du?« fragte Frau Krakel-Kakel. »Ich sagte es dir schon«, sagte Jakob Krakel-Kakel, »ich habe alle Felder abgesucht. Ich bin erschöpft. Außerdem bin ich erkältet.
»Du bist eher erhitzt«, sagte Frau Krakel-Kakel. »Jakob – hat nicht deine Nichte, die Nebelkrähe, aschblonde Federn auf der Brust?«
»Was wird sie haben«, sagte Jakob Krakel-Kakel, »sie wird schon aschblonde Federn haben.«
»Jakob«, sagte Frau Krakel-Kakel, »du hast eine aschblonde Feder auf dem Rock.«
»Ich werde eben grau«, sagte Jakob Krakel-Kakel, »es ist kein Wunder.« Er putzte sich die Feder fort.
»Jakob, kakle die Wahrheit! Du bist polygam. Pfui!«

 
Jakob Krakel-Kakel senkte schuldbewußt den großen Schnabel. In der Tiefe seiner Rabenseele aber war er wütend und beschloß, Rache zu nehmen – Rabenrache!
»Krah«, sagte Jakob Krakel-Kakel und flog davon. Er flog zum Kuckuck.
»Ich habe gehört, daß Sie Ihre Eier vergeben. Ich will eins haben.«
»Mit Vergnügen«, sagte der Kuckuck.
»Mehr als einen oder höchstens zwei Regenwürmer möchte ich nicht anlegen«, sagte Jakob Krakel-Kakel, »ich bin verheiratet und kann mir keine Extravaganzen gestatten.
»O bitte, das genügt vollkommen, ich tue es überhaupt nur aus reiner Vogelfreundlichkeit", sagte der Kuckuck. »Ich will das Ei dann gleich mitnehmen«, sagte Jakob Krakel-Kakel.
»Das geht nicht«, sagte der Kuckuck pfiffig. »Eierlegen ist eine produktive Tätigkeit. So was ist doch nicht vorrätig. Man braucht Stimmung dazu. Das müßte solch ein alter Vogel doch eigentlich selbst wissen.«
Jakob Krakel-Kakel tat, als wisse er das nicht.
»Wann kann ich es mir holen?« fragte er.
»Ich liefere es Ihnen loco Rabennest«, sagte der Kuckuck zuvorkommend.
»Das tun Sie lieber nicht«, sagte Jakob Krakel-Kakel, »Sie könnten da auf ungeahnte Schwierigkeiten stoßen. Ich hole es mir selbst ab.«
Nach einigen Tagen flog Jakob Krakel-Kakel von hinten auf seine Frau zu. Er hatte ein Ei im Schnabel und schob es ihr vorsichtig ins Unterrockgefieder. Dann segelte er von dannen – ruchlos krächzend.
Nach einer kurzen Weile kam er wieder und setzte sich auf den Nestrand. Er sagte nicht einmal »Krah« zur Begrüßung und kehrte seiner Frau den Rücken zu. Dann wandte er den Schnabel und sprach über die Schulter.
»Lea«, sagte er, »was ist das für ein Ei?«
»Was werden es für Eier sein«, sagte Frau Krakel-Kakel, »unsere Eier – Rabeneier.«
»Lea – kakle die Wahrheit! Du hast ein fremdes Ei im Nest!«
»Ach, du meinst das kleine, das du mir heute zugesteckt hast?« sagte Frau Krakel-Kakel. »Das hab' ich ausgetrunken. Es war doch eine Aufmerksamkeit für die bestellten Regenwürmer, die du vergessen hast? Nicht wahr?« Jakob Krakel-Kakel war zumute, als müsse er selber Eier legen.
»Natürlich«, sagte er und sah seine Frau mit Rabenaugen an. Er tat es nicht lange. Frau Lea Krakel-Kakel hatte einen Zug um die Schnabelwinkel – einen Zug, den man niemand beschreiben kann, der ihn nicht kennt. Jakob Krakel-Kakel wurde hundert Jahre alt. Den Zug vergaß er nie. Er hat auch auf dem tadellos schwarzen Rock nie wieder eine aschblonde Feder gehabt. Und das heißt: Er hat sie sich stets vorher sorgsam abgeputzt.

Manfred Kyber um 1926

Freitag, 25. Juli 2014

Kinderkrakelei - Paul Klee


UNTERM SCHIRM

"Dame mit Sonnenschirm" 
Kinderzeichnung
Paul Klee 1883-1885 im Alter von 4-6 Jahre
Bleistift auf Papier auf Karton
Zentrum Paul Klee Bern


1. Strophe:
Rach und Degen
ein Dach dem Regen
Schurm und Stirm
im Sturm ein Schirm

2. Strophe:
Rach und Degen
Schurm und Stirm
im Sturm ein Schirm
ein Dach dem Regen

3. Strophe:
Schurm und Stirm
im Sturm ein Schirm
Rach und Degen
ein Dach dem Regen

Neue Möglichkeiten:
Degen und Rach
dem Regen ein Dach
Stirm und Schurm
ein Schirm im Sturm

Schurm und Stirm
Räch und Degen
ein Dach und Regen
im Sturm ein Schirm

Paul Klee um 1925


"mit dem Sonnen schirm"
Paul Klee 1938
Kleisterfarbe auf Papier auf Karton, 21,5 x 27 cm
Zentrum Paul Klee Bern
Schenkung Livia Klee


Donnerstag, 24. Juli 2014

Der erste Tag der Ferien - ein Wechselbalg


Der Erste Ferientag. 
Beginnt mit panischen Erledigungen, allerletztem Bürokram, Schuhen, die zum Schuster müssen, elf oder zwölf noch nötigen Anrufen, einem unaufschiebbaren lästigen Termin, einem Kurzeinkauf im Drogeriemarkt, einem Krankenhausbesuch und drei Umkehrern, weil ich was vergessen habe, unter anderem meinen Autoschlüssel. 
Sonnencreme muß gekauft werden, eine Bluse gebügelt, die Route gegooglet, der Koffer gepackt, Kritiken gelesen, die Ersatzbrille gesucht, die Lieblingsnichte ins Auto geladen. 
Berlins Luft ist stickig, als hätte man sich in angelutschten Fruchtbonbons gewälzt. Die alte Klimaanlage im Auto wälzt feuchtheiße Luft um und rum und alle anderen Verkehrsteilnehmer scheinen sich im Hitzerausch, allen Wissens über die Regeln des Strassenverkehrs entledigt zu haben. 
Es staut. Die Hitze. Der Schweiß. Der Verkehr. 
Nur die Nichte bleibt frisch und freudig. 
Mit Staustandzeit, zwei Stunden Fahrt durch Brandenburg, die Landschaft wird flacher, der Verkehr dünner, die Luft sanfter.
Der Bauernhof wird erreicht. Die Koffer, Taschen und Tüten geschleppt  und ausgepackt. Die Nichte besteigt ein Pferd und reitet von dannen. Ich sitze unter einer uralten Linde, Insekten lärmen, die Sonne sackt gemächlich, ich auch.

Der letzte Akt
1885/6 Walter Richard Sickert
Miss Helen Couper-Black, die Geschäftsführerin der D'Oyly Carte Opera Company, erschöpft zusammengefallen nach einer Probe.

Die romanische Backsteinkirche in Viesen

Montag, 21. Juli 2014

Clara Rilke Westhoff - "Er hatte einen Faunsmund."


"Die greift den Marmor an wie ein Mann."

Bildhauer Max Klinger über die 22jährige Bremer Kaufmannstochter, der er erlaubt hatte, in seinem Atelier zu arbeiten.



um 1903

Trauung am 28.April 1901
Geburt der Tochter Ruth am 12. Dezember 1901
Im Sommer 1902 geht Rilke nach Paris
Clara folgt ihm.
Die Tochter lebt meist bei den Großeltern. 
 Mal leben die beiden miteinander, manchesmal nicht.
Von 1909 bis zu ihrem Tode lebte Clara in Fischerhude.
Sie blieben lebenslange Freunde, sagt man.
 
Porträt von Paula Modersohn Becker 1905



???

"Dank für alles was Du auf so treue Art mit mir teilst; 
mir ist als reichtest Du von allem mir die größere Hälfte."
Rainer Maria Rilke an Clara Westhoff-Rilke, 18.3.1907



 Porträt von Oskar Zwintscher 1902
DIE BRAUT
Ruf mich, Geliebter, ruf mich laut!
Laß deine Braut nicht so lange am Fenster stehn.
In den alten Platanenalleen
wacht der Abend nicht mehr:
sie sind leer.

Und kommst du mich nicht in das nächtliche Haus
mit deiner Stimme verschließen,
so muß ich mich aus meinen Händen hinaus
in die Gärten des Dunkelblaus
ergießen...
R.M. Rilke Buch der Bilder 1902 & 1906

Paula Becker, später Modersohn & Clara Westhoff - Freundinnen



Rilke - Porträt von Clara Westhoff - 1905

Rilke - Porträt von Clara Westhoff - ???
"Er hatte einen Faunsmund."


http://www.zeit.de/2003/34/Rilke

Mittwoch, 16. Juli 2014

Schwäbisch Hall - Holbeins Madonna des Bürgermeisters Jacob Meyer zum Hasen

 
Die Madonna 
des Bürgermeisters Jacob Meyer zum Hasen
oder prosaischer, die Darmstädter Madonna, 
da das Bild bis 2011 in Darmstadt beheimatet war.




Das Bild ist 1526 von Hans Holbein in Basel, als Auftragswerk des Basler 
Bürgermeisters Jakob Meyer zum Hasen, gemalt worden. Es zeigt ihn, sowohl 
mit seiner bereits verstorbenen als auch seiner lebenden Frau sowie mit seiner 
Tochter, alle um Maria mit dem Kind gruppiert. Die Identität des jüngeren Mannes 
links ist ungeklärt. Ich glaube Jakob hat gern getrunken, solch rote Bäckchen 
und auch die Nase hat man nicht umsonst.





AN DIE MADONNA

Viel hab’ ich dein
Und deines Sohnes wegen
Gelitten, o Madonna,
Seit ich gehöret von ihm
  In süßer Jugend;
Denn nicht der Seher allein,
Es stehen unter einem Schiksaal
Die Dienenden auch. Denn weil ich
Und manchen Gesang, den ich
Dem höchsten zu singen, dem Vater
Gesonnen war, den hat
Mir weggezehret die Schwermuth.

Doch Himmlische, doch will ich
Dich feiern und nicht soll einer
Der Rede Schönheit mir
Die heimatliche, vorwerfen,
Dieweil ich allein
Zum Felde gehe, wo wild
Die Lilie wächst, furchtlos,
Zum unzugänglichen,
Uralten Gewölbe
Des Waldes,
das Abendland,

und gewaltet über
Den Menschen hat, statt anderer Gottheit sie
Die allvergessende Liebe. 

Friedrich Hölderlin
(Entwurf zu einer Hymne)




Sonntag, 13. Juli 2014

HAMLET 4 - Viele Monologe


Warum werden Monologe gehalten? 
Wieso gehalten
Sie werden weggegeben, oder?
Warum werden Monologe weggegeben?

Aus der Position des Monologisierenden gesehen:
Um sich beim Zuschauenden einzuschmeicheln. Um sich ihm verständlich zu machen. Um sich selbst zu verstehen indem man noch unverstandene Gedanken ausformuliert. Um etwas sagen zu können, das man sonst niemandem sagen kann, sei es, weil es unzumutbar und gefährlich wäre. Oder weil man selbst noch nicht versteht, was da in einem denkt, oder weil man den Überdruck der eigenen rasenden Gedanken nicht länger aushält. 

Im Musical, in der Oper wird in diesem Moment begonnen zu singen. Im Drama, in der Tragödie wird geredet. 
Schöne Worte, viele Worte. Manche sind wahr, andere übertünchen die Wahrheit, andere fuhrwerken in der Wahrheit herum und enden dann, unerwartet beim Eigentlichen. Lüge, Selbstbetrug, Irrtum - alles kommt vor.

HAMLET.
Unser Held, tut wenig und redet viel, meist über den Tod. Über die Angst vor dem Tod, die Verführungskraft des Todes, den Tod des Vaters, den erträumten Tod des Mörders des Vaters. 
Und dann tötet er selbst, im Affekt, und eine der irrwitzigsten & glaubhaftesten Szenen der dramatischen Literatur folgt auf diesen Mord.

Hamlets Onkel, der Vatermörder betet, gesteht seine Tat und, und das ist warum Shakespeare der Größte ist, und er sagt, dass er nicht bereuen kann, weil er all das, was er durch das Verbrechen gewonnen hat, nicht verlieren will.
 
Zu sehn, was Reue kann. Was kann sie nicht?
Was aber kann sie, kann man nicht bereun?
 


Gewöhnlicherweise betet der König allein und Hamlet belauscht ihn, aber als ich in Heiner Müllers Hamlet, die beiden nebeneinander sitzen sah, machte Claudius Beichte plötzlich viel mehr Sinn. Da erleichterte nicht nur ein Täter seine Seele, sondern es war Kalkül dahinter, "preemptive strike" nennen es die Amerikaner, wir würden Präventivattacke dazu sagen.

Wir leben in einer Welt, in der wir fast alles wissen. Wer wen umbringt. Was er dafür an Gründen vorbringt. Was das Opfer, oder zumindest seine Verwandten, dazu sagen. Pro. Contra. Wir wissen. Aber macht uns das stärker, hilfreicher, entschiedener?
Nein.

Claudius denkt politisch. Hamlet moralisch. Das eine funktioniert. Das andrer mag sympathischer sein, aber es hilft nicht. Fortinbras gewinnt.

Facebook, Twitter, Blogs - ein Unzahl von Monologen, die auf uns einstürmen. Was tuen wir? Wir monologisieren.

Wiki schreibt:
Hilfe im Sinne der Hilfsbereitschaft ist ein Teil der Kooperation in den zwischenmenschlichen Beziehungen. Sie dient dazu, einen erkannten Mangel oder eine änderungswürdige Situation zu verbessern. Der Hilfe geht entweder eine Bitte des Hilfebedürftigen oder eine von ihm unabhängige Entscheidung durch Hilfsbereite voraus.



MONOLOG DES VERRÜCKTEN MASTODONS

Zépke! Zépke!
Mekkimápsi – muschibróps.
Okosôni! Mamimûne …….
Epakróllu róndima sêka, inti …. windi …. nakki; pakki salône hepperéppe – hepperéppe!!
Lakku – Zakku – Wakku – Quakku — muschibróps.
Mamimûne – lesebesebîmbera – roxróx – roxróx!!!
———————————————-
Quilliwaûke?
Lesebesebîmbera – surû – huhû

Paul Scheerbart 1902

Freitag, 11. Juli 2014

Kühl bis ans Herz hinan



Kühl. 
Kühl oft verstanden als nüchtern, unbeteiligt, distanziert,
selten als vorsichtig, zurückhaltend oder sogar erquickend
Kühl, ein schöner Klang und in mancher Situation eine hilfreiche Haltung.

KÜHL BIS ANS HERZ HINAN 
DER FISCHER

 Liebermann Der Fischer 1926

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Das Wasser rauscht', das Wasser schwoll,
Ein Fischer saß daran,
Sah nach dem Angel ruhevoll,
Kühl bis ans Herz hinan.
Und wie er sitzt und wie er lauscht,
Teilt sich die Flut empor:
Aus dem bewegten Wasser rauscht
Ein feuchtes Weib hervor.

Sie sang zu ihm, sie sprach zu ihm:
»Was lockst du meine Brut
Mit Menschenwitz und Menschenlist
Hinauf in Todesglut?
Ach wüßtest du, wie's Fischlein ist
So wohlig auf dem Grund,
Du stiegst herunter, wie du bist,
Und würdest erst gesund.

Labt sich die liebe Sonne nicht,
Der Mond sich nicht im Meer?
Kehrt wellenatmend ihr Gesicht
Nicht doppelt schöner her?
Lockt dich der tiefe Himmel nicht,
Das feuchtverklärte Blau?
Lockt dich dein eigen Angesicht
Nicht her in ew'gen Tau?«

Das Wasser rauscht', das Wasser schwoll,
Netzt' ihm den nackten Fuß;
Sein Herz wuchs ihm so sehnsuchtsvoll
Wie bei der Liebsten Gruß.
Sie sprach zu ihm, sie sang zu ihm;
Da war's um ihn geschehn;
Halb zog sie ihn, halb sank er hin
Und ward nicht mehr gesehn.
HALB ZOG SIE IHN, HALB SANK ER HIN
Johann Wolfgang von Goethe 1779  



Durchs hohe Laubdach der Schatten, das streifende Lüfte bewegen,
worunter ein sichtbares Kühl in grünen Wogen sich wälzet.  

Heinrich von Kleist

Mittwoch, 9. Juli 2014

Krakeleien in der Heiligen Messe



   Eine Heilige Messe irgendwann im Zwölften Jahrhundert - 
   es dauert, lang, sehr lang.
   Der Besitzer des Messbuches, also ein reicher Mann, 
   langweilt sich und krakelt herum.

Messbuch, 12. Jahrhundert
Paris, Bibliothèque Sainte-Geneviève, MS 95 


Der Aufbau der sonntäglichen Messfeier

Eröffnung
    Einzug − Gesang
    Kreuzzeichen
    Liturgischer Gruß, ggf. Einführung
    Allgemeines Schuldbekenntnis oder Taufgedächtnis
    Kyrie
    Gloria
    Tagesgebet


Wortgottesdienst („Liturgie des Wortes“)
    Erste Lesung
    Antwortpsalm
    Zweite Lesung
    Ruf vor dem Evangelium
    Evangelium
    Homilie (Predigt)
    Glaubensbekenntnis
    Fürbitten

 
Eucharistiefeier („Eucharistische Liturgie“)
Gabenbereitung
     Bereitung des Altares
     Gabenprozession
     Gabengebet
Eucharistisches Hochgebet, darin
     Präfation mit Sanctus
     Anamnese mit Einsetzungsbericht, Wandlung und Akklamation
     Epiklese und Doxologie
Kommunion
     Gebet des Herrn (Vaterunser)
     Friedensgruß
     Brechung des Brotes mit Agnus dei
     Kommunionspendung
     Stille und Dankgesang
     Schlussgebet
Abschluss
     ggf. Mitteilungen
     Segen
     Entlassungsruf
     Auszug 


     Quelle: Wikipedia
  
     Wiki sagt auch: 
     Messe leitet sich von der Entlassung der lateinischen Liturgie Ite, missa est!,
     Gehet hin in Frieden, wörtlich Geht hin, es ist die Aussendung! ab.