Mittwoch, 24. Oktober 2012

General Idi Amin Dada - Ein Selbstportrait


General Idi Amin Dada - Ein Selbstportrait  
Dokumentarfilm von Barbet Schroeder - 1974


"Nach einem Jahrhundert der Kolonialherrschaft, laßt uns nicht vergessen, dass es ein teilweise deformiertes Bild unserer selbst ist, dass Idi Amin Dada uns zurückwirft."
Barbet Schroeder

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Seine Exzellenz Präsident auf Lebenszeit, Feldmarschall Al Hadji Dr. Idi Amin, Siegreiches Herz, Distinguished Service Order, Military Cross, König von Schottland, Herr aller Tiere der Erde und Fische der See, und Eroberer des Britischen Empires in Afrika im Allgemeinen und in Uganda im Besonderen

His Excellency President for Life, Field Marshal Al Hadji Dr. Idi Amin, VC, DSO, MC, King of Scotland, Lord of All the Beasts of the Earth and Fishes of the Sea, and Conqueror of the British Empire in Africa in General and Uganda in Particular

GENERAL IDI AMIN DADA
Geboren um 1920. Im Krankenbett gestorben 2003.
Dritter Präsident von Uganda 1971-1979 

Idi Amin mit einigen Orden


Die Zahl seiner Opfer kann nur geschätzt werden, die Zahl der Toten schwankt zwischen 100 000 und 500 000.  
Wenn das Graben der Gräber ihm zu lange dauerte, warf man, auf seinen Befehl, die Leichen schon mal Krokodilen vor. In einer Szene des Filmes fährt der von der Schönheit der afrikanischen Tierwelt begeisterte General auf dem Nil und versucht mit lautem Klatschen in die Hände, Krokodile dazu zu bringen, sich zu bewegen. Als eins der Krokodile nicht reagiert, kann man spüren, wie er wütend wird, seine Augen erkalten.

Idi Amin war der Meinung, dass der Film eine Eloge an ihn werden würde und gab dem Team seine volle Unterstützung.

Barbet Schroeder und sein Team halten die Kamera "drauf", der General inszeniert "Ereignisse" - Militärparaden, enthusiastische Begrüßungsszenen, der Mann im Kreise seiner Kinder, ein Manöver, bei dem die Golan Höhen erobert werden - ein einzelner Hubschrauber und zwei Düsenjäger stellen dabei die ugandische Luftwaffe dar. 
Und er redet, monologisiert. Barbet Schroeder läßt ihn, fragt selten, läßt Pausen stehen, bis der Mann weiterredet.

Als Amin den fertigen Film vor der Veröffentlichung ansah, verlangte er, dass dreieinhalb Minuten geschnitten werden müssten. Schroeder weigerte sich. Amin nahm 150 Franzosen, die in Uganda lebten, in "Schutzhaft". Schroeder entfernte das Gewünschte. 1979, nach dem Sturz des Generals, wurde der Film wieder auf volle Länge gebracht.
 
  Ich muß gestehen, dass ich während des Filmes oft gelacht habe. So ein Lachen, bei dem der Atem nach innen geht, wie verschluckt. 
Der Film hat mich aufgewühlt.

 
Der Film ist in mehreren Teilen auf youtube zu finden und auch als Stream im Netz. Leider scheint es keine deutsch untertitelte Fassung zu geben, also nur in englisch. Wobei das radebrechende Englisch des Generals, voller Wiederholungen und der irrsten grammatikalischen Konstruktionen, einen wichtigen Teil der Wirkung ausmacht. 

Aus dem Tagesspiegel - interessanter Artikel zum Tode von Idi Amin - vom 18.08.2003
http://www.tagesspiegel.de/zeitung/wie-wurde-idi-amin-zum-schlaechter/440018.html 

Montag, 22. Oktober 2012

Kurt Drawert


Wollte aus gegebenem Anlaß wissen, woher das Wort "Nieselregen" stammt und habe dabei dies gefunden:
 der ost ist scharf und herbe,
er stöszt die falben blätter,
sie nieseln auf den frost.
Stilling jüngl. (1780) 105 steht drunter in Grimms Wörterbuch. Die drei Zeilen sind schön. Und bald treffen sie auch auf unser wieder Wetter zu! 

Gestern, am wahrscheinlich letzten lauen Abend dieses Herbstes*, ein Gespräch über Lyrik. (Klingt so hingeschrieben, kulturvoller, als es gewesen ist.) Wie schon manchesmal meckere ich unzufrieden über den von mir empfundenen oder auch nur behaupteten Mangel an starker neuer deutscher Lyrik. 
Meine Mißverhältnis zur Poesie meiner Lieblingssprache ist schon eigenartig. Vielleicht ist meine Mutter schuld, die mir Verse der englischen Romantik untergejubelt hat, oder es war die lieblose Auswahl und der Zwang zur Interpretation im ddrischen Deutschunterricht. 
Wie kann es dem Vergnügen an Lyrik dienlich sein, dass wir sie erklären müssen? Da sitzt so ein Dichter und kämpft gegen jedes überflüssige Wort, hungert die Worte aufs Idealmaß, und dann sollen wir seitenlang dahinschwätzen, was er "uns damit sagen wollte". 
Wie "ich liebe Dich, weil..." Warum? Darum!
*Dieses Herbstes, ein Genitiv! Und jenes Herbstes wäre auch einer
ABER, habe ich jetzt gelernt: 
Zwar heißt es "im Sommer nächsten Jahres", "im Herbst vergangenen Jahres" und "zu Beginn letzten Jahres", doch im Unterschied zu "dieses" und "jenes" handelt es sich hierbei um Adjektive, denen ein Artikel vorangestellt werden kann. Man kann sich jedesmal ein "des" dazudenken: "im Herbst des vergangenen Jahres", "zu Beginn des letzten Jahres".
Spiegel online Zwiebelfisch ABC 
Ich liebe die deutsche Sprache! Warum? Darum! 
  
 Pablo Picasso Portrait eines Poeten 1902
Also das Mißverhältnis, wie ganz oben erwähnt, mit Ausnahmen. Da wirft mir mein Gegenüber einen Namen zu. Noch nie gehört. Kurt Drawert geboren 1956 im Brandenburgischen, vom elften Jahr an lebt er in Dresden. Berufsausbildung, Abitur an der Abendschule, Hilfsarbeiterjobs, Literaturstudium in Leipzig am Deutschen Literaturinstitut. Da wo auch Heinz Czechowski, Adolf Endler, Ralph Giordano, Kerstin Hensel, Sarah Kirsch, Rainer Kirsch, Erich Loest und Fred Wander studiert haben. 
Er schreibt Gedichte, Essays und auch Prosa. Er ist Herausgeber, Übersetzer und Rezipient vieler Preise
Aber ich hatte halt noch nie von ihm gehört. 
Aber jetzt und hier:
… zum deutschen Liedgut

Ich bin ganz von selber gegangen,
und fühlte mich doch wie vertrieben.
Ich bin sehr entschieden gegangen,
und wäre doch gern auch geblieben.

Ich wußte, ich müsse jetzt gehen,
kein Weg war ein Heimweg mir mehr.
Und doch blieb ich noch einmal stehen,
und Schnee lag schon hoch um mich her.

Was hatte ich hier noch zu suchen,
was hielt mich am lichtlosen Ort.
Die Liebe ging fort unter Buchen,
ich wollte ihr gültiges Wort.

Ich habe es nicht mehr gefunden
und habe auch nichts in der Hand.
Im Nebel ist alles verschwunden.
Wir hatten kein brauchbares Land.
 
Wo es war Gedichte Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1996
 
Egon Schiele Poet (Selbstportrait) 1911
Mit Heine

Das Land, von dem die Rede geht,
es war einst nur in Mauern groß,
dies Land, von Lüge zugeweht,
ich glaubte schon, ich wär es los.

Ich glaubte schon, es wär entschieden,
daß wer nur geht, auch gut vergißt.
Doch war nun auch ein Ort gemieden,
der tief ins Fleisch gedrungen ist.

Als fremder Brief mit sieben Siegeln
ist mir im Herzen fern das Land.
Doch hinter allen starken Riegeln
ist mir sein Name eingebrannt.


Geld & Gedichte

1.) Darf sich das Geld dem Gedicht
zum Geschenk anbieten, andererseits,
darf das Gedicht Geld als Geschenk
überhaupt nehmen? 2.) Geld stinkt nicht,
richtig, aber, nicht mit allem, was nicht
stinkt, geht Fräulein Müller ins Bett.
3.) und andererseits wütet unter der Haut
der Gedichte ein barbarischer Früh-
kapitalismus. Die schwächeren Worte,
etwas verwachsen im Rhythmus,
verschwinden von der Schreiboberfläche
wie die Arbeiterschaft in ihre eigene
Masse verschwindet, wenn sich das Tor
zur Fabrik und die klirrende Nacht
über Manchester schließen. 4.)
und eigentliches Problem: der Mehrwert,
hier wie da, unermeßlich. Die Reichen
werden immer reicher, und die,
die sich die Sprache auf die Geschlechts-
teile legen und für eine einzige Perle
ganze Berge von Muscheln zerschlagen,
transzendieren mit nur wenigen Sätzen
zur unendlichen Geschichte des Glücks.
Andere schwitzen, sitzen unter Tage
und schreiben und schreiben für fast
nichts. Das Gedicht aber, indem es s. o.
gnadenlos kurz ist und rausschmeißt,
was über die Ränder der Brauch-
barkeit fällt, nein, mit Gerechtigkeit
und Sozialbaracke hat das gar nichts
am Stecken, wiederum andererseits
ist es die Verwandlung des Häßlichen
in einen besonderen Fall. Ich würde raten
darum 5.) darf das Gedicht auch
die Schamlosigkeit seiner Umwelt
kopieren und Geld, wenn es schon da ist,
um verbrannt zu werden, nehmen, wiederum
andererseits 6.) aber nur als Geschenk.

Frühjahrskollektion. Gedichte. Suhrkamp 2002 
Carl Spitzweg Der arme Poet 1839
 
Der Kanon Die deutsche Literatur. Gedichte. 7 Bände und 1 Begleitband herausgegeben von Marcel Reich-Ranicki
Noch ein interessantes Link für Gedichte:

Franquin - Weil ich momentan ein bisschen garstig bin.




Das Gesetz ist eindeutig:
Jeder Person, die vorsätzlich eine andere tötet, wird der
Kopf abgeschlagen. Der Henker walte seines Amtes!




© 

Sonntag, 21. Oktober 2012

Theater hat auch eine Moral - Geschichten aus dem deutschen Theaterwald


Geschichten aus dem Wienerwald oder Der Mensch ist schlecht

Ich war heute im Theater. Im Berliner Ensemble. O weh. Moralinsauer, ein altmodisches Wort, so alt-backen, wie das was ich heute gesehen habe.

Die Vorgeschichte: 1979, ich hatte heftige Zahnschmerzen, ein Weisheitszahn meckerte mächtig, aber ich saß im Kino. Maximilian Schell hatte "Geschichten aus dem Wienerwald" von Ödön von Horváth inszeniert. Nachts um 12 war ich dann beim Notzahnarzt, der böse Zahn wurde gezogen. Den Film hatte ich vorher noch zu Ende sehen müssen. Früher zu gehen, stand außer Frage. Zu fesselnd war das Geschehen auf der Leinwand.
Birgit Doll und Helmut Qualtinger bleiben, unter anderem, als Bilder menschlicher Verzerrung im Gedächtnis.
Eine unfaßbare Geschichte der Zerstörung von Unschuld und jeder der Mitwirkenden war verzweifelt im Recht. Die Verletzungen, die einander angetan wurden, waren ungeheuerlich, die Selbstgewissheit des eigenen "Nichtanderskönnens" ebenso. Not macht unmenschlich. Not ist unmenschlich. Moral ist der Luxus der "Anderskönnenden". Für mich, einen Zögling der DDR mitsamt des dazugehörigen selbstgerechten Moralurteils, war dies eine nahezu unerträgliche Provokation.
Heute, 2012, im BE, die Verurteilung war vorgefertigt, die Not maniriert, soziale Unterschiede nicht von Interesse. Wir sind alle "cool". Wie ich dieses Wort hasse!
Der Abend beginnt - die Bühne, eine metallene Hügellandschaft. Wird hier "Wolokolamsker Chaussee" gezeigt? Nein, nach 5 Minuten weiß ich, es ist die Donau, eine bleierne Welle. Und bleiern auch, was die Figuren verhandeln.
Mitleid ist herablassend, Mitgefühl ist vonnöten. Aber der emotionale Aufwand wäre zu groß. Also einigt man sich hier auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, Hochmut.
Jeder zelebriert die eigenen Beschränktheit. Soziale Komponenten werden vernachlässigt zu Gunsten einer vagen "Wir sollten doch netter zueinander sein" Vision. Schultheater und Oktoberclub winken aus der Ferne. Angela Winkler ist hinreißend, Gudrun Ritter ebenso, aber jeder Spieler unter dreissig steht nackt und hilflos auf der metallenen Welle. Der Regisseur hilft nicht. Hilfe ist das, wofür er bezahlt wird. Er sollte sich schämen.

Samstag, 20. Oktober 2012

Günter Kunert - Kleistgedichte




Kleist zufolge

Der Höhepunkt des Traums: man stirbt.
gemeinsam und nach Tisch am besten.
Weil Weiterleben solchen Traum verdirbt
nebst allen großen Worten, großen Gesten.
Furioses Ende: Statt gemächlich zu erkalten
und sich einander zu vergessen, doch
wer kann sich heute schon an Träume halten?
Fazit: Wir leben beide weiter. Noch

 
Bruder Kleist

Legendenlast: du trägst sie schwer.
Du ahnst zuviel. Und wagst nichts mehr.
Die Welt verläuft. Du bist allein.
Und bist zugleich der Widerschein
von einem längst verwehten Geist
von dem du nur den Namen weißt.
Ein deutsches Schicksal: Was da tönt
ist stets ein Schuss. Bleib unversöhnt.
 
Aus: Günter Kunert: So und nicht anders. Gedichte. Carl Hanser Verlag München Wien, 2002

 Franz Ludwig Close, Heinrich von Kleist mit seiner Mutter

Berlin, den 10. Nov. 1811
Deine Briefe haben mir das Herz zerspalten, meine teuerste Marie, und wenn es in meiner Macht gewesen wäre, so versichre ich Dich, ich würde den Entschluß zu sterben, den ich gefaßt habe, wieder aufgegeben haben. Aber ich schwöre Dir, es ist mir ganz unmöglich länger zu leben; meine Seele ist so wund, daß mir, ich möchte fast sagen, wenn ich die Nase aus dem Fenster stecke, das Tageslicht wehe tut, das mir darauf schimmert.

H.v.K. an Marie von Kleist


Freitag, 19. Oktober 2012

Andre Leon Tally ein Portrait von Rafael Cidoncha



EIN BAROCKER MENSCH
 
Andre Leon Talley gemalt von Rafael Cidoncha

In der Galerie Albrecht. Berlin-Mitte. Am Checkpoint Charlie. Charlottenstraße 
78.  

Der Mann ist 2 Meter groß, war lange Editor-at-Large für Vogue, schreibt über Mode und gehört zu den "50 Most Powerful Gay Men and Women in America".  

"The fantasy that I live through every day is my own ability to entertain myself in my head." 
"Die Phantasie durch die ich jeden Tag lebe, ist meine Fähigkeit mich in meinem Kopf zu amüsieren." 

Andre Leon Talley und Anna Wintour, die Chefin von Vogue


 

Pleurants - Die Trauernden


Ich mag Friedhöfe. Sie sind still. Menschenmuseen. Sie umgibt eine Art von morbider Entspanntheit, es ist ja eh zu spät für die Bewohner der Gräber sich aufzuregen. 

Aber ich habe kein persönliches Verhältnis zu Gräbern. An die, die ich verloren habe, die sich im Tod verloren haben, erinnere ich mich auf andere Weise. Grabbesuche berühren mich nicht und den lieben Toten ganz gewiss auch nicht. 
Deutschland hat da völlig idiotische hygienebesetzte Gesetze. Eine kanadische Freundin streute die Asche ihres Mannes um einen Rosenbusch, der vor ihrem Fenster wächst. So kann sie ihre Gespräche mit ihm im Anblick der Rosen führen.

Und was Leute so auf Grabsteine metzen lassen! Leben werden auf aufmunternde Spruchweisheiten reduziert. Mit zwölf ins Poesiealbum meinetwegen, aber posthum?

Aus der Lieben Kreis geschieden, aus dem Herzen aber nie.
Weinet nicht, sie ruht in Frieden, doch sie starb und noch zu früh.

Bedenke, über alles Leid, das die Tage bringen,
zieht mit raschen Schwingen tröstend hin die Zeit.

Bla, bla, bla. Kein Zorn über den unerträglichen Verlust, kein Witz, um die Traurigkeit aushaltbar zu machen. Macht uns der Tod so hilflos? 

Denk an mich, der du hier gehst, 
Wie du jetzt bist, so war ich einst.
Wie ich jetzt bin, so wirst du sein,
Ich bin schon da, wo du hingehst.
 
Remember me as you pass by, 
As you are now, so once was I, 
As I am now, so you will be, 
Prepare for death and follow me.
Im Bodemuseum, gibt es jetzt gerade eine Schau von "Pleurants", Trauenden.
Mehr als 25 Jahre arbeiteten im 15. Jahrhundert die berühmten Bildhauer Jean de la Huerta und Antoine Le Moiturier an einem großen und komplexen Auftrag zusammen: dem Grabmal für Johann Ohnefurcht (Jean sans Peur, 1371–1419), den zweiten Herzog von Burgund, und seine Frau Margarete von Bayern, das, zusammen mit anderen Elementen, 41 trauernde Figuren aus Alabaster zeigt. In der Nachfolge der „Pleurants“ genannten Figuren, die für das Grabmal Philipps des Kühnen, des ersten Herzogs von Burgund, geschaffen worden waren, schufen die beiden Künstler erstaunlich realistische und äußerst individualisierte Figuren für eine immerwährende Erinnerung an ein verschwenderisches Begräbnis, das einer der reichsten Männer des mittelalterlichen Frankreich ausrichten ließ.


Gesichtslose Körper, gesenkte Köpfe, verkrampfte Hände.


Nicht alle trauern gleich, hier wird sich unterhalten, nur der Kleine links scheint wirklich traurig.

 

Riecht der Tote? Oder hat der Herr Migraine? Auch sein Gegenüber scheint unsicher.

Im originalen Grabmal stehen die Figuren in kunstvoll verzierten Bogengängen.

Johann Ohnefurcht scheint doch recht furchtsam, dem Tod gegenüber gewesen zu sein.
So viel Ornament, so viel Aufwand, so viel Versicherung des Nichtvergessenwerdens. 

Und hier noch eine kleine Frau, die sehr traurig ist.


 Albert Bartholomé Ein Mädchen weinend 


Du bist ein Schatten am Tage
Und in der Nacht ein Licht;
Du lebst in meiner Klage
Und stirbst im Herzen nicht.

Wo ich mein Zelt aufschlage,

Da wohnst du bei mir dicht;
Du bist mein Schatten am Tage
Und in der Nacht mein Licht.

Wo ich auch nach dir frage,

Find' ich von dir Bericht,
Du lebst in meiner Klage
Und stirbst im Herzen nicht.

Du bist ein Schatten am Tage

Und in der Nacht ein Licht;
Du lebst in meiner Klage
Und stirbst im Herzen nicht.

Friedrich Rückert

Donnerstag, 18. Oktober 2012

William Thompson Bartoll - Ich schmolle!



  Dorfmädchen mit Katze, beide sehen nicht besonders glücklich aus. 

                      William Thompson Bartoll 1817 - 1857                      

Hilfe! Google erlaubt mir kein Bunt mehr! Hilfe!


Die Designvorlage für diesen verflixten, geliebten Blog ist, ohne meine Zustimmung geändert worden. Nun kann ich nur noch auf Schwarz schreiben. Will ich aber nicht. Manchmal ist mir nach orange, manchmal nach grün. Wer weiß, wie ich mich wehren kann? Hilfe!
Gerade jetzt, wo wir Farben so dringend benötigen, weil deutsche Herbstbekleidung scheinbar Graubraunschwarz vorschreibt. Hilfe!


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Der Herbst windet und weht. Vitamin C wird braven Kindern von umsorgenden Müttern zugefügt. Blätter stürzen sich vom Grün ins  Braungelborangegelb. 
Cranberrysaft, ein eigenartiges, sehr, sehr gesundes Getränk, das ich in Kanada kennengelernt habe, beginnt seine Existenz als roter untrinkbarer Trunk und, wenn verdünnt mit Wasser und/oder Wodka, orangt er sich. Ein sehr merkwürdiges Geschmackserlebnis, so zwischen bitter, sauer, was man gemeinhin herb nennt und rgendwie eklig, aber gut eklig. Der Gaumen zieht sich zusammen, wird leicht pelzig, aber man möchte weitertrinken. Orange halt.

Mittwoch, 17. Oktober 2012

Ballade vom Zuchthaus zu Reading - Oscar Wilde zum 158. Geburtstag



OSCAR WILDE 
oder Oscar Fingal O'Flahertie Wills Wilde 
geboren am 16. Oktober 1854


Oscar Wilde © Hills & Saunders, Rugby & Oxford, Oxford, 3. April 1876.


Aus "De Profundis" im Zuchthaus geschrieben:
Psalm 130: De profundis clamavi ad te Domine = Aus der Tiefe rief ich, Herr, zu Dir
 
„Ich zittere vor Freude bei der Vorstellung, dass am Tag meiner Entlassung in den Gärten der Goldregen und der Flieder in voller Blüte stehen werden und dass ich mit eigenen Augen sehen kann, wie der Wind das wogende Gold des einen zur ruhelosen Schönheit bewegen und das blasse Violett des letzteren schütteln wird, dass mir die ganze Luft wie Arabien ist“


Aus der
 Ballade vom Zuchthaus zu Reading
1897

...
Doch jeder tötet, was er liebt,
Das hört nur allemal!
Der tut's mit einem bitteren Blick
Der mit Geschmeichel, schal.
Der Feigling tut es mit 'nem Kuss,
Der Mutige mit dem Stahl.  

Die einen töten Lieb, ganz jung,
Die andern, wenn sie alt;
Der drosselt mit der Hand voll Lust,
Der mit der Hand die Gold gekrallt
Der Freundlichste nimmt ein Messer, weil
Der Tote wird bald kalt.


Der liebt zu kurz, und der zu lang,
Der kauft, verkaufen tut der.
Der tut die Tat der Tränen voll,
Der seufzt keinen Seufzer mehr:
Denn jeder tötet, was er liebt,
Doch nicht jeder stirbt nachher.
 
Deutsch von Gisela Etzel, von mir überarbeitet.
 
 Yet each man kills the thing he loves
  by each let this be heard,
some do it with a bitter look,
some with a flattering word,
the coward does it with a kiss,
the brave man with a sword!

Some kill their love when they are young,
and some when they are old;
some strangle with the hands of lust,
some with the hands of gold:
the kindest use a knife, because
the dead so soon grow cold.

Some love too little, some too long,
some sell, and others buy;
some do the deed with many tears,
and some without a sigh:
for each man kills the thing he loves,
Yet each man does not die.



Oscar Wilde and Lord Alfred "Bosie" Douglas


Auf dem von Jacob Epstein gestalteten Grabmal Oscar Wildes auf dem Cimetière du Père-Lachaise in Paris:


And alien tears will fill for him,
Pity’s long-broken urn,
For his mourners will be outcast men,
And outcasts always mourn.

Des Mitleids lang-zerbrochene Schale,
Werden ihm fremde Tränen füllen
Denn um ihn werden Ausgestoßene weinen,
Und Ausgestoßene trauern immer.

Zitat: lambdanachrichten
 
Ja, wenn Oscar Wilde nicht auf Lord Douglas getroffen wäre, einen egozentrischen, hübschen jungen Adeligen, der 1891 in Wildes Leben trat und von da an zur bestimmenden Kraft des inzwischen bekannten Autors wurde. Der ausschweifende Lebenswandel der beiden, ihre heftigen Auseinandersetzungen und verschwenderischen Versöhnungen brachten Wilde zwar in Verruf, doch war er es selbst, der den Stein ins Rollen brachte, der ihn schließlich zermalmen sollte. 1895 hinterlegte der Vater von Lord Douglas, der Marquis of Queensberry, ein ungehobelter, nicht minder exzentrischer Adeliger, eine Karte in Wildes Club, auf der er diesen bezichtigte, er posiere als Sodomit. Anstatt diesen Angriff des berüchtigten Querulanten zu ignorieren, zeigte Wilde ihn wegen Verleumdung an und unterschrieb damit sein eigenes Urteil.
Die Niederschrift dieses ersten Prozesses Wilde gegen Queensberry gehört wohl zu den spannendsten geschichtlichen Dokumenten des viktorianischen Englands. Es ist das Verdienst von Merlin Holland, Oscar Wildes Enkel, diese Akten herausgegeben zu haben. Oscar Wilde im Kreuzverhör beweist einmal mehr, welch unglaubliche rhetorische Fähigkeiten Wilde besessen hat. Liest man die Gerichtsprotokolle, so teilt man die Vermutung mancher Wissenschafter, Wilde hätte den Ernst der Lage einfach ignoriert und sei davon ausgegangen, auch vor Gericht durch exzentrisches Auftreten und Wortwitz zu reüssieren. Gleichzeitig wird aber auch seine Unfähigkeit deutlich, Tatsachen ins Auge zu sehen. Somit wird das Buch gleichzeitig ein tragisches Dokument der „Rache des viktorianischen Englands“: Nicht Queensberry scheint auf der Anklagebank zu sitzen, sondern Wilde, dessen Romane ebenso als belastendes Beweismaterial herangezogen werden wie die Aussagen der jungen Männer, mit denen Wilde verkehrte.
Auf den Freispruch Queensberrys folgten rasch Prozesse gegen Wilde wegen Homosexualität und schließlich die Inhaftierung. Nach zwei Jahren Haft war Oscar Wilde in jeder Hinsicht am Ende: Seine Gesundheit war angegriffen, sein Name insbesondere in Großbritannien verpönt, seine Werke aus dem kollektiven Gedächtnis gestrichen, was auch finanzielle Konsequenzen hatte. Seine Frau und seine Kinder hatten sich ebenso von ihm abgewendet wie die meisten seiner Freunde. Selbst sein geliebter Bosie, Lord Douglas, der immerhin Auslöser der Misere war, hatte wenig Interesse an der Freundschaft mit dem Häftling gezeigt. Trotzdem verzieh Oscar ihm seine Illoyalität, denn als er sich nach der Entlassung durch Italien und Frankreich schlug, kam es zu einem Wiedersehen und einer Wiederaufnahme der Beziehung – mit denselben Ausbrüchen, Höhen und Tiefen. Kurz vor seinem 46. Geburtstag stirbt Wilde in Paris, ohne die Rehabilitation seiner Person und seiner Werke mitzuerleben, die kurze Zeit später erfolgen sollte. 

Wie Oscar Wilde seine Ehre verteidigte - Merlin Holland veröffentlicht die Protokolle des Queensbury-Prozesses