Dienstag, 21. August 2012

Möbelhäuser


Möbeldesign, wie schön das klingt. 
Ich stelle mir vor, wie ein junger ehrgeiziger Träumender eines Tages entscheidet, Möbel entwerfen zu wollen. Chippendale*, Corbusier, Charles Eames, das Bauhaus - die Liste seiner Idole ist lang. Er studiert, viele Jahre lang, Architektur oder Design, vielleicht lernt er erstmal das Tischlerhandwerk. Er zeigt Talent, wird bei einer großen Möbelfirma angestellt. Sein Traum ist wahr geworden.

Wiki sagt: Möbeldesign umfasst die räumliche Gestaltung unterschiedlichster Einrichtungsgegenstände. Die Intention eines Möbeldesigners ist, das gesamte Mobiliar nach funktionalen, ästhetischen und benutzertauglichen Aspekten zu entwerfen. Eingebettet in einen künstlerischen Rahmen richtet sich diese Design-Disziplin nach zeitlichen Themen und Trends.

Heute war ich in vier Möbelhäusern, eines davon hieß SKONTO - Ihr Möbeldiscounter mit Tiefpreisgarantie, welch ein Grauen begrüßte mich, und die anderen waren desgleichen. Ich würde so weit gehen zu behaupten, dass ich, vergleichsweise, bei IKEA das Gefühl hatte, mich im Paradies zu befinden. Ja, so weit. Und einen schwedischen Hot-Dog gab es dort immerhin auch, und manchmal Holz anstatt Plastik und nicht alle Sofas waren BUNT.


Horror, Schrecken, Panik!

Was ist unserem jungen Träumer angetan worden? Wer zwingt ihn, diese Albträume hervorzubringen? Was machen diese Möbelmonster mit den Menschen, die sie täglich ansehen, auf ihnen sitzen, in ihnen schlafen, an ihnen essen.


Robinson zimmert einen Stuhl

Ich lehre schwer die ungeübten Hände,
Die von nichts wissen. Und mein Mund ward stumm,
Als ob Erinnerung ihm langsam schwände.

Ich hab ein Ding, behindert, schief und krumm,
Gebaut und muß an ihm nun meine Zunge lehren,
Die "Stuhl" sagt. Mit dem kindlichen, erstaunten Klang.
Und meine glückbetäubten Hände ehren
Sich in dem ersten Werk. Ein Tun gelang
Von Grund: ich sitze. (Und das ist fast, wie
Dies einmal war, sehr früh: ich bog die Knie.)
Marie Louise Weissmann 1899-1929

* Da gibt es eine wunderbare Geschichte von Roald Dahl "Des Pfarrers Freude" zum Thema.

Montag, 20. August 2012

Batman - Der Superheld ist weg


BATMAN

Erstmals 1939 erschienen, wenige Jahre nach der Wirtschaftskrise und zwei Jahre vor dem Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg, trägt dieser Comic die Züge der Schockerfahrung, die der schwarze Freitag, die anschließende große Depression und ihre Druckwellen bei den ihrer naiv demokratischen, jeder-kann-es-schaffen-wenn-er-nur-will Vorstellung sicheren Bewohnern der USA hinterlassen hatte.


Christopher Nolans Batman Triliogie
  
 Gedankensplitter

Ich mag Christopher Nolans Filme, besser ich gebe es gleich zu. Er erzählt komplizierte, verwebte Geschichten, die ich verstehen kann, er hat eine Meinung zum Zustand unserer Welt und er glaubt nicht an das öde Gut-Böse Schema, das so viele Superheldengeschichten so bedrückend ermüdend macht.

Die Trilogie - drei Filme über einen Jungen dessen Eltern in seiner Anwesenheit getötet werden und der daraufhin zum maskierten Rächer wird, aber gleichzeitig auch zum kompetenten Superkapitalisten, bis er im dritten und letzen Teil die Fähigkeit zum Geldverdienen verliert und sich mit der unbequemen Realität auseinandersetzen müßte, wenn da nicht Helfer wären, die ihm diese unschöne Erfahrung ersparen.

Als Rächer trägt er eine schwarze, massiv muskelbetonte Rüstung aus Hartplastik und bedient sich denkbarer, aber doch nicht bei Saturn erwerbbarer Technik. Das notwendige, wenn auch nicht erfreuende Happy End beschert uns einen Venedig Touristen samt geläuterter Räuberbraut und einen Nachfolger, der gerade erst beginnt die verwirrenden Ungereimtheiten der Welt zu akzeptieren.

"The Batman", der Fledermausmann, trägt nicht zufälligerweise seinen Namen, der wie "bad man" = böser Mann klingt, denn als Superkapitalist und idealisierte Variante des modernen Alleskönners und Egomanen scheint er sich die Feinde zu schaffen, die er dann bekämpfen muß.

Batman, mit bürgerlichem Namen Bruce Wayne, ist eine Nervensäge, einer der Leute, die mit Mitte dreissig ihre emotionalen Probleme ausschließlich auf erschütternde Kindheitserlebnisse zurückführen und von dir erwarten, dass du ihnen deshalb ihre emotionale Feigheit sensibel mitfühlend verzeihst. 

"Manche Menschen wollen die Welt einfach nur brennen sehen!"
 
Aber seine Feinde sind vom Feinsten - Chaoten, Zyniker, Nihilisten, die sich einen Dreck um die uns implantierte systemkonforme Moral scheren und deshalb unserer schamvollen, aber lüsternen begreifenwollenden Zuneigung sicher sein können. In Zeiten, in denen die realen politischen Bösewichter vielen von uns mehr und mehr irreal erscheinen, sind es diese Figuren, die wir wiedererkennen und deren unausweichliche Niederlage wir herbeisehnen.

"Entweder man stirbt als Held oder man lebt so lange, bis man selbst zum Bösen wird."

Wer mich zum Batman-Fan gemacht hat? Heath Ledger als der Joker, der der das Chaos liebt, und ich meine lieben im tiefen Sinne des Wortes.

Letztendlich stehe ich immer wieder sprachlos vor den Brutalitäten und offensichtlichen Untaten der "Regierenden" und die Radikalität mit der Nolan die Lust an der Macht, das Erleben des "Es-ist-machbar-also-warum-nicht" erzählt, erschüttert mich, weil es meinem  Unverständnis, meinem hoffnungslos hoffnungsvollen Entsetzen, Antwort gibt.


Samstag, 18. August 2012

Die Menschen sind weg - Giacometti


Alberto Giacometti 1959 © Gordon Parks

Giacometti - ein Schweizer im Wettlauf mit der Zeit

Es gibt einen englischen Ausdruck: the vanishing point, das ist der Punkt an dem Parallelen, die man in der Perspektive betrachtet, scheinbar verschmelzen, beziehungsweise der, an dem etwas, das immer weniger wurde, ganz und gar verschwindet.
Die Skulpturen Giacomettis rennen, laufen diesem Punkt entgegen, sind eilig unterwegs ins eigene Verschwinden. Selbst wenn sie stillstehen, scheint es nur ein Luftholen vor dem "Weiter". Nur nicht hier sein, Bewegung ist alles, das Ziel das Nichts.

Eine Frau lief hinter den Skulpturen von links kommend vorbei
  “Große Frau III”, “Gehender Mann II” and “Großer Kopf” Alberto Giacometti in der Foundation Beyeler, Schweiz im Mai 2009 
© Christian Hartmann / Reuters 

"... unmöglich die ganze Figur zu erfassen ... wenn man mit einem Detail begann, einer Ferse, der Nase, gab es keine Hoffnung das Ganze zu erreichen. Man hätte ein Leben damit verbringen können, ohne ein Ergebnis zu erzielen. Die Form löste sich auf, es war wenig mehr als Sandkörner über einem tiefen schwarzen Abgrund, die Entfernung zwischen einem Flügel der Nase und dem anderen ist wie die Sahara, endlos, nichts woran man den Blick festmachen könnte, alles entflieht." aus einem Brief an Henri Matisse 1947

Der Platz / Piazza 1948/49

Das Gefühl nicht genug Zeit zu haben, vom eigenen Todesdatum eingeholt zu werden, sich in hastiger Geschäftigkeit aufzulösen - gefaßt in Skulpturen, die den Eindruck erwecken, dass sie fort sind, sobald man den Blick von ihnen wendet.

Giacometti laufend 1958 © Richard Avedon 

Unter der Sonne nichts Neues, alles war schon einmal da, Wiederempfindung.

Der Schatten des Abends etruskisch um 300 v.u.Z.


Zu verschwinden, zu verschweben
Ins glanzvolle Leere;
Ohne vor dem Tod zu beben,
Könnt' ich mich darein ergeben,
Tropfen gleich im Meere.

Aber seh' ich die erblassen,
Die mir teuer waren,
Die will ich nicht schwinden lassen,
Sondern halten fest und fassen
Und nicht lassen fahren.

Eigene Persönlichkeit
Ließ ich eh'r mir rauben,
Als, da ihr gestorben seid,
Nicht an die Unsterblichkeit
Meiner Toten glauben.

Friedrich Rückert Kindertotenlieder 

Kommentar zu Picasso letzte Bilder

Picasso – klassische Adbusting-Motive, angereichert mit zauberhaften Culture-Clash-Graffiti: Señor X aus Spanien. Via: Wooster

Freitag, 17. August 2012

Picasso ist weg - 1972 - letzte Bilder


Trinkt auf mich, trinkt auf meine Gesundheit, ihr wißt, dass ich nicht mehr trinken kann.
P.P. letzte Worte


Sein letztes Selbsportrait 1972



 Ebenfalls 1972: ein letztes Bild "Die Umarmung", danach zeichnete er 'nur' noch bis zu seinem Tode im April 1973.


Donnerstag, 16. August 2012

Weg! Aus dem Weg!


Im Wald, vor Jahren war man schon einmal hier, aber der Weg ist weg!

Und nun erkläre man einem, dessen Muttersprache nicht Deutsch ist, warum er einmal Weg mit langem e und weg mit kurzem e sagen soll. Unmöglich? Wunderbar.

Letztendlich unerklärbar, unerklärlich, aber da fängt eine Sprache an, Lust zu machen. Gibt's in anderen Sprachen auch: im Englischen ist der gefährliche Irre ein maniac, den spricht man ungefähr wie mäniak aus, das was er ist, nämlich maniacal, klingt aber wie mäneiikäl. Warum? Keine Ahnung. 
Warum sagen wir lieblich und nicht liebsam oder liebbar? Wunderlich ist nicht gleich wunderbar und auch nicht wie wundersam.
Sprache wächst, schrumpft, geht Umwege, lässt weg und fügt zu, sie lebt und kehrt sich einen Dreck um Logik und Regeln, sie wird nicht schlechter oder besser, nur neu und anders.
Für Sprache gilt: der Weg ist alles, das Ziel ist nix und weg ist weg, aber deswegen muß man sich keine Sorgen machen.

 

Entfremdung

 In den Bäumen kann ich keine Bäume mehr sehen.
Die Äste haben nicht die Blätter, die sie in den Wind halten.
Die Früchte sind süß, aber ohne Liebe.
Sie sättigen nicht einmal.
Was soll nur werden?
Vor meinen Augen flieht der Wald,
vor meinem Ohr schließen die Vögel den Mund,
für mich wird keine Wiese zum Bett.
Ich bin satt vor der Zeit
und hungre nach ihr.
Was soll nur werden?

Auf den Bergen werden nachts die Feuer brennen.
Soll ich mich aufmachen, mich allem wieder nähern?

Ich kann in keinem Weg mehr einen Weg sehen.  

Ingeborg Bachmann

Georges-Pierre Seurat Weg bei der Birke

Gesellschaft für deutsche Sprache - Sprachberatung

Warum dehnt man eigentlich das e im Substantiv Weg, während man es im Adverb weg kurz ausspricht? Die Wörter haben doch im Grunde dieselbe Form.
 
Dies ist eine interessante, wenngleich verzwickte Frage, denn die beiden Wörter haben nicht nur dieselbe Form, sieht man einmal von der Großschreibung des Substantivs ab, sondern auch dieselbe Wurzel. Sie gehen also auf das gleiche althochdeutsche Wort weg zurück, wenn auch zwischen ihrem erstmaligen Gebrauch in unterschiedlicher Bedeutung mehrere Jahrhunderte liegen.
Im Sinne von ›Geleise, Spur‹ war das althochdeutsche weg, später auch in der Form wec, bereits im 8. Jahrhundert gebräuchlich und geht auf dieselbe indogermanische Wurzel wie das Verb bewegen zurück. Doch erst im 12. Jahrhundert, also während der mittelhochdeutschen Sprachepoche, trat den Brüdern Grimm zufolge (Deutsches Wörterbuch, 13. Band, Leipzig 1922) das Adverb enwec als »abzweigung von dem vorhergehenden subst[antiv]« in Erscheinung, das im Althochdeutschen als Präpositionalgruppe in der Form in weg existiert hatte und die Bedeutung ›auf dem Weg, auf den Weg‹ trug. Hieraus ergibt sich die heutige Bedeutung ›(sich) entfernen‹ oder auch dessen Ergebnis. Obwohl enweg bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts vorkam, hatte sich aufgrund lautlicher Vereinfachung seit dem 14. Jahrhundert parallel auch die einsilbige Form weg herausgebildet, die sich schließlich durchsetzte.

Doch wie nun hat sich die unterschiedliche Aussprache der beiden Wörter entwickelt, wenn hier die gleiche Wortwurzel zugrunde liegt? Waren sie in ihrem Ursprung noch verschieden (weg vs. in weg bzw. wec vs. enwec), so haben sich die Wörter im Zuge des Sprachwandels in ihrer Form einander angepasst, sind dabei jedoch bedeutungsdifferent geblieben. Es ist also anzunehmen, dass der Unterschied in der Bedeutung und der Wortart eine Rolle für die ungleiche lautliche Entwicklung von Weg und weg spielt. Um diese historisch nachvollziehen zu können, greifen die Brüder Grimm vielfach auf zeitgenössische Dichtung zurück und schließen anhand von Reimen (etwa weg – Zweck, Weg – Steg etc.) auf die in der Sprachgeschichte jeweils gebräuchliche Aussprache von Substantiv und Adverb.
So war beim Substantiv Weg schon im 15. Jahrhundert ein Rückgang der Auslautverhärtung erkennbar, was sich auch in der Schrift niederschlug: Aus der Schreibung wec, wek oder weck entwickelte sich wegk, schließlich setzte sich überwiegend die Form Weg durch, was die Aussprache mit langem Vokal begünstigte. Obwohl das Substantiv vereinzelt auch mit einem kurzen Vokal vorkam (Reim: Weg – Zweck), war ein solcher weitaus häufiger beim Adverb weg. Besonders in süddeutschen Quellen (z. B. bei Grimmelshausen) wurde die Länge des Vokals oft und bis in die neuhochdeutsche Zeit durch ee angegeben; so findet sich das Substantiv in der Schreibung Weeg etwa in Schillers Die Räuber und in den Briefen und Tagebüchern Goethes. 

Im Gegensatz zu dieser Entwicklung blieben beim Adverb weg die Kürze des Vokals und die Auslautverhärtung erhalten. Der kurze Vokal ist durch zahlreiche Reime zu belegen (vor allem aus dem 16. und 17. Jh.), in denen weg zumeist in der Schreibung weck, auch wegk, vorkommt: Speck, keck – hinweg, schleck – wegck, wegk – Dreck etc (vgl. Deutsches Wörterbuch der Brüder Grimm). In einem Gedicht von Brentano finden sich folgende Zeilen: »Französische Nägel sind weich wie a Dreck – Kaum trifft sie der Schlegel, so ist der Kopf wegk« (Tiroler Wetter und Barometter beim Aufstand gegen die Franzosen, 1813). Obgleich die Schreibungen weck und wegk deutlicher auf die sich durchsetzende Aussprache mit kurzem Vokal schließen lassen, wurde auch für das Adverb schließlich weg die gewöhnliche Form. Hierzu mag beigetragen haben, dass Luther in seiner Bibelübersetzung durchgehend diese Form wählte. Zwar kamen weck und wegk noch bis ins 17. Jahrhundert vor, verschwanden dann jedoch allmählich. 

Die Aussprache von Weg mit langem Vokal und weg mit kurzem Vokal hat sich also bereits relativ früh entwickelt, und trotz einiger Umwege haben sie – plausibel oder nicht – schließlich auch im Schriftbild die gleiche Form erhalten. Diese lässt zwar auf ihren gemeinsamen Ursprung schließen, doch obwohl die Unterscheidung durch die Großschreibung des Substantivs und die Kleinschreibung des Adverbs erleichtert wird, können sich hier immer wieder Schwierigkeiten ergeben, etwa wenn Substantive mit dem Adverb weg zusammengesetzt sind: Weggang, Wegfall, Wegfahrsperre, Wegnahme, oder wenn Adjektive vom Substantiv Weg abzuleiten sind: weglos, wegkundig, wegsam, wegweisen. Derartige Stolpersteine und Verwirrungen fallen durch die verschiedene Aussprache von Substantiv und Adverb im lautlichen Bereich freilich »weg«.



Der Überzieher


Kennen Sie denn die Geschichte 
von dem Überzieher schon, 
den sich kaufte der Herr Fichte 
bei der Firma Stern und Sohn? 
Dieser Paletot war`n Prachtstück, 
und der Preis war garnicht stark: 
Neunundvierzig Mark und achtzig - 
nicht mal ganze fünfzig Mark. 
Der Herr Stern sprach:
"Sei`n Se froh! 
`s ist mein schönster Paletot. 
Geb`n Sie acht - auf die Pracht; 
`s wird gestohln - bei Tag und Nacht. 
Sind Se mal - im Lokal, 
häng`n Se`n vor sich auf im Saal. 
Schau`n Se `n dann - immer an, 
bleibt der Überzieher dran. 
Seh`n Se weg - von dem Fleck, 
ist der Überzieher weg!"
 
Fichte ging ins Wirtshaus leider. 
Dort war`n Zettel angebracht: 
"`s gibt kein Raum für Überkleider, 
jeder Gast geb selber acht!" - 
Einen Haken fand Herr Fichte 
hinten nur - `s war ärgerlich. 
Darum dreht er sein Gesichte, 
hängt den Mantel hinter sich - 
Und nun saß er wie gebannt, 
schaute immer nach der Wand. 
"Ist er weg - ist er hier? 
Ja, da hängt der Überzieh`r. 
Ist er hier? Ist er weg? 
Nein, er hängt noch auf dem Fleck. 
Schau` ich stier - hinter mir, 
hab` ich meinen Überzieh`r. 
Seh ich weg von dem Fleck, 
ist der Überzieher weg."
 
Fichte rief nun: "Kellner! Essen!" 
Der bracht`s Essen ihm und ging. 
Nun hat Fichte nicht vergessen, 
dass der Mantel hinten hing. 
Denn ihm schien - das war gefährlich - 
als ob alle Gäste hier 
schauten gierig und begehrlich 
nur nach seinem Überzieh`r. 
Darum kam es, als er aß, 
er den Mantel nicht vergaß. 
Essen hier - da das Bier 
und da hängt der Überzieh`r. 
Oben kaun - hier verdaun - 
und dabei nach hinten schaun. 
Schau ich stier - hinter mir, 
schmeckt kein Essen und kein Bier. 
Seh ich weg - von dem Fleck, 
ist der Überzieher weg.
 
Nun mag sein, durch die Bewegung, 
durch das Drehen beim Souper 
kam sein Korpus in Erregung, 
und er kriegte Magenweh. 
"Gut" sagt er, "das geht vorüber," 
Wollt` zu der bewussten Tür, 
die ihm grade gegenüber - 
"Halt!" denkt er: "der Überzieh`r!" 
Setzt sich wieder hin ganz sacht 
Und hat kummervoll gedacht: 
"Wenn zur Tür - ich marschier, 
nimmt man mir den Überzieh`r. 
In der Eck - im Versteck - 
gehn die Magenschmerzen weg. 
Bleib ich hier - im Revier, 
bleib`n de Magenschmerzen mir. 
Geh ich weg von dem Fleck, 
ist der Überzieher weg."
 
Ja, was gibt es da zu lachen, 
gab es sowas wohl schon früher? 
Musst man sich da Sorgen machen 
wegen einem Überziehr? 
Stundenlang konnt` man da sitzen 
hinter der bewussten Tür 
und braucht` keine Angst zu schwitzen 
wegen seinem Überziehr. 
Man ging raus, das ist doch klar, 
wenn Gefahr im Anzug war. 
Man saß froh - anderswo 
und da hing der Paletot. 
Kam zur Tür - man herfür, 
sah man seinen Überziehr. 
Spürt man heut innres Leid, 
denkt man erst ans Überkleid. 
Geht man weg - von dem Fleck, 
ist der Überzieher weg.
 
So dacht Fichte - und blieb sitzen. 
Aber schließlich musst er raus. 
Plötzlich sprach er: Das wird nützen - 
trittst jetzt mit dem Mantel aus! 
Brauchst ihn ja nicht anzuziehen, 
das erschüttert dich zu sehr. 
Nimmst ihn übern Arm beim Fliehen 
und kommst nachher wieder her." 
Er stand auf und - setzt sich hin; 
Alles fuhr ihm durch den Sinn: 
"Essen, Bier - kriegt ich hier, 
hab noch nicht bezahlt dafür. 
Magenschmerz drückt mein Herz 
und der Kellner anderwärts. 
Wart ich prompt - bis er kommt, 
Weiß ich nicht ob mir`s bekommt. 
Geh ich weg von dem Fleck, 
ist der Überzieher weg. 

Nehm ich mir - `n Überziehr 
übern Arm, schaut man nach mir. 
Denn der Raum, der mein Traum, 
ist zwei Schritt vom Ausgang kaum. 
Steh ich auf - und ich lauf 
mit dem Rock - hält man mich auf! 
"Nicht vom Fleck! - Der will keck 
mit `nem Überzieher weg." 
Alles schwirrt und kracht und klirrt, 
bis der Wirt gerufen wird. 
Schließlich irrt - auch der Wirt, 
Schimpft mit mir und wird verwirrt. 
`s kommt ein Gast - und der fasst 
meinen Mantel voller Hast. 
Mit Gespür hin zur Tür 
rennt durch den Gang herfür 
und ruft keck: Dieser Geck 
nahm mir `n Überzieher weg!
 
Will ich dann - zu dem ran, 
kommt der Kellner hinten an: 
"Bleibn Se hier! - Nicht zur Tür! 
Zahln Se erst die Zeche mir!" 
Bis ich zahl - voller Qual, 
ist der raus aus dem Lokal. 
Ich am Fleck - ohne Zweck 
und der Überzieher weg. 
Was ich tu: es ist verkehrt, 
alles bleibt mir so verwehrt! 
Bis ich näher - das erklär, 
dazu drängt die Zeit zu sehr. 
Das Malheur - kommt vorher: 
Hab` den Gang nicht nötig mehr. 
Wie ich`s mach - `s gibt `n Krach, 
ja da hilft kein Weh und Ach! 
Hab` den Schreck - und den Dreck 
und den Überzieher weg!

Otto Reuter 

Mittwoch, 15. August 2012

Die Sowjetunion ist weg - Sergei Krikaljow


Sergei Konstantinowitsch Krikaljow, "der letzte Bürger der UdSSR", verbrachte 310 Tage vom Mai 1991 bis zum März 1992, auf, oder besser, in der Raumstation Mir. Er startete in der Kasachischen Sozialistischen Sowjetrepublik und landete in der unabhängigen Kasachischen Republik, seine Heimatstadt Leningrad hieß mitlerweile Sankt Petersburg, die UdSSR war aufgelöst worden. Sein Kollege Alexander Volkow startete ebenfalls als Sowjetbürger und kam als Russe zurück.

Wiki sagt:
Am 11. März 1990 erklärte zunächst Litauen, am 9. April 1991 Georgien sowie am 20. und 21. August 1991 Estland und Lettland ihre Unabhängigkeit von der UdSSR. Es folgten am 24., 25., 27. und 31. August 1991 Belarus, Ukraine, Moldawien und Kirgisistan, am 1., 9. und 21. September 1991 Usbekistan, Tadschikistan und Armenien, am 18. und 27. Oktober 1991 Aserbaidschan und Turkmenistan sowie am 16. Dezember 1991 Kasachstan. Die Russische SFSR erklärte im Dezember 1991 formal ihre Souveränität, nicht aber die Unabhängigkeit von der Sowjetunion, was die Überleitung der Außenbeziehungen der alten Sowjetunion auf die neu entstandene Russische Föderation erleichterte. Boris Jelzin, der in der ersten demokratischen Präsidentschaftswahl des Landes am 12. Juni 1991 zum Präsidenten Russlands gewählt wurde, übernahm die Kontrolle über Medien und Schlüsselministerien. Schrittweise demontierte und entmachtete er Präsident Gorbatschow, der am 25. Dezember 1991 als Präsident der UdSSR zurücktrat und die Amtsgeschäfte an Jelzin als Präsidenten der Russischen Föderation übergab. Symbolträchtig wurde um 19:32 Uhr Moskauer Zeit die Flagge der Sowjetunion mit Hammer und Sichel eingeholt und die weiß-blau-rote Flagge Russlands aufgezogen. Schließlich vollzog der Oberste Sowjet am 26. Dezember 1991 per Beschluss die Auflösung der Sowjetunion als Völkerrechtssubjekt.


Vor dem Wiedereintritt in die Erdatmosphäre im Frühling 1992 wurde Krikaljow von einer russischen Filmcrew über Satellit interviewt.

Reporter: Als sie losflogen, existierte die Sowjetunion noch, nun ist es Russland. Gorbatschow war an der Macht, jetzt ist es Jelzin. ... Welche dieser Veränderungen hat Sie am meisten überrascht?

Krikaljow: Was mich am meisten überrascht? Dass die Erde zuerst dunkel war und jetzt ist sie weiß. Winter ist gekommen und davor war Sommer. Jetzt beginnt es wieder zu blühen. Das ist die beeindruckendste Veränderung die man aus dem Weltall beobachten kann.

Insgesamt verbrachte Krikaljow 803 Tage 9 Stunden und 41 Minuten im All, davon 41 Stunden und 46 Minuten außerhalb der Raumstation bei Außenbordeinsätzen.


Im April 1989 wurde ihm die Auszeichnung Held der Sowjetunion verliehen.

Im April 1992 wurde ihm die Auszeichnung Held der Russischen Föderation verliehen.

Seit dem Jahre 2009 ist er Leiter des inzwischen zivilen Juri-Gagarin-Kosmonautentrainingszentrums.

© NASA/SCIENCE PHOTO LIBRARY

Out of the Present - Dokumentarfilm zum Thema

"Die letzte Nachricht des Kosmonauten an die Frau die er einst in der früheren Sowjetunion liebte" ist ein Stück des Briten David Greig, dass auf Krikaljows Geschichte basiert, leider ist die Handlung in etwa so langwierig wie der Titel und noch weniger poetisch.

Montag, 13. August 2012

Die Mauer ist weg - Zur Erinnerung


Walter Ulbricht am 15. Juni 1961:
"Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten."


© picture-alliance/ dpa

51 Jahre sind es, seitdem eine Mauer quer durch Berlin und später durch das ganze vormals Deutschland genannte Land gebaut wurde.

Brief von Günter Grass an Anna Seghers

Berlin, am 14. August 1961

An die Vorsitzende
des Deutschen Schriftstellerverbandes in der DDR

Verehrte Frau Anna Seghers,

als mich gestern eine der uns deutschen so vertrauten und geläufigen plötzlichen Aktionen mit Panzernebengeräuschen, Rundfunkkommentaren und obligater Beethoven-Symphonie wach werden ließ, als ich nicht glauben wollte, was ein Radiogerät mir zum Frühstück servierte, fuhr ich zum Bahnhof Friedrichstraße, ging zum Brandenburger Tor und sah mich den unverkennbaren Attributen der nackten und dennoch nach Schweinsleder stinkenden Gewalt gegenüber. Ich habe, sobald ich mich in Gefahr befinde - oftmals überängstlich, wie alle gebrannten Kinder - die Neigung, um Hilfe zu schreien. Ich kramte im Kopf und im Herzen nach Namen, nach hilfeverheißenden Namen; und Ihr Name, verehrte Frau Anna Seghers, wurde mir zum Strohhalm, den zu fassen ich nicht ablassen will.

Sie waren es, die meine Generation oder jeden, der ein Ohr hatte, nach jenem nicht zu vergessenden Krieg unterrichtete, Recht und Unrecht zu unterscheiden; Ihr Buch, Das siebte Kreuz, hat mich geformt, hat meinen Blick geschärft und läßt mich heute die Globke und Schröder in jeder Verkleidung erkennen, sie mögen Humanisten, Christen oder Aktivisten heißen. Die Angst Ihres Georg Heisler hat sich mir unverkäuflich mitgeteilt; nur heißt der Kommandant des Konzentrationslagers heute nicht mehr Fahrenberg, er heißt Walter Ulbricht und steht Ihrem Staat vor. Ich bin nicht Klaus Mann, und Ihr Geist ist dem Geist des Faschisten Gottfried Benn gegengesetzt, trotzdem berufe ich mich mit der Anmaßung meiner Generation auf jenen Brief, den Klaus Mann am 9. Mai 1933 an Gottfried Benn richtete. Für Sie und für mich mache ich aus dem 9. Mai der beiden toten Männer einen lebendigen 14. August 1961: Es darf nicht sein, daß Sie, die Sie bis heute vielen Menschen der Begriff aller Auflehnung gegen die Gewalt sind, dem Irrationalismus eines Gottfried Benn verfallen und die Gewalttätigkeit einer Diktatur verkennen, die sich mit Ihrem Traum vom Sozialismus und Kommunismus, den ich nicht träume, aber wie jeden Traum respektiere, notdürftig und dennoch geschickt verkleidet hat.

Vertrösten Sie mich nicht auf die Zukunft, die, wie Sie als Schriftstellerin wissen, in der Vergangenheit stündlich Auferstehung feiert; bleiben wir beim Heute, beim 14. August 1961. Heute stehen Alpträume als Panzer an der Leipziger Straße, bedrücken jeden Schlaf und bedrohen Bürger, indem sie Bürger schützen wollen. Heute ist es gefährlich, in Ihrem Staat zu leben, ist es unmöglich, Ihren Staat zu verlassen. Heute - und Sie deuten mit Recht auf ihn - bastelt ein Innenminister Schröder an seinem Lieblingsspielzeug: am Notstandsgesetz. Heute - Der Spiegel unterrichtete uns - trifft man in Deggendorf, Niederbayern, Vorbereitungen zu katholisch-antisemitischen Feiertagen. Dieses Heute will ich zu unserem Tag machen: Sie mögen als schwache und starke Frau Ihre Stimme beladen und gegen die Panzer, gegen den gleichen, immer wieder in Deutschland hergestellten Stacheldraht anreden, der einst den Konzentrationslagern Stacheldrahtsicherheit gab; ich aber will nicht müde werden, in Richtung Westen zu sprechen: nach Deggendorf in Niederbayern will ich ziehen und in eine Kirche spucken, die den gemalten Antisemitismus zur Altar erhoben hat.

Dieser Brief, verehrte Frau Anna Seghers, muß ein "offener Brief" sein. Das Brieforiginal schicke ich Ihnen über den Schriftstellerverband in Ostberlin. Mit der Bitte um Veröffentlichung schicke ich einen Durchschlag an die Tageszeitung Neues Deutschland, einen zweiten Durchschlag an die Wochenzeitung Die Zeit.

Hilfesuchend grüßt Sie
Günter Grass

Quelle: Hans Werner Richter (Hg.), Die Mauer oder Der 13. August, Reinbek 1961, S. 62-64

Schießbefehl der Einsatzkompanie der Hauptabteilung I „NVA und Grenztruppen“ des MfS, Seite 2 1977

Sogleich strengt jeder Arm sich an,
die Mauer wird getheilt, die Stadt ist aufgethan.

Schiller Zerstörung von Troja

Sonntag, 12. August 2012

Alle Freunde weg


Heute morgen bin ich aufgewacht und hatte meine (facebook-) Freunde verloren, alle.
Ein Unbekannter in Hamburg hatte sich damit vergnügt meine facebook-Seite zu hacken und daraufhin hat facebook aka Herr Zuckerberg die Seite gesperrt. Nun bin nicht einmal ich eitel genug anzunehmen, meine Mitteilungen über Kinobesuche und Bilder von lustigen Tieren seien so interessant, dass sich der fremde Hacker die Mühe machen würde, nur um in den Besitz derselben zu gelangen. Will er wohl Herrn Zuckerberg ärgern! 
Nun habe ich einen neuen Account und sammle meine (facebook-) Freunde wieder zusammen, wie die verstreuten Schäfchen einer Herde. Nur dass eigentlich ich verstreut war.
Und nebenbei habe ich bemerkt, dass ich facebook und meine dortigen Freunde vermisst hätte. Ich höre viel Genörgel und gutgemeinte Warnungen über die Gefahren sozialer Netzwerke, manches mit Recht, vieles voll Panikmache und Unverstand, aber oft wird übersehen, dass es halt SOZIALE Netze sind. Man kann dort gut quatschen, rumalbern, Nebensächliches und Interessantes erfahren und selbst mitteilen. In Zeiten, in denen viele viel unterwegs sind, reichlich arbeiten und wenig Zeit haben, ist facebook ein guter Ort für das, was früher am örtlichen Brunnen, im Tante-Emma-Laden und auf der Post stattfand Das soziale Gefüge wird geölt mit Wortaustausch.

AGFA Werbung: Junge Leute am Dorfbrunnen


Freitag, 10. August 2012

Weltmäusetag - Der Gerechtigkeit halber


Von Mäusen und Menschen
 
1972 veröffentlichte Art Spiegelman, ein amerikanischer Cartoonist, im Magazin "Lustige Tiere" ("Funny Animals") einen dreiseitigen Comic-Strip über die beängstigenden Gutenachtgeschichten, die sein Vater Vladek, ein polnischer Jude und Überlebender der Hölle von Ausschwitz, ihm über das Leben in der alten Heimat während des Krieges erzählt hatte. Spiegelman zeichnete die Juden als Mäuse und die Deutschen als Katzen. Das später veröffentlichte erste Mausbuch hat den Titel: "Mein Vater kotzt Geschichte aus"
Gefangen: der Mann in der 'Maus' -Maske aus 'MetaMaus' © Art Spiegelman
“Micky Maus ist das schändlichste Vorbild, das je erfunden wurde … Das gesunde Empfinden sagt jedem denkenden Heranwachsenden und jedem rechtschaffenen Jüngling, dass dieses ekelhafte, schmutzige Ungeziefer, dieser größte Bakterienüberträger im ganzen Tierreich niemals ein vorbildliches Tier sein kann … Schluss mit der Verrohung der Völker durch die Juden! Nieder mit Micky Maus! Tragt das Hakenkreuz!” Zeitungsartikel, Pommern, Mitte der 30er Jahre.
 © Art Spiegelman
Bernhard und Bianca, die Maus aus der Sendung mit derselben, Disneys Mickey Mouse, Feivel der Mausewanderer, Tom und Jerry, Art Spiegelmans jüdische Mäuse und mein persönlicher Liebling: Speedy Gonzales, die schnellste Maus von Mexiko, die Zahl der kulturell einflußreichen Mäuse ist verblüffend, dabei sollten die Mäuse in Portemonnaie und auf der Bank nicht unerwähnt bleiben. Mausi ist ein beliebter Kosename, Mäuschen desgleichen. Andererseits ge- und mißbrauchen wir millionenfach Mäuse in Laboratorien zur Erforschung lebenswichtiger Medikamente und zum Testen alberner Lippenstifte.

Meine Katze Emma hat mir oft, als Zeichen ihrer Zuneigung, zauberhafte besonders kleine Feldmäuse zum Geschenk gemacht und aus mädchenhafter Zickerei habe ich ihre Gaben unter leichtem Kreischen immer wieder abgewiesen.

Und weil halt die MAUS keinen internationalen Feiertag bekommen hat, widme ich ihr diesen heutigen Blog.

Eine St. Andrews Strand Maus

Das folgende Gedicht ist die Quelle für Steinbeck's Romantitel "Von Mäusen und Menschen".

An eine Maus, die er mit ihrem Neste aufgepflügt hatte.

Klein, furchtsam Tierchen! welch ein Schrecken
Erfüllt dein Brüstchen, so durch Hecken
Und Furchen dich zum Lauf zu strecken?
Bleib! nicht so jach!
Nicht setz' ich mit dem Pflügerstecken
Grausam dir nach!

Der Mensch – betrübt gesteh' ich's ein! –
Brach der Natur geselligen Reih'n!
Mißtrauisch drum fliehst du feldein:
Voll Frucht, dir schade
Dein armer Mitgeschaffner – dem
Staubkamerade! *

Mag sein, du gehst auf Diebstahl aus;
Gut! mußt ja leben, kleine Maus!
Manchmal vom Schock ein Ährchen kraus
Ist klein Begehren!
Der Rest bringt Segen mir ins Haus –
Ich kann's entbehren!

Dein klein arm Häuschen auch zerstört!
Sein töricht Dach der Sturm durchfährt!
Und nirgend Grün mehr, neuen Herd
Dir zu begründen!
Da Christtag bald die Fluren kehrt
Mit eis'gen Winden!

Du sahst die Felder öde schier,
Den langen Winter vor der Tür,
Und sprachst: »Geschützt und kosig hier
Halt' ich es aus!«
Als, krach! die böse Pflugschar dir
Grad fuhr durchs Haus!

Von Laub und Stroh dein Nestchen klein,
Manch mühsam Knuspern trug's dir ein!
Und nun mußt du vertrieben sein
Für all' dein Müh'n,
Und mußt hinaus in nasses Schnei'n
Und Rauhfrost zieh'n!

* Doch, Mäuschen, mehr schon ist zerronnen
In nichts, was Vorsicht klug ersonnen!
Was Mäuse und Menschen fein gesponnen,
Geht scheitern oft,
Und läßt uns Gram nur statt der Wonnen,
Die wir gehofft!

Doch bist du glücklich gegen mich!
Die Gegenwart nur kümmert dich:
Doch, o! des Pfads, wenn rückwärts ich
Mein Auge schlage!
Und vor mir, türmt auch Dunkel sich,
Ahn' ich und zage!

Robert Burns
Übersetzung Ferdinand Freiligrath

* Fürwahr mich dauert des Menschen Herrschaft
die zerbrach die natürliche Gemeinschaft
und die bestätigt die üble Meinung
die dich erschrecken läßt
über mich, mein armer erdbürtiger Genosse
und Bruder im Tode.

Übersetzer unbekannt