Samstag, 18. August 2012

Die Menschen sind weg - Giacometti


Alberto Giacometti 1959 © Gordon Parks

Giacometti - ein Schweizer im Wettlauf mit der Zeit

Es gibt einen englischen Ausdruck: the vanishing point, das ist der Punkt an dem Parallelen, die man in der Perspektive betrachtet, scheinbar verschmelzen, beziehungsweise der, an dem etwas, das immer weniger wurde, ganz und gar verschwindet.
Die Skulpturen Giacomettis rennen, laufen diesem Punkt entgegen, sind eilig unterwegs ins eigene Verschwinden. Selbst wenn sie stillstehen, scheint es nur ein Luftholen vor dem "Weiter". Nur nicht hier sein, Bewegung ist alles, das Ziel das Nichts.

Eine Frau lief hinter den Skulpturen von links kommend vorbei
  “Große Frau III”, “Gehender Mann II” and “Großer Kopf” Alberto Giacometti in der Foundation Beyeler, Schweiz im Mai 2009 
© Christian Hartmann / Reuters 

"... unmöglich die ganze Figur zu erfassen ... wenn man mit einem Detail begann, einer Ferse, der Nase, gab es keine Hoffnung das Ganze zu erreichen. Man hätte ein Leben damit verbringen können, ohne ein Ergebnis zu erzielen. Die Form löste sich auf, es war wenig mehr als Sandkörner über einem tiefen schwarzen Abgrund, die Entfernung zwischen einem Flügel der Nase und dem anderen ist wie die Sahara, endlos, nichts woran man den Blick festmachen könnte, alles entflieht." aus einem Brief an Henri Matisse 1947

Der Platz / Piazza 1948/49

Das Gefühl nicht genug Zeit zu haben, vom eigenen Todesdatum eingeholt zu werden, sich in hastiger Geschäftigkeit aufzulösen - gefaßt in Skulpturen, die den Eindruck erwecken, dass sie fort sind, sobald man den Blick von ihnen wendet.

Giacometti laufend 1958 © Richard Avedon 

Unter der Sonne nichts Neues, alles war schon einmal da, Wiederempfindung.

Der Schatten des Abends etruskisch um 300 v.u.Z.


Zu verschwinden, zu verschweben
Ins glanzvolle Leere;
Ohne vor dem Tod zu beben,
Könnt' ich mich darein ergeben,
Tropfen gleich im Meere.

Aber seh' ich die erblassen,
Die mir teuer waren,
Die will ich nicht schwinden lassen,
Sondern halten fest und fassen
Und nicht lassen fahren.

Eigene Persönlichkeit
Ließ ich eh'r mir rauben,
Als, da ihr gestorben seid,
Nicht an die Unsterblichkeit
Meiner Toten glauben.

Friedrich Rückert Kindertotenlieder 

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