Дании́л Ива́нович Хармс
Daniil Charms wurde am 30.12.1905 in Petersburg geboren und ist im Februar 1942 in der psychiatrischen Abteilung des Gefängnisses No. 1 im eingekesselten Leningrad höchstwahrscheinlich verhungert.
Rehabilitierung
Ohne angeben zu wollen, kann ich sagen, daß ich Volodja, als er mir eine aufs Ohr gehauen und mir ins Gesicht gespuckt hatte, so erwischt habe, daß er es nie vergessen wird. Erst danach habe ich ihm den Primuskocher drübergehauen, und mit dem Bügeleisen habe ich ihn erst gegen Abend geschlagen. So daß er also keineswegs gleich tot war. Daß ich ihm das Bein dann am Tage abgeschnitten habe, ist kein Beweis. Zu der Zeit hat er noch gelebt. Und Andrjuscha habe ich einfach aus Trägheit erschlagen, das kann ich mir nicht zum Vorwurf machen. Warum sind Andrjuscha und Elisaveta Antonovna mir in die Hände gefallen? Sie hätten nicht plötzlich hinter der Tür hervorspringen dürfen. Blutrünstigkeit wirft man mir vor, man sagt, ich hätte Blut getrunken, aber das ist nicht wahr, ich habe die Blutlachen und Blutflecken aufgeleckt; es ist ein natürliches Bedürfnis des Menschen, die Spuren seines auch noch so geringen Verbrechens zu beseitigen. Auch habe ich Elisaveta Antonovna nicht vergewaltigt. Erstens war sie keine Jungfrau mehr, und zweitens hatte ich mit der Leiche zu tun und keine Zeit, sie zu trösten. Und daß sie kurz vor der Niederkunft stand? Ich habe das Kind doch rausgezogen. Und daß es überhaupt kein Erdenbewohner war, das ist nun mal nicht meine Schuld. Ich habe ihm den Kopf nicht abgerissen, schuld war der dünne Hals. Es war für dieses Leben nicht geschaffen. Es ist wahr, daß ich ihr Hündchen mit dem Stiefel in den Erdboden gestampft habe. Aber es ist schon Zynismus, mich der Tierquälerei zu besichtigen, wenn dicht daneben, kann man sagen, drei Menschenleben vernichtet wurden. Das Kind nicht mitgezählt. Also schön: in alledem (und dem kann ich zustimmen) möge man eine gewisse Brutalität meinerseits erkennen. Aber mir als Verbrechen anzurechenen, daß ich mich auf meine Opfer gesetzt und meine Notdurft verrichtet habe, - Sie müssen schon entschuldigen, das ist einfach absurd. Sich entleeren ist ein natürliches Bedürfnis, folglich durchaus kein verbrecherisches. Weshalb ich die Besorgnis meines Verteidigers zwar verstehe, aber dennoch auf meinen Freispruch hoffe.
Ohne angeben zu wollen, kann ich sagen, daß ich Volodja, als er mir eine aufs Ohr gehauen und mir ins Gesicht gespuckt hatte, so erwischt habe, daß er es nie vergessen wird. Erst danach habe ich ihm den Primuskocher drübergehauen, und mit dem Bügeleisen habe ich ihn erst gegen Abend geschlagen. So daß er also keineswegs gleich tot war. Daß ich ihm das Bein dann am Tage abgeschnitten habe, ist kein Beweis. Zu der Zeit hat er noch gelebt. Und Andrjuscha habe ich einfach aus Trägheit erschlagen, das kann ich mir nicht zum Vorwurf machen. Warum sind Andrjuscha und Elisaveta Antonovna mir in die Hände gefallen? Sie hätten nicht plötzlich hinter der Tür hervorspringen dürfen. Blutrünstigkeit wirft man mir vor, man sagt, ich hätte Blut getrunken, aber das ist nicht wahr, ich habe die Blutlachen und Blutflecken aufgeleckt; es ist ein natürliches Bedürfnis des Menschen, die Spuren seines auch noch so geringen Verbrechens zu beseitigen. Auch habe ich Elisaveta Antonovna nicht vergewaltigt. Erstens war sie keine Jungfrau mehr, und zweitens hatte ich mit der Leiche zu tun und keine Zeit, sie zu trösten. Und daß sie kurz vor der Niederkunft stand? Ich habe das Kind doch rausgezogen. Und daß es überhaupt kein Erdenbewohner war, das ist nun mal nicht meine Schuld. Ich habe ihm den Kopf nicht abgerissen, schuld war der dünne Hals. Es war für dieses Leben nicht geschaffen. Es ist wahr, daß ich ihr Hündchen mit dem Stiefel in den Erdboden gestampft habe. Aber es ist schon Zynismus, mich der Tierquälerei zu besichtigen, wenn dicht daneben, kann man sagen, drei Menschenleben vernichtet wurden. Das Kind nicht mitgezählt. Also schön: in alledem (und dem kann ich zustimmen) möge man eine gewisse Brutalität meinerseits erkennen. Aber mir als Verbrechen anzurechenen, daß ich mich auf meine Opfer gesetzt und meine Notdurft verrichtet habe, - Sie müssen schon entschuldigen, das ist einfach absurd. Sich entleeren ist ein natürliches Bedürfnis, folglich durchaus kein verbrecherisches. Weshalb ich die Besorgnis meines Verteidigers zwar verstehe, aber dennoch auf meinen Freispruch hoffe.
Das blaue Heft Nr. 10
Es war einmal ein Rotschopf, der hatte weder Augen noch Ohren. Er hatte auch keine Haare, so daß man ihn an sich grundlos einen Rotschopf nannte.
Sprechen konnte er nicht, denn er hatte keinen Mund.
Eine Nase hatte er auch nicht.
Er hatte sogar weder Arme noch Beine. Er hatte keinen Bauch, er hatte keinen Rücken, er hatte kein Rückgrat, er hatte auch keinerlei Eingeweide. Nichts hatte er! So daß unklar ist, um wen es hier eigentlich geht.
Reden wir lieber nicht weiter darüber.
Ein Mensch legte sich als Gläubiger schlafen, und erwachte als Ungläubiger.
Zum Glück stand im Zimmer dieses Menschen eine Medizinalwaage, und der Mensch hatte die Gewohnheit, sich jeden Tag morgens und abends zu wiegen. Und so hatte der Mensch beim Wiegen am Abend zuvor erfahren, daß er 4 Pud und 21 Pfund wog. Am anderen Tage aber, als Ungläubiger aufgestanden, wog der Mensch sich erneut und erfuhr, daß er nurmehr 4 Pud und 13 Pfund wog. "Also, - sagte sich der Mensch, - wog mein Glaube annähernd 8 Pfund.".