Samstag, 15. Oktober 2011

William Eggleston 1 - FARBE !!!

Ein Südstaatler, genauer aus Memphis/Tennessee, er hatte später den gleichen Arzt wie Elvis, 1939 geboren und aufgewachsen auf einer Baumwollplantage in Mississippi. Auch er begann mit einer Leica zu photographieren, und füllte damit seine vieljährige Studienzeit, die zu keinerlei Abschluß führte. Er liest Cartier-Bressons "Der entscheidende Moment" und arbeitet, davon stark beeindruckt, zunächst in Schwarz-Weiß. Aber Ende der 60er Jahre beginnt er "bunt" zu photographieren und das in einer Zeit, in der Schwarz-Weiß als die einzig mögliche Form für künstlerische Photographie angesehen wurde. Farbe war den Amateuren und der Werbung vorbehalten. Ein Kurator des MoMA, John Szarkowski, sieht 1969 einige seiner Arbeiten und überredet das Museum eine davon zu kaufen.


Greenwood, Mississippi, 1973, Dye transfer print © William Eggleston

1973/74 findet er im Katalog eines Chicagoer Photolabors ein Angebot für das Dye-Transfer-Verfahren (Siehe unten) und beginnt seine Bilder von nun an so zu bearbeiten.

"Die Rote Decke ist so kraftvoll, dass ich sie faktisch noch nie so auf Papier reproduziert gesehen habe, dass ich befriedigt gewesen wäre. Wenn du die Farbe (dye=Farbstoff) anschaust, ist sie wie rotes Blut, nass an der Wand .... Ein bisschen rot ist meistens genug, aber mit einer vollständig roten Fläche zu arbeiten, war eine Herausforderung."

"The Red Ceiling is so powerful, that in fact I've never seen it reproduced on the page to my satisfaction. When you look at the dye it is like red blood that's wet on the wall.... A little red is usually enough, but to work with an entire red surface was a challenge."

Aus William Eggleston's Guide MoMA 1976 © William Eggleston

1976 veranstaltet das MoMA eine Einzelausstellung seiner Arbeiten, die erste Solo-Ausstellung von Farbphotographien in der Geschichte dieser Institution. Die Reaktionen sind außerordentlich gemischt. "Völlig banal, völlig langweilig..." "Fahrig und wackelig..." " Eine Schweinerei...."

Ohne Titel aus der Serie "Los Alamos", 1966-74
© Eggleston Artistic Trust, 2003



Ohne Titel Memphis, Dye Transfer Print © William Eggleston



Ohne Titel Memphis 1970, Dye transfer print © Eggleston Artistic Trust


Ohne Titel aus der Serie Los Alamos 1966-74 Dye transfer print © Eggleston Artistic Trust
Ohne Titel aus der Serie Los Alamos, 1966-74 Dye Transfer Print
© Eggleston Artistic Trust


Ohne Titel aus der Serie Troubled Waters 1980 © William Eggleston


Spiegel - Interview mit William Eggleston
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,608500,00.html

Das artnet Fotoglossar


Eric Aichinger
 
Dye Transfer-Abzug bzw. Dye Transfer®-Verfahren (1947 bis heute)
Bei diesem von der Firma Kodak entwickelten farbfotografischen Druckverfahren werden von einem Farbnegativ oder farbigen Diapositiv zunächst drei schwarzweiße Auszugsnegative hergestellt, die wiederum auf einen so genannten Pan-Matrix-Film umzukopieren sind. Nach der Entwicklung und Fixierung werden die Negative heiß gewässert, bis die ungehärtete Gelatine ausgewaschen ist. Die so entstandenen drei Matrizen entsprechen im anschließenden Farbumdruck je einem Rot-, Grün- und Blauauszug des Motivs. Sie werden mit ihrer jeweiligen Komplementärfarbe (engl.: dye – „Färbung“, „Farbstoff“) in Gelb, Purpur und Blaugrün (Yellow, Magenta, Cyan) eingefärbt und passgenau auf das gelatinebeschichtete, barytierte Übertragungspapier übereinander gedruckt. Kennzeichnend für diese hochwertigen Farbbilder sind leuchtende Farben ohne Korn. Auch und gerade wegen ihrer Lichtbeständigkeit (Archivfestigkeit) werden sie von Sammlern sehr geschätzt.

Etiketten töten Sex


Ich gehe mir ein T-Shirt kaufen. Sagen wir, es ist blau. Es ist schön. Sitzt gut. Fühlt sich angenehm an auf der Haut. 
Es hat ein, oder mehrere eingenähte Etiketten. Die sind aus Polyester, Nylon oder ähnlichen kratzigen, juckenden, nervenden Materialien. Sie hängen aus dem Halsausschnitt. Sie sind besser und fester genäht als das verdammte T-Shirt. Schneide ich sie vollständig ab, riffelt sich augenblicklich das gesamte Shirt auf, schneide ich nur bis zur Naht wird das Kratzen vollends unerträglich. Und dieser ganze Mist, damit ich weiß, das ich etwas trage, dass von Minderjährigen in Taiwan, China, Indien oder einem anderen bevölkerungsreichen und jugendschutzarmen Land, wahrscheinlich unter ausbeuterischen und empörenden Bedingungen, genäht wurde, und, dass ich zarte Baumwolle besser nicht in kochend heißes Wasser schmeiße? 


Ich habe einen wagemutigen Tag und entschließe mich, meine Unterwäsche aus dem Stand der Praktikabilität und Bequemlichkeit, auf das Niveau von verführerischer Zartheit zu erheben. Das Teil hat circa 2mm zum Quadrat Stofffläche (drei f!!!) und 10 Quadratmeter Etikett. Konterproduktiv nenne ich das! Wie soll eine erotische Stimmung entstehen, wenn ich, durch mein Unterhöschen, nicht feminine bekleidete Nacktheit, sondern Informationen über Waschvorschriften, Produktionsbedingungen und Markenzugehörigkeit versende? Wenn die Etiketten die Maße meines Hinterns überschreiten? 
Bin ich Etikettträger (drei t!!!)? Links- und Rechtsträger? Wiki sagt: Als Verantwortungsdiffusion wird ein Zustand bezeichnet, bei dem die Zuordnung der Verantwortlichkeit auf einen Verantwortungsträger vermieden wird, indem alle dafür in Frage kommenden der Verantwortung ausweichen.

In einem Welt-online Artikel habe ich folgende Erklärung gefunden: "Das ist ein Komplott der Chinesen, die uns attackieren werden, während wir uns kratzen", mutmaßt der Macher der französischen Facebook-Gruppe "Contre les étiquettes qui grattent" ("gegen juckende Etiketten"). 

Waschsymbol Waschsymbol schonend Waschsymbol sehr schonend Waschsymbol Hand Waschsymbol kalt Waschsymbol nicht waschen * Waschsymbol nicht waschen (Kanada) Waschsymbol waschen bei 60 Grad (Kanada) Waschsymbol waschen bei dreißig Grad (Kanada) * Waschsymbol waschen kalt (USA) Waschsymbol waschen heiß (USA) Waschsymbol schonend waschen (USA) Waschsymbol pflegeleicht (USA)
Bügelsymbol Bügelsymbol heiß Bügelsymbol lau Bügelsymbol nicht bügeln * Bügelsymbol mit Tuch untergelegt (Japan) 

Freitag, 14. Oktober 2011

Goya - Die nackte und die bekleidete Maja

Zwei um 1797–1800 gemalte Bilder einer nicht sicher zu benennenden Frau, vielleicht der Maria del Pilar Teresa Cayetana de Silva y Alvarez de Toledo, 13. Herzogin von Alba, vielleicht auch von Pepita Tudó, der Geliebten von Manuel de Godoy, des damaligen spanischen Premierministers und Favoriten der Königin Maria Louisa. 

 
Manuel de Godoy war höchstwahrscheinlich der Auftraggeber und sicher der erste Besitzer beider Bilder. Die bekleidete Schöne war sichtbar und konnte, wenn erwünscht durch das Umlegen eines Hebels weggeschoben werden, um den Blick auf die nackte Frau freizugeben. 1813 fiel Godoy in Ungnade und seine Kunstsammlung wurde von der Inquisition konfisziert. 1815 wurde dann Goya wegen Obszönität vor die Inquisition zitiert, es ist keine Aufzeichnung von Goyas Aussage überliefert. Folge des Prozesses war allerdings, dass ihm der Titel des königlichen Hofmalers aberkannt wurde.
Erst 1836, also nach Goyas Tod, wurden sie von der Inquisition an die Akademie der Schönen Künste in San Fernando übergeben und dort aufgehängt.
Maja wird mit "die Schöne" übersetzt und ist kein Eigenname. Die "Nackte Schöne" nannte der Kunstkritiker Robert Hughes "die erste Darstellung von Schambehaarung in der westlichen Kunst".
Ich finde, die beiden sehen sich nicht wirklich ähnlich, zumindest was die Gesichter betrifft.




Als spanische Briefmarke, 1930

Stefano Grondona plays Enrique Granados (1867-1916): La Maja de Goya


Und hier in Pink.


Edward Estlin Cummings geboren am 14. Oktober 1894



  Gestorben am 3. September 1962.

  ich danke dir Gott für diesen höchst erstaunlichen 
  tag:für die hüpfenden grünlichen geister der bäume
  und einen wirklich blauen traum von himmel; und für alles
  was natürlich ist was unendlich ist ja

  (ich der gestorben ist bin wieder lebendig heute,
  und dies ist der geburtstag der sonne;dies ist der geburts
  tag von leben und liebe und flügeln: und der heiteren
  wunderbar geschehenden unbegrenzbaren erde)

  wie sollte schmecken tasten hören sehen
  atmen etwas--erhoben aus dem nein
  allen nichts--mensch einfach seiend
  anzweifeln unvorstellbares Du?

  (nun sind die ohren meiner ohren erwacht und
  nun sind die augen meiner augen geöffnet)


   i thank You God for most this amazing
   day:for the leaping greenly spirits of trees
   and a blue true dream of sky;and for everything
   wich is natural which is infinite which is yes

   (i who have died am alive again today,
   and this is the sun's birthday;this is the birth
   day of life and love and wings:and of the gay
   great happening illimitably earth)

   how should tasting touching hearing seeing
   breathing any--lifted from the no
   of all nothing--human merely being
   doubt unimaginable You?

   (now the ears of my ears awake and
   now the eyes of my eyes are opened)



Donnerstag, 13. Oktober 2011

René Pollesch - Schmeiss Dein Ego weg! in der Volksbühne

Wie der Schmetterling sich in eine Raupe verwandelte - Ein Oratorium für Sprecher und Popmusik. 

Komponiert bis in die 24. Wiederholung. Ein Spaß! Wenn die Philosophen aus Monty Python "Philosophen Fussball" reden würden, das wäre ihr Text! 

http://www.google.de/search?source=ig&hl=de&rlz=&q=monty+python+philosophers+football&oq=monty+python+philosopher&aq=0&aqi=g2&aql=&gs_sm=c&gs_upl=1151l10010l0l13417l17l17l0l13l13l0l439l1205l0.1.1.1.1l4l0


Wiki: Die vierte Wand ist die zum Publikum hin offene Seite einer Zimmerdekoration auf einer Guckkastenbühne. Sie wurde zum zentralen Begriff in der Theorie des naturalistischen Theaters gegen Ende des 19. Jahrhunderts.

Hier wurde die vierte Wand einmal ernst genommen. Ein Schauspieler aus der Gegenwart wurde unvermutet eingefroren und erwacht, um festzustellen, dass nun, zwei-, oder drei-, oder sechshundert Jahre in der Zukunft, die behauptete vierte Wand zu einer gegenständlichen geworden ist. Die Bühne ist endlich zu, erst wurden die Spieler verstummt, dann aus der Sicht genommen. Es kann verinnerlicht werden. Es entbrennt ein zum Nichtverständigen verdammtes Streitgespräch. Martin Wuttke, Margit Carstensen und ein Chor mißverstehen sich, gebären Sprachungebilde, rauchen unablässig oder weinen mit Hilfe von öffentlich aufgetragenenem Teebaumöl oder ähnlichem. Der Chor in reinweißen Trikots erinnert an die Spermienversammlung in Woody Allens "Was Sie schon immer über Sex wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten" und der Abend könnte auch "Was Sie schon immer über Theater wissen wollten und froh waren nicht erzählt zu bekommen, obwohl es lehrreich für Sie wäre," heißen.


Zitat Pollesch:

"Carstensen: Ein Knabe fing/ einen Schmetterling / und als er am Abend nach Hause ging /
da sprach er zu sich: / Wie verhalte ich mich / und helfe den anderen Menschen? / Der Schmetterling aber hatte lautlos gehandelt / sich nach und nach in eine Raupe verwandelt / mit allerletzter Kraft.

Gross: Es hat Tiefe!
Carstensen: Gefällt es Dir wirklich?
Gross: Ja. Bis auf eine Kleinigkeit. Sie verwandeln sich nämlich vom Stadium der Raupe in das Stadium des Schmetterlings. Nicht umgekehrt.
Carstensen: Bist du sicher? Bist du ganz sicher? Verdammt! So ein Mist! Immer mach ich was falsch! Scheiße!"

Ich saß ganz vorn in der zweiten Reihe und zum ersten und, hoffentlich, einzigen Mal in meinem Leben, hatte ich mein Telephon nicht abgestellt und wurde prompt angerufen. Ich möchte mich hier noch einmal in aller Öffentlichkeit dafür entschuldigen.



Mittwoch, 12. Oktober 2011

Melancholia oder ich bin trauriger als ihr

Heute abend habe ich "Melancholia" von Lars von Trier gesehen ... bis zur Hälfte der möglichen 130 Minuten. Ich schwöre, ich war besten Willens, nach mehrfacher vorheriger positivster Einstimmung, einen hingerissenen Kinoabend zu verbringen. Ich schwöre!

Die ersten 7 Minuten sind grandios. Die Wucht der Bilder haut einen in den Kinosessel und läßt den Atem stocken - vielleicht vergleichbar mit der Eröffnungssequenz von Kubricks "2001". Und dann bekommen wir die Erklärung für die Visionen nachgeliefert. Wie sehr schade.

Im Prolog ist Pieter Breughels Winterbild eines der parabelhaften Zitate. Ein wunderbares Gemälde, das ich nie "zu Ende" betrachten werde. Aus der Fülle der angebotenen Details, wählt Breughel die Vogelfalle zum Titel. Warum? Ein strahlendheller Wintertag, Menschen vergnügen sich auf dem Eis. Wird es halten? Ganz nebenbei wird den Vögeln die Freiheit geraubt, sie werden getötet. Ganz nebenbei. Die lubricitas vitae, die Unsicherheit des Daseins, in scheinbar zufälligem und dadurch herzzerreissendem Nebeneinander von Tod und ausgelassenem Leben.


Pieter Breughel der Ältere oder Jüngere - Winterlandschaft mit Vogelfalle

Bei Lars von Trier ist nichts nebenbei. Ich darf nichts entdecken. Es wird mir "aufs Auge gedrückt", in den Hals geschrien und in die Ohren gepresst. (Der erbarmungslose Wagner - Soundtrack hat mich regelrecht gelähmt.) Hier wird beabsichtigt! Justine (Kirsten Dunst) ist traurig, die Welt geht zu Ende und niemand, außer ihr, begreift. 

Depression ist eine furchtbare Krankheit und ich verneige mich vor jedem, der es fertigbringt ihr ein Leben abzuzwingen. Aber sie ist kein elitärer Berechtigungsschein für Empfindsamkeit. Ich weiß, das klingt zynisch, ich meine es aber ernst. Der Zynismus liegt, so meine ich, auf der Seite des Regisseurs, der die Selbsterfahrungsreise einer mittelmäßigen Schauspielerin zu eigenen, selbstrechtfertigenden Zwecken benutzt.

Als ich vor vielen Jahren "Breaking the Waves" gesehen habe, war das für mich wie, wenn man mir die Augen geöffnet hätte. Bedingungslosigkeit der Hingabe in Liebe, Rettung durch Selbstaufgabe - und alle Zweifel waren eingeschlossen. In "Melancholia" wird nicht mehr gezweifelt. Es wird, von unten herauf belehrt. 

Dienstag, 11. Oktober 2011

Mistwetter!


Nur so zwischendurch:

Mistwetter! Sauwetter! Dreckwetter! Hundewetter! Schmuddelwetter! (Kachelmanns Rache!) Nippelwetter! Kalter Nieselregen, der in bis in die Knochen zieht! Es regnet Bindfäden! Es gießt wie aus Eimern! Frösteln! Schlottern! Bibbern! Bei dem Wetter jagt man keinen Hund vor die Tür! Das Wetter ist schlecht und die Stimmung entsprechend! Ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter! Ich sehe aus wie ein begossener Pudel! 
Um Mißverständnissen vorzubeugen: ICH HASSE KALTES NASSES WETTER! 
So fühle ich mich:

Oder so:

Oder so:


Es regnet dicke Tropfen
die Jungen muß man klopfen
die Mädchen muß man schonen
wie die Zitronen

Es regnet
Gott segnet
die Männer gehn ins Wirtshaus
und trinken alle Gläser aus
strecken den Kopf zum Fenster naus


In diesem Wetter, in diesem Braus

In diesem Wetter, in diesem Braus,
Nie hätt' ich gesendet die Kinder hinaus;
Man hat sie hinaus getragen,
Ich durfte dazu nichts sagen.

In diesem Wetter, in diesem Saus,

Nie hätt' ich gelassen die Kinder hinaus,
Ich fürchtete, sie erkranken,
Das sind nun eitle Gedanken.

In diesem Wetter, in diesem Graus,

Hätt' ich gelassen die Kinder hinaus,
Ich sorgte, sie stürben morgen,
Das ist nun nicht zu besorgen.

In diesem Wetter, in diesem Braus,

Sie ruhn als wie in der Mutter Haus,
Von keinem Sturme erschrecket,
Von Gottes Hand bedecket.

Friedrich Rückert


Dauerhaftem schlechtem Wetter
Mußt du mit Geduld begegnen,
Mach es wie die Schöppenstedter:
Regnet es, so laß es regnen.

Wilhelm Busch

Montag, 10. Oktober 2011

Mein Herz

Ich habe heute mein Herz gesehen. 

Und es sah wundersam aus. Viel zarter, als ich erwartet hätte. Wie eine Alraunenwurzel mit zwei Armen, die unentwegt auf und nieder schlagen. Die Arme wären die Herzklappen.


Wiki sagt: Das Herz pumpt in Ruhe etwa das gesamte Blutvolumen des Körpers einmal pro Minute durch den Kreislauf, das sind etwa fünf Liter pro Minute. Bei körperlicher Belastung kann die Pumpleistung etwa auf das Fünffache gesteigert werden...
Die Herzfrequenz (Schläge/Minute) beträgt in Ruhe 50–80/min (bei Neugeborenen über 120–160) und kann unter Belastung auf über 200/min ansteigen. 


Das heißt: bei circa 80 Schlägen in der Minute, wären es 4800 in der Stunde, 115 200 am Tag, 42 048 000 im Jahr und demnach, bei meinem Alter von 53 Jahren:
etwa 2 228 544 000 Schläge
seit meiner Geburt, und davor hat es ja auch schon eine Weile gearbeitet. Und manchmal habe ich mich aufgeregt und öfter war ich erregt, und gerannt bin ich und Treppen gestiegen, und mein Herz immer dabei. Und geliebt habe ich auch, ich habe es ihm wohl nicht leicht gemacht. Und natürlich das Rauchen noch dazu! Und bis heute habe ich nicht einmal wirklich begriffen, wie sehr es das Zentrum aller meiner Taten ist, und nicht nur das mechanische.

Unglaublich!

Besonders, wenn man bedenkt, wie oft man Waschmaschinen, Fernseher oder Computer zur Reparatur bringen muß oder einfach, wenn kaputt, entsorgt. Und dieses kleine pumpende Ding arbeitet ohne Pause durch. Jahr für Jahr, Kammer öffnen, Blut rein, Kammer zu, zusammenziehen, Kammer öffnen, Blut raus, und, und, und.......................................

Es war eine Ultraschalluntersuchung bei einem sehr vergnüglichen Arzt, der mir geduldig alles gezeigt und beschrieben hat. Und es war wie eine Reise ins eigene Innere.


Mandragora oder Alraune


HERBSTHAUCH

Herz, nun so alt und noch immer nicht klug,
Hoffst du von Tagen zu Tagen,
Was dir der blühende Frühling nicht trug,
Werde der Herbst dir noch tragen!

Läßt doch der spielende Wind nicht vom Strauch,
Immer zu schmeicheln, zu kosen.
Rosen entfaltet am Morgen sein Hauch,
Abends verstreut er die Rosen.

Läßt doch der spielende Wind nicht vom Strauch,
Bis er ihn völlig gelichtet.
Alles, o Herz, ist ein Wind und ein Hauch,
Was wir geliebt und gedichtet. 

Friedrich Rückert

Rilke - Schiele - Benn - Herbst

HERBSTTAG

Herr: Es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren
und auf den Fluren laß die Winde los.
Befiehl den letzten Früchten reif zu sein
gib Ihnen noch zwei südlichere Tage

dräng sie zur Vollendung hin und jage

die letzte Süße in den schweren Wein.
Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr
wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,

wird lesen, wachen, lange Briefe schreiben

und wird auf den Alleen hin und her

unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.


Rainer Maria Rilke Herbst 1902


Egon Schiele Vier Bäume 1917
Egon Schiele Herbstsonne I - Sonnenaufgang 1912
Egon Schiele Pflaumenbaum 1909/10





Egon Schiele Herbstsonne 1914





Egon Schiele Herbstbaum in bewegter Luft 1912





Egon Schiele Kleiner Baum im Spätherbst 1911




Egon Schiele Herbstbäume 1911


ASTERN

Astern - schwälende Tage,
alte Beschwörung, Bann,
die Götter halten die Waage
eine zögernde Stunde an.

Noch einmal die goldenen Herden,
der Himmel, das Licht, der Flor,
was brütet das alte Werden
unter den sterbenden Flügeln vor?

Noch einmal das Ersehnte,
den Rausch, der Rosen Du -
der Sommer stand und lehnte
und sah den Schwalben zu,

Noch einmal ein Vermuten,
wo längst Gewissheit wacht:
Die Schwalben streifen die Fluten
und trinken Fahrt und Nacht. 

Gottfried Benn

Sonntag, 9. Oktober 2011

Die Wohlgesinnten am Maxim Gorki Theater


Hm. Vorweg, ich habe den Roman nicht gelesen und teile die Einwände mancher nicht, dass man dann dem Abend nicht folgen könnte. Im Gegenteil, ich wünschte, ich wäre mehr verwirrt, irritiert, verstört worden. 
Nachdem Peter Kurth, als alter Max Aue, (er wird später noch wunderbar Klarinette spielen.) aus dem ersten Rang, den Prolog, gespickt mit schweren Pausen, beendet hatte, wusste ich, für meinen Geschmack, bereits zu viel. Vereinfacht: auch in mir steckt die Möglichkeit des Unmenschen, des Mörders, des Monsters. Ja. Schrecklich. Mit diesem schwer erträglichen Gedanken mußte ich mich bereits vor Jahren unwillig, doch intensiv beschäftigen und werde mit der Auseinandersetzung damit wohl auch nie zu einem Ende kommen. Aber ich habe an diesem Abend wenig Neues erfahren, nur fühlte ich mich gelegentlich schwerfällig belehrt. Ganz ungewöhnlich für Armin Petras, dessen Arbeiten mich oft auf den Rand des Sitzes treiben und mich dann tagelang beschäftigen.
Was folgt, ist ein hybrides, abgebremstes Gemisch aus chorischem Sprechen und Bewegen und manchmal fast simpler Individualisierung, Statisch, streng geformt, aber doch irgendwie behauptet privat und manchmal eigenartig illustrierend.
Die Bühne, ein riesiger, den Zuschauerraum und damit das Publikum widerspiegelnder Spiegel, wird im Lauf des Abends immer mehr schräg geneigt, ein toller Effekt, der aber nach 10 Minuten an Wirkung verliert und seltsam wenig bespielt wird. Ein einzelnes Cello (natürlich) begleitet lange Passagen. Wie immer am MGT sind großartige Schauspieler auf der Bühne, auch wenn ich sie alle schon glücklicher gesehen habe.
Ist diesem Thema mit Theater heute überhaupt noch nahe zu kommen? Lassen wir uns noch erschrecken? Ist Katharsis noch erreichbar? Und überhaupt wünschenswert? Oder, wie kann die intellektuelle und emotionale Auseinandersetzung theatralisch gereizt werden? Ich weiß es nicht.