Donnerstag, 30. August 2012

Gabriele D'Annunzio - Trost


TROST
 
Nicht länger weine! der geliebte sohn
Kehrt heim zu dir. Er ist des lügens müde.
Komm mit hinaus! zeit ist es neu zu blühen ·
Du bist zu weiss · dein antlitz gleicht einer lilie.

Komm mit ins freie! der verlassne garten
Bewahrt für uns noch manchen seitenweg.
Ich sage dir wie das geheimnis süss ist
Das auf gewissen fernen dingen schwebt.

Noch manche rose ist am rosenbusche.
Noch manches kraut gibt schüchtern seinen duft.
Obwohl verlassen wird die teure stätte
Noch lächeln wenn du lächeln wirst.

Ich sage dir wie süss das lächeln ist
Gewisser dinge die vergessen dulden.
Was dächtest du wenn jetzt mit einem male
Die erde dir zu füssen blumen brächte?

Dies wird geschehen wenn es auch kein mai ist.
Komm mit · bedecke nicht dein haupt! sanft ist
Septembersonne und noch scheint kein silber
Auf deinem haupt und fein ist noch die falte.

Warum verweigerst du mit müdem blicke?
Die mutter tut des guten sohnes willen ·
Du musst ein wenig sonnenschein geniessen ·
Ein wenig sonne auf dein weisses antlitz.

Du musst getrosten mutes sein · du musst
An alle bösen dinge nicht mehr denken ..
Wenn wir nach jenen rosenbüschen gehen
So red ich leis und deine seele träumt.

Träume · träume! teure seele. Alles
Wird wie in den vergangnen jahren sein.
Ich will in deine reinen hände legen
Mein ganzes innre. Nichts ist noch verloren. 

Träume · träume! ich will dein leben leben ·
In einem neuen leben tief und einfach
Erstehn. Die leichte hostie die reinigt
Ich will aus deinem finger sie empfangen.

Träume! da des träumens zeit gekommen.
Ich rede. Sag · versteht mich deine seele?
Sieh! in den lüften schaukelt und entfacht sich
Fast das gespenst von einem toten mai.

September (sag! vernimmt mich deine seele?)
Hat in den düften und in seiner blässe
So etwas wie die düfte und die blässe
Von einem lenz der aus dem grabe steigt.

Träumen wir! es ist die zeit zu träumen ·
Und lächeln wir! dies hier ist unser lenz.
Zuhause später in den abendstunden
Schlag ich den flügel wieder auf und träume. 

Wie lang lag er im schlaf der flügel! damals
Schon fehlte eine saite · eine saite
Fehlt immer und die tasten mahnen an
Der ahnin wächserne und schmale hände.

Inzwischen von dem abgeblassten vorhang
Wird ein geruch ein zarter sich verbreiten ·
(Du hörst mich?) etwas wie der schwache atem
Von veilchen die ein wenig schon im welken.

Ich werde einen alten walzer spielen
Sehr alt sehr edel · auch ein wenig traurig ·
Der klang wird heiser und verschleiert sein
Als ob er aus dem andern zimmer käme.

Für dich allein will ich ein lied verfassen
Das dich wie eine wiege schaukeln soll
Nach einem alten tone · doch mit etwas
Nachlässiger und schwanker zierlichkeit. 

Wie in der fernen zeit wird alles sein ·
Die seele einfach werden wie sie war
Und wenn du wünschest sachte zu dir kommen
Wie in die hohle hand das wasser kommt.

Gabriele D'Annunzio übersetzt von Stefan George

Egon Schiele 1910 Porträt des Karl Zakovsek

Trost ist zwischenmenschliche Zuwendung an jemanden, der trauert oder anderen seelischen bzw. körperlichen Schmerz zu ertragen hat. Derjenige wird getröstet. Trost kann durch Worte, Gesten und Berührung gespendet werden. Der Schmerz und die Traurigkeit des Getrösteten sollen gelindert werden; er soll spüren, dass er nicht allein gelassen ist; seine seelische Verfassung soll gestärkt werden.
Das Wort Trost hängt etymologisch mit dem indogermanischen Wortstamm treu zusammen und bedeutet eigentlich (innere) Festigkeit. Das griechische Wort für „Trost“ bedeutet auch „Ermutigung“.
 
George, Stefan: Zeitgenössische Dichter. Übertragungen, Zweiter Teil, Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 16, Berlin 1929, S. 66-71.

1 Kommentar:


  1. Wird jemand getröstet, wenn er getröstet wird. Manchmal. Manchmal nicht. Wenn einer untröstbar ist, ist der Tröster untröstlich. Das tut auch weh. Manchmal beiden.

    Getrost. Ein seltsames Wort. Ruhig, sorglos, bedenkenlos. Als wäre man blindgetröstet worden, vorher, als noch Angst war.

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