Ich
verbringe diesen ersten Teil meiner Sommerferien gemeinsam mit unzähligen anderen
Europäern aus den kälteren Regionen unseres gemeinsamen Kontinents, die einen
Großteil des Jahres in irgendeiner Form von Regenschutzkleidung verbringen, und
sich deshalb jeden Sommer sonnenhungrig auf den Treck nach Süden begeben und komme
so in den fragwürdigen Genuss des Anblicks touristischer mittelständischer Sommerbekleidung
bei Temperaturen, die in unseren jeweiligen Heimatländern nur an hohen
Feiertagen erreicht werden.
Im
Zuge der globalen Erwärmung könnte das auch DER Sommertrend für Grön- oder
Island und Alaska 2025 werden.
Typ
A, das Schönste zuerst: Nichts geht
über nackte fahle Männerbeine liebevoll dekoriert mit weißen wadenhohen Tennis-Socken
und festen bräunlichen orthopädischen Sandalen. Nichts. Das ist Sex pur. Man addiere weite, mit dem Bund direkt
unter der beträchtlichen Bauchwölbung sitzende, farbenfrohe Shorts und ein
T-Shirt in den Farben der bevorzugten Fußballmannschaft, oder subtrahiere, im
ärgsten Fall, besagtes T-Shirt und gewinne damit den Anblick zweier männlicher
C-Cups nach dem fünften jahrelang gestillten Kind. Tiefdunkelbraungebrannt oder schmerzhaft grellrotverbrannt
macht das Manns-Bild übrigens noch anziehender. Eine Untergruppe sind die
supertrendigen Adidas, Nike und anderweitigen Sportbekleidungs-Liebhaber, die
vor etlichen zwanzig Jahren umjubelte Stars ihres örtlichen Handballclubs waren
und in der Zwischenzeit ihre damaligen Erfolge mit tausenden Humpen Bier
begossen haben.
Die
begleitende Ehefrau komplementiert durch Minirock im Psychedelik- oder
Dschungel-Look, oberarmfreien diamantenverzierten Hängerchen in A-Form, stark
geschminkt, fast ausnahmslos blondiert, oft auch onduliert. Vervollständigt wird der Look mit übergroßen Sonnenbrillen und ebensolchen Ohrgehängen und Ketten aus regionalem Anbau.
Und
diese Ensemble sind nicht etwa dem Strand vorbehalten, nein, man sieht sie im
Supermarkt, im Restaurant und auch beim abendlichen Barbesuch.
Es
ist übrigens wahr, zu viel Sonne schadet der Haut. Wirklich. Eine Millionen
eingebrannte Falten und einige oder sogar viele gelebte Falten machen einen
Unterschied im Gesamteindruck, einen Unterschied von circa zwanzig Jahren.
Typ
B hat beschlossen den gesamten Urlaub in Badehose, respektive Bikini
zuzubringen, aber leider bereits 1985 aufgehört die Veränderungen des menschlichen
Körpers im Zuge des Älter-und-fetter, bzw. hagerer Werdens in die Vorstellung
von der eigenen Außenwirkung einzubeziehen.
Typ
C, trainiert täglich und hart, und will dafür durch bewundernde Blicke belohnt werden und folgt man nicht willig, so gebraucht er Gewalt, sprich, mehr muskelgestählte,
ölglänzende Nacktheit am Nachbartisch als meinem Appetit zuträglich ist.
Der
jugendliche Teil der Miturlauber entwickelt unter der verwöhnenden Sonne des
Südens einen ganz eigenen Sinn für Humor. Warum nicht mal im rosa Baströckchen und
plastener Blumenkette flanieren? Wie viele supergeile Sprüche passen auf ein
bauchfreies Hemdchen? Sind knallpink, -grün, -gelb, sprich jede Art von Neon, hilfreiche
Tarnfarben für normale pubertäre Haut- und Haltungsprobleme?
Fast
jeder verabscheut die Mode, die er vor zehn Jahren geliebt hat, Humana lebt
davon, aber wohin mit den in die Jahre gekommenen Tattoos, den auf
Topflappengröße gedehnten Ohrläppchen? Wie viele Piercinglöcher verträgt ein nettes, harmloses Kindergesicht, bevor es aus der Wange weint?
Bitte,
versteht mich nicht falsch, ich liebe Tattoos und plane seit Jahren ein eigenes,
und dann denke ich an die Kleidchen, die ich früher geliebt habe und in denen
ich mich heute nicht mal mehr im Stockdunkeln zeigen würde.
Was
mich bei alldem beunruhigt sind zwei Dinge, die uninteressierte, nahezu feindliche Fremdheit mit
der wir unseren Körpern begegnen und die hypnotisierte Verblödung mit der wir
kaufen und tragen, was niemand bei klarem Verstand als schön, witzig oder
kleidsam bezeichnen würde. Geiz ist geil*, schlechter Geschmack ist geiler, wie
Unkraut.
Natürlich laufen hier auch unzählige reizend anzusehende, gut gekleidete Menschen herum, meistens Spanier.
Traurige Füße
*
Geil
- in der Biologie ein besonderer Wuchszustand von Pflanzen, wenn die
generative Wachstumsphase abgeschlossen ist und sie bei Mangel an
photosynthetisch nutzbarem Licht weiterwachsen müssen.
Zu der Anmerkung:
AntwortenLöschenGeile Petersilie kenn ich. Sie wächst in dunklen Küchenecken aus dem Topf bleich und sinnlos mit winzigen Blättchen in die Länge und kann sich aus eigener Kraft nicht aufrecht halten. Man kann sie nur wegschmeißen.
Zu den Anblicken:
Ganz und gar nackig und braun, egal in welcher Form, sieht immer gut aus.
Aber nackig mit strategisch plazieren Kleidungsstücken im örtlichen Supermarkt ist irritierend.
AntwortenLöschenJa. Sehr. Aber dann ist man eben auch nicht mehr nackig. Höchstens ausgezogen. Und das ist heikel.
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