Mittwoch, 28. September 2011

Grün - ja grün sind alle meine ...


Als Kind dachte ich, das Weihnachtslied hieße "O Hannebaum, o Hannebaum,
wie grün sind Deine Blätter..."
Das denke ich jetzt nicht mehr. Schade.
Grün ist eine komische Farbe. Klar, Natur ist oft grün, aber ich zum Beispiel mag
Herbstblätter in rot und gelb lieber.
Grün waren die Polizeiuniformen und die der NVA. Ein häßliches Grün.
Freunde mußten in diesem gräßlichen Zeug gute Lebenszeit vergeuden.
Grün vor Neid mag ich nicht sein. Grün im Gesicht schon gar nicht.
Grün hinter den Ohren bin ich schon lang nicht mehr.
Aber, aber, wenn im März die ersten Sprößlinge sprießen, dann bin auch
ich ekstatisch und hoffe und erwarte und ahne.
Das ist so ein schüchternes Grün, ein Versuch von Grün, ein kleiner Frost
könnte es vernichten, aber es traut sich doch. 
"Es grünt so grün, wenn..."
Olivenbäume haben ein schönes Grün, ganz staubig und verdeckt. Und wenn
sie ganz alt sind, sehen sie aus, wie Greise in uralten, zerfaserten  Lodenmänteln.
Schimmel kann manchmal ein anheimelndes Graugrün haben.
Ich bin dem Grün nicht ganz grün. 
Aber ich besitze einen grünen Sessel.

Der Mai macht alles grün,  
Nur meine Hoffnung nicht.  
Er macht die Rosen blühn,  
Wie euer Angesicht,  
Und läßt die Sonne glühn,  
Wie euer Freudenlicht.
Der Mai macht alles grün,
Nur meine Hoffnung nicht. 
 
Der Mai macht alles grün,
Auch meiner Kinder Grab.

Mit seinem Thaue sprühn

Die Thränen mir hinab,

Und seine Lüfte mühn

Sich mit den Seufzern ab.

Der Mai macht alles grün,

Auch meiner Kinder Grab.

Friedrich Rückert

Gustav Klimt Bauerngarten mit Blumen
 

Du gibst Grün für mein Blau

du trägst

die verschriebenen 

worte

unter das fenster

leer geworden

erblassen sie

bis zur erinnerung

wir tauschen

du gibst grün

für mein blau

Hermann Josef Schmitz



Über das Frühjahr

Lange bevor
Wir uns stürzten auf Erdöl, Eisen und Ammoniak
Gab es in jedem Jahr
Die Zeit der unaufhaltsam und heftig grünenden Bäume
Wir alle erinnern uns
Verlängerter Tage
Helleren Himmels
Änderungen der Luft
Des gewiß kommenden Frühjahrs.
Noch lesen wir in Büchern
Von dieser gefeierten Jahreszeit
Und noch sind schon lange
Nicht mehr gesichtet worden über unseren Städten
Die berühmten Schwärme der Vögel.
Am ehesten noch sitzend in Eisenbahnen
Fällt dem Volk das Frühjahr auf.
Die Ebenen zeigen es
In aller Deutlichkeit.
In großer Höhe freilich
Scheinen Stürme zu gehen:
Sie berühren nur mehr
Unsere Antennen.

Bertolt Brecht 1928


Die wüsten Straßen fließen lichterloh
Durch den erloschnen Kopf. Und tun mir weh.
Ich fühle deutlich, daß ich bald vergeh –
Dornrosen meines Fleisches, stecht nicht so.
Die Nacht verschimmelt. Giftlaternenschein
Hat, kriechend, sie mit grünem Dreck beschmiert.
Das Herz ist wie ein Sack. Das Blut erfriert.
Die Welt fällt um. Die Augen stürzen ein.

Alfred Lichtenstein


3 Kommentare:

  1. Burkhard wrote: "Das Grün sei "wie eine dicke, sehr gesunde, unbeweglich liegende Kuh, die nur zum Wiederkäuen fähig mit blöden, stumpfen Augen die Welt betrachtet." (Kandinsky 1952)"

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  2. In Verbindung mit dem Rückert Gedicht liegt eine tiefe Trauer in dem Bauerngarten mit Blumen von Klimt. Er hat die Pracht des Vergehens für uns festgehalten. Ein wunderschönes Bild.

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  3. Der Grüne Kopf im Berliner Neuen Museum: ein unheimliches nichtgrünes Grün.

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