David Alan Chipperfield, er lebe: Hoch! Hoch! Hoch!
Er hat zwar dieses Jahr schon, zusammen mit Julian Harrap, den Deutschen Architekturpreis für den Wiederaufbau des Neuen Museums erhalten, aber das ist einfach nicht genug. Und das Museum selbst hat auch jede Menge Preise für seine wieder- und neuerschaffene Schönheit verliehen bekommen, den Mies-Van-Der-Rohe-Preis der EU für die gelungene Kombination von „zeitgenössischer Architektur, Restaurierung und Kunst“ und den Architekturpreis "Große Nike" und und und, aber auch das reicht nicht. Die Restaurierung dieses 1855 eröffneten, im Zweiten Weltkrieg zertrümmerten, und dann fast 50 Jahre als ruinierter Restehaufen vor sich hinsiechenden Gebäudes ist ein Kunstwerk und ein höflicher Liebesakt und fast ein Wunder. Mein Gott, ist das schön und frech und witzig und herrlich.
Da baut der Kerl in die Eingangshalle eine riesige Betontreppe mit Terrazzostufen und einem Treppengeländer, das man nicht wieder loslassen möchte, ganz weich und mit einer abgerundeten Griffrinne für die Finger. Und ich war erst mal schockiert, natürlich, das will er. Denn in diesem Haus ist immer klar, was alt ist und was neu hinzugebaut wurde. War der ursprüngliche Boden aus Marmor, ist er dort, wo er kaputt war, durch eben Terrazzo ersetzt worden. Aber es entsteht nicht der Eindruck von Abweisung oder Distanzierung, sondern von zärtlichem Unterstützen, wobei die neuen Teile durchaus selbstbewußt daherkommen. War noch Putz da, blieb er, und die übrige Wand ist jetzt unverputzt gemauert oder zurückhaltend gestrichen.
Zum Beispiel das Treppenhaus:
Damals
Heute
Foto: Wolfgang Bittner, Landesdenkmalamt Berlin
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Und in einigen Sälen gibt es gußeiserne verzierte 'Bogensehnenträger', die sind original und wirken fast wie aus einem Industriebau des 19. Jahrhunderts und geben ihren Räumen etwas ganz Leichtes, Durchsichtiges, als ob sie die Schwere der Decke aufheben.
Der Niobidensaal |
Tausende Details und ein beglückender Gesamteindruck, und dann kann man sich noch Frau Nofretete ansehen, die perfekte Version einsam in einem Rundsaal, und eine zweite, nun mit Gatten Echnaton, grau und leicht angeschlagen, aber fast noch schöner einen Saal weiter.
Irgendwie hat das Gebäude für mich etwas sehr weibliches und der alten Dame wird ihre Würde nicht genommen, sie wurde als so schön angesehen, dass es keiner verlogenen Maske bedurfte. Bitte hingehen.
Ausschnitt aus einem Interview mit David Chipperfield in Designline Living, einem Online Magazin für Produkt- und Interiordesign
Autor: Norman Kietzmann
Welchen Eindruck hatten Sie, als Sie das Neue Museum 1994 zum ersten Mal betreten haben?
Ich war beeindruckt von der Kraft, die das Gebäude als Ruine ausstrahlte. Ruinen haben diese seltsame physische Intensität, die manchmal stärker sein kann als die eines fertigen Gebäudes. Vor allem moderne Architektur tendiert dazu, einen Teil ihrer physischen Wirkung durch ihre Ganzheit zu verlieren. Im Neuen Museum gab es diesen sehr starken Sinn für Textur und Materialität. Eine Qualität, die ich bei der Restaurierung nicht verlieren wollte. Doch darin lag zugleich der Anstoß für die Kritik: Viele dachten, dass wir die Zerstörung konservieren würden. Dabei haben wir versucht, das Gegenteil zu tun. Wir wollten den Schaden reparieren, ohne die vorhandene Substanz zu zerstören. Das bedeutet aber auch, dass man einen Bruch zwischen Altem und Neuem akzeptieren muss. Wollte man diese Trennlinie aufheben, müsste man das Alte zerstören. Wir haben versucht, das Alte und Neue zusammenzubringen, es zur selben Zeit aber auch aus einem anderen Blickwinkel zu sehen.
Was auffällt, ist die Zurückhaltung, mit der Sie die neuen Elemente entworfen haben. Wie würden Sie das Zusammenspiel mit der historischen Substanz beschreiben?
Das Neue folgt einer sehr ruhigen, modernen Sprache, um den Reichtum des Alten hervorzuheben. Ähnlich dem Verfahren, mit dem auch antike Vasen restauriert werden. Die einzelnen Scherben für sich bleiben kaum mehr als unverständliche Fragmente. Dennoch lässt sich aus ihnen wieder die originale Form herstellen. Anstatt die zerstörten Dekore zu imitieren, wird für sie ein passives Material verwendet. Es unterstützt die originalen Teile und gibt ihnen ihre Bedeutung wieder zurück. Ohne dieses passive Material würden sie jedoch nicht mehr verständlich sein. Diese Technik der sanften Reparatur wird in der Archäologie sehr gut verstanden, ebenso in der Malerei. In der Architektur ist sie immer noch ein Novum. Ich denke, dass die Leute das Projekt vielleicht aber auch gerade deswegen mögen: Weil wir auf der einen Seite Respekt vor der Geschichte zeigen, sie auf der anderen Seite aber nicht wortwörtlich kopieren. Ich mag die Idee, dass die Menschen Architektur verstehen. Architektur bedeutet für mich nicht, etwas betont Cleveres zu machen, das erst noch jemand erklären muss.
Was macht gute Architektur für Sie aus?
Dass sie eine bestimmte Intensität in ihrer Idee hat. Dass sie etwas bedeutet und nicht leer ist. Ich glaube, wenn ich ein Gebäude entwerfe, bin ich recht konservativ in meinen Meinungen über bestimmte Dinge. Räume sind mir sehr wichtig. Ich denke, wir produzieren in unserer modernen Gesellschaft zu viele Räume, die unverständlich und entfremdend sind. Sie geben uns nicht das Wohlbefinden, das wir als Individuen brauchen. Dabei sollte die Architektur genau dieses wieder einräumen. Ähnlich dem alten Renaissance-Gedanken, das Individuum in den Mittelpunkt zu stellen. Ich frage mich bei neuen Räumen immer, wie es wäre, dort zu sein. Wie fühlen sie sich an? Mein Ideal ist ein Wohlbefinden, das dem Einzelnen eine Position, einen Status gibt – und ihn nicht auf etwas Unbedeutendes reduziert. Wenn man dann einen Raum entwirft, geht es um Entscheidungen, die im Grunde recht einfach sind. Man darf nur nicht zu kompliziert werden.
Was unterscheidet einen komfortablen Raum von denen, die es nicht sind?
Proportionen haben für mich viel mit dem Gefühl in einem Raum zu tun. Historisch gesehen ist Architektur sehr stark auf uns selbst ausgerichtet. Sie wurde gemacht, um darin zu leben. Die Dimensionen von Fenstern, Türen oder Raumhöhen folgen menschlichen Maßen. Gebäude waren also sehr eng mit den Menschen selbst verbunden. Doch in der modernen Welt gibt es keinen Grund mehr, an diesem Verhältnis festzuhalten. Es ist technisch möglich, sämtliche Dimensionen frei zu wählen. Kulturell gibt es dadurch aber ein Problem, über das wir intellektuell viel stärker nachdenken sollten. Es geht darum, wie man das Verhältnis zwischen dem Individuum und der gebauten Umgebung wieder herstellen kann. Denn wenn technisch alles möglich ist, muss die allererste Frage lauten: Was wollen wir nicht tun?
Ich war beeindruckt von der Kraft, die das Gebäude als Ruine ausstrahlte. Ruinen haben diese seltsame physische Intensität, die manchmal stärker sein kann als die eines fertigen Gebäudes. Vor allem moderne Architektur tendiert dazu, einen Teil ihrer physischen Wirkung durch ihre Ganzheit zu verlieren. Im Neuen Museum gab es diesen sehr starken Sinn für Textur und Materialität. Eine Qualität, die ich bei der Restaurierung nicht verlieren wollte. Doch darin lag zugleich der Anstoß für die Kritik: Viele dachten, dass wir die Zerstörung konservieren würden. Dabei haben wir versucht, das Gegenteil zu tun. Wir wollten den Schaden reparieren, ohne die vorhandene Substanz zu zerstören. Das bedeutet aber auch, dass man einen Bruch zwischen Altem und Neuem akzeptieren muss. Wollte man diese Trennlinie aufheben, müsste man das Alte zerstören. Wir haben versucht, das Alte und Neue zusammenzubringen, es zur selben Zeit aber auch aus einem anderen Blickwinkel zu sehen.
Was auffällt, ist die Zurückhaltung, mit der Sie die neuen Elemente entworfen haben. Wie würden Sie das Zusammenspiel mit der historischen Substanz beschreiben?
Das Neue folgt einer sehr ruhigen, modernen Sprache, um den Reichtum des Alten hervorzuheben. Ähnlich dem Verfahren, mit dem auch antike Vasen restauriert werden. Die einzelnen Scherben für sich bleiben kaum mehr als unverständliche Fragmente. Dennoch lässt sich aus ihnen wieder die originale Form herstellen. Anstatt die zerstörten Dekore zu imitieren, wird für sie ein passives Material verwendet. Es unterstützt die originalen Teile und gibt ihnen ihre Bedeutung wieder zurück. Ohne dieses passive Material würden sie jedoch nicht mehr verständlich sein. Diese Technik der sanften Reparatur wird in der Archäologie sehr gut verstanden, ebenso in der Malerei. In der Architektur ist sie immer noch ein Novum. Ich denke, dass die Leute das Projekt vielleicht aber auch gerade deswegen mögen: Weil wir auf der einen Seite Respekt vor der Geschichte zeigen, sie auf der anderen Seite aber nicht wortwörtlich kopieren. Ich mag die Idee, dass die Menschen Architektur verstehen. Architektur bedeutet für mich nicht, etwas betont Cleveres zu machen, das erst noch jemand erklären muss.
Was macht gute Architektur für Sie aus?
Dass sie eine bestimmte Intensität in ihrer Idee hat. Dass sie etwas bedeutet und nicht leer ist. Ich glaube, wenn ich ein Gebäude entwerfe, bin ich recht konservativ in meinen Meinungen über bestimmte Dinge. Räume sind mir sehr wichtig. Ich denke, wir produzieren in unserer modernen Gesellschaft zu viele Räume, die unverständlich und entfremdend sind. Sie geben uns nicht das Wohlbefinden, das wir als Individuen brauchen. Dabei sollte die Architektur genau dieses wieder einräumen. Ähnlich dem alten Renaissance-Gedanken, das Individuum in den Mittelpunkt zu stellen. Ich frage mich bei neuen Räumen immer, wie es wäre, dort zu sein. Wie fühlen sie sich an? Mein Ideal ist ein Wohlbefinden, das dem Einzelnen eine Position, einen Status gibt – und ihn nicht auf etwas Unbedeutendes reduziert. Wenn man dann einen Raum entwirft, geht es um Entscheidungen, die im Grunde recht einfach sind. Man darf nur nicht zu kompliziert werden.
Was unterscheidet einen komfortablen Raum von denen, die es nicht sind?
Proportionen haben für mich viel mit dem Gefühl in einem Raum zu tun. Historisch gesehen ist Architektur sehr stark auf uns selbst ausgerichtet. Sie wurde gemacht, um darin zu leben. Die Dimensionen von Fenstern, Türen oder Raumhöhen folgen menschlichen Maßen. Gebäude waren also sehr eng mit den Menschen selbst verbunden. Doch in der modernen Welt gibt es keinen Grund mehr, an diesem Verhältnis festzuhalten. Es ist technisch möglich, sämtliche Dimensionen frei zu wählen. Kulturell gibt es dadurch aber ein Problem, über das wir intellektuell viel stärker nachdenken sollten. Es geht darum, wie man das Verhältnis zwischen dem Individuum und der gebauten Umgebung wieder herstellen kann. Denn wenn technisch alles möglich ist, muss die allererste Frage lauten: Was wollen wir nicht tun?
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