Leipzig 1996, meine erste Premiere als Regisseurin auf einer großen Bühne, „Frühlingserwachen“; meine persönliche Fangruppe bestehend aus Mutter und Vater (also muss ich sie mit meiner Schwester, der Kostümbildnerin, teilen) ist angereist, sehr aufgeregt und rührenderweise sehr stolz. Viele der Darsteller sind Schauspielstudenten und mein Vater wandert nach der Vorstellung durch das Foyer und gratuliert, meine Mutter kurz hinter ihm, nutzt Pausen, um erklärend einzuwerfen: „Er ist vom Fach!“ Sie will dem Lob dadurch größeren Wert geben, aber es schließt ein, dass viele der Kleinen noch nie von Ekkehard Schall gehört haben.
Na klar, Bühnenruhm ist gebunden an das Auf-der-Bühne-sein, die aktuellen Theatermoden und die Launen des Feuilletons. Weiß jeder. Schmerzhaft ist es trotzdem. Und immerhin er hat gespielt bis zum Schluss. Gott sei Dank.
Eine traurige Geschichte
(Überliefert von Klaus Piontek einem ganz wunderbaren, schrägen Schauspieler und Freund, der leider 1998 zu früh, viel zu früh verstorben ist.)
Circa 1958/59 war Klaus in Halberstadt engagiert, die übliche Provinztour der damaligen Zeit. Die Opernsparte hatte einen Chor und in diesem gab es einen Chorsänger, versoffen, schlecht riechend, unzuverlässig. Er wurde geduldet, jemandem zu kündigen war damals fast unmöglich. Eines Tages erscheint er nicht zur Probe, auch am nächsten nicht. Am dritten Tag entschließt man sich, nach ihm zu schauen. Die Wohnung oder eher das Zimmer wird aufgebrochen und man findet ihn tot vor. Die Einrichtung: ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl, ein Schrank. Auf dem Schrank ein abgenutzter Koffer. In dem Koffer – ein Leben. Theaterzettel, Programmhefte, vergilbte Kritiken, alte Verträge. Der jetzt Tote hatte einst große Rollen an der Met gesungen, war gefeiert und angehimmelt worden.
Wir könnten von Kränzen reden, die niemand flicht, müssen es aber nicht. Die Glorie des Theaters ist seine Unmittelbarkeit, der Moment des Spielens und der Moment des Zuschauens und Erlebens fallen zusammen. Da liegt die Kraft und die Erotik der alten Dame Theater, da liegt der Grund für ihr schlechtes Gedächtnis.
Aus: Wallenstein/Prolog
Gesprochen bei Wiedereröffnung der Schaubühne in Weimar im Oktober 1798
...
Denn schnell und spurlos geht des Mimen Kunst,
Die wunderbare, an dem Sinn vorüber,
Wenn das Gebild des Meißels, der Gesang
Des Dichters nach Jahrtausenden noch leben.
Hier stirbt der Zauber mit dem Künstler ab,
Und wie der Klang verhallet in dem Ohr,
Verrauscht des Augenblicks geschwinde Schöpfung,
Und ihren Ruhm bewahrt kein dauernd Werk.
Schwer ist die Kunst, vergänglich ist ihr Preis,
Die wunderbare, an dem Sinn vorüber,
Wenn das Gebild des Meißels, der Gesang
Des Dichters nach Jahrtausenden noch leben.
Hier stirbt der Zauber mit dem Künstler ab,
Und wie der Klang verhallet in dem Ohr,
Verrauscht des Augenblicks geschwinde Schöpfung,
Und ihren Ruhm bewahrt kein dauernd Werk.
Schwer ist die Kunst, vergänglich ist ihr Preis,
Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze;
Drum muss er geizen mit der Gegenwart,
Den Augenblick, der sein ist, ganz erfüllen,
Muss seiner Mitwelt mächtig sich versichern
Und im Gefühl der Würdigsten und Besten
Ein lebend Denkmal sich erbaun – So nimmt er
Sich seines Namens Ewigkeit voraus.
Denn wer den Besten seiner Zeit genug
Getan, der hat gelebt für alle Zeiten.
Drum muss er geizen mit der Gegenwart,
Den Augenblick, der sein ist, ganz erfüllen,
Muss seiner Mitwelt mächtig sich versichern
Und im Gefühl der Würdigsten und Besten
Ein lebend Denkmal sich erbaun – So nimmt er
Sich seines Namens Ewigkeit voraus.
Denn wer den Besten seiner Zeit genug
Getan, der hat gelebt für alle Zeiten.
...
Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst.
Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst.
Für die, die ihn nicht mehr kennengelernt haben Ekkehard Schall:
Noch ein Tipp:
Historische Tondokumente aus der Geschichte des Deutschen Theaters in Berlin
Drei CDs. Zweiundvierzig Historische Ton-Aufnahmen deutscher Theatergeschichte der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts.
Es knistert und knackt mehr als drei Stunden von alten Schellackplatten, gar von einer Edison- Wachswalze ist Josef Kainz zu hören - im berühmtesten aller Monologe- Sein oder Nichtsein? - Moissi als Franz Moor, Paul Wegener als Nathan, Tilla Durieux als Klytemnestra, Bassermann als Michael Kramer, als Attinghausen und als Striese aus dem "Raub der Sabinnjerinnen", die Bergner als Fräulein Else, Jannings als Dorfrichter Adam, Heinrich George als Jean Jaurès, Werner Krauss als Wallenstein und als Falstaff, Paul Wegener als Kottwitz, Käthe Dorsch als Katharina, die Widerspenstige, gezähmte? ... Kortner und Bois berichten amüsant und sehr persönlich von ihrer Begegnung mit dem großen Reinhardt. Einer der Höhepunkte - Max Reinhardt selbst - "Über den Schauspieler", ein Redeausschnitt aus dem Jahre 1929.
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