Freitag, 27. Dezember 2013

2013 - Das Jahr 55 meiner Zeitrechnung


Rückblick.

Arbeitsstationen: Fiesco - Ingolstadt, spannend, überraschend tagespolitisch und unordentlich; irritiert aufgenommen. Die Bibel - Augsburg, höchst amüsante Begegnung mit dem achtzehnjährigen Berthold Brecht, den professionelle Theaterbeschauer lieber als geborenen Epiker sehen wollen. Münchhausen - Detmold, gute Arbeit in gräßlicher Stadt, die gewöhnliche Grippe wird hier fast zum Arbeitsverhinderer. Es war dieses Jahr überhaupt viel zu lang viel zu kalt. Heilbronn - Cyrano, tolles Haus, gute Leute, Degenkämpfe, Männerprobleme, Worte, Reime, Verse, der Frühling beginnt. Dann viele Monate in intimstem Kontakt mit Shakespeares Königsdramen, Ersaufen, Begreifen, Verlieren, Mut gewinnen, Überforderung, Verstehen, Lust, Ehrgeiz. Könige - Bremen: Arbeit auf Augenhöhe, Partnerschaft im Denken. Warum werden Schauspieler nicht annähernd so gut wie andere hochqualifizierte Fachleute bezahlt? Die Maßnahme/Mauser - Rostock, Erinnerungen an das eigene erste Zusammentreffen mit der gnadenlosen, erleuchtenden, apokalyptischen Weltsicht von Dichtern, denen "die Parzen bei der Geburt die Augenlider weggeschnitten haben", auch wenn sie versucht haben, diese Augen fest zusammenzukneifen. Achterbahnfahrt, heiß & kalt & lau, viele Welten und ein Kopf. Ich bin eine professionelle multiple Persönlichkeit. 
Den anderen Teil des Lebens, den privaten, lasse ich hier weg. Die, die es betrifft, wissen wie ich fühle.

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Wenn ich meine Lebensjahre verdoppele, erreiche ich eine Zahl über einhundert. Wahnsinn. Das werde ich nicht erleben, nicht bei meinem Zigarettenkonsum, nicht mit meiner Art zu leben. Einerseits weiss ich, wie lange Zeit ich schon lebe, andererseits erscheint mir die Vorstellung, so alt zu sein, merkwürdig unglaubwürdig, ganz besonders im Gespräch mit manchen Zwanzigjährigen.
Was ist das - mein Alter? Für mich, und dies gilt nur für mich - weniger Zeit Fehler zu begehen, weniger Zeit nochmal von vorn zu beginnen, weniger Zeit. 
Aber auch, und das ist zugegebenermaßen völlig unlogisch, weniger Ungeduld, weniger herablassender Zorn, weniger Bemühung ums Liebgehabtwerden. 
Aber auch weniger Milde, weniger Interesse an Halbherzigkeiten, weniger Selbstbetrug (hoffe ich).
Aber auch, gelegentlich, die gleiche Verwirrtheit, Absolutheit, Unbelehrbarkeit & Närrischkeit* wie früher schon. Gott sei Dank. 
In Nordamerika steht auf jedem Rückspiegel eines Automobils: Objekte im Spiegel sind näher als sie erscheinen. Stimmt.

* A Narreschkeit gedenkt sich. (Jüdisch-deutsches Sprichwort)
Eine Dummheit. – Als Einschaltung bei sehr ausführlicher Erzählung eines frühern Erlebnisses.


3 Kommentare:

  1. Und dennoch lohnt es sich in die Zukunft zu sehen...
    Alles Gute für das kommende Jahr wünscht Elvira

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  2. Unbedingt in die Zukunft sehen! Alles Gute auch für Sie/Dich! Johanna

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  3. Liebe Johanna Schall, das haben Sie sehr treffend beschrieben, wie man sich als über 50-Jährige fühlt. Ich bin eine frühere Freundin Ihres Vaters, habe viele BE-Inszenierungen voller Begeisterung gesehen (vor allem in den 70ern) und bin inzwischen selbst 60, war kürzlich schwer krank, habs überlebt. Aber Ihre Worte über das Altern gehen mir wirklich sehr nahe, ich reflektiere das ähnlich. Alles Gute im neuen Jahr, Jenny

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