Mittwoch, 26. September 2012

Altweibersommer


Altweibersommer

Septembergold und neuer Wein.
Ich hab gewollt es war aus Stein,
mein Herz aus Gold.

Oktoberrot und Hasenjagd.
Die Liebe tot.
Die Leiche fragt nach Lippenrot.

Novembergrau, die Toten ruhn.
Mein Haar wird grau, ich färb es nun:
Altweiberblau.

Ingrid Noll

George Inness Altweibersommer 1894

Die Irokesen erzählen sich die Legende von der Jagd auf den großen Bären. Jeden Herbst verfolgen zwei Jäger den großen Bären, dessen magische Kraft ihn hoch in den Himmel trägt. Doch die unermüdlichen Jäger und ihr Hund folgen ihm auch dorthin und erlegen ihn nach langer Hatz. Das Blut des Bären tropft auf die Erde und färbt die Blätter des Ahornbaumes rot. Wenn man zum Himmel sieht, kann man den Großen Bären (das aus vier Sternen gebildete Trapez im Sternbild des Großen Wagens) und dicht dahinter die beiden Jäger und ihren Hund (die drei Deichselsterne) erkennen. (Wiki)

Freitag, 21. September 2012

Toronto


Toronto. Keine Stadt für den touristischen Erlebnisurlaub. Aber gut zum drin leben. Und mit wunderbarem Licht und überraschenden Himmeln. Viel Wind vom großen See an dem es liegt, unzählige Parks, große und winzige. Häßliches und hinreißend Schönes.
Eine sehr große Kleinstadt, oder kleinstädtische Großstadt.
Ich bin gern hier.

© Messier Photography Vielleicht Toronto, vielleicht auch nicht, aber schön.

Mittwoch, 19. September 2012

Alter ist auch keine Leistung


Jeder kann alt werden, man muß nur lange genug leben.
Anyone can get old. All you have to do is live long enough.
Groucho Marx 

Im Augenblick bin ich als Deutsche in Kanada irgendwie in zwei Zeitzonen, zwischen einem Lebensjahr und dem nächsten. Hier noch jünger, dort schon älter. Gleichzeitig so und so alt, oder wie man's neckisch umschmeicheln könnte: so jung. Von wegen.

Ja, älter werden ist lästig. Weiß jeder. 
Gebrechen, was für ein Wort, irgendwo zwischen zerbrochen und zum Brechen, Wehwehchen, wie niedlich, nur ein kleines Humpeln, ein bischen Kreuzschmerz. Wie süß.
Nennen wir es beim Namen - Abbau, Abnutzung, langsamer Verfall, Ruin. 
Manches kommt schleichend, anderes sprunghaft, überfallartig. Gestern war mein Kinn doch noch weiter oben? Was ist passiert? Die Dame Gravitation, und sie muß eine Dame sein, anhänglich, ausdauernd, fies, hat hintertückische Tricks drauf. Was oben war, wird weiter unten sein, darauf ist Verlaß.
Kann nicht sagen, dass ich mich darüber freue, aber (noch) es ist nicht allzu lästig. 
Und kürzlich habe ich jemanden getroffen, den ich in seiner ersten Jugendblüte kennengelernt hatte, und jetzt, nur wenige Jahre später...
Ob eine gewisse Gemeinheit auch eine Alterserscheinung ist?

Die Jugend ist etwas Wundervolles. Es ist eine Schande, daß man sie an Kinder vergeudet.
G. B. Shaw

Ja, aber mit dem Alter wird man klüger. Wirklich? 
Ich sehe eher, dass man älter werdend, immer mehr das wird, was man schon immer war. Und das kann auch heißen, man war dumm und wird noch dümmer, oder andersrum.

Und es gibt die unentrinnbare ich-werde-wie-meinVater/meine Mutter Mutation. Nichts zu machen, irgendwann steht man irgendwo und tut, denkt, sagt irgendwas - man erstarrt kurz und bemerkt bestürzt, genau wie Vater/Mutter und meist ist es etwas, das man am jeweiligen Elternteil besonders wenig gemocht hat, um nicht zu sagen, man hat es noch vor wenigen Jahrzehnten gehasst!

Ja, aber zumindest ist Alter demokratisch - es trifft alle. 

Und Jugend ist übrigens auch keine Leistung.

Ja.
Ja, ist wohl das einzig Sinnvolle was man zum Alter sagen kann, komm schon, ich nehme dich, ich lebe dich, solange wie möglich, mit so viel Spaß wie möglich, mit Humor, mit etwas Zynismus. 
Und ich war früher schlau, und werde immer schlauer!



Dienstag, 18. September 2012

Bullshit*


Nun bist du mit dem Kopf durch die Wand.
Und was wirst du nun 
in der Nachbarzelle tun?
 
Stanislaw Jerzy Lec
Polen 1906 - 1966 

* bullshit: eine kräftigere Form von Quatsch, Unsinn, Blödsinn. Es beinhaltet allerdings auch eine gewisse Bewunderung für die Erfindungskraft, die für das "bullshitting" aufgewendet wurde.

Sonntag, 16. September 2012

Newman & Redford - Der Inbegriff von COOL



Paul Newman und Robert Redford 

1969 in "Butch Cassidy and the Sundance Kid", in Deutschland auch unter dem idiotischen Titel "Zwei Banditen"  in die Kinos gekommen, und in "The Sting" bzw. "Der Clou" im Jahr 1974.

Zwei Filme, die ich in meinem Kopf habe, nahezu vollständig, obwohl ich sie seit 30 Jahren nicht wieder angesehen habe.

Bei beiden Filme führte George Roy Hill Regie, der auch "Garp und wie er die Welt sah" gedreht hat und "Slaughterhouse 5" aka "Schlachthof 5", nach dem Roman von Kurt Vonnegut.



BUTCH CASSIDY AND THE SUNDANCE KID
Der Western ---
mit der Musik von Burt Bacharach. Ich weiß noch wie Newman und Katherine Ross Fahrrad fahren, während B.J. Thomas "Raindrops keep falling on my head" sang. Immer durch die löchrigen Bretter einer Scheune oder eines Zaunes gedreht, Kitsch mit Gefühl für Distanz, und von hinreißender Unschuld. Wenn er ihr das Fahrrad vorstellt, sagt er: "Meet the future." Tausende Autoverfolgungsjagden später habe ich selten wieder das Gefühl von Lust an Geschwindigkeit so lustvoll erlebt, wie in dieser Fahrradfahrszene.

In Amerika nennt man das ein buddy movie, einen Kumpel Film, aber hier fühle ich mich als Frau nie ausgeschlossen, und war also bereit entspannt mitzufiebern.

Und dann am Ende, der Filmstopp - man weiß, die beiden sind eigentlich schon tot, auch wenn kurz vorher der Film angehalten wird. Das war für mich damals wirklich ungeheuerlich, Helden in Holywoodfilmen sterben nicht.
Hier tun sie es, mit unausweichlicher Grazie!

http://www.youtube.com/watch?v=P_5l6rIUu4A

THE STING
The caper Film, der "Gaunerfilm"---
spielt während der Großen Depression - was für ein psychologisch erstaunliches Wort für Rezession und Wirtschaftskrise - alles geht den Bach runter, oder härter formuliert, alles zerbirst, aber zwei Freunde tricksen sich 'trotz alledem' ins Glück.
Der nicht begangene Verrat, das eingehaltene Versprechen in einer Zeit der rücksichtslosesten Gier, macht mich, den Zuschauer, glücklich.
Unterlegt mit der Musik von Scott Joplin, erinnert ihr euch? "The Entertainer", ein unentrinnbarer Ohrwurm.


Ist es Nostalgie, wenn ich die hoffnugsvolle Anarchie dieser Art Film vermisse? Ganz nebenbei waren die beiden, Paul Newman und Robert Redford, auch noch sehr schön, so schön, dass sie schon wieder Spaß daran haben konnten.

Die peinliche Frage: Lieber postdramatischer fatalistischer Zynismus, oder Leck mich am Arsch anarchischer Hoffnungstraum? "Leck mich am Arsch" könnte man offizieller mit salopp umschreiben.

Sie gewinnen rein gar nichts, wenn sie antworten.

http://www.youtube.com/watch?v=xK5LepMOSiI

http://www.youtube.com/watch?v=osd89NHfdL4

COOL
Wiki sagt: Der Begriff wird einerseits zur saloppen Bezeichnung einer besonders gelassenenen oder lässigen, nonchalanten, kühlen, souveränen, kontrollierten und nicht nervösen Geisteshaltung oder Stimmung genutzt (vergleiche: Kühl bleiben, kühler Kopf im Sinne von „ruhig bleiben“). Andererseits ist cool als jugendsprachliches Wort zur Kennzeichnung von als besonders positiv empfundenen, den Idealvorstellungen entsprechenden Sachverhalten (ähnlich wie " geil“) gebräuchlich, im Sinne von „schön“, „gut“, „angenehm“ oder „erfreulich“.


Samstag, 15. September 2012

Theater - zum Spaß


Lange Jahre war das Theater verraten
an Kastraten und Literaten.
Wann bringt die Zeit wieder Spiele hervor,
die Bühnenfüllenden, die Lebendigen,
oder wann raffen empor sich die Toten
und heften die Warnung ans Bühnentor:
Den hier Unzuständigen
ist der Eintritt verboten!

Karl Kraus

Okcar Kokoschka 1925 Karl Kraus

K.K. Gedichte 1922 - 1930




Donnerstag, 13. September 2012

Edward Steichen - Malographer


Alle photographieren alles. Jeder Computer, jedes Telephon, wahrscheinlich jeder Fön kann photographieren, und auf Wunsch sogar "auf alt" mit Instagram. Neben den tausenden Bildern und Videos meiner Nichte, scheint meine kleine Kinderphotosammlung wie der erbärmliche Ostgemüseladen im Vergleich zur Obst- und Gemüseabteilung des KDW. Wenn Photos Abrieb bewirkten, gäbe es meine Nichte allerdings schon lange nicht mehr. 
Selbst das Klick, gibts nicht mehr und keine Wartezeit voller unruhiger Sorge, ob die "entwickelten" Bilder scharf sind, die Pupillen nicht rot, der Bildausschnitt richtig. 
1, 2, 3! Selbst das nicht mehr. 1! und schon fertig ansehbar, mit einem Knopfdruck löschbar, mit Photoshop verschönbar.
Nur was auf den Bildern zu sehen ist, ist meist noch genauso uninteressant wie eh und je.

Wer sich diese Milliarden Photos wohl anschaut? Ein bemitleidenswerter Archäologe des 23. Jahrhunderts wird vielleicht Jahre seines Lebens damit verbringen, aus digitalem Photomaterial, eine gründliche Darstellung des deutschen Touristen des frühen 20. Jahrhunderts zu erstellen.
Ja, und dann gibt es auch noch solche Photographien. Sie Photos zu nennen, grenzte an Schönheitslästerung.

EDWARD STEICHEN 1879 - 1973

Experiment in Drei-Farben-Photographie 1906

Das Teich im Mondlicht, Mamaroneck, New York 1904
Das Flatiron Gebäude, New York 1905
"Jeder andere Künstler beginnt mit einer leeren Leinwand, einem Blatt Papier, der Photograph beginnt mit dem fertigen Ergebnis."

"Every other artist begins with a blank canvas, a piece of paper, the photographer begins with the finished product." E.S.

Nieselregen auf der 40. Strasse, New York 1925

Alle Photgraphien © estate of Edward Steichen

Dienstag, 11. September 2012

Rainer Maria Rilke - Lied - Egon Schiele



Die Finger, die Finger! Das Ohr. Und eine Augenbraue!
Die trennt die gefaltete Stirn vom Jünglingsgesicht.
Was wird hier gedacht?

LIED

Du, der ichs nicht sage, dass ich bei Nacht
weinend liege,
deren Wesen mich müde macht
wie eine Wiege.
Du, die mir nicht sagt, wenn sie wacht
meinetwillen:
wie, wenn wir diese Pracht
ohne zu stillen
in uns ertrügen?
- - - - -
Sieh dir die Liebenden an,
wenn erst das Bekennen begann,
wie bald sie lügen.
- - - - -
Du machst mich allein. Dich einzig kann ich vertauschen.
Eine Weile bist dus, dann wieder ist es das Rauschen,
oder es ist ein Duft ohne Rest.
Ach, in den Armen hab ich sie alle verloren,
du nur, du wirst immer wieder geboren:
weil ich niemals dich anhielt, halt ich dich fest.

Rainer Maria Rilke

Egon Schiele, Selbstbildnis in oranger Jacke, 1913
Bleistift, Aquarell, Deckfarben, auf Japanpapier
Albertina, Wien

Montag, 10. September 2012

1958 - Ost-Berlin - DDR - Ich werde geboren


1958 ?

Jahrgang 1958, das bin ich. Aber dieses Jahr sagt mir nahezu nichts.

 Bis zum September war ich damit beschäftigt, die Stadien von Eizelle plus Spermie, über Lurch und Kriechtier in Richtung Embryo zu durchwandern, und den Rest des Jahres habe ich geschlafen, getrunken und wahrscheinlich geschissen und geschrien. 
Meine Mutter erzählt, dass sie, da sie, um eine Fehlgeburt zu vermeiden, sechs Monate Bettruhe üben musste, und deshalb von ihrer Mutter einen Fernseher geschenkt bekam, und die Ärzte ihr daraufhin, zum Schutz vor der Fernsehstrahlung, eine Asbest-Schürze umhängten. In ihrem Nachtschrank lag Thalidomid, besser bekannt als Contergan, für den Fall, dass sie Kopfschmerzen bekäme. Glücklicherweise bekam sie keine.
 
1958
 
Die Mauer war noch nicht gebaut, die Weltwirtschaft erlebt die erste Rezession der Nachkriegszeit, die Friedensbewegung, als Reaktion auf die atomare Aufrüstung entsteht, in Kuba wird Batista gestürzt.

1958 und die Welt
2. Januar 1958, das Ministerium für Kultur befiehlt den Kampf gegen "westliche Dekadenz" in der Tanz- und Unterhaltungsmusik der DDR. 60 Prozent aller öffentlich gespielten Musik muss aus sozialistischen Ländern kommen 

2. Januar, in Flensburg wird die deutsche Verkehrssünderkartei eingerichtet

4. Januar, 92 Tage nach seinem Start verglüht der sowjetische Satellit Sputnik 1 beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre.

3.-6. Februar, auf der 35. Tagung des Zentralkomitees der SED werden die Funktionäre Karl Schirdewan, Ernst Wollweber und Fred Oelßner ihrer Ämter enthoben. Erich Honecker wird Mitglied des Sekretariats des Zentralkomitees und des Politbüros der SED. 

17. Februar, Papst Pius XII. erklärt die heilige Klara von Assisi zur Schutzpatronin des Fernsehens.

25. April, Abschluss des ersten deutsch-sowjetischen Handelsabkommens. Es sieht einen auf drei Jahre befristeten Warenaustausch im Wert von 3,15 Milliarden D-Mark vor.

10.-16. Juli auf dem V. Parteitag der SED wird der "Sieg der sozialistischen Produktionsverhältnisse" als Hauptaufgabe aller Parteien und Massenorganisationen der DDR festgelegt. Außerdem wird der Beschluss gefasst, den Lebensstandard der Bundesrepublik bis 1961 zu überflügeln. 

8. Oktober, in Stockholm wird einem Menschen der erste Herzschrittmacher eingepflanzt.

Kinder im Betriebsferienlager in kleinen Rennautos, 1958
© www.ddr-fotos.de / Marco Bertram

Junge Pioniere mit Trompete und Trommel, 1958
© www.ddr-fotos.de / Marco Bertram

 Plakat für den 5. Parteitag der SED in Ostberlin 1958
© www.ddr-fotos.de / Marco Bertram

 Nikita Chruschtschow bei seinem Besuch 1958 in Ostberlin mit Walter Ulbricht © ullstein bild


Versandhaus Leipzig Frühjahr - Sommer 1958


Werbefoto für Glaswollfasern, DDR 1958 Als Mineralwolle werden Dämmstoffe aus Glaswolle und Steinwolle bezeichnet, umgangssprachlich auch Kamelit- oder Kamilitwolle genannt.

Fernsehgerät: "Alex". Hersteller: VEB Stern-Radio Berlin, 1958. Design: Horst Giese, Jürgen Peters, Studienarbeit an der Hochschule für bildende und angewandte Kunst Berlin, 1957 Foto: Günter Höhne  

FSO Strümpfe, VEB Feinstrumpfwerke Oberlungwitz
 

Sonntag, 9. September 2012

Grün - Böse Farbe, Gute Farbe



Die böse Farbe


Ich möchte ziehn in die Welt hinaus,


Hinaus in die weite Welt,


Wenn's nur so grün, so grün nicht wär


Da draußen in Wald und Feld!





Ich möchte die grünen Blätter all


Pflücken von jedem Zweig,


Ich möchte die grünen Gräser all


Weinen ganz totenbleich.





Ach Grün, du böse Farbe du,


Was siehst mich immer an,


So stolz, so keck, so schadenfroh,


Mich armen weißen Mann?





Ich möchte liegen vor ihrer Tür,


In Sturm und Regen und Schnee,


Und singen ganz leise bei Tag und Nacht


Das eine Wörtchen: Ade!





Horch, wenn im Wald ein Jagdhorn ruft,


Da klingt ihr Fensterlein,


Und schaut sie auch nach mir nicht aus,


Darf ich doch schauen hinein.





O binde von der Stirn dir ab


Das grüne, grüne Band,


Ade, Ade! und reiche mir


Zum Abschied deine Hand!






Die liebe Farbe


In Grün will ich mich kleiden,


In grüne Tränenweiden,


Mein Schatz hat 's Grün so gern.


Will suchen einen Zypressenhain,


Eine Heide voll grünem Rosmarein,


Mein Schatz hat 's Grün so gern.





Wohlauf zum fröhlichen Jagen!


Wohlauf durch Heid' und Hagen!


Mein Schatz hat 's Jagen so gern.


Das Wild, das ich jage, das ist der Tod,


Die Heide, die heiß ich die Liebesnot,


Mein Schatz hat 's Jagen so gern.





Grabt mir ein Grab im Wasen,


Deckt mich mit grünem Rasen,


Mein Schatz hat 's Grün so gern.


Kein Kreuzlein schwarz, kein Blümlein bunt,


Grün, alles grün so rings und rund!

Mein Schatz hat 's Grün so gern.

Wilhelm Müller


Aus der Sammlung Die schöne Müllerin