Sonntag, 9. September 2012

Grün - Böse Farbe, Gute Farbe



Die böse Farbe


Ich möchte ziehn in die Welt hinaus,


Hinaus in die weite Welt,


Wenn's nur so grün, so grün nicht wär


Da draußen in Wald und Feld!





Ich möchte die grünen Blätter all


Pflücken von jedem Zweig,


Ich möchte die grünen Gräser all


Weinen ganz totenbleich.





Ach Grün, du böse Farbe du,


Was siehst mich immer an,


So stolz, so keck, so schadenfroh,


Mich armen weißen Mann?





Ich möchte liegen vor ihrer Tür,


In Sturm und Regen und Schnee,


Und singen ganz leise bei Tag und Nacht


Das eine Wörtchen: Ade!





Horch, wenn im Wald ein Jagdhorn ruft,


Da klingt ihr Fensterlein,


Und schaut sie auch nach mir nicht aus,


Darf ich doch schauen hinein.





O binde von der Stirn dir ab


Das grüne, grüne Band,


Ade, Ade! und reiche mir


Zum Abschied deine Hand!






Die liebe Farbe


In Grün will ich mich kleiden,


In grüne Tränenweiden,


Mein Schatz hat 's Grün so gern.


Will suchen einen Zypressenhain,


Eine Heide voll grünem Rosmarein,


Mein Schatz hat 's Grün so gern.





Wohlauf zum fröhlichen Jagen!


Wohlauf durch Heid' und Hagen!


Mein Schatz hat 's Jagen so gern.


Das Wild, das ich jage, das ist der Tod,


Die Heide, die heiß ich die Liebesnot,


Mein Schatz hat 's Jagen so gern.





Grabt mir ein Grab im Wasen,


Deckt mich mit grünem Rasen,


Mein Schatz hat 's Grün so gern.


Kein Kreuzlein schwarz, kein Blümlein bunt,


Grün, alles grün so rings und rund!

Mein Schatz hat 's Grün so gern.

Wilhelm Müller


Aus der Sammlung Die schöne Müllerin

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