Dienstag, 5. April 2016

Theater hat auch mühselige, mühselige Ebenen und wo ist das Gebirge?

Die Mühen der Gebirge liegen hinter uns,  
Vor uns liegen die Mühen der Ebenen.
b.b.

Ein Stück wird angeboten, gelesen, nochmals gelesen, angenommen, ein Vertrag wird verhandelt, hin und her diskutiert, von dort und von hier spielerisch oder verlogen erpresst, endlich abgeschlossen.

Wirre Gedanken werden gedacht, wirrere Ideen phantasiert, ein Bühnenbild wird entwickelt, Kostüme entworfen, Pläne werden geschmiedet, verworfen und neue gemacht. Glückselige Zeit.

Und eines Tages kommt die Realität, genannt die Probenplanung des mittelgroßen deutschen Stadttheaters, schaut einem ernst und streng in die Augen und sagt: "Guten Tag, du spinnst wohl?" 

Sänger haben Mucken, Orchester streng einzuhaltende Dienstpläne, Bühnenproben sind selten und kostbarer als alle Goldschätze des sagenhaften Eldorado, Schminkeinfälle müssen der Zahl der zur Verfügung stehenden Maskenbildner angeglichen werden, desgleichen gilt für Umzüge, Requisiten und anderes ja nur äußerliches Zeug. 
Der Hauptdarsteller spricht im März noch kein Wort Deutsch, doch soll er es im Mai leichtfüßig parlieren, die Soubrette hat ein gutbezahltes Gastspiel und muß in letzter Minute ersetzt werden, der Dramaturg vermeidet über Wochen überhaupt jedwede Kommunikation.

"Ich arme Jungfer zart,
ach, hätt ich genommen den König Drosselbart!"


Das einladende Theater befindet sich in der zweihundertsten existentiellen Krise, alle Entscheider sind krank, überfordert, überarbeitet oder depressiv, die Stadtverwaltung, auf ihre Sparvorlagen fixiert, wie der sprichwörtliche Hase auf die Schlange, sagt prinzipiell immer "Nein." und ist zutiefst bestürzt, dass die dummen Künstler, dieses doch so notwendige "Nein" nicht verstehen können.

Es geht eine dunkle Wolke herein.
Mich deucht, es wird ein Regen sein,
ein Regen aus den Wolken
wohl in das grüne Gras.
Volkslied

 
Und so beginnt man die Arbeit mit einem gigantischen "ABER". Ich will dies, ABER ich bekomme nur das. Dies wäre toll, ABER nur das ist möglich.
Der Spielraum wird immer kleiner und nicht nur weil das Geld knapper wird, sondern mehr noch, weil sich kaum jemand von uns noch erinnern kann, warum wir überhaupt Theater machen. 
Wegen des Spielraumes. Des Raumes, in dem wir spielen dürfen, weil ihr nicht spielen dürft, keine Zeit zum spielen habt, es albern und peinlich findet, zu spielen, aus dem Spielen herausgewachsen seid. Wir sind eure verspielten Stellvertreter, eure Ersatzspieler. Wir spielen für euch, genauso verwirrt, ebenso hilflos, aber ihr gebt uns Zeit über unsere gemeinsame Verwirrung und Hilflosigkeit nachzudenken, sie durchzuspielen. 

"Immer ist es der Mißklang zwischen dem Individuum und seiner Umwelt, den er als Künstler besonders stark empfindet, der ihn antreibt, in seiner Phantasie die Harmonie zu schaffen, die ihm in einer aus den Fugen geratenenen Welt versagt ist. Und da diese Kunstwerke die geistige Arbeit verkörpern, die an ihre Gestaltung gewandt worden ist, befähigen sie die anderen Mitglieder der Gesellschaft durch das Erlebnis, sie zu sehen oder zu hören, welches eine Anstrengung ... darstellt, dieselbe Harmonie zu erringen, nach der auch sie verlangen, ohne jedoch die Fähigkeit zu besitzen, sie für sich selbst zu aufzubauen. ... Der Künstler führt seine Gefährten in eine Welt der Phantasie, in der sie Befreiung finden, und rechtfertigt so die Weigerung des menschlichen Bewußtseins, in seine Umwelt einzuwilligen. Auf diese Weise wird ein Vorrat an Kraft gesammelt, der in die Welt der Wirklichkeit zurückfließt und die Phantasie in die Tat umsetzt." 
George Thomson "Aischylos und Athen" 


Der leere Raum, mit dem alles beginnt.

Sonntag, 3. April 2016

DIE ZEITEN ÄNDERN SICH - Auszüge aus dem Landestagswahlprogramm der AfD von Baden-Württemberg

Das Wahlprogramm des Baden-Württembergischen Teils der Alternative für Deutschland ist ein furchteinflößendes, erstaunliches Ding, eine eklektische Ansammlung von angstgeborenen reaktinären Hilferufen. Sätze und Wörter springen von der zugegeben verwirrenden Gegenwart in eine imaginierte glückliche und liebenswerte heimatlich traute deutsche, christliche Vergangenheit, bevölkert von reibungslos funktionierenden Familien mit hehren Werten und ohne verwirrende Sexualität. Die Bewohner dieser heiteren, sicheren Zeit sind deutsch, gebildet, mittelständlerisch und heterosexuell. 

Und dann kam die Sünde, die Willkommensdiktatur, der Klimawandel, die archaischen Gebräuche der einreitenden Fremden, die Schwulen, die Babykiller und die haben das alles kaputt gemacht.

"1000 Jahre Deutschland, 3000 Jahre Europa" - Zitat Björn Höcke AfD
3000 Jahre Europa? 
Was ist das? 1000 Jahre Deutschland? 1016 unserer Zeitrechnung - https://de.wikipedia.org/wiki/1026 - Wo war Deutschland vor 1000 Jahren? Oder sollte er doch das zwölf Jahre währende deutsche Schreckensreich meinen?

Ist die AfD eine angstgeschüttelte neoromantische Bewegung?

Romantik entstand als Reaktion auf das Monopol der vernunftgerichteten Philosophie der Aufklärung, die in Deutschland vor allem durch Immanuel Kant geprägt war, und auf die Strenge des durch die Antike inspirierten Klassizismus. Im Vordergrund stehen Empfindungen wie Sehnsucht, Mysterium und Geheimnis. Dem in die Zukunft gerichteten Rationalismus und Optimismus der Aufklärung wird ein Rückgriff auf das Individuelle und Numinose gegenübergestellt.  

So sagt es Wiki.
  
"1000 Jahre Deutschland, 3000 Jahre Europa". 3000 Jahre waren die europäischen, deutschen Hobbits froh und zufrieden, aber dann kamen die fremdländschen Orgs. Was ist passiert? Was können wir tun?
Die Welt, unsere Welt verändert sich, wird sich verändern. Und das macht Angst. Mir auch. Aber ich weiß, ich bin sicher, ich bestehe darauf, dass wir nicht gerettet werden, durch die behauptete Restauration einer Zeit, die es nie gegeben hat. Und wer hat Lösungsvorschläge, die unserer Situation in unserer Zeit nützen, die die Schrecklichkeiten, der in diesem Programm verklärten Vergangenheit, nicht dem Vergessen ausliefern?

Und wie wesentlich ist die, im Text offensichtlich tiefsitzende Angst, dass die vorherrschende, für die Fortpflanzung günstige, heterosexuelle Art des Miteinanders gefährdet ist? Kein Schwuler den ich kenne, keine Lesbe will Heteros umnormen. Woher kommt diese Abwehrangst? 

DIE ZEITEN VERÄNDERN SICH - BOB DYLAN
 
Kommt versammelt euch Leute, wo immer ihr euch rumtreibt
und gebt zu, dass das Wasser um euch gestiegen ist.
Und akzeptiert, dass ihr bald bis auf die Knochen durchnässt seid.
Wenn euch eure Zeit etwas wert ist,
dann fangt ihr besser an zu schwimmen, oder ihr sinkt wie ein Stein,
denn die Zeiten ändern sich.

Kommt Schriftsteller und Kritiker, die ihr mit dem Stift prophezeit.
Und haltet eure Augen auf, die Chance wird nicht wieder kommen.
Und sprecht nicht zu früh, denn das Rad dreht sich noch,
und es ist nicht abzusehen, wer genannt wird.
Denn der jetzige Verlierer wird später gewinnen,
denn die Zeiten ändern sich.

Kommt Senatoren, Kongressabgeordnete, bitte beachtet den Aufruf,
bleibt nicht in der Tür stehen, blockiert nicht die Halle.
Denn der, der verletzt wird, wird der sein, der alles aufhält.
Die Schlacht, die draußen tobt,
wird bald an den Fensten rütteln und die Wände erschüttern.
Denn die Zeiten ändern sich.

Kommt Mütter und Väter im ganzen Land
und kritisiert nicht, was ihr nicht verstehhen könnt.
Eure Söhne und Töchter sind jenseits eurer Kontrolle.
Eure alte Straße altert rapide.
Bitte geht runter von der neuen, wenn ihr nicht zur Hand gehen könnt,denn die Zeiten ändern sich.

Die Linie ist gezogen, der Fluch ist gesprochen.
Der jetzt Langsame wird später schnell sein,
wie die Gegenwart später Vergangenheit sein wird.
Die [bisherige] Ordnung löst sich rasch auf.
Und der Erste jetzt wird später der Letzte sein,
denn die Zeiten ändern sich.



------------------------
Jetzt beginnt der Teil mit den Zitaten
------------------------ 
 
FÜR UNSER LAND - FÜR UNSERE WERTE

Baden-Württemberg ist ein lebens- und liebenswertes Land. Seine sprichwörtlich fleißigen und erfinderischen Bewohner haben es zu einer der wohlhabendsten Regionen in Deutschland gemacht.
Seit Jahrzehnten gehört Baden-Württemberg mit seinen starken mittelständischen Unternehmen zu den Nettozahlern unter den deutschen Bundesländern. Es trägt mit seiner Wirtschaftskraft wesentlich dazu bei, den Wohlstand der gesamten Bundesrepublik zu erhalten und zu mehren. Baden-Württembergs Universitäten gehören traditionell zu den besten des Landes. Seine Kulturlandschaf-
ten sind weitgehend intakt, seine Städte und Dörfer haben noch immer eine hohe Lebensqualität. Doch die Zukunft unseres Landes ist bedroht...... 


Die AfD bekennt sich zu den christlichen und den aufklärerischen Wurzeln unserer Kultur und unseres Staates und ist entschlossen, diese gegen ihre Verächter in Politik und Medien zu verteidigen.....

Der grün-roten Multi-Kulti-Ideologie, die schon jetzt grandios gescheitert ist, setzt die AfD ein Bekenntnis zu Baden-Württemberg als Heimat – für Einheimische und gut integrierte Eingewanderte – mit deutscher Leitkultur entgegen......

Der Kampf um den Erhalt bürgerlicher Errungenschaften und Tugenden beginnt in der Schule......

Im Zeichen der Verantwortung für unsere Kinder steht die Forderung der AfD nach Beendigung der Frühsexualisierung und anderer ideologischer Beeinflussungen in Schulen und sogar Kindergärten, wie sie der grün-rote Aktionsplan und der Bildungsplan vorsehen. Ein Staat, der sein Bildungsmonopol für Eingriffe in die Intimsphäre und ideologische Indoktrinationen der ihm anvertrauten Kinder missbraucht, ist auf dem Weg zur Gesinnungsdiktatur. Dem stellt die AfD ein konsequent freiheitliches Menschen- und Gesellschaftsbild entgegen: Jeder soll nach seiner Façon selig werden, aber niemandem darf vorgeschrieben werden, welche Lebensform er gut zu finden
hat. Nirgendwo gibt es heute noch nennenswerte Diskriminierung Homosexueller und anderer sexueller Minderheiten – und das ist auch gut so. Der grün-rote Kampf gegen die angeblich allgegenwärtige Diskriminierung, der unter der Fahne des „Gender Mainstreaming“ geführt wird, hat die Zerstörung der traditionellen Familie und die Auflösung der geschlechtlichen Identität von Mann und Frau zu seinem eigentlichen Ziel......

Die Wiedereinsetzung der allgemeinen Wehrpflicht für männliche Deutsche......

Nach der faktischen Zerstörung des Dublin-III-Abkommens durch die Bundeskanzlerin werden wir Zeitzeugen einer Völkerwanderung unter missbräuchlicher Berufung auf das Asylgrundrecht. Sie droht, die kulturellen, politischen und gesellschaftlichen Grundlagen Deutschlands und Europas zu zertrümmern, wenn sie nicht umgehend gestoppt wird. Konflikte aus aller Welt sowie unüberbrückbare kulturelle Unterschiede werden mit den Migranten in unser Land importiert und reichern sich zu einer explosiven Mischung an. Die etablierten Parteien und die mehrheitlich freiwillig „gleichgeschalteten“ Medien jedoch bemühen sich nach Kräften im Verschweigen, Verharmlosen und Manipulieren. Kritiker des herrschenden Asylchaos werden auf die übelste Weise diffamiert.Die AfD lässt sich davon nicht einschüchtern. Sie ist die einzige demokratische Kraft, die dem schrankenlosen Einwanderungswahn und der Willkommensdiktatur der Altparteien widersteht und auch auf diesem Gebiet wirkliche Opposition leistet. Die AfD spricht Klartext: Fast alle Ankommenden, die auf Dauer zu bleiben gedenken, sind keine „Flüchtlinge“. Sie sind nicht an Leib und Leben bedroht, vielmehr brechen sie, angelockt von Versprechungen der Bundeskanzlerin, überwiegend aus den heimatnahen Auffanglagern oder Drittländern auf, in denen sie bereits sicher waren. Sie sind in der weit überwiegenden Mehrzahl minder- oder unqualifiziert; dasselbe gilt für ihre Familienangehörigen, die in Millionenzahl nachziehen werden.....

Für 2015 werden weit mehr als eine Million (1.000.000) Asylantragsteller aus aller Welt in Deutschland erwartet, einschließlich der Konflikte ihrer Heimatländer und ihrer teilweise archaischen Sitten und Gebräuche .....

Wir unterstützen die Familie auch deshalb, weil sie für eine Kultur steht, in der menschliches Leben in allen seinen Phasen geschützt wird.
Familien- und Geschlechtserziehung muss ideologiefrei und altersgemäß sein. Die AfD sieht den Wert des Menschen unabhängig von seinen privaten Interessen, seiner sexuellen Orientierung und seiner allgemeinen Lebensgestaltung. Deshalb stellen wir uns entschieden gegen die volkserzieherische Überhöhung von nicht heterosexuellen Menschen und gegen die Dekonstruktion der Familie. Aufgabe der Bildung muss es sein zu vermitteln, dass die Geschlechter aufeinander zugeordnet sind, einander ergänzen und es geboten ist, einander in Achtung zu begegnen. Der „Aktionsplan für Akzeptanz & gleiche Rechte“ der Landesregierung von Baden-Württemberg zeigt, wes Geistes Kind die Leitperspektive „Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt“ im Bildungsplan 2016 ist: Durch den Bildungsplan und den Aktionsplan soll die pseudo-wissenschaftliche Gender-Ideologie durchgesetzt werden. Dies geschieht unter dem Deckmantel grundsätzlich positiver Werte wie Toleranz, Antidiskriminierung, Vielfalt und Gleichberechtigung, die zu Kampfbegriffen umdefiniert werden. Die AfD möchte die Schüler und Kindergartenkinder in Baden-Württemberg vor dieser bewussten Irreführung schützen. Die AfD fordert, die Familie in Schulbüchern positiv und realitätsnah darzustellen. Schulbücher, welche die Familie relativieren und zugleich gesellschaftlich kaum relevante Konstellationen (LSBTTIQ) überhöhen, sollen für den Gebrauch an öffentlichen Schulen nicht zugelassen werden. Der Sexualkundeunterricht in der Schule darf in keinem Fall von Lobbygruppen durchgeführt werden. Visuelle Darstellungen und Beschreibungen von sexuellen Praktiken sowie praktische Übungen lehnen wir für Schüler jeglichen Alters ab

Gender Mainstreaming abschaffen
Die Ideologie des Gender Mainstreaming behauptet, dass das Geschlecht nur als soziales Kon-
strukt zu betrachten sei. Der “Aktionsplan für Toleranz und Vielfalt” zeigt das Bestreben der Lan-
desregierung, Gender Mainstreaming in allen Lebensbereichen durchzusetzen. Die AfD fordert,
dass alle Gelder für die Gender-Forschung und diesbezügliche Projekte und Lehrstühle an Hoch-
schulen gestrichen werden. Wir setzen uns dafür ein, dass jedes Kind darin gestärkt wird, sein
biologisches Geschlecht anzunehmen.
Gender Mainstreaming als Norm zur Dekonstruktion der
Geschlechterordnung und Auflösung der Ehe von Mann und Frau lehnt die AfD ab.Die AfD wendet sich gegen Diskriminierung, auch die Diskriminierung von LSBTTIQ-Menschen
und eingetragenen Lebenspartnerschaften. Deren Gleichstellung mit der Ehe lehnt die AfD jedoch ab, da nur die Ehe zwischen Mann und Frau eine Familie begründen kann. Projekte und Lehrstühle an Hochschulen sollen helfen, den Wert von Ehe und Familie darzustellen und nicht – wie im Falle von Gender-Studies – genau das Gegenteil bewirken.

Ungeborenes Leben schützen
Die AfD steht für eine Kultur des Lebens. Wir fordern, dass bei der Schwangerschaftskonfliktberatung geltendes Verfassungsrecht umgesetzt wird, damit das Ziel dieser Beratung Hilfe für die
Schwangere statt Abtreibung ist. Die Alternative für Deutschland setzt sich für eine Willkommenskultur für Un- und Neugeborene
ein und wendet sich gegen alle Versuche, Abtreibungen zu bagatellisieren, sie staatlicherseits zu fördern oder sie gar zu einem „Menschenrecht“ zu erklären. Schwangeren in Not müssen konkre-
te Hilfen angeboten werden, damit sie sich für ihr Kind entscheiden können.

Freitag, 1. April 2016

Wiedereinmal Fernsehserien, wieder keine deutsche dabei.

Keine Serie, aber der Ableger einer solchen:
Sherlock Holmes - Die Braut des Grauens, ein übermütiges, absurdes, wagemutiges Verwirrspiel (BBC) für Cumberbitches und Freeman-Lovers und alle die Moffat und Gatiss, den Schreibern, fast nichts übelnehmen können, weil Doktor Who unmöglich und doch vorhanden ist, weil sie billig produzierten Science Fiction in Vergnügen verwandelten und ganz nebenbei Captain Jack Harkness erfanden. Ob es wohl wirklich je eine dritte Staffel von "Sherlock" geben wird?

The Night Manager, ein Spionagethriller nach einem Roman von John le Carré  (Amazon Prime, iTunes & BBC 1), die Regisseurin ist Susanne Bier (Nach der Hochzeit), es spielen unter anderem Hugh Laurie und Tom Hiddleston und die ganz wunderbare, völlig alle Hollywooderwartungen unterlaufende Olivia Colman (Broadchurch).

London Spy, eine tragische Liebesgeschichte verwoben mit politischen Intrigendrama (BBC 2), mit Ben Wishaw und Jim Broadbent und vielen anderen.

Bosch, ein zurückhaltender, stilsicherer, harter, klassischer Krimi (Amazon Prime), nach drei Romanen von Michael Connelly, mit Titus Weliver als Detektiv Bosch.

Nix Weltbewegendes, Seelenerschütterndes, aber auf unterschiedliche Weise exzellent gemachte Unterhaltung. Das Serienformat erlaubt es, sich Zeit zu nehmen für die Figuren, Seitensträngen Platz zu lassen, nicht zu hetzen, Details einzuflechten. Die Spieler müssen nicht alles auf einmal erzählen, Variationen, Veränderungen, Widersprüchlichkeiten sind möglich. Nicht jetzt, aber später, vielleicht. 
Und trotz des scheinbar ruhigen Erzähltempos entsteht selten der Eindruck von selbstgerechter Bequemlichkeit, übermäßigem Nachdruck. Ein spezieller Erzählstil kann sich in Ruhe entwickeln, durch Farb-Entscheidungen, Bildausschnitte, Dialogkomposition, Schnittentscheidungen ...
Die Macher tun, was was sie tun mit Überzeugung, aber ohne offensichtliche abstoßende Besserwisserei. "Wir erzählen euch eine Geschichte, so spannend, interessant, überraschend, wie wir es nur können." Manches geht schief. Gelegentlich zuviel Stil und zu wenig Story. Aber ernsthaft unternommene Mißgeschicke machen mich nicht wütend. 
Einige der Helden sind traurig, einige sind wütend, einige schwul, einige romantisch, aber nichts davon drängt sich in den Vordergrund, es bleibt Teil der zu erzählenden Geschichte und ist kein "Problem" an und für sich. Das rechte Waageverhältnis von Spannung und Absichten ist sicher ein diffiziles Ding. Eitelkeiten töten die Zuneigung zu den Figuren, zu wenig Liebe für die Charaktere läßt mich draußen im Kalten stehen.
Letztendlich scheint es mir, als ob der Unterschied im Grad des glaubwürdigen Mitteilungsbedürfnisses liegt. "Ich will euch etwas erzählen, von dem ihr wissen solltet." Bestätige ich mich und meine Überzeugung nur selbst oder unterhalte ich mich, mit allen Möglichkeiten des Mißverständnisses, mit Anderen, mit euch, den Zuschauern?
Ich möchte angesprochen werden, gemeint sein. Im Theater, im Kino, im Fernsehen. Wenn ich mich an euch wende, will ich eine Reaktion spüren. 
Mama erzähl mir eine Gute-Nacht-Geschichte. 

Donnerstag, 31. März 2016

Die Ehrfurcht vor der Maske


Friedrich Nietzsche
JENSEITS VON GUT UND BÖSE


270

Der geistige Hochmut und Ekel jedes Menschen, der tief gelitten hat – es bestimmt beinahe die Rangordnung, wie tief Menschen leiden können –, seine schaudernde Gewißheit, von der er ganz durchtränkt und gefärbt ist, vermöge seines Leidens mehr zu wissen, als die Klügsten und Weisesten wissen können, in vielen fernen entsetzlichen Welten bekannt und einmal »zu Hause« gewesen zu sein, von denen »ihr nichts wißt!«... dieser geistige schweigende Hochmut des Leidenden, dieser Stolz des Auserwählten der Erkenntnis, des »Eingeweihten«, des beinahe Geopferten findet alle Formen von Verkleidung nötig, um sich vor der Berührung mit zudringlichen und mitleidigen Händen und überhaupt vor allem, was nicht seinesgleichen im Schmerz ist, zu schützen. Das tiefe Leiden macht vornehm; es trennt. Eine der feinsten Verkleidungs-Formen ist der Epikureismus und eine gewisse fürderhin zur Schau getragene Tapferkeit des Geschmacks, welche das Leiden leichtfertig nimmt und sich gegen alles Traurige und Tiefe zur Wehr setzt. Es gibt »heitere Menschen«, welche sich der Heiterkeit bedienen, weil sie um ihretwillen mißverstanden werden – sie wollen mißverstanden sein. Es gibt »wissenschaftliche Menschen«, welche sich der Wissenschaft bedienen, weil dieselbe einen heiteren Anschein gibt, und weil Wissenschaftlichkeit darauf schließen läßt, daß der Mensch oberflächlich ist – sie wollen zu einem falschen Schlusse verführen. Es gibt freie freche Geister, welche verbergen und verleugnen möchten, daß sie zerbrochene stolze unheilbare Herzen sind (der Zynismus Hamlets – der Fall Galiani); und bisweilen ist die Narrheit selbst die Maske für ein unseliges allzugewisses Wissen. – Woraus sich ergibt, daß es zur feineren Menschlichkeit gehört, Ehrfurcht »vor der Maske« zu haben und nicht an falscher Stelle Psychologie und Neugierde zu treiben.


Die Maske ist gesichtsbildend.
Manfred Hinrich 

 Friedrich Nietzsche
Edvard Munch 1906

Montag, 28. März 2016

Der heilige Dionysius von Paris - Ein kopfloser Heiliger


Sankt Dionysius Geköpft, 17. Jahrhundert, Anonymer Künstler

Um 250 unserer Zeitrechnung soll Dionysius oder, wie ihn die Franzosen nennen, Denis, Bischof von Rom gewesen sein. Der dortige Statthalter des römischen Kaisers Valerian ließ ihn, zusammen mit zwei seiner Kollegen, im Zuge der achten Welle der Christenverfolgung Roms, köpfen. 

Wandgemälde am Place du Pantheon

Die Hinrichtung fand am Montmatre, dem Märtyrerberg oder vielleicht auch Berg des Merkur und Mars, in Paris statt und danach hob Dennis, Denys oder Dionysius seinen Kopf auf, wusch ihn in einem nahen Bach ab und lief, die ganze Zeit betend,  sechs Kilometer bis zur Vicus Catulliacus, heute Rue St. Denis, zu der Stelle an der er begraben werden wollte. Am Ort seines Grabes steht jetzt die Basilika St. Denis, die Grabeskirche der französischen Könige.


Heiligenfigur von Antoine Le Moiturier 1425 bis 1495 in Avignon

Bei der Gestaltung von Heiligenfiguren standen die Künstler vor einem Problem, wohin mit dem Heiligenschein? Weglassen? Ihn am Kopf belassen? Oder ihn über dem blutenden Hals schweben zu lassen? Manchmal haben sie das Halo einfach ganz weggelassen und ihn nur mit Bischfsmütze bekleidet. Außerdem gab es noch einen Streit zwischen der Kathedrale von Notre Dame und der Abtei von Saint Denis, die letzteren behaupteten im Besitz seines ganzen Körpers zu sein, während die anderen sagten, der Henker hätte nur seine Schädelplatte abgetrennt, die nun in ihrem Besitz wäre. 

Teil der Fassade von Notre Dame in Paris


Sankt Dionysius kann helfen bei Kopfschmerzen. Da hatte jemand Humor. Aber auch bei Tollwut, Gewissensunruhe, Hundebissen, Syphillis.
Sein Tag ist der 9. Oktober - Donisl nass - Winter nass oder Regen an St. Dionys - viel Regen und Schnee im Winter gewiss.


Sonntag, 27. März 2016

Spotlight - ein langsamer Film - ein guter Film

Mister Tom McCarthy hat einen Film gedreht, kein herzzerreißendes Drama, keine waberndes Unheilerzählung, ein Film ohne eine einzige irre Verfolgungsjagd, wenn Mark Ruffalo rennt, weil wichtige Dokumente sonst in die falschen Hände fallen könnten, ist dies schon das Äußerste an äußerlicher Hektik.
Ansonsten: Einige wenige Reporter stoßen unfreiwillig und anfangs nicht besonders interessiert auf ein Thema und dann telefonieren sie viel und studieren Unmengen Akten und reden mit willigen und unwilligen Zeugen und arbeiten hart, vernachlässigen ihre Familien, schlafen schlecht und fressen hastig ungesunde Fastfood.
Priester vergehen sich an Kindern. Boston, der Ort des Geschehens, ist eine Stadt mit mehr als fünfzig Prozent katholischer Bevölkerung. Es wird nie offensichtlich gedroht, erpresst, verhindert, und doch ist der instinktive und uneingeschränkte Schulterschluß der Mächtigen, der voneinander Abhängigen, einander Schützenden immer spürbar. 
Über Jahrzehnte haben Priester, statistisch formuliert, sechs Prozent der arbeitenden Seelsorger, abhängige, meist aus armen, dysfunktionalen Familien stammende Kinder mißbraucht, genauer gesagt vergewaltigt. Und wenn es zu Beschwerden kam, wurden ihre Familien mit Kleinstbeträgen abgewimmelt und die Untaten unter einverständliche Teppiche gekehrt.
Niemand in dieser Geschichte ist ohne Schuld, niemand ist cool, hat den Überblick, ist sich seiner Sache sicher. Niemand außer dem Bischof, der weiß sich geschützt, der hat Gottes Segen. Und ist doch nur ein netter alter Mann, der seine Schäfchen schützen will. 
Wenn wir heute über den Schrecken von organisierter Religion sprechen, reden wir meist über islamistischen Terror. Hier handelt es sich um durch jahrhundertealte Macht gesichertes Unrecht. Immer ist "die Kirche", "der Glaube", das wir, wichtiger, als die Kinder, als die Opfer, als die Zerstörten.


Bischof Law: "Ich entschuldige mich bei all jenen, die unter meinen Unzulänglichkeiten und Fehlern gelitten haben und bitte sie um Verzeihung."

http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/kindesmissbrauch-erzbischof-von-boston-tritt-zurueck-181080.html
 
http://www.sueddeutsche.de/panorama/boston-der-skandal-um-den-es-in-spotlight-geht-1.2885087
Wiki sagt:
Die Abteilung für Konspirativen Journalismus des Boston Globe, Boston, deckte 2002 auf, dass allein in der Erzdiözese Boston 90 Priester an cirka 1000 Kindern und Jugendlichen schuldig geworden waren. Es wurde nachgewiesen, dass die Kirchenführung Hinweisen nicht juristisch nachgegangen war, sondern jeweils die Priester nur in andere Gemeinden versetzt hatte. Der Erzbischof von Boston, Bernard Francis Law, musste zurücktreten. Er hatte u.a. den Priester John Geoghan mehrfach versetzt. Geoghan soll mehr als 100 Kinder missbraucht haben, wurde 2002 zu zehn Jahren Freiheitsstrafe verurteilt und ist 2003 von einem Mithäftling ermordet worden. Law gab im Februar 2002 auf öffentlichen Druck hin 90 Namen von Priestern preis, die des sexuellen Missbrauchs von Kindern beschuldigt waren. Im August 2011 veröffentlichte das Erzbistum auf seiner Website die Namen mehrerer des sexuellen Missbrauchs angeklagter oder überführter Priester. Mit dem Film Spotlight wurde 2015 eine filmische Darstellung der Recherchearbeiten des Boston Globe veröffentlicht; der Film wurde 2016 mit dem Oscar als Bester Film ausgezeichnet.

Mittwoch, 23. März 2016

Ein belgischer Mann ist tot

Herr Schmidt ist vielleicht ein Mann mittleren Alters, vielleicht Vater zweier Kinder, vielleicht Fußballfan, übergewichtig und ein nur mäßiger Liebhaber. Dieser imaginäre Herr Schmidt ist heute zu Tode gebombt worden, weil ein anderer Mann, nennen wir ihn X, meint, dass Herr Schmidt an den falschen Gott glaubt, einem Volk angehört, dass Herrn X feindlich gesinnt ist, weil er Belgier ist. Weil X und seine Mitstreiter entschieden haben, dass Herr Schmidt es nicht verdient zu leben. (Über unsere, die europäische Mitschuld an der gegewärtigen Situation, müssen wir hart nachdenken.)
Herr Schmidt und X haben sich nie getroffen, nie gesehen. Sie haben keinerlei Geschichte miteinander. Am Ende dieses, des heutigen Tages, ist Herr Schmidt zerfetzt und tot, X ist es auch, er hat sich, um, unter anderem, Herrn Schmidt zu töten, selbst in die Luft gejagt.
Jemand tötet mein Kind, ich, außer mir vor Trauer, töte ihn. Schrecklich, aber vorstellbar. 
Aber was hat Herr Schmidt mit irgendwas zu tun? Wie kann ich zu einem Punkt kommen, wo es rechtens ist, das gewöhnliche Leben von Herrn Schmidt zu beenden, um meine Idee von Wahrheit und Recht zu verwirklichen?
Ich verstehe es nicht.
Meine Opfer könnten Muslime sein, Kinder, Großmütter, Herr Schmidt eben. Es findet keine Auswahl statt. Der Tod, der Schrecken an sich, ist mein Zweck.
Ich hasse Dich, obwohl ich Dich nicht kenne, Deine Existenz ist Grund genug, Dich zu vernichten. Dein Tod gibt meinem Leben Sinn. Du bist unwichtig, nur ein Feind, kein Mensch. Ich töte Dich nicht, weil ich hungere oder weil Du mich töten willst, ich töte Dich, weil ich Deinen Tod brauche, um mein Leben, und heute mein Sterben, zu rechtfertigen.
Ich, Johanna, Atheist aus Überzeugung, weiß, dass nach dem Tod nichts kommt, er ist das Ende des Lebens. Aber glaubte ich an ein Paradies, würde es mir dieser Glaube ermöglichen, andere zu töten? Ich werde belohnt werden, weil ich meinem zornigen Gott die verlangten Opfer gebracht habe? Woher weiß ich, dass er sie verlangt. Und genau diese? 
Was erlaubt Menschen andere Mensche zu töten im Namen der Gerechtigkeit?

Wiki sagt: Empathie bezeichnet die Fähigkeit und Bereitschaft, Gedanken, Emotionen, Motive und Persönlichkeitsmerkmale einer anderen Person zu erkennen und zu verstehen. Zur Empathie gehört auch die Reaktion auf die Gefühle anderer Menschen, wie zum Beispiel Mitleid, Trauer, Schmerz oder Hilfsimpuls. Grundlage der Empathie ist die Selbstwahrnehmung; je offener man für seine eigenen Emotionen ist, desto besser kann man die Gefühle anderer deuten.



In this photo provided by Georgian Public Broadcaster and photographed by Ketevan Kardava, an injured man lies on the floor in Brussels Airport in Brussels, Belgium, after explosions were heard Tuesday, March 22, 2016. A developing situation left a number dead in explosions that ripped through the departure hall at Brussels airport Tuesday, police said. All flights were canceled, arriving planes were being diverted and Belgium's terror alert level was raised to maximum, officials said. (Ketevan Kardava/ Georgian Public Broadcaster via AP)
Dies ist nicht Herr Schmidt, aber er hätte es sein können.

Montag, 21. März 2016

Der Diener Zweier Herren in Konstanz


Wer sind Sie? Was wollen Sie? Wer hat Sie geschickt? Fremder?

DER DIENER ZWEIER HERREN
Carlo Goldoni
Fassung von Martin Heckmanns
Nach den Übersetzungen von J. H. Saal und F. L. Schröder

Ich habe Hunger gelitten und bin geprügelt worden. Und alle Umwege führen uns doch zum Glück. 


Ihr untertänigster Diener allerseits, meine Herrschaften!


Ich bin der Diener meines Herrn.
 

 Es wäre toll, wenn ich es schaffen würde beide Herren zu bedienen, zu beglücken, zu befriedigen.


Ich hätte Koch werden sollen oder Bäcker vielleicht oder noch besser Konditor. Stattdessen bin ich Diener jetzt wie mein Vater und sein Vater und dessen Vater und dem sein Vater und dessen Vater und mein Magen hängt mir in den Knien und wächst mir über den Kopf. 


Mit einem Job kommt man heut nicht mehr weit, es müssen schon zwei sein für ein Leben. Das ist diese sogenannte Flexibilisität, von der heutzutage alle reden.


 Ich bin ein totaler Anphaltabet.


Lesen wird heutzutage als Qualifikitation eines Dieners vorausgesetzt, obwohl ich finde, dass Lesen überschätzt wird im Allgemeinen, es macht auch manchen dusselig.


Aber sind wir nicht ein Genie, dass ich sie alle zufrieden stelle. Ohne mich wäre die Welt doch ein kleines bisschen...


Mein Magen knurrt wie ein zorniger Hund und ich fress gleich meinen Schuh.


Piazza Grande


Auf den Parkbänken der Piazza Grande
Gibt es keine Heiligen, die mein Essen zahlen
Aber wenn ich hungere, nach Dealern wie mich, finde ich keine.

Ich schlafe auf dem Rasen, mit vielen Freunden,
den Liebenden der Piazza Grande,
Weiß alles über ihre Leiden, ihre Lieben, schlecht oder gut.

Auf meine Art bräuchte ich auch Zärtlichkeit.
Auf meine Art bräuchte ich auch Zärtlichkeit.

Eine Familie habe ich nicht
und mein Zuhause ist der Piazza Grande,
und wer mir glaubt, von dem nehme ich und dem gebe ich Liebe, soviel ich habe.

Hier sind keine großzügigen Frauen,
ich stehle Liebe auf der Piazza Grande,
und zum Glück gibt es hier keine Halunken wie mich.

Auf meine Art bräuchte ich auch Zärtlichkeit.
Auf meine Art bräuchte ich auch Zärtlichkeit.

  Ich müsste beten.
Aber mein Leben würde ich nicht ändern, nie, nie,
auf meine Art wollte ich sein, wie ich bin.

Weiße Leintücher uns zu bedecken, haben wir nicht,
unter den Sternen der Piazza Grande,
und wenn das Leben keine Träume hat, habe ich sie und gebe sie dir.

Und wenn es niemanden mehr gibt wie mich
will ich sterben auf der Piazza Grande,
zwischen den Katzen, die auch keinen Herrn haben wie ich. 

Lucio Dalla
'In etwa' übersetzt von mir. 
 
Alle Photos © Ilja Mess

August & Erich Sander - Menschen des 20. Jahrhunderts

Diesseitig bin ich gar nicht faßbar

Diesseitig bin ich gar nicht faßbar.
Denn ich wohne grad so gut bei den Toten,
wie bei den Ungeborenen.
Etwas näher dem Herzen der Schöpfung als üblich.
Und noch lange nicht nahe genug.

Geht Wärme von mir aus? Kühle??
Das ist jenseits aller Glut gar nicht zu erörtern.
Am Fernsten bin ich am frömmsten.
Diesseits manchmal etwas schadenfroh.
Das sind Nuancen für die eine Sache.
Die Pfaffen sind nur nicht fromm genug, um es zu sehn.
Und sie nehmen ein klein wenig Ärgernis, die Schriftgelehrten.

Paul Klee 1920

Konditor 1928 - Ich würde es 'Stolz des Könners' nennen.

In der Fotografie gibt es keine Schatten, der nicht beleuchtet werden können.
oder 
In der Fotografie gibt es keine ungeklärten Schatten.
August Sander

Dem Sohn eines Bergbauzimmermannes gelingt es, durch harte Arbeit und hilfreiche Menschen, Photograph zu werden. 
Er lebte von 1876 bis 1964, arbeitete als Assistent eines Fotografen, der für seine örtliche Bergbaugesellschaft arbeitete und dann im Militärdienst für einen anderen, er absolvierte Gesellen-Wanderjahre und fotografierte Hochzeiten, Taufen, Konfirmationen, stolze Momente etc. in einem Fotoatelier in Linz mit dem blumigen Namen "Photographische Kunstanstalt Greif", er wurde alleiniger Besitzer der Anstalt, heiratete, bekam Kinder, gab den Laden auf, zog nach Köln, eröffnete einen neues Atelier. Um 1920 schloß er sich den Kölner Progressiven an.

 Burschenschaftler - Vernarbte Ahnungslosigkeit
 
Die Kölner Progressive war eine Künstlergruppe um die Maler Franz Wilhelm Seiwert, Heinrich Hoerle und den Fotografen August Sander, die Anfang der 1920er Jahre gegründet wurde. Gemeinsames Konzept war es, die Menschen und Sozialstrukturen ihrer Zeit im Bild zu dokumentieren, schreibt Wiki.

Selbstporträt - Ach, die Haare!

Er photographierte Menschen des 20. Jahrhunderts, Bauern, Handwerker, Soldaten, Bankiers und Händler, Künstler, Intellektuelle, Bettler und Zigeuner. Schwarz-weiß, gerade ins Gesicht, interessiert, unvoreingenommen, unkommentiert, wahr.

Ich will weder eine Kritik noch eine Beschreibung dieser Menschen geben, sondern nur mit meinen Bildern ein Stück Zeitgeschichte schaffen. 
August Sander

 Ländliche Braut 1925-30

Sein Sohn Erich, ebenfalls Fotograf, erst Mitglied der KPD, dann als der stalinistische Druck zu groß wurde, der KPO, (https://de.wikipedia.org/wiki/Kommunistische_Partei-Opposition) dann, um die Einheitsfront gegen Hitler zu stärken, der SDAP, er wurde 1934 verhaftet und wegen Hochverrates zu 10 Jahren Haft verurteilt. Er starb an den Folgen einer falsch diagnostizierten Blinddarmentzündung nur kurz vor seiner Entlassung. Und er fotografierte im Zuchthaus, offiziell für die "kriminalbiologische Forschung", heimlich um das Leben der Häftlinge zu dokumentieren.


Politicher Gefangener 1943
Erich Sander
© Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur - August Sander Archiv, Cologne; DACS, London, 2016.

Politischer Gefangener 1943
Erich Sander
© Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur - August Sander Archiv, Cologne; DACS, London, 2016.


Totenmaske Erich Sander fotografiert von August Sander
© Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur - August Sander Archiv, Cologne; DACS, London, 2016.

1936 vernichteten die Nazis die Druckstöcke für August Sanders "Antlitz der Zeit". 1942 zog er in ein kleines Dorf im Westerwald, wo 1944 sein Atelier durch Bomben vernichtet wurde. Nach 1946 beginnt er das zerstörte Köln zu dokumentieren. Ein anständiges tragisches deutsches Leben.

Kinder des Bürgertums 1925