Ansonsten: Einige wenige Reporter stoßen unfreiwillig und anfangs nicht besonders interessiert auf ein Thema und dann telefonieren sie viel und studieren Unmengen Akten und reden mit willigen und unwilligen Zeugen und arbeiten hart, vernachlässigen ihre Familien, schlafen schlecht und fressen hastig ungesunde Fastfood.
Priester vergehen sich an Kindern. Boston, der Ort des Geschehens, ist eine Stadt mit mehr als fünfzig Prozent katholischer Bevölkerung. Es wird nie offensichtlich gedroht, erpresst, verhindert, und doch ist der instinktive und uneingeschränkte Schulterschluß der Mächtigen, der voneinander Abhängigen, einander Schützenden immer spürbar.
Über Jahrzehnte haben Priester, statistisch formuliert, sechs Prozent der arbeitenden Seelsorger, abhängige, meist aus armen, dysfunktionalen Familien stammende Kinder mißbraucht, genauer gesagt vergewaltigt. Und wenn es zu Beschwerden kam, wurden ihre Familien mit Kleinstbeträgen abgewimmelt und die Untaten unter einverständliche Teppiche gekehrt.
Niemand in dieser Geschichte ist ohne Schuld, niemand ist cool, hat den Überblick, ist sich seiner Sache sicher. Niemand außer dem Bischof, der weiß sich geschützt, der hat Gottes Segen. Und ist doch nur ein netter alter Mann, der seine Schäfchen schützen will.
Wenn wir heute über den Schrecken von organisierter Religion sprechen, reden wir meist über islamistischen Terror. Hier handelt es sich um durch jahrhundertealte Macht gesichertes Unrecht. Immer ist "die Kirche", "der Glaube", das wir, wichtiger, als die Kinder, als die Opfer, als die Zerstörten.
Bischof Law: "Ich entschuldige mich bei all jenen, die unter meinen Unzulänglichkeiten und Fehlern gelitten haben und bitte sie um Verzeihung."
http://www.sueddeutsche.de/panorama/boston-der-skandal-um-den-es-in-spotlight-geht-1.2885087
Wiki sagt:
Die Abteilung für Konspirativen Journalismus des Boston Globe, Boston, deckte 2002 auf, dass allein in der Erzdiözese Boston 90 Priester an cirka 1000 Kindern und Jugendlichen schuldig geworden waren. Es wurde nachgewiesen, dass die Kirchenführung Hinweisen nicht juristisch nachgegangen war, sondern jeweils die Priester nur in andere Gemeinden versetzt hatte. Der Erzbischof von Boston, Bernard Francis Law, musste zurücktreten. Er hatte u.a. den Priester John Geoghan mehrfach versetzt. Geoghan soll mehr als 100 Kinder missbraucht haben, wurde 2002 zu zehn Jahren Freiheitsstrafe verurteilt und ist 2003 von einem Mithäftling ermordet worden. Law gab im Februar 2002 auf öffentlichen Druck hin 90 Namen von Priestern preis, die des sexuellen Missbrauchs von Kindern beschuldigt waren. Im August 2011 veröffentlichte das Erzbistum auf seiner Website die Namen mehrerer des sexuellen Missbrauchs angeklagter oder überführter Priester. Mit dem Film Spotlight wurde 2015 eine filmische Darstellung der Recherchearbeiten des Boston Globe veröffentlicht; der Film wurde 2016 mit dem Oscar als Bester Film ausgezeichnet.
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