Dienstag, 13. August 2013

PROTEST UND DIE OLYMPISCHE CHARTA - PROTEST AND THE OLYMPIC CHARTA


Wiki schreibt:
Am 30. Juni 2013 unterzeichnete Präsident Wladimir Putin ein Gesetz auf föderaler Ebene, das jegliche positiven Äußerungen über Homosexualität in Anwesenheit von Minderjährigen oder über Medien wie das Internet unter Strafe stellt. Der Staat erkennt keine gleichgeschlechtliche Partnerschaften an und verbietet seit dem 3. Juni 2013 auch die Adoption durch gleichgeschlechtliche Ehepaare im Ausland.

Zitat aus der Süddeutschen Zeitung vom 11. Juli 2013:

Wer Informationen verbreitet, die bei Kindern und Jugendlichen "auf eine nicht traditionelle sexuelle Einstellung abzielen", muss künftig bis zu eine Million Rubel (etwa 25 000 Euro) Strafe zahlen. Betroffen ist auch die entsprechende "Propaganda" durch Ausländer. Sie können festgenommen und des Landes verwiesen werden.

Ich hatte gestern auf Facebook vorgeschlagen, dass die deutschen Sportler doch regenbogenfarbene Sportkleidung zu den Olympischen Spielen in Sotschi tragen könnten, um ihre Haltung zu dem, mit großer Mehrheit, von der Duma verabschiedeten "Gesetz zum Schutz Minderjähriger vor homosexueller Propaganda", zu demonstrieren.

Aber heute las ich dies, was die offiziellen Möglichkeiten des Protestes innerhalb der Olympischen Spiele betrifft:

OLYMPISCHE CHARTA

Regel 51 Werbung, Demonstrationen und Propaganda


51.3. Jede Demonstration oder politische, religiöse oder rassische Propaganda ist an den olympischen Stätten, Austragungsorten oder in anderen olympischen
Bereichen untersagt.
Durchführungsbestimmung zu Regel 51
1. Auf der Person, auf Kleidung, Zubehör oder – allgemeiner – auf jedwedem Kleidungsstück oderAusrüstungsgegenstand, die von Athleten oder anderen
Teilnehmern an den Olympischen Spielen getragen oder benutzt werden, darf keinerlei Form von Werbung oder gewerblicher oder anderer Propaganda erscheinen mit Ausnahme – wie in Absatz 8 definiert – der Angabe des Herstellers des betreffenden Artikels oder Ausrüstungsgegenstandes,
sofern diese Herstellerbezeichnung nicht auf eine ostentative Weise zu Werbezwecken angebracht ist.
...
Jeder Verstoß gegen die Vorschriften dieser Klausel kann die Disqualifikation und den Entzug der Akkreditierung der betroffenen Person nach sich ziehen.
Die diesbezüglichen Entscheidungen der IOC- Exekutivkommission sind endgültig. 

Russische Föderation, Reise - und Sicherheitshinweise:
Homosexualität ist in Russland nicht strafbar. Jedoch ist die Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Partnerschaften in der russischen Gesellschaft gering.
Das föderale Gesetz gegen "Propaganda nicht-traditioneller sexueller Beziehungen" ist am 30. Juni 2013 in Kraft getreten. Durch das Gesetz drohen auch Ausländern bei Weitergabe von Informationen, öffentlicher Demonstration und Unterstützung von Homosexualität Geldstrafen in Höhe von bis zu 100.000 Rubel (rund 2.300 Euro), bis zu 15 Tage Haft und die Ausweisung aus der Russischen Föderation.
Es wird auf jüngste Vorfälle von Gewalt von nicht-staatlicher Seite hingewiesen, in denen es zu Übergriffen auf Homosexuelle und gleichgeschlechtliche Paare gekommen ist. Weitere gewalttätige Übergriffe, insbesondere bei öffentlichem Zeigen gegenseitiger Zuneigung, sind nicht auszuschließen.
In den russischen Regionen St. Petersburg, Leningrader Gebiet, Kostroma, Archangelsk, Rjasan Magadan, Nowosibirsk, Krasnodar, Samara, Baschkortostan und Kaliningrad bestehen bereits Gesetze, wonach die öffentliche Demonstration und Unterstützung von Homosexualität, sogenannte "Propaganda für Homosexualität", mit Geldstrafen geahndet werden kann.

OLYMPIC CHARTER

Chapter 51 Advertising, Demonstrations.Propaganda

51.3.
No kind of demonstration or political, religious or racial propaganda is permitted in any Olympic sites, venues or other areas.

By-law to rule 51
1. No form of publicity or propaganda, commercial or otherwise, may appear on persons, on sportswear, accessories or, more generally, on any article of clothing or equipment whatsoever worn or used by the athletes or other participants in the Olympic Games,
except for the identification – as defined in paragraph 8  – of the manufacturer of the article or equipment concerned, provided that such identification shall not be marked conspicuously for advertising purposes.
...
Any violation of the provisions of the present clause may result in disqualification or
withdrawal of the accreditation of the person concerned. The decisions of the IOC
Executive Board regarding this matter shall be final.


Sonntag, 11. August 2013

Dylan Thomas - Die Hand Die Unterschrieb - The Hand That Signed The Paper



DIE HAND DIE UNTERSCHRIEB

Die Hand die unterschrieb hat eine Stadt ruiniert;
Fünf herrschende Finger brachten dem Atem Not,
Haben die Toten des Erdballs verdoppelt, ein Land halbiert;
Diese fünf Könige gaben einem König den Tod.

Zu einer fallenden Schulter führt die mächtige Hand,
Ihre Fingergelenke sind krampfig von Gicht;
Ein Gänsekiel machte dem Mord ein End’,
Der hatte dem Gespräch ein End’ gemacht.

Die Hand die unterschrieb brütete Fieber,
Und Hunger wuchs, Heuschrecken kamen;
Groß ist die Hand die Herrschaft ausübt über
Menschen durch einen Krähenfuß von Namen.

Die fünf Könige zählen die Toten, doch ohne die Stirne
Zu streicheln oder die krustige Wunde zu schließen;
Eine Hand regiert Mitleid wie eine Hand die Sterne;
Hände können keine Tränen vergießen.

Übersetzt von Erich Fried

THE HAND THAT SIGNED THE PAPER

The hand that signed the paper felled a city;   
Five sovereign fingers taxed the breath,   
Doubled the globe of dead and halved a country;   
These five kings did a king to death.

The mighty hand leads to a sloping shoulder,   
The finger joints are cramped with chalk;   
A goose’s quill has put an end to murder   
That put an end to talk.

The hand that signed the treaty bred a fever,   
And famine grew, and locusts came;
Great is the hand that holds dominion over   
Man by a scribbled name.

The five kings count the dead but do not soften   
The crusted wound nor stroke the brow;   
A hand rules pity as a hand rules heaven;   
Hands have no tears to flow.
 
Dylan Thomas 1936
 
Hier liest Richard Burton das Gedicht:

In der Dokumentation "Fog of War" über Robert S. McNamara, der, unter anderem, 1961 bis 1968, also während der intensivsten Phase des Vietnamkrieges, Verteidigungsminister der USA war, rezitiert dieser das Gedicht auswendig in die Kamera. Was bedeutet das?

 D.Th.

Aus einem Brief an Pamela Hansford-Johnson:
Meine Verse, all meine Verse haben nur ein Zehntel der Intensität. Dies sind nicht die Worte, die ausdrücken, was ich ausdrücken möchte. Dies sind die einzigen Worte, die ich finden kann, die in etwa die Hälfte ausdrücken. Und das ist nichts. Ich bin ein verrückter Benutzer von Worten, kein Dichter. Das ist wirklich die Wahrheit, kein Selbstmitleid.
 

Samstag, 10. August 2013

Theater hat auch Theaterstücke über Theater


Es gibt Theaterstücke über Theater: Raub der Sabinerinnen, Der Nackte Wahnsinn, Bullets Over Broadway, Othello Darf Nicht Platzen. Ich habe all diese Stücke schon toll gesehen und auch grässlich, da ist immer ein Riesenunterschied zwischen anbiedernder Selbstverachtung und der Fähigkeit sich nicht allzu ernst zu nehmen und sich dem Gelächter der Zuschauenden anzubieten. Bitte anbieten, nicht anbiedern, bitte.  

In diesen Stücken kommt es vor, dass Schauspieler als Schauspieler auftreten. Also sie, die Schauspieler, spielen andere Schauspieler, was leider meist dazu führt, dass sie ungewöhnlich schlechte Schauspieler spielen. 
Zum Beispiel Sein Oder Nichtsein von Ernst Lubitsch nach Noch ist Polen nicht verloren von Melchior Lengyel: Herr Joseph Tura, soll laut Text ein großartiger Darsteller sein, aber meist bekommen wir einen knödelnden, chargierenden, Trottel- Hamlet geboten, der so oft, offensichtlich und unprofessionell aussteigt, dass er nicht mal an einer dörflichen Laienbühne tragbar wäre. Die Ausrede, dass es sich um eine emotionale Notsituation der Figur handelt, zieht nicht, da habe ich schon Kollegen mit massiveren Problemen erlebt, die doch noch in der Lage waren, die Vorstellung halbwegs über die Runden zu bringen. Ich bin wahrlich keine Verfechterin der dezenten Komik, aber warum sollte jemand nur komisch sein können, wenn er auch blöd ist? 
Oder die Schauspieler in Hamlet müssen sich einen langen Monolog lang anhören, in dem ihnen der Prinz von Dänemark ihren Beruf erkärt. Nun gut, er ist Prinz, also müssen sie wohl zuhören, aber wie hören sie zu? Meist wie dankbare Kinder, die nun endlich begreifen, was sie bisher nicht verstanden haben. War Hamlet in Wittenberg im Regieseminar?  
Katharina Thalbach hat mal eine ganz wunderbare, zauberische Inszenierung vom Raub der Sabinerinnen erarbeitet. Da stimmte alles, die Sehnsucht nach ernsthafter Größe und Kunst und das radikale Scheitern aus Geldnot, Talentnot und/oder anderen ungünstigen Umständen.
Unser verflixter Beruf hat oft einen wirklich schlechten Ruf. "Was macht ihr denn tagsüber?" oder "Wie könnt ihr euch nur den ganzen Text merken?", ist jeder von uns schon gefragt worden. Die Idee von einem Haufen versoffener, sexuell überaktiver Faxenmacher, die für ein bisschen Applaus Großmütter töten und Hosen fallen lassen, ist weit verbreitet. Aber dass wir uns selber so unter den Scheffel schubsen, wenn wir einen der unseren auf die Bühne bringen, hat mich immer erstaunt.


Tony Zuvela

Karel Capek: Wie ein Theaterstück entsteht

"Das Theater ist eben eine Stätte der Wunder, das grösste Wunder ist allerdings, dass es überhaupt funktioniert."

"Wir wollen hier keineswegs den fälschlichen Eindruck erwecken, als verstünden wir das Theater, Fakt ist, dass niemand das Theater versteht, weder die auf den Brettern in Ehren Ergrauten noch der älteste Direktor, ja nicht einmal die Kritiker."


Theatermasken der Tragödie und Komödie
 Mosaik Rom 2. Jahrhundert
"Das Schauspielergewerbe ist härter als Kriegführen; und falls jemand von Ihnen Schauspieler werden möchte, dem rate ich an Vaters und Mutters Stelle mit gefalteten Händen und erhobener Stimme davon ab, nun ja, wenn er es aber mit aller Gewalt will, dann prüfe er zuvor seine Widerstandskraft, seine Geduld, erprobe die Blasebälge, Pfeifen und Register, dann erfahre er am eigenen Leibe, wie man unter der Perücke oder unter der Schminke schwitzt, dann überlege er, ob er es aushält, nackt im Frost zu gehen oder, in Wattesachen verpackt, ein Dampfbad zu nehmen, ob er fähig ist, acht Stunden hintereinander zu stehen, zu laufen, zu schreien, zu flüstern, sein Mittag- und Abendessen aus einem Stück Papier einzunehmen, nach Wanzen stinkenden Mastix unter der Nase zu haben, von Scheinwerfern gebraten und von der Windmaschine aus der Versenkung angeblasen zu werden, etwa soviel Tageslicht zu sehen wie ein Bergmann, sich mit allem was man anfasst, zu beschmieren, Pech im Kartenspiel zu haben, eine halbe Stunde lang nicht niesen zu dürfen, ein von zwanzig Vorgängern durchschwitztes Trikot zu tragen, sechsmal die Kleider von der verbrühten und regelrecht dampfenden Blöße zu streifen, mit Knochenhautentzündung, Angina, und meinethalben auch Beulenpest zu spielen und noch viele andere Qualen zu erdulden, die ein Schauspieler, der spielt, zu erleiden hat; wobei ein Schauspieler, der nicht spielt, hundertfach schlimmere Martern aussteht."

Karel Capek: Wie ein Theaterstück entsteht 1925
http://www.exil-archiv.de/grafik/biografien/capek/capek.pdf

Freitag, 9. August 2013

Zum Weltkatzentag - Das Katzenhaus



Kinderbücher, Bücher, die man als Kind gelesen hat oder vorgelesen bekommen hat. sitzen in speziellen Erinnerungsräumen, Kinderschallplatten und -filme übrigens auch. Manchmal scheinen sie fast vergessen und dann aus merkwürdigsten Gründen geht eine Tür auf und eine vollständige Erinnerung steht da, inclusive heißem Kakao mit Weißbrotstulle, der Uhr, die 15.00 Uhr zeigt am Samstag und Professor Flimmrich ankündigt. "Ach, du meine Nase!"
Da erweist sich auch der Ost/West Biographieunterschied als ganz entscheidend. Der Zauberer der Smaragdstadt oder Der Zauberer von Oz? Na?
Ferdinand der Stier, Blauvogel, Lütt Matten und die weiße Muschel, viel von James Krüss, unzählige russische Märchenfilme mit blondem Iwanuschka und bezopfter Heldin, "Lat mi in Ruh, ick will in min Truh!", Tschingis Aitmatow und Lehrer mit Eselsohren im Prag der 70er Jahre - ein verrücktes Gemenge aus Sätzen, Bildern, Stimmen und seltsamerweise auch Gerüchen. Wie vertraut und wie schön. Unkritisch verdaut meist und Teil von dem, was ich bin.

DAS KATZENHAUS
 
Ich habe dieses Buch sehr gemocht, als Kind damals im letzten Jahrhundert. Und das Hörspiel hat eine Traumbesetzung, Inge Keller als reiche Katze, die Reichel als Ziege und Paryla und Bendokat als Schwein und Henne, besser geht's nicht.
Meine Lieblingsnichte hat mein Vorlesen auch sehr genossen.


Das Hörspiel von Litera

https://www.youtube.com/watch?v=OWpaqSxoD10 

Fürstin Koschka - eine vornehme Katze  - Inge Keller
Kater Wassja - ihr alter Hausdiener  - Helmut Müller-Lankow
Zwei Kleine Katzen - Waisenkinder - Monica Bielenstein & Helga Koren
Herr Bockowitsch - ein alter Ziegenbock - Peter Dommisch
Seine Frau - eine alte Ziege  - Käthe Reichel
Die Nachbarin - das Schwein  - Katja Paryla
Baron von Hahn - ein Cochinchina-Hahn  - Günter Junghans
Seine Frau - die Henne - Margit Bendokat
Biber und Ferkel  - Karin Reif & Elvira Schuster & Lutz Dechant & Holm Gärtner & Hans Oldenbürger & Lothar Tarelkin 

Der Erzähler - Wolfgang Dehler

Text - Samuil Marschak
Deutsche Nachdichtung - Martin Remané
Regie - Jürgen Schmidt
Musikdramaturgische Einrichtung - Joachim Thurm
Musik- und Tonregie - Karl-Hans Rockstedt

Dienstag, 6. August 2013

Verlaust 2013


      Kinder, ich habe Läuse! Das ist doch nicht zu glauben - ich komme aus dem 

     Urlaub, in Frankreich, zurück - der Kopf juckt - ich denk es ist die Hitze - 
     mehrmaliges Haarewaschen hilft nicht - es juckt immer doller - es fühlt sich 
     an, als würden kleine Hüpfburgen auf meiner Kopfhaut bespielt werden - in 
     mir wächst ein grässlicher Verdacht - ein Freund beginnt sich beim Skypen (!) 
     schon mitzukratzen - da geh ich endlich zum Arzt - UND - die sagt, ich habe 
     Läuse, reißt mir ein Haar aus und zeigt mir winzige kuglige Nissen, die daran 
     kleben, wie Minidisteln. Schock! Läuse? Ich?
     Läuse kenne ich als Gruppenphänomen aus Zeiten im DDR-Kindergarten, wenn 
     im Winter ewig die Mützen durchgeschwitzt wurden. Und selbst da hat es
     mich nie entwischt. Läuse! In irgendeiner Tierdoku wurde mal behauptet,
     dass eine Gruppe von Primaten, die stressfrei miteinander leben will, nicht 
     mehr als 50 Mitglieder haben darf. Bis zu dieser Anzahl kann noch jeder jeden 
     anderen lausen. Und dann zeigten sie Bilder von Gorillas, die sich gegenseitig 
     das Fell durchsuchten und die Fundstücke zwischen den Fingern knackten und 
     aufaßen. Nicht mein Ding.
     Ach, und da ist noch die Laus, die mir manchmal über die Leber rennt. 
     Aber jetzt, so ganz persönlich, auf meinem Kopf?
     Also habe ich mir den Kopf mit Tinktur vollgeschmiert, alle mit mir in Kontakt 
     gekommenen Textilien bei 60 Grad gewaschen, und alle mit mir in Kontakt 
     gekommenen Menschen angerufen und wegen etwaigen Kopfjuckens befragt. 
     (Keinen hat's erwischt!!!)
     Alles nicht wirklich schlimm, aber ein komisches Gefühl bleibt. Dabei sind wir 
     Menschen doch sowieso Gastgeber für Trillionen von anderen Lebewesen. Nur 
     sind die wirklich sehr, sehr klein und jucken meist nicht. Gott sei Dank!
     Und ich kenne ein paar Leute, denen würde ich vielleicht nicht die Pest
     an den Hals, aber nach dieser Erfahrung, Läuse auf den Kopf wünschen!
     Wiki sagt:
     Ein Mensch besteht aus etwa 10 Billionen (1013) Zellen, auf und in ihm 

     befinden sich etwa zehnmal so viele Bakterien.
     Im Mund eines Menschen leben insgesamt etwa
1010 Bakterien.
     Auf der menschlichen Haut befinden sich bei durchschnittlicher Hygiene etwa 

     hundertmal so viele Bakterien, nämlich insgesamt etwa eine Billion, allerdings 
     sehr unterschiedlich verteilt: an den Armen sind es nur wenige tausend, in 
     fettigeren Regionen wie der Stirn schon einige Millionen und in feuchten 
     Regionen wie den Achseln mehrere Milliarden pro Quadratzentimeter. Dort 
     ernähren sie sich von rund zehn Milliarden Hautschuppen, die täglich 
     abgegeben werden, und von Mineralstoffen und Lipiden, die aus den 
     Hautporen abgeschieden werden.  
     99 % aller im und am menschlichen Körper lebenden Mikroorganismen,
     nämlich mehr als 1014 mit mindestens 400 verschiedenen Arten, darunter    

     vorwiegend Bakterien, leben im Verdauungstrakt, vor allem im Dickdarm und
    
bilden die sogenannte Darmflora. 



So sah es bei mir NICHT aus!

ERNSTER RAT AN KINDER
Wo man hobelt, fallen Späne.
Leichen schwimmen in der Seine.
An dem Unterleib der Kähne
Sammelt sich ein zäher Dreck.
An die Strähnen von den Mähnen
Von den Löwen und Hyänen
Klammert sich viel Ungeziefer.
Im Gefieder von den Hähnen
Nisten Läuse; auch bei Schwänen.
(Menschen gar nicht zu erwähnen,
Denn bei ihnen geht's viel tiefer.)
Nicht umsonst gibt's Quarantäne.
Allen graust es, wenn ich gähne.
Ewig rein bleibt nur die Träne
Und das Wasser der Fontäne.
Kinder putzt euch eure Zähne!! 
Joachim Ringelnatz

Kitschwarnung!


Ja, ich weiß, man könnte diese Photos als Kitsch bezeichnen und ein skeptischer Freund hat mich auch schon darauf hingewiesen, dass sie möglicherweise gestellt sind. Aber. Aber ich habe das Buch für meine Lieblingsnichte gekauft. Sie ist nicht nur schön, klug und bezaubernd, sondern eignet sich manchmal auch als wunderbare Ausrede, um Dinge zu tun, Bücher zu lesen, Filme zu gucken, für die ich eigentlich viel zu alt und abgeklärt sein sollte. Mit ihr war ich auf dem Mount Mitte in idiotischer Verkleidung klettern, habe mir wiederholt Disneys "Pinocchio" reingezogen, tausche Elephant-und-Maus-Witze aus usw.usw.; und nun nutze ich sie aus, um dieses Buch in Ruhe durchzuschmökern.

Der Kauz und der Windhund







Alle Photographien aus: Unlikely Friendships - 47 True Stories of Animal Friendship
von Jennifer Holland Workman Publishing 2011
J. Holland schreibt sonst für die Zeitschrift "National Geographic".

Montag, 5. August 2013

Respekt und Terror


Bevor meine Mutter mich mit 17 in die damals noch recht enge Welt schickte, gab sie mir einen Satz, sozusagen als Rettungsanker, mit: "Was immer Menschen miteinander tuen, solange alle Beteiligten damit einverstanden sind, ist niemals unmoralisch".
Das klingt simpel und trifft genau. Keine Vorurteile, keine Urteile - Respekt als existentielles Lebensmotto. Ich muß nicht verstehen, aber ich muß auch nicht darüber urteilen, was Andere tun. Und ich muß mich dem Urteil Anderer nicht unterwerfen. Meine Mutter ist eine kluge Frau.
Die Verführung ist stark, die eigene Lebensweise, als die beste aller möglichen anzusehen. Aber, nix da.  Wiki sagt: eine respektvolle Haltung schließt bedenkenloses egoistisches Verhalten aus. Bedenken sind etwas Gutes, ich be-denke, was der Andere wünscht, begehrt, braucht. Und ich gehe dabei nicht von meinen Wünschen, Vorlieben und Geschmäcklichkeiten aus, sondern bemühe mich, dass heißt, ich gebe mir Mühe, strenge mich an, sein Universum zu achten, ihm Beachtung und Aufmerksamkeit zu schenken.
Rußlands Regierung hat sich gegen einen respektvollen Umgang mit einem Teil seiner Bevölkerung entschieden. Ob Mann mit Mann, Frau mit Frau oder wer auch immer mit wem auch immer er begehrt, Sex hat, geht aber den Staat nichts an. Gibt es Gewalt, muß er einschreiten. Wird Macht mißbraucht, ebenfalls. Aber ansonsten soll er sich um den Zustand der Straßen, Schulen, Krankenhäuser kümmern, Mörder verhaften, Kindergärten bereitstellen und sich ansonsten nicht in unser Leben mischen. 
Wenn wir also nächstes Jahr nach Sotschi zur Olympiade fahren und uns einreden, dass ein kurzzeitiges Aussetzen, ein Pausieren, ein Ein-Auge-Zudrücken unseres Demokratieverständnisses, uns nicht beschädigt, dann verlieren wir jede Glaubwürdigkeit, die wir uns möglicherweise erarbeitet heben. 
Ein Boykott? Wäre Kontaktabbruch nicht sogar konterproduktiv? Ich erinnere mich, wie wichtig und spannend in der DDR Begegnungen mit Leuten aus der anderen Welt waren. Frischluft. Und eine Absage ginge auf Kosten der Sportler, die hart trainieren und für Höchstleistungen nur ein kleines Alters-Zeitfenster haben. Also ein Kompromisslösung. Und was wäre das?

Aber schweigendes Hinnehmen, widerspruchsloses opportunistisches Abknicken finde ich unerträglich und gefährlich. Ja, gefährlich, weil wir grundsätzliche Rechte für disponibel erklären, und wenn wir damit erst einmal anfangen, können wir nicht sicher sein, wo es endet, oder?  


Das Gesetz hat die Menschen nicht um ein Jota gerechter gemacht; gerade durch ihren Respekt vor ihm werden auch die Wohlgesinnten jeden Tag zu Handlangern des Unrechts." 
Henry David Thoreau, Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat

Ein wirklich gut geschriebener Artikel zum Thema:
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/silke-burmester-ueber-homophobie-und-die-winterspiele-in-sotschi-a-914547.html

Samstag, 3. August 2013

Woher kommen wir? Wer sind wir? Wohin gehen wir?



Woher kommen wir? Wer sind wir? Wohin gehen wir?


Paul Gaugin 1897

Zu einer größeren Ansicht des Bildes geht es hier:



Wiki schreibt: Anfang 1897 erhielt Paul Gaugin den Erlös aus dem Verkauf von Bildern in Europa, was einen vorübergehenden finanziellen Aufschwung brachte; seine Gesundheit aber verschlechterte sich weiter. Er litt nun auch unter Herzbeschwerden und einer chronischen Augenentzündung. Die Nachricht vom Tod seiner Tochter Aline, die in Kopenhagen an einer Lungenentzündung gestorben war, verstärkte seine Schwermut zusätzlich.Nach einem Herzanfall am Ende des Jahres nahm Gauguin alle Kräfte zusammen und malte innerhalb von vier Wochen das 139 × 375 cm große Bild Woher kommen wir? Wer sind wir? Wohin gehen wir?, das testamentarischen Charakter hat. Anschließend unternahm er einen Selbstmordversuch mit Arsen, an dessen Folgen er wochenlang leiden sollte.
Gaugin starb 1903. 

Hochinteressanter Artikel über Gaugins Leben auf Tahiti und den daraus entstandenen Mythos:

Der von der Gauguin-Legende überlieferte Trauerschrei der Eingeborenen
- "Koke ist tot, wir sind verloren!" - ist, wie Bengt Danielsson nachweist, nur ein übersetzungsfehler. Richtig übersetzt lautet das, was die "Wilden" riefen: "Koke ist tot, der Bursche hat's hinter sich."

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46266241.html 


Katechismus der Katholischen Kirche

282 
Die Katechese über die Schöpfung ist entscheidend wichtig. Sie betrifft ja die Grundlagen des menschlichen und des christlichen Lebens, denn sie formuliert die Antwort des christlichen Glaubens auf die Grundfragen, die sich die Menschen aller Zeiten gestellt haben: ,,Woher kommen wir?", ,,wohin gehen wir?", ,,woher stammen wir?", ,,wozu sind wir da?", ,,woher kommt alles, was da ist, und wohin ist es unterwegs?" Die beiden Fragen, die nach dem Ursprung und die nach dem Ziel, lassen sich nicht voneinander trennen. Sie sind für den Sinn und die Ausrichtung unseres Lebens und Handelns entscheidend.



An Charlotte von Stein


Woher sind wir geboren?
Aus Lieb.
Wie wären wir verloren?
Ohn Lieb.
Was hilft uns überwinden?
Die Lieb.
Kann man auch Liebe finden?
Durch Lieb.
Was lässt nicht lange weinen?
Die Lieb.
Was soll uns stets vereinen?
Die Lieb.

Johann Wolfgang von Goethe

Du mußt dein Leben ändern




Torso von Milet, um 470 v.Chr, 
1885 aufgefunden; Louvre, Paris 
 

Archaischer Torso Apollos


Wir kannten nicht sein unerhörtes Haupt,
darin die Augenäpfel reiften. Aber
sein Torso glüht noch wie ein Kandelaber,
in dem sein Schauen, nur zurückgeschraubt,

 
sich hält und glänzt. Sonst könnte nicht der Bug
der Brust dich blenden, und im leisen Drehen
der Lenden könnte nicht ein Lächeln gehen
zu jener Mitte, die die Zeugung trug.

Sonst stünde dieser Stein entstellt und kurz
unter der Schultern durchsichtigem Sturz
und flimmerte nicht so wie Raubtierfelle

und bräche nicht aus allen seinen Rändern
aus wie ein Stern: denn da ist keine Stelle,
die dich nicht sieht. Du mußt dein Leben ändern.

Rainer Maria Rilke 1908


Zeit Artikel zu Peter Sloterdijks Essay "Du mußt Dein Leben ändern"

Freitag, 2. August 2013

O sag mir die Wahrheit über Liebe



O Sag Mir Die Wahrheit Über Liebe

Manch einer sagt, Liebe sei kindisch,
Mancher sagt, sie sei federleicht,
Für manchen dreht sie die Welt im Kreis,
manch andrer findet's zu seicht,
Ich fragt' den Mann von nebenan,
Ob er es etwa wüßte,
Sein Weib, sie sah mich finster an,
sagt', daß er passen müßte.

Sieht sie aus wie ein Streifenpyjama,
Oder wie ein Schinken vom scheckigen Rind?
Riecht sie vielleicht wie ein Lama,
Oder doch mehr nach Zucker und Zimt?

Fasst sie sich an wie die Blätter von Hecken,
Oder weicher als Daunen noch?
Ist sie scharf oder rund an den Ecken?
Die Wahrheit, so sag sie mir doch.

In schlauen Büchern kommt sie vor
Umwoben wie eine Fee,
Man redet darüber, das ist bekannt,
Auf Luxusdampfern auf See;
Selbstmörder haben sie erwähnt
Ganz sicher unter Tränen
Manch einer kritzelt gar von ihr
Auf Eisenbahnfahrplänen.

Heult sie wie hungrige Fellachen,
Tönt sie wie ein Korpsoffizier?
Kann jemand den Klang nachmachen
Mit Säge oder Steinway-Klavier?

Tanzt sie auf Partys den Reigen?
Liebt sie's klassisch, aus jeder Epoch?
Wird sie auf Wunsch auch mal schweigen?
Die Wahrheit, so sag sie mir doch.

Ich suchte sie im Sommerhaus,
Doch war sie niemals dort,
Vergebens an der Themse auch,
Und manchem andren Ort,

Ich hörte nicht der Drossel Ruf
Noch Ansichten der Katze;
Ich fand sie nicht im Hühnerhof
Noch unter der Matratze.

Schneidet sie vielleicht gern Grimassen?
Wird ihr schlecht, wenn sie schaukelt einher?
Kann sie's Wetten auf Pferde nicht lassen?
Oder liebt sie die Geigen vielmehr?
Denkt sie dran, Geld zu machen?
Ist ihr die Heimat ein Joch?
Ist sie vulgär oder lässt sie uns lachen?
Die Wahrheit, so sag sie mir doch.

Wenn sie kommt, kommt sie dann ohne Tarnung?
Ist sie wie andre zu sehen?
Klopft sie dann an ohne Warnung,
Tritt mir im Bus auf die Zeh'n?
Wird sie kommen wie plötzlicher Regen?
Trägt sie ihr Haupt tief oder hoch?
Werd ich deshalb auf einmal verwegen?

Die Wahrheit, so sag sie mir doch.

Den Übersetzer habe ich leider nicht finden können.


Die Pfützenspringerin 1934


O Tell Me The Truth About Love

Some say that love's a little boy,
And some say it's a bird,
Some say it makes the world go round,
And some say that's absurd,
And when I asked the man next-door,
Who looked as if he knew,
His wife got very cross indeed,
And said it wouldn't do.

Does it look like a pair of pajamas,
Or the ham in a temperance hotel?
Does it's odour remind one of llamas,
Or has it a comforting smell?
Is it prickly to touch as a hedge is,
Or soft as eiderdown fluff?
Is it sharp or quite smooth at the edges?
O tell me the truth about love.

Our history books refer to it
In cryptic little notes,
It's quite a common topic on
The Transatlantic boats;
I've found the subject mentioned in
Accounts of suicides,
And even seen it scribbled on
The backs of railway-guides.

Does it howl like a hungry Alsatian,
Or boom like a military band?
Could one give a first-rate imitation
On a saw or a Steinway Grand?
Is its singing at parties a riot?
Does it only like Classical stuff?
Will it stop when one wants to be quiet?
O tell me the truth about love.

I looked inside the summer-house;
it wasn't ever there:
I tried the Thames at Maidenhead,
And Brighton's bracing air.
I don't know what the blackbird sang,
Or what the tulip said;
But it wasn't in the chicken-run,
Or underneath the bed.

Can it pull extraordinary faces?
Is it usually sick on a swing?
Does it spend all it's time at the races,
Or fiddling with pieces of string?
Has it views of it's own about money?
Does it think Patriotism enough?
Are its stories vulgar but funny?
O tell me the truth about love.

When it comes, will it come without warning
Just as I'm picking my nose?
Will it knock on my door in the morning,
Or tread in the bus on my shoes?
Will it come like a change in the weather?
Will its greeting be courteous or rough?
Will it alter my life altogether?
O tell me the truth about love.

W.H. Auden

Januar 1938


Tibor von Halmay & Vera Mahlke ca. 1931


Sag Mir Die Wahrheit Über Die Liebe

Man sagt, die Liebe sei ein Kind,
Man sagt, dass sie oft gurrt,
Man sagt, sie dreht die Welt herum,
Und dann, das sei absurd.
Als ich den Nachbarn fragen ging,
Der tat, als wüsste er,
Da wurde seine Frau sehr bös
Und sagte: viel zu schwer!
Sieht sie aus wie die schönen Pyjamas,
Oder eher wie Schinken im Saft?
Riecht sie streng wie eins von den Lamas,
Oder duftet sie voller Kraft?
Ist sie kratzig wie Gartenhecken,
Oder weich wie der Flaum einer Gans?
Ist sie scharf oder weich an den Ecken?
O Liebe kennt niemand so ganz.
Die Bücher berichten nur wenig
Und wirklich nicht sehr klar,
Doch immerzu ist sie ein Thema
Auf Dampfern an der Bar;
Ich fand sie auch als häufigen Grund
Für Tod und Suizid,
Auf Zugfahrplänen sah ich sie
Erwähnt in einem Lied.
Heult sie nachts wie ein Wolf nur aus Laune
oder dröhnt sie wie eine Band?
Spielt sie jemand auf einer Posaune
Oder auf einem Steinway Grand?
Ist ihr Vortrag auf Partys lebendig?
Mag sie eher den klassischen Tanz?
Ist sie leise und zeigt sich verständig?
O Liebe kennt niemand so ganz.
Ich schaute nach im Sommerhaus
Und auch bei Vaters Gruft:
Ich prüfte die Themse bei Maidenhead
Und Brighton’s frische Luft.
Ich weiß nicht, was die Amsel sang,
die Tulpe sprach kokett,
Doch war sie nicht im Hühnerstall
Und auch nicht unterm Bett.
Zieht sie manchmal verrückteste Fratzen?
Macht das Schaukeln sie schwindlig im Kopf?
Liebt sie Rennen nur, um dort zu schwatzen
Oder kratzt sie sich ständig am Schopf?
Denkt sie nach über Kapitalismus?
Bietet Heimat für sie Stimulanz?
Ist sie selbstlos oder voller Narzissmus?
O Liebe kennt niemand so ganz.
Wenn sie kommt, tritt sie auf mit Allüren?
Ist sie so wie ich sie mir vorstellen muss?
Klopft sie morgens an all meine Türen
Oder tritt sie mir im Bus auf den Fuß?
Wird das Wetter von ihr wahrgenommen?
Wird sie freundlich sein voll Larmoyanz?
Wird mein Leben durch sie erst vollkommen?
O Liebe kennt niemand so ganz.


© Ulrich Kusenberg

Lunabad Berlin 1930

Alle Photographien:
 © Estate of Joan Munkacsi 
Courtesy International Center of Photography