DER HASE MIT DEN BERNSTEINAUGEN
Ein ganz langsames melancholisches Buch. Ein Buch über den Tastsinn, über die Notwendigkeit von Vitrinen, über Assimilation und Antisemitismus, über Reichtum und die Liebe zu Gegenständen. Seltsam und hypnotisch.
Wiki sagt:
Netsuke (jap. 根付, dt. „Wurzel[holz]-Anbringung“) sind kleine geschnitzte Figuren aus Japan. Sie dienten als Gegengewicht bei der Befestigung eines Sagemono (‚hängendes Behältnis‘) wie z. B. eines Inrō, einer flachen, kleinen, mehrteiligen Lackholzdose am Obi des taschenlosen Kimono.
Sieben Gingko Nüsse. Elfenbein. Signiert Mitsuharu, aber wahrscheinlich von Kiyokatsu. Kyoto, c.1850. Länge 4.4cm.
Der Töpfer Edmund de Waal erbt 1994 die Netsuke-Sammlung seines Großonkels Ignace Ephrussi und beginnt, getrieben von einem zu Beginn noch unbestimmten Gefühl der Verantwortung (?), die Lebensgeschichte dieser kleinen fremden, kunstvollen Teile und damit zugleich die Geschichte seiner Familie zu erforschen. Er reist durch Europa, verbringt Wochen in Bibliotheken, Museen, Archiven, sucht die verstreuten Überbleibsel, Dokumente, Briefe und Photographien dieser ehemals weitverzweigten Familie zusammen. Er liest alle Romane von Joseph Roth und auch die von Proust. Er wandert durch ehemalige Ballsäle, Ankleidezimmer und Bibliotheken, heute Büros, Werkstätten oder verlassen leerstehende Räume.
Zwei Jahre lang wird er seine Töpferscheibe nicht anrühren, seine jetzige Familie vernachlässigen, um den verschlungenen Weg der Netsukes zu erforschen: aus Japan ins Paris der Dritten Republik, weiter als Hochzeitsgeschenk nach Wien, dann 1938 für viele Jahre in die Matratze der Kammerzofe Anna, und von dort nach London, um schließlich, nachdem sein Onkel sie wieder nach Tokio gebracht hatte, nun in seinem Haus in London, in einer Vitrine auszuruhen.
Zwei Jahre lang wird er seine Töpferscheibe nicht anrühren, seine jetzige Familie vernachlässigen, um den verschlungenen Weg der Netsukes zu erforschen: aus Japan ins Paris der Dritten Republik, weiter als Hochzeitsgeschenk nach Wien, dann 1938 für viele Jahre in die Matratze der Kammerzofe Anna, und von dort nach London, um schließlich, nachdem sein Onkel sie wieder nach Tokio gebracht hatte, nun in seinem Haus in London, in einer Vitrine auszuruhen.
1781 Toleranzpatent Josef II., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches
Solang sich die irrgläubigen Landesinwohner ruhig und friedlich betragen, ist ihre Bekehrung lediglich der unendlichen Barmherzigkeit Gottes, und der bescheidenen Mitwirkung der Geistlichkeit zu überlassen. Wenn sie sich aber unterstünden, andere von dem katholischen Glauben abwendig zu machen und zu verführen: so sind sie nach der obigen Vorschrift zu bestrafen.
Und wieder Wiki:
1867 wurde durch das Staatsgrundgesetz den Juden erstmals in ihrer Geschichte in ganz Österreich der ungehinderte Aufenthalt und die Religionsausübung gestattet. Die Jüdische Gemeinde wuchs als Folge dieser Entwicklungen sehr rasch: Registrierte die Israelitische Kultusgemeinde Wien 1860 6.200 jüdische Einwohner, so waren es 1870 bereits 40.200 und zur Jahrhundertwende 147.000.
Die Ephrussis, eine sephardische Familie in der Diaspora; über Griechenland kamen sie nach Odessa, gründeten erst einen Getreidehandel und als der erfolgreich wurde, eine Bank. Die Söhne wurden nach Paris und Wien geschickt, um Zweigstellen zu eröffnen. Ephrussi & Cie war, in der zweiten Hälfte des 19. jahrhunderts, nach der der Rothschilds, die zweitgrößte europäische Bank.
"Eine Geschichte über das Verstecken...Es war ein Ort an dem man versteckte wo man herkam, ein Ort um Dinge zu verstecken."
Pierre Auguste Renoir 1881 Mittagessen der Bootpartie
Charles Ephrussi ist der Herr mit dem Zylinder, den man nur von hinten sieht. Er ist unpassend, zu fein gekleidet für eine Bootsfahrt, er ist der Mäzen.
Während der Dreyfuß-Affaire zeigte sich Renoir als vehementer Antisemit, er sagte zum Beispiel über die Familie seines jüdischen Kollegen Pissaro, sie sei Teil "der jüdischen Rasse von klebrigen Kosmopoliten und Wehrdienstverweigerern, die nur nach Frankreich kommen, um Geld zu machen." Und Degas wechselte die Strassenseite, wenn er Pissaro von weitem erblickte. Fakten, die man lieber nicht wüßte, oder?
Während der Dreyfuß-Affaire zeigte sich Renoir als vehementer Antisemit, er sagte zum Beispiel über die Familie seines jüdischen Kollegen Pissaro, sie sei Teil "der jüdischen Rasse von klebrigen Kosmopoliten und Wehrdienstverweigerern, die nur nach Frankreich kommen, um Geld zu machen." Und Degas wechselte die Strassenseite, wenn er Pissaro von weitem erblickte. Fakten, die man lieber nicht wüßte, oder?