Der Schädel Richard II.
Zeichnung von George Scharf,der anwesend war, als Richards Grab in Westminster Abbey 1871 geöffnet wurde.
3. Akt, 2. Szene
Laßt uns von Gräbern sprechen, Würmern, Grabinschriften.
Wir schreiben uns den eigenen Nachruf in den Staub,
mit Augen regenvoll das Leid der Erde auf den Leib.
Laßt uns die Henker wählen und vom Nachruhm reden.
Nein, nein, so nicht, nein, was bleibt uns denn mehr,
als unsern abgesetzten Körper dem offnen Riß der Erde hinzugeben?
Unsere Ländereien und Lebereien sowie der Rest
gehören Bolingbroke, nichts als der Tod ist unser Eigenes.
Die Erde hat uns ein- und ausgekleidet und
verkleidet auch mit Haut und Knochenleim,
in Gottes Namen laßt uns auf die Erde setzen
und Schreckgeschichten vom Tod der Könige erzählen,
wie man wen absetzt und wen in den Schlachten schlachtet:
Gehetzt der von dem Geist des Herrschers,
den er abgesetzt, von ihren Ehefrauen vergiftet,
andere die andern wieder hingemacht im Schlaf,
ermordet sind sie alle.
Der Grund: die Krone auf des Königs Schläfe, sie ist hohl.
Im Hohlraum thront er, der Clown sitzt da, und er reißt Witze übern Staat.
Er grinst den Wohlstand an und billigt seinem König
den kurzen Atem und den kleinen Auftritt zu.
Als König, der das Fürchten lehrt, lernt er
das Fürchten auch. Hört dieses Clown- und
Throngelächter, will uns machen fürchten.
Ich habe einen in der Krone wehen, einen König in der Krone,
nicht König, unter dem ich throne. Wer macht mein Ich
und auch mein Fleisch falsch denken,
als hätte er ein Messing zu verschenken,
das mich schon vor dem Tod vorm Leben schützt,
als ob wir immer König oder Richard bleiben dürfen,
doch schließlich kommt wer, hinterm Messing
nach dem Tod zu schürfen, und dann stirb du, mein Lebewohl du,
behütet euch, verhütet mich, verhütet auch
mein Fleisch, mein Blut, macht es nicht lächerlich
mit Andacht oder Ehrfurcht, wie die Angst auch immer heißt.
Ach, das Gesetz und Ordnung ihr doch in die Erde schmeißt.
Ich war euch unbekannt die ganze euch bekannte Zeit
und esse doch mein Brot wie ihr,
wie ihr bin ich zu jedem Glück,
doch alles schmeckt mir nur nach Trauer,
ich bin mir viel zu wenig, ich brauche Freunde,
doch nicht welche, die mich nennen König.
Übersetzung Thomas Brasch
Richard II.