Freitag, 12. April 2013

NEIN.


NEIN.

»Weißt du nicht, dass die Sprache kein Wort so wild kennt wie ›nein‹?«  
Emily Dickinson

Kennt ihr das herrliche Gefühl "nein" zu sagen? Nicht "nein danke", nicht "nein, aber..", nicht "leider nein", nicht " eigentlich nicht", sondern NEIN!. 
Ich will nicht. Nein.
Dazu braucht es Klarheit, dazu braucht es Angstüberwindung, dazu braucht es Selbstachtung.

Ich, zum Beispiel, kann ganz schlecht nein sagen. Ich will lieb gehabt werden. Ich kann mich schlecht von Beziehungen verabschieden, selbst von solchen die nicht gut für mich sind. Ich sehe meist mehr als eine Seite eines Konfliktes und bin darum nur allzu willig, Gegenargumente mit in Betracht zu ziehen. Und so höre ich mich oft eine Menge Jeins, Abers und Obwohls äußern, obwohl (schon wieder) ich eigentlich ein fettes, sattes Nein im Bauch spüre. Sicher ist Kompromissfähigkeit für das Überleben im sozialen Umgang hilfreich und auch notwendig, aber, auch so ein schönes Wort, aber wo hört Verständigungs-bereitschaft und Akzeptanz auf und beginnt der ungute Marsch auf dem beliebten und schlammigen Mittelweg. Selbstzweifel sind ein Zeichen von Intelligenz, aber Mangel an Selbstachtung ist auch ein Zeichen, nur wofür?

Wiki sagt: 
Die Höflichkeit oder Zivilisiertheit ist eine Tugend, deren Folge eine rücksichtsvolle Verhaltensweise ist, die den Respekt vor dem Gegenüber zum Ausdruck bringen soll. Ihr Gegenteil ist die Grobheit oder Barbarei.
Sozial gehört sie zu den Sitten, soziologisch zu den sozialen Normen. Das Wort hat sich aus dem Begriff „höfisch“ entwickelt, das die Lebensart am frühneuzeitlichen Hof bezeichnete.

Sind wir also barbarisch, wenn wir nein sagen? Wie vereinbaren wir Höflichkeit und Ehrlichkeit? 

Nein, ich finde, Sie haben das nicht gut gespielt.
Nein, Sie sind mir nicht sympathisch.
Nein, mir geht es nicht gut. Diese Antwort auf das übliche gemurmelte "Na, wie geht's" kann zu geradezu panischen Reaktionen beim jeweiligen Gegenüber führen.
Nein, deine Entschuldigung entschuldigt Dich nicht.
Nein, ich mochte Deinen Schweinebraten noch nie. Aber ich denke, das geht selbst mir zu weit, dieser Satz zu einer Mutter geäußert, läuft unter unnötiger Grausamkeit. Nein, Mama, dein Schweinebraten ist großartig. Ist er wirklich!
Kein Nein aus Faulheit, kein Nein aus Trotz, kein Nein aus Gemeinheit oder Lust am Widerspruch, sondern dieses rare, kostbare Nein aus tiefster Seele, dass die Frage des Anderen ganz ernst nimmt und - sie verneint.
Wie sagt man nützlich "Nein". Von Nutzen für sich selbst und für den Anderen?
Damit danach eine neue Frage gestellt werden kann.



Das Nein…

Das Nein
das ich endlich sagen will
ist hundertmal gedacht
still formuliert
nie ausgesprochen.

Es brennt mir im Magen
nimmt mir den Atem
wird zwischen meinen Zähnen zermalmt
und verläßt
als freundliches Ja
meinen Mund.

Peter Turrini, in ” Ein paar Schritte zurück”

Wiki sagt:

„Nein“ ist ein Erbwort, gehört mithin zum ältesten Bestand des deutschen Wortschatzes und seine Entsprechungen in anderen indogermanischen Sprachen sind lautlich oft sehr ähnlich. Das Wort „nein“ ist bereits in dieser Form oder in der Form „nain“ im Althochdeutschen vor dem 9. Jahrhundert belegt.
Entstanden ist das Wort als Zusammensetzung aus der Negationspartikel „ni“ (wie sie auch in den Wörtern „nicht“ „nie“ und „niemand“ vorkommt) und dem unbestimmten Artikel „ein“ und bedeutete somit ursprünglich „nicht eines“....
„Nein“ ist ein Basiswort in fast allen Sprachen. Wegen seiner kommunikativen Bedeutsamkeit sowie seiner grundlegenden Semantik und somit häufigen Verwendung ist das Wort aus sprachökonomischen Gründen in der Regel kurz. Da „nein“ auch als dringliche Aufforderung zur Unterlassung einer Handlung dienen kann, ist die Kürze des Wortes in Gefahrensituationen schon aus biologischen Gründen vorteilhaft.


Programm 
NEIN!-Idee
(Bundesparteitag 10.02.2013)
Grundsatz: Die NEIN!-Idee spricht jedem Menschen das Recht zu „NEIN“ zu sagen, ohne dabei nach dem Grund zu fragen.
Die NEIN!-Idee will dem Menschen die Möglichkeit geben, neben dem „Ja“ zu einer beliebigen Partei und dem Nichtwählen, auch „Nein“ wählen zu können.
Artikel 3 des GG Abs.(1) besagt: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ also auch die Menschen die die Konzepte der zur Wahl stehenden Politiker und Parteien ablehnen. Das Ziel der NEIN!-Idee ist die größtmögliche Teilhabe aller Wahlberechtigten am politischen Entscheidungsprozess und dass jede Stimme der Menschen, auch die NEIN-Stimme, gleichwertig behandelt wird.
Die Mandatsträger der NEIN!-Idee werden exakt den Willen der Wähler repräsentieren, somit keine Gesetze befürworten, keine Ämter annehmen und niemanden in ein Amt wählen.

...
Die Mandatsträger der NEIN!-Idee werden alle Gesetze und Beschlüsse ablehnen,
die die Freiheit und Selbstbestimmung des Einzelnen einschränken.
Jeder hat das Recht, Nein zu sagen.  


http://www.nein-idee.de/ 

Nein!

Pfeift der Sturm?
Keift ein Wurm?
Heulen
Eulen
hoch vom Turm?

Nein!

Es ist das Galgenstrickes
dickes
Ende, welches ächzte,
gleich als ob
im Galopp
eine müdgehetzte Mähre
nach dem nächsten Brunnen lechzte
(der vielleicht noch ferne wäre).

von Christian Morgenstern

Für das Ja sagen, gelten übrigens die gleichen Kriterien.
JA. 
 

Donnerstag, 11. April 2013

Für eine total schmerzfreie Welt


   Präsident Obama hat Kamala Harris "the best-looking attorney general in the country", 

   die bestaussehende Generalstaatsanwältin (im Englischen gibt es die weibliche 
   Form nicht) des Landes genannt und mußte sich dafür entschuldigen. Bei manchen, 
   für unterstellten Sexismus und bei anderen, weil er damit alle anderen, weniger gut 
   aussehenden Generalstaatsanwälte gekränkt hätte.

   McDonalds wirbt mit dem Plakat einer bedrückt aussehenden Frau, die sich die Hand 

   vor das gesenkte Gesicht hält, und dem Text: You’re Not Alone. Millions of people love 
   the Big Mac. - Du bist nicht allein. Millionen Menschen lieben den Big Mac. Eine 
   öffentliche Entschuldigung wurde verlangt und auch veröffentlicht, weil sich durch 
   das Bild depressive Menschen verächtlich gemacht fühlen könnten und man keine 
   Witze über deren seelische Nöte machen sollte.

   Wie mache ich einen Witz, ein Kompliment, eine alberne Bemerkung und stelle sicher, 
   dass sich niemand gekränkt fühlt. Selbst ein "Guten Morgen" zu jemandem mit  
   Insolvenz-, Inkontinenz-, Impotenzproblemen kann für denjenigen wie eine Verhöhnung 
   klingen. Wenn man dann auch noch eine kritische Anmerkung äußern möchte - da sehe 
   ich schwarz. Oh, auch das könnte mißverständlich klingen. Da sehe ich dunkel? Unbunt? 
   Das geht auch nicht, will man nicht von Regenbogenfahnen erschlagen werden. Oh weh!
   
   Liebeck v. McDonald's Restaurants, tut mir leid, nochmals McDonald. Frau Liebeck
   hat sich einen Kaffee gekauft, er ist ihr runtergefallen und sie hat sich Verbrennungen 
   zugezogen. Es lag nicht an der Tasse und auch nicht an dem bei McDonalds angestellten 
   und sicher schlecht bezahlten Barrista. Sie hat McDonalds verklagt, weil der Kaffee zu 
   heiß gewesen sei - und - hat Recht bekommen.

   Im Theater Magdeburg muß 50 Zentimeter vor der Rampe ein dicker, weißer Lenker- 

   bandstreifen geklebt werden, damit abgesichert wird, dass keine der spielenden 
   "Rampensäue" von eben dieser fällt. Ich, als kurzsichtige, Kontaktlinsen  
   nichtvertragende Bewegungschaotin bin in 35 Jahren genau kein Mal in den 
   Zuschauerraum gestürzt, was habe ich für ein Glück gehabt.

   Bei genauester Prüfung der möglichen Risiken wird eigentliche jede menschliche 
   Tätigkeit lebensgefährlich. Und wer will schon sterben? 
   (Hiermit möchte ich keine Selbstmordgedanken hegende Person kränken!) 
   Also wollen wir uns absichern, versichern, unsterblich machen. Und der liebe Staat 
   greift diesen Wunsch auf und erläßt Ver- und Gebote, Dinge betreffend, die ihn 
   eigentlich gar nichts angehen, und die ganz nebenbei noch von anderen größeren 
   Problemen ablenken.


Produktwarnung einer amerikanischen Kinderwagenfirma: 
"Das Kind vor dem Zusammenfalten aus dem Buggy entfernen"

   Ich bin auch nicht anders, ich rauche zum Beispiel mit Vorliebe Zigaretten aus    
   Schachteln  mit dem Warnhinweis: Dass Rauchen die Spermien schädigen kann, 
   eigene Spermien habe ich persönlich nämlich nicht.

Dienstag, 9. April 2013

Stanley Kubrick als Photograph


Ich habe gar nichts in der Schule gelernt und habe, bis ich 19 Jahre alt war, kein Buch zum Vergnügen gelesen. 

I never learned anything at all in school and didn`t read a book for pleasure until I was 19 years old.
S. K.


Mit 16 Jahren schenkt Stanleys Vater ihm eine Graflex-Kamera und löst damit eine     Leidenschaftslawine aus. Schon zwei Jahre später war der junge Mann Hilfsphotograph beim Look Magazin und kurze Zeit später wird er dort festangestellt. Was danach kommt, bzw. dadurch begonnen wurde, ist Filmgeschichte.


 Mr. Kubrick bei der Arbeit

Mädchen mit Puppe 40er Jahre

Die Geschichte vom Schuhputzjungen 1947

 Das größte Spektakel der Welt: ein Familienzirkus 1948


Radwechsel

©Alle Rechte bei Look Magazine/Library of Congress/Museum of the City of New York

Montag, 8. April 2013

Mrs. Thatcher died today


Ich bin außerordentlich geduldig, vorausgesetzt, ich kriege am Ende, was ich wollte.
als "O-Ton Thatcher" zitiert von Roger Boyes in Aus Politik und Zeitgeschichte

Margaret Hilda Thatcher, wäre Sie wohl als Hilda milder gewesen? Hätte ein Friseur Sie sanfter gestimmt, der ihr unter leisem und insistentem Murmeln, den Hartholzhaarhut hätte ausreden können?
(Die Russen hatten auch solches Haarspray, es wurde bei der DEFA verwendet, wenn sommerhafte Szenen bei starkem Wind gedreht werden mußten. Du konntest so besprayt, ungefährdet Deinen Kopf gegen jedwede Betonwand schlagen.)
Ihre Politik schien mir immer unsozial und darwinistisch bis zum Äußersten, aber vielleicht mußte Sie konservativer als die Konservativen sein, um die erste und bisher einzige Regierungschefin des klassenbewussten und höflich-patriachalischen Großbritanniens zu werden.
Eigentlich finde ich dominante Frauen sexy, aber in der Realität setzt auch bei mir oft recht schnell das anerzogene, dämliche Vorurteil gegen "unweibliche" Weiber ein. Männer schreien, wir werden hysterisch. Männer sind egobestimmte Alphatiere, wir sind garstig und herrschsüchtig. Als ob unsere Gebärmutter mit direkter Verbindung zum Gehirn, ein mütterliches, empathisches, verbindliches Wesen erzeugen würde, dass uns ausgleichend und streitvermeidend sein läßt.
Ich bin nicht konservativ, zumindest nicht im politischen Denken, aber ich mag auch nicht weiblich-liebenswürdig und streitvermeidend ausgleichend sein. Ich mag intensive, anstrengende Auseinandersetzungen. Die besten Ideen kommen mir, wenn mir jemand widerspricht und ich ihm unbedingt beweisen muß, dass ich doch Recht habe, selbst wenn ich am Ende, widerwillig, zugeben muß, dass dem nicht so ist.
Also in tiefempfundener Ablehnung ihrer politischen Ideen, hier ein "Ruhe in Frieden" für die Eiserne Dame.

Margaret Roberts, 26, am Tag ihrer Hochzeit mit Denis Thatcher

Ob sie da eine Zweitverwendung für einen Wischmopp gefunden hat?

1975
"Was ist meine Vision? Dass der Mensch arbeiten kann, wie er will, dass er ausgeben kann, was er verdient, dass er Eigentum erwirbt und dass der Staat ihm zu Diensten ist, nicht ihn beherrscht. Dies ist das Erbgut eines jeden Briten. Das macht das Wesen eines freien Landes aus, und von dieser Freiheit hängen alle übrigen Freiheiten ab."

Mrs. Thatcher spricht über Sozialismus und verdreht Worte
https://www.youtube.com/watch?v=okHGCz6xxiw

Die Liste weiblicher Regierungchefs oder der Chefinnen. Was für eine kurze Liste.
http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_weiblicher_Staatsoberh%C3%A4upter_und_Regierungschefs

Vanitas Vanitatum et Omnia Vanitas - Es Ist Alles Eitel



VANITAS VANITATUM ET OMNIA VANITAS

Es ist alles ganz eitel, sprach der Prediger, es ist alles ganz eitel.
1. Buch Kohelet


Vanitas Figur wahrscheinlich 18. Jahrhundert
Henry Wellcome Collection London



Bedeutungen des Wortes
eitel
sich selbst bewundernd
ohne Aussicht auf Erfolg
ganz rein

http://www.wellcomecollection.org/whats-on/exhibitions/medicine-man.aspx


ES IST ALLES EITEL


„Du sihst / wohin du sihst, nur eitelkeit auff erden.
Was dieser heute baut / reist jener morgen ein:
Wo itzund städte stehn / wird eine wiesen sein,
Auff der ein schäffers kind wird spilen mitt den heerden.

Was itzund prächtig blüht sol bald zutretten werden.
Was itzt so pocht vnd trotzt ist morgen asch und bein.
Nichts ist das ewig sey / kein ertz kein marmorstein.
Itzt lacht das Gluck vns an / bald donnern die beschwerden.

Der hohen thaten ruhm mus wie ein traum vergehn.
Sol denn das spiell der zeitt / der leichte mensch bestehn.
Ach! was ist alles dis was wir für köstlich achten,

Als schlechte nichtikeit / als schaten, staub vnd windt.
Als eine wiesen blum / die man nicht wiederfindt.
Noch wil was ewig ist kein einig mensch betrachten.“

Andreas Gryphius 1658


Mors Omnia Aequat - Der Tod macht alle gleich
Barthel Beham (Dürerschüler) ca.1530

Theater braucht Chuzpe


Theater braucht Chuzpe.
Nichts ist sicher, alles kann schief gehen, und es kann nicht nur, oft wird es auch. Behauptungen werden aufgestellt, die sich durch keine Fakten untermauern lassen.
Das Lächerliche ist immer nur einen kleinen Milimeter entfernt vom Großartigen.
Die  Muse ist flatterhaft, sie ist ein leichtes Mädchen und wenn sie zu hart angepackt wird, stellt sie sich bockig und spielt nicht mit. 
Thalia schmollt.
Doch wenn man sich nicht hart genug um sie bemüht, ist sie auch beleidigt 
und straft durch Abwesenheit, sie schickt dann ihre häßliche Schwester vorbei, die Schmiere oder das andere gehaßte Ding, ein Neutrum, das Kunstgewerbe.
Der Begriff Schmierentheater stammt übrigens nicht vom rumschmieren mieser Töne und unglaubwürdiger Haltungen, wie man denken könnte, sondern vom jüdischen Wort simrah
„Gesang“. Da ist was dran, mieses Theater kann man oft auch daran erkennen, dass Spieler ihre Texte singen. "Nur nicht denken!" wie Macheath sagt.
Theater braucht Chuzpe.
Das wird schon! Und wenn die Bühne zusammenfällt, spielen wir halt in den Trümmern weiter. Ist ja nur Spiel!



Wird schon wer'n mir Mutter Bären,
mit Mutter Born is ja ooch jewor'n,
Mutter Wolfen hat's ooch jeholfen.
Bei Mutter Wimmer war's noch schlimmer,
Nur Mutter Schmitten - Mensch hat die jelitten,
Dreimal ham se die geschnitten
Beim dritten Male wars erst klar,
Dass dieses Bein ein Holzbein war.

Klopf auf Holz! Toi Toi Toi! Und dreimal gespuckt!
Und wenn es klappt, dann ist es herrlich!


Samstag, 6. April 2013

Emily Dickinson - Frühlingstollheit



A little madness in the Spring
Is wholesome even for the King,
But God be with the Clown —
Who ponders this tremendous scene —
This whole Experiment of Green —
As if it were his own!

Emily Dickinson



Eigentlich ist das Gedicht in A - A - B - C - C - B geschrieben. 
Übel schwierig.
Hier einige Versuche in A - A - B - B - C - C

Variante 1:

Ein wenig Tollheit in der Frühlingsstund
Ist auch für einen König gesund,
Doch Gott ist mit dem Narren —
Denn der wird darauf beharren —
Dieses grandiose Experiment in Grün —
Sei nur für ihn. 

Variante 2:
Frühling macht uns ein wenig toll und
Sogar der König fühlt sich gesund,
Aber Gott ist mit dem Clown —
Der wird sich die Sache beschaun —
Und wissen, dies Experiment in wildem Grün —
Hat eine Ursache - ihn!
   
Variante 3:

Frühling macht uns ein bisschen toll
  Und selbst dem König geht es wundervoll,
Doch Gott und der Clown sind sich eins —
Jeder behauptet kühn
Dieses Experiment in Grün
Wäre seins!

Colombina in Grün Nicolae Ion Grigorescu


Wörtliche Übersetzung: 
 
Ein bisschen Tollheit im Frühling
Ist selbst für den König gesund,
Aber Gott ist mit dem Clown —
Der sich diesen ungeheuren Vorfall betrachtet —
Dies ganze Experiment in Grün —
Als wär es nur für ihn! oder Als wäre es seines!   


A little madness in the Spring
Is wholesome even for the King,
But God be with the Clown —
Who ponders this tremendous scene —
This whole Experiment of Green —
As if it were his own!

Emily Dickinson



Anhang für Ö.


Oderwiese im Frühling © Monika Wagner

Freitag, 5. April 2013

Georges-Jacques Danton guillotiniert am 5. April 1794


Es starb kein Unschuldiger? 
Büchner, Dantons Tod

Ich habe vor vielen Jahren am Deutschen Theater in einer großartigen Inszenierung mitgespielt - "Dantons Tod" von Georg Büchner. Der Regisseur war Alexander Lang und im Unterschied zu den vielen Varianten dieses Stücks, die ich seitdem gesehen habe, stellte er die Zuschauer vor ein wirkliches Problem, indem er, die sonst ordentlich nach gut und böse sortierten 'Helden' (Nur leicht vereinfacht: Osten: Robespierre gut/ Danton schlecht; Westen vice versa) von ein und demselben Schauspieler spielen ließ. Danton und Robespierre diskutierten in einer Person, der des wunderbaren Christian Grashoff, über die Notwendigkeit des Terrors zur Rettung der Revolution. Ambivalenz nicht als beliebige Doppeldeutigkeit, sondern im ursprünglichen Sinn als Zwiespältigkeit. In unserer kleinen DDR, die lautstark behauptete mit sich so sehr im R-Einen zu sein, war das schockierend.

Ambivalenz: zu lateinisch ambi- = von zwei Seiten + valens = stark, mächtig


Roman Kaminski, Darsteller von Saint Just und Camille Desmoulin und klavierspielender Begleiter des Abends, spielte die letzten 3 oder 4 Jahre mit einem laufenden Ausreiseantrag, fuhr mit auf "Westgastspiel", seine Familie als Sicherheitsgeisel in Ost-Berlin.



„Wir haben ein Ende gemacht mit der Tyrannei der Privilegien. Wir haben ein Ende gemacht mit den uralten Übeln, jenen Herrschaftsrechten und Gewalten, auf die kein Mensch ein Anrecht hatte. Wir haben ein Ende gemacht mit dem Alleinanspruch von Reichtum und Geburt auf alle Entscheidungen unseres Staates, unserer Kirchen, unserer Armee. Gereinigt haben wir jede Vene und jede Arterie dieses großartigen Körpers des Staates Frankreich.Wir haben erklärt, dass der einfachste Mann gleich ist mit dem Größten im Land. Wir haben uns die Freiheit genommen, und gaben sie unseren Sklaven. Wir überlassen es der Welt, aufzubauen auf der Hoffnung, die wir geboren haben.Das zählt mehr als ein Sieg in einer Schlacht, mehr als alle Schwerter und Kanonen all dieser glänzenden Kavallerien Europas. Es ist eine Inspiration für die Visionen aller Menschen überall; ein Lufthauch von Freiheit, der sich nicht mehr verleugnen lässt.“

Georges Danton in seiner Verteidigungsrede vor den ihn zum Tode verurteilenden Wohlfahrtsausschuss am 4. April 1794



Danton, H. Rousseau & E. Thomas um 1889

Wiki schreibt:
Die Terrorherrschaft, die Schreckensherrschaft oder der Schrecken (französisch la Terreur) war eine Periode der Französischen Revolution von Anfang Juni 1793 bis Ende Juli 1794, die durch die Unterdrückung aller Personen gekennzeichnet war, die verdächtigt wurden, nicht mit der Revolution einverstanden zu sein.
Die Terrorherrschaft führte in Frankreich nach Archivunterlagen, die von Donald Greer ausgewertet wurden, zu mindestens 16.594 Todesurteilen vollstreckt durch die Guillotine, davon rund 2500 in Paris – 1306 der Hingerichteten liegen auf dem Friedhof Picpus. Dabei waren Opfer, die ohne Prozess getötet wurden oder in Gefangenschaft starben, nicht mitgerechnet. Ihre Zahl wird von einigen Historikern auf etwa 40.000 geschätzt, von anderen um 25.000. Insgesamt rund 85 % der Hingerichteten gehörten dem früheren Dritten Stand an, darunter Bauern mit 28 %, Arbeiter mit 31 %. 8,5 % waren aus dem Adel, 6,5 % aus dem Klerus. Rund 80 % der Todesurteile ergingen wegen Verrat oder Rebellion, 9 % wegen Oppositions-Delikten und nur wenige Prozent wegen ökonomischer Vergehen wie „accaparement“ (Aufkauf von Waren zu Wucherzwecken). Insgesamt wurden nach dem Beginn der Terrorherrschaft 1793 zirka 500.000 Verhaftungen vorgenommen und etwa 300.000 Beschränkungen des Wohnorts.


Danton, Constance-Marie Charpentier 1792

        Dantons Tod 


Bei Reinhardt wogte der dritte Akt.
Es rasten sechshundert Statisten.
Sieh an – wie das die Berliner packt!
Es jubeln die Journalisten,
Mir aber erschien das Ganze
wie eine kleine Allegorie.

Es tost ein Volk: »Die Revolution!
Wir wollen die Freiheit gewinnen!«
Wir wollten es seit Jahrhunderten schon –
laßt Herzblut strömen und rinnen!
Es dröhnt die Szene, Es dröhnt das Haus.
Um neune ist alles aus.

Und ernüchtert seh ich den grauen Tag.
Wo ist der November geblieben?
Wo ist das Volk, das einst unten lag,
von Sehnsucht nach oben getrieben?
Stille. Vorbei. Es war nicht viel.
Ein Spiel. Ein Spiel.

Kaspar Hauser
Die Weltbühne, 04.03.1920, Nr. 10, S. 311.

DANTONS TOD 

GEORG BÜCHNER

Sechste Szene


Ein Zimmer

Robespierre. Danton.
 
Robespierre. Ich sage dir, wer mir in den Arm fällt, wenn ich das Schwert ziehe, ist mein Feind – seine Absicht tut nichts zur Sache; wer mich verhindert, mich zu verteidigen, tötet mich so gut, als wenn er mich angriffe.
Danton. Wo die Notwehr aufhört, fängt der Mord an; ich sehe keinen Grund, der uns länger zum Töten zwänge.
Robespierre. Die Revolution ist noch nicht fertig; wer eine Revolution zur Hälfte vollendet, gräbt sich selbst sein Grab. Die gute Gesellschaft ist noch nicht tot, die gesunde Volkskraft muß sich an die Stelle dieser nach allen Richtungen abgekitzelten Klasse setzen. Das Laster muß bestraft werden, die Tugend muß durch den Schrecken herrschen.
Danton. Ich verstehe das Wort Strafe nicht. – Mit deiner Tugend, Robespierre! Du hast kein Geld genommen, du hast keine Schulden gemacht, du hast bei keinem Weibe geschlafen, du hast immer einen anständigen Rock getragen und dich nie betrunken. Robespierre, du bist empörend rechtschaffen. Ich würde mich schämen, dreißig Jahre lang mit der nämlichen Moralphysiognomie zwischen Himmel und Erde herumzulaufen, bloß um des elenden Vergnügens willen, andre schlechter zu finden als mich. – Ist denn nichts in dir, was dir nicht manchmal ganz leise, heimlich sagte: du lügst, du lügst!?
Robespierre. Mein Gewissen ist rein.
Danton. Das Gewissen ist ein Spiegel, vor dem ein Affe sich quält; jeder putzt sich, wie er kann, und geht auf seine eigne Art auf seinen Spaß dabei aus. Das ist der Mühe wert, sich darüber in den Haaren zu liegen! Jeder mag sich wehren, wenn ein andrer ihm den Spaß verdirbt. Hast du das Recht, aus der Guillotine einen Waschzuber für die unreine Wäsche anderer Leute und aus ihren abgeschlagenen Köpfen Fleckkugeln für ihre schmutzigen Kleider zu machen, weil du immer einen sauber gebürsteten Rock trägst? Ja, du kannst dich wehren, wenn sie dir drauf spucken oder Löcher hineinreißen; aber was geht es dich an, solang sie dich in Ruhe lassen? Wenn sie sich nicht genieren, so herumzugehn, hast du deswegen das Recht, sie ins Grabloch zu sperren? Bist du der Polizeisoldat des Himmels? Und kannst du es nicht ebensogut mitansehn als dein lieber Herrgott, so halte dir dein Schnupftuch vor die Augen.
Robespierre. Du leugnest die Tugend?
Danton. Und das Laster. Es gibt nur Epikureer, und zwar grobe und feine, Christus war der feinste; das ist der einzige Unterschied, den ich zwischen den Menschen herausbringen kann. Jeder handelt seiner Natur gemäß, d. h. er tut, was ihm wohltut. – Nicht wahr, Unbestechlicher, es ist grausam, dir die Absätze so von den Schuhen zu treten?
Robespierre. Danton, das Laster ist zu gewissen Zeiten Hochverrat.
Danton. Du darfst es nicht proskribieren, ums Himmels willen nicht, das wäre undankbar; du bist ihm zu viel schuldig, durch den Kontrast nämlich. – Übrigens, um bei deinen Begriffen zu bleiben, unsere Streiche müssen der Republik nützlich sein, man darf die Unschuldigen nicht mit den Schuldigen treffen.
Robespierre. Wer sagt dir denn, daß ein Unschuldiger getroffen worden sei?
Danton. Es starb kein Unschuldiger! Wir dürfen keinen Augenblick verlieren, wir müssen uns zeigen! (Danton ab.)
Robespierre. (allein). Geh nur! Er will die Rosse der Revolution am Bordell halten machen, wie ein Kutscher seine dressierten Gäule; sie werden Kraft genug haben, ihn zum Revolutionsplatz zu schleifen.

Mir die Absätze von den Schuhen treten! Um bei deinen Begriffen zu bleiben! – Halt! Halt! Ist's das eigentlich? Sie werden sagen, seine gigantische Gestalt hätte zu viel Schatten auf mich geworfen, ich hätte ihn deswegen aus der Sonne gehen heißen. – Und wenn sie recht hätten? Ist's denn so notwendig? Ja, ja! die Republik! Er muß weg.

Es ist lächerlich, wie meine Gedanken einander beaufsichtigen. – Er muß weg. Wer in einer Masse, die vorwärts drängt, stehenbleibt, leistet so gut Widerstand, als trät' er ihr entgegen: er wird zertreten.

Wir werden das Schiff der Revolution nicht auf den seichten Berechnungen und den Schlammbänken dieser Leute stranden lassen; wir müssen die Hand abhauen, die es zu halten wagt – und wenn er es mit den Zähnen packte!

Weg mit einer Gesellschaft, die der toten Aristokratie die Kleider ausgezogen und ihren Aussatz geerbt hat!

Keine Tugend! Die Tugend ein Absatz meiner Schuhe! Bei meinen Begriffen! – Wie das immer wiederkommt. – Warum kann ich den Gedanken nicht loswerden? Er deutet mit blutigem Finger immer da, da hin! Ich mag so viel Lappen darum wickeln, als ich will, das Blut schlägt immer durch. –  Ich weiß nicht, was in mir das andere belügt.

Die Nacht schnarcht über der Erde und wälzt sich im wüsten Traum. Gedanken, Wünsche, kaum geahnt, wirr und gestaltlos, die scheu sich vor des Tages Licht verkrochen, empfangen jetzt Form und Gewand und stehlen sich in das stille Haus des Traums. Sie öffnen die Türen, sie sehen aus den Fenstern, sie werden halbwegs Fleisch, die Glieder strecken sich im Schlaf, die Lippen murmeln. – Und ist nicht unser Wachen ein hellerer Traum? sind wir nicht Nachtwandler? ist nicht unser Handeln wie das im Traum, nur deutlicher, bestimmter, durchgeführter? Wer will uns darum schelten? In einer Stunde verrichtet der Geist mehr Taten des Gedankens, als der träge Organismus unsres Leibes in Jahren nachzutun vermag. Die Sünde ist im Gedanken. Ob der Gedanke Tat wird, ob ihn der Körper nachspiele, das ist Zufall.

Mittwoch, 3. April 2013

3-3-3 bei Issos Keilerei


3-3-3 bei Issos Keilerei

Soll ich es eine Landschaft nennen, ein historisches Gemälde oder ein Schlachtstück?
Friedrich Schlegel


1528/29
158 x 120 cm
Die Griechen tragen weiß/blaue Uniformen, die Perser rote.

Durch diese Schlacht zwischen den Makedoniern unter Alexander dem Großen und dem Perserkönig Darius III. mit seinem Heer, bei Issos im Jahre 333 v. Chr., kam das westpersische Reich unter Alexanders Kontrolle, es gab zwar danach noch weitere Schlachten, aber diese war die entscheidende.
Das Gemälde zeigt den Moment, wo die Schlacht bereits entschieden ist, Alexander hat gesiegt, Darius wendet sich zur Flucht. 

Alexander der Große besiegt zum letzten Mal den Darius, nachdem in den Reihen
 der Perser 100.000 Mann zu Fuß und über 10.000 Reiter erschlagen
 und Mutter, Gattin und Kinder des Königs Darius mit nicht mehr als 1.000 in Auflösung fliehenden Reitern gefangen worden waren.
Text, der auf der schwebenden Tafel in Latein geschrieben ist.


Das Gemälde gehört zu einem Historienzyklus, den Herzog Wilhelm IV. von Bayern und seine Gattin Jacobaea von Baden für ihre Münchner Residenz anfertigen ließen.

DETAILS

Frauen



Der fliehende Darius


Der verfolgende Alexander = "Alexander Magnus"
 
 Noch eine andere Sicht

Alexander Mosaik, Haus des Fauns, Pompeii, Ende des 2.Jh. v.u.Z.


Eselsbrücken für Geschichtsdaten

7-5-3 Rom schlüpft aus dem Ei

Vier – Sieben – Sechs, und Rom war ex

Acht, null, null –
Karl bestieg den Stuhl.

Neun, sechs, zwo –
der Kaiser heißt Otto

'Acht vor Fünfzehnhundert – Kolumbus wird bewundert!

5. März 1953 
5 3 5 3 – mit Stalin war’s vorbei. 

Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland seit 1949
Adenauer, Erhard, Kiesinger, Brandt, Schmidt, Kohl, Schröder, Merkel
Alle ehemaligen Kanzler bringen samstags keine Semmeln mit.




Montag, 1. April 2013

Amour - ein Film


    Ach, ach, ach, wie erkäre ich das bloß, wie?
    Der Film hat alle Preise bekommen und er verdient sie. Jean-Louis Trintignant ist 
    ein Schauspieler, dem ich gerne die Füße waschen und/oder küssen würde. 
    Zum Niederknien ist er sowieso.
    Alles stimmt, alles ist richtig, nichts fehlt, kein Platz bleibt frei. Jede Sekunde ist 
    Absicht. Wie erkläre ich, dass ich, wenn ich gedrängt werde, wie kunstvoll auch 
    immer, wenn ich gedrängt werde, will ich nicht laufen.
    Schamloses Geliebtwerdenwollen, kann ich verstehen und auch mögen. Große Not, 
    die sich äußern muß, Zorn, der kein Schweigen zuläßt, Sprachlosigkeit, die sich 
    stammelnd zu formulieren versucht, können mich treffen, zum Weinen bringen, 
    zum Lachen, in Wut, in Auseinandersetzung.
    In diesem Film aber, bleibt mir nichts zu fühlen übrig. Es ist bereits für mich entschieden  
    worden, was ich zu fühlen habe. Und da trotzt es in mir und erkaltet.
    Keine Leerstellen, keine Ungereimtheiten, keine Zuviel oder Zuwenig, alles ausgefüllt.
    Ach, ach, ach, vielleicht stimmt mit mir etwas nicht, vielleicht ist der Mangel an bestürzter 
    Empathie, die ich dem Regisseur Michael Haneke unterstelle, nur meiner mißtrauischen 
    Überachtsamkeit geschuldet.



Jean-Louis Trintignant
geboren am 11. Dezember 1930 in Piolenc, Département Vaucluse

Geh nicht gelassen in die gute Nacht,
Glüh, rase Alter, weil dein Tag vergeht,
Verfluch den Tod des Lichts mit aller Macht.

Denn weise Männer, wissend, nichts was sie gedacht
Hat Licht gebracht ins Dunkel, und es ist zu spät,
Gehn nicht gelassen in die gute Nacht.

Und gute Männer, brüllen, schon der letzten Welle Fracht,
Und denkend ihrer Mühn, im Meer verweht,
Verfluchen Tod des Lichts mit aller Macht.

Und wilde Männer, die der Sonne Pracht,
Im Fluge singend fingen, die nun untergeht,
Gehn nicht gelassen in die gute Nacht.

Und ernsten Männer, blind schon, wächst Verdacht,
Auch blindes Auge lacht und blitzt, eh es vergeht,
Verfluchen Tod des Lichts mit aller Macht.

Und du mein Vater, den der bei dir wacht,
Verdamm und segne weinend ihn. Hier mein Gebet:

Geh nicht gelassen in die gute Nacht.
Verfluch den Tod des Lichts mit aller Macht.

Dylan Thomas