Dienstag, 13. November 2012

DIE GRÜNE TASCHE



  Ich habe mir heute eine GRÜNE TASCHE gekauft.

Sie ist riesig. Sie ist grün. Ungeheuer grün. Und innen golden. Mit ganz vielen Sonderfächern. Liebeskind, ein guter Labelname. Erstaunlich, dass Herr Joop 
trotz all der Straffung und Hautverknappung, so etwas Schönes erdenken kann.
Ich mag grün, besonders im Winter. Je gräulicher das Land, je ernsthafter die 
Bekleidung meiner Mitmenschen, desto bunter wird es mir. Nein, ich brauchte 
keine Tasche, aber ich brauchte diese Tasche. Ja, sie war zu teuer und bald wird 
sie auch zu voll sein. Wundersamerweise verlasse ich das Haus mit einer mäßig 
gefüllten Tasche und wenn ich das erste Mal irgendetwas, Portemonnaie, Schlüssel, Textbuch oder was weiss ich herausnehmen will, ist es zwischen den urplötzlich anwesenden tausenden Dingen, nicht zu finden. Aber das macht nichts, das gehört 
zum Leben, wie verschwundene zweite Socken in Waschmaschinen, blaue Strümpfe 
zum schwarzen Rock, weil morgens die Augen noch nicht so genau sind, Bücher die 
beim Lesen in der Badewanne in dieselbige fallen und getrocknet aussehen wie 
dickliche, wellige Früchte, aber doch noch lesbar sind. In meiner Tasche zu wühlen 
ist Teil meiner Taschenliebe. Manchmal finde ich Dinge, die ich schon monatelang 
verloren glaubte, denn das Umpacken von Tasche zu Tasche geschieht im Kippverfahren. Der Inhalt meiner Tasche beschreibt mich wahrscheinlich auf sehr intime Art
wird also hier nicht im Detail benannt. Aber zum Beispiel, als das Kind klein war, 
fanden sich da Pflaster, Notnähzeug, Tempos, eine kleine Schere und ungeordnete Buntstifte. Oder der eifrige, verkrampfte US-amerikanische Grenzbeamte, 
der meine 4cm lange Nagelfeile unter gefährliche Waffen einordnete 
und sie beschlagnahmte und mich mit dem Bild eines Piloten entließ, der, 
unter der Bedrohung, dass ihm sein Daumennagel abgefeilt wird, in panischer Angst 
gen Kuba fliegt.


 Das Grün ist im Original noch um einiges grüner!

Was ist das zwischen mir und Taschen? Ich habe Freundinnen, die lieben Schuhe, 
eine liebt die zerfetzte Tasche, die sie von ihrer Großmutter geerbt hat, 
meine Mutter hat mindestens 15 nicht sehr verschiedene schwarze Taschen,  
eine andere Freundin geht nicht aus dem Haus ohne einen Taschenhalterhaken, 
eine Konstruktion mit der sie ihre Handtasche neben sich an den Tisch hängen kann. 
Wie überleben Männer ohne Handtasche? Dicke Geldbörsen in der Arschtasche sehen 
blöd aus, Handgelenkschlenkertaschen sind eine modische und menschliche Katastrophe, Rucksäcke bei Männern über 25 auch. Benötigen Männer keine Taschentücher, 
Stadtpläne, Reisenotlektüre, kein Aspirin, keinen Lieblingsstein? Aktenkoffer sind Nahkampfwaffen, keine Lustobjekte
Und diese grässlichen, praktischen, kompakten Rollkoffer der internationalen Dienstreisendengemeinde sind doch auch kein persönliches Bekleidungsstück? Wohin stecken Männer ihre dingliche Persönlichkeit, wenn sie das Haus verlassen? 

Wiki sagt es wieder ganz besonders schön: Eine Tasche ist ein Behältnis zum 
Transportieren von Gegenständen. Taschen haben im Allgemeinen Griffe oder Henkel. 
Sie bestehen, je nach Art und Verwendungszweck, zumeist aus Leder oder anderen Qualitäten.

Die anderen Qualitäten sind es über die ich spreche.

"Das Gedicht ist die Tasche, in der du dein Herz trägst." Marko Pogačar




Montag, 12. November 2012

Gans und gar - Massenmord an unschuldigen Gänsen



  Der Sankt Martins Tag ist vorüber, unzählige Gänse haben ihr Leben verloren, 
  sind gemeinsam mit Klößen und Rotkraut erst auf Tellern und dann in deutschen 
  Mägen verschwunden und haben doch immer nur ihr Bestes gegeben. Haben 
  in Nero's Rom vor dem Feuer gewarnt, in goldener Form die ernste Königstochter 
  zum Lachen gebracht, über viele Jahrhunderte Federn gelassen 
  für Schreiber und Schläfer, den Heiligen Martin zur Verantwortung gerufen, 
  als er sich dem Begehren der Bürger von Tours, dass er Bischof werden solle, 
  durch Flucht in einen Gänsestall zu entziehen versuchte und zum Dank mästen, 
  stopfen, rupfen, braten wir sie. 

© Elmar Ersch

  Leider schmecken Gänsebraten, Gänsebrust und, schändlicherweise, auch Stopfleber 
  so wundervoll. Also danke ich den Gänsen landauf, landab hier in unser aller 
  Namen, Vegetarier, Veganer und Rohkostesser mögen es mir verzeihen, für den 
  Genuss, den sie uns bereitet haben und noch bereiten werden.

  Einladung zur Martinsgans
Simon Dachs Zeitvertreiber. 1700

Wann der heilge Sankt Martin
Will der Bischofsehr entfliehn,
Sitzt er in dem Gänsestall,
Niemand findt ihn überall,
Bis der Gänse groß Geschrei
Seine Sucher ruft herbei.
Nun dieweil das Gickgackslied
Diesen heilgen Mann verriet,
Dafür tut am Martinstag
Man den Gänsen diese Plag,
Daß ein strenges Todesrecht
Gehn muß über ihr Geschlecht.
Drum wir billig halten auch
Diesen alten Martinsbrauch,
Laden fein zu diesem Fest
Unsre allerliebste Gäst
Auf die Martinsgänslein ein
Bei Musik und kühlem Wein.
Achim von Arnim: Des Knaben Wunderhorn 
II. Band - Kapitel 192

Carl Spitzweg Einsiedler rupft eine Gans

  Das Wort Gans gehört –wie etwa auch grunzen oder bauz – zu den 
  wenigen klangnachahmenden, lautmalenden Wörtern unserer Sprache. 
  Der altgermanische Vogelname beruht auf dem indogermanischen 
  „ghans-"(= [Wild]gans), das wiederum zu der den Gähnlaut 
  nachahmenden indogermanischen Wurzel „ghan-" gehört. 
  Die Gans ist demnach nach ihrem typischen heiseren Ausfauchen 
  mit aufgesperrtem Schnabel benannt.  
  Duden Stichwort: Lautmalerei

  Laßt sodann ruhig die Gans in L*** g und G** a gagagen!
  Die beißt keinen, es quält nur ihr Geschnatter das Ohr.
  Friedrich Schiller aus Den Xenien

Paul Gauguin 1888 Bretonische Frau und Gans am Wasser

Die Brüder Grimm - Kinder- und Hausmärchen
Ausgabe von 1819

64. Die goldene Gans.

Es war ein Mann, der hatte drei Söhne, davon hieß der jüngste der Dummling, und wurde verachtet und verspottet und bei jeder Gelegenheit zurückgesetzt. Es geschah, daß der älteste in den Wald gehen wollte, Holz hauen, und eh er ging, gab ihm noch seine Mutter einen schönen, feinen Eierkuchen und eine] Flasche Wein mit, damit er nicht Hunger und Durst litt. Als er in den Wald kam, begegnete ihm ein altes graues Männlein, das bot ihm einen guten Tag und sprach: „gib mir doch ein Stück von deinem Kuchen aus der Tasche, und laß mich einen Schluck von deinem Wein trinken, ich bin so hungrig und durstig.“ Der kluge Sohn aber antwortete: „geb ich dir meinen Kuchen und meinen Wein, so hab ich selber nichts, pack dich deiner Wege!“ und ging fort. Als er nun anfing einen Baum zu behauen, dauerte es nicht lange, so hieb er fehl und die Axt fuhr ihm in den Arm, daß er mußte heimgehen und sich verbinden lassen. Das war aber von dem grauen Männchen gekommen.
Darauf ging der zweite Sohn in den Wald und die Mutter gab ihm, wie dem ältesten, einen Eierkuchen und eine Flasche Wein. Dem begegnete gleichfalls das alte graue Männchen und hielt um ein Stückchen Kuchen und einen Trunk Wein an. Aber der zweite Sohn sprach auch ganz verständig: „was ich dir gebe, das geht mir selber ab, pack dich deiner Wege!“ und ging fort. Das Männchen ließ die Strafe nicht ausbleiben und als er ein paar Hiebe am Baum gethan, hieb er sich ins Bein, daß er mußte nach Haus getragen werden.
Da sagte der Dummling auch: „Vater, ich will hinausgehen und Holz hauen.“ Antwortete der Vater: „deine Brüder haben sich Schaden gethan, laß du’s gar bleiben, du verstehst nichts davon.“ Der Dummling aber bat, daß ers erlauben möchte, da sagte er endlich: „geh nur hin, durch Schaden wirst du klug werden.“ Die Mutter aber gab ihm einen Kuchen, der war mit ] Wasser in der Asche gebacken und eine Flasche saueres Bier. Als er in den Wald kam, begegnete ihm gleichfalls das alte, graue Männchen und grüßte ihn und sprach: „gib mir ein Stück von deinem Kuchen und einen Trunk aus deiner Flasche, ich bin so hungrig und durstig.“ Antwortete der Dummling: „ich habe aber nur Aschenkuchen und saures Bier, wenn dir das recht ist, so wollen wir uns setzen und essen.“ Da setzten sie sich, und als der Dummling seinen Aschenkuchen herausholte, so wars ein feiner Eierkuchen, und das saure Bier war ein guter Wein. Nun aßen und tranken sie, und darnach sprach das Männlein: „weil du ein gutes Herz hast und das Deine gern mittheilst, so will ich dir Glück bescheeren. Dort steht ein alter Baum, den hau ab, so wirst du in den Wurzeln etwas finden.“ Und darauf nahm es Abschied.
Der Dummling ging hin und hieb den Baum um, und wie er fiel, saß in den Wurzeln eine Gans, die hatte Federn von reinem Gold. Er hob sie heraus, nahm sie mit sich und ging in ein Wirthshaus, da wollte er übernachten. Der Wirth hatte aber drei Töchter, die sahen die Gans, waren neugierig, was das für ein wunderlicher Vogel wäre und hätten gar gern eine von seinen goldenen Federn gehabt. Endlich dachte die älteste: „ich soll und muß eine Feder haben!“ wartete bis der Dummling hinausgegangen war und faßte die Gans beim Flügel, aber Finger und Hand blieben ihr daran festhängen. Bald darnach kam die zweite und hatte keinen andern Gedanken, als sich eine Feder zu holen, ging heran, kaum aber hatte sie ihre Schwester angerührt, so blieb sie an ihr festhängen. Endlich kam auch die dritte und wollte eine Feder, da schrieen die andern: „bleib weg! ums Himmelswillen, bleib weg!“ aber sie begriff nicht, warum und dachte: sind die dabei, so kann ich auch dabei seyn, sprang herzu, aber wie sie ihre Schwester angerührt hatte, so blieb sie an ihr fest hängen. So mußten sie die Nacht bei der Gans zubringen.
Am andern Morgen nahm der Dummling die Gans in den Arm, ging fort und bekümmerte sich nicht um die drei Mädchen, die daran hingen. Die mußten immer hinter ihm drein laufen, links und rechts, wie’s ihm in die Beine kam. Mitten auf dem Felde begegnete ihnen der Pfarrer und als er den Aufzug sah, sprach er: „ei so schämt euch, ihr garstigen Mädchen, was lauft ihr dem jungen Bursch durchs Feld nach, schickt sich das?“ Damit faßte er die jüngste an die Hand und wollte sie zurückziehen, wie er sie aber anrührte, blieb er gleichfalls hängen und mußte selber hinten drein laufen. Nicht lange, so kam der Küster und sah den Herrn Pfarrer drei Mädchen auf dem Fuß folgen, da verwunderte er sich und rief: „ei! Herr Pfarrer! wo hinaus so geschwind? heut ist noch eine Kindtaufe!“ lief auf ihn zu und faßte ihn am Ermel und blieb auch fest hängen. Wie die fünf so hinter einander her trabten, kamen zwei Bauern mit ihren Hacken vom Feld, da rief der Pfarrer ihnen zu, sie sollten sie doch los machen. Kaum aber hatten sie den Küster angerührt, so blieben sie hängen und waren ihrer nun siebene, die dem Dummling mit der Gans nachliefen.
] Er kam darauf in eine Stadt, da herrschte ein König, der hatte eine Tochter, die war so ernsthaft, daß sie niemand zum Lachen bringen konnte. Darum hatte er ein Gesetz gegeben, wer sie könnte zu lachen machen, der sollte sie heirathen. Der Dummling, als er das hörte, ging mit seiner Gans und ihrem Anhang vor die Königstochter, und wie diese die sieben Menschen immer hinter einander herlaufen sah, fing sie überlaut an zu lachen, und wollte gar nicht wieder aufhören. Da verlangte sie der Dummling zur Braut, aber der König machte allerlei Einwendungen und sagte, er müßte ihm erst einen Mann bringen, der einen Keller voll Wein austrinken könnte. Der Dummling dachte an das graue Männchen, das könnte ihm wohl helfen, ging hinaus in den Wald, und auf der Stelle, wo er den Baum abgehauen hatte, sah er einen Mann sitzen, der machte ein gar betrübtes Gesicht. Der Dummling fragte: was er sich so sehr zu Herzen nähme? „Ei! antwortete er, ich bin so durstig, und kann nicht genug zu trinken kriegen, ein Faß Wein hab ich zwar ausgeleert, aber was ist ein Tropfen auf einem heißen Stein?“ „Da kann ich dir helfen, sagte der Dummling, komm nur mit mir, du sollst satt haben.“ Er führte ihn darauf in des Königs Keller und der Mann machte sich über die großen Fässer, trank und trank, daß ihm die Hüften weh thaten, und ehe ein Tag herum war, hatte er den ganzen Keller ausgetrunken. Der Dummling verlangte wieder seine Braut; der König aber ärgerte sich, daß ein schlechter Bursch, den jedermann einen Dummling nannte, seine Tochter davon tragen sollte, und machte neue Bedingungen: er müsse ihm erst einen Mann schaffen, der einen Berg voll Brot aufessen könnte. Der Dummling ging wieder in den Wald, da saß auf des Baumes Platz ein Mann, der schnürte sich den Leib mit einem Riemen zusammen, machte ein grämliches Gesicht und sagte: „ich habe einen ganzen Backofen voll Raspelbrot gegessen, aber was hilft das bei meinem großen Hunger, ich spür nichts im Leib und muß mich nur zuschnüren, wenn ich nicht Hungers sterben soll.“ Wie der Dummling das hörte, war er froh und sprach: „steig auf und geh mit mir, du sollst dich satt essen.“ Er führte ihn an den Hof des Königs, der hatte alles Mehl aus dem ganzen Reich zusammenfahren und einen ungeheuern Berg davon backen lassen; der Mann aber aus dem Wald stellte sich davor, fing an zu essen, und in einem Tag und einer Nacht, war der ganze Berg verschwunden. Der Dummling forderte wieder seine Braut; der König aber suchte noch einmal Ausflucht, und verlangte ein Schiff, das zu Land wie zu Wasser fahren könnte; schaffe er aber das, dann solle er gleich die Königstochter haben. Der Dummling ging noch einmal in den Wald, da saß das alte graue Männchen, dem er seinen Kuchen gegeben, und sagte: „ich hab für dich getrunken und gegessen, ich will dir auch das Schiff geben; das alles thu’ ich, weil du barmherzig gegen mich gewesen bist.“ Da gab er ihm das Schiff, das zu Land und zu Wasser fuhr, und als der König das sah, mußte er ihm seine Tochter geben. Da ward die Hochzeit gefeiert, und der Dummling erbte das Reich, und lebte lange Zeit vergnügt mit seiner Gemahlin.

Samstag, 10. November 2012

Ödipus Stadt


Über meinen vorletzten Theaterbesuch mochte ich nicht schreiben, denn ich will es mir nicht zur Gewohnheit werden lassen, der gemeinen und gefährlich leichtfertigen Lust an bösen Verrissen nachzugeben. Und etwas Fröhliches wäre mir dazu nicht eingefallen, außer dass Herr Klammer wieder einmal eine Freude war. Einmeterachtzig Mann mit blonden Gretelzöpfen und rosa Minimalkleidchen als
narzistische Nazigattin und wenn die Zöpfe fallen, ist er auch noch der Gatte, und man möchte beide nicht zum Feind haben. 
Und trotz alledem, ich werde keinen Klammer-Fanclub gründen. Nein, werde ich nicht. Ich bin ja schon der Vorsitzende des Kleist-Fanclubs.

Nun gestern Abend im DT - Ödipus Stadt nach Sophokles & Euripides & Aischylos - Regie Stephan Kimmig. Bitte hingehen! Zweieinhalb Stunden ohne Pause und ich habe es erst danach beim Auf-Die-Uhr-Gucken bemerkt. Hingehen, bitte!

Sophokles (497/6 – 406/5 v. Chr.) war von den drei großen Tragikern der Mittlere, jünger als Aischylos (525/524 – circa 456/455 v. Chr.), aber älter als Euripides (480 – 406 v. Chr.). In etwa 120 Jahre griechischer Politik und Veränderung - wir nennen es die Hochzeit der antiken griechischen Tragödie. Hochzeit - HOCHzeit. Antik, was für ein mißverständliches Wort. Fünfziger Jahre Müll wird antik genannt, weiße Statuen, die einstmals bunt angemalt waren, auch. Das Wort antik (lat. antiquus: „alt“) bezieht sich auf: die Antike im Altertum und Antiquitäten (auch aus jüngeren Zeitepochen) sagt Wiki.

Hier, an diesem Abend, übersetzt sich Antike in wiedererkennbare, sich wiederholende und doch darum nicht weniger erschreckende Muster und wird also grausam wahrhaftig. 
Fühmann nannte den Mythos ein Modell, in dem der ganze Mensch mit seinen verschiedenen, widersprüchlichen Seiten anwesend ist. Das Märchen strebt nach Klarheit, nach der Auflösung des unlösbaren Konflikts, der Mythos gibt ihn wieder.
Eine Freundin beschrieb es mit:  "Du kannst der Macht einfach nicht entkommen."
Was ist es, dass uns machtlos macht, der Verlockung von Macht zu wiederstehen? Macht Macht uns zu anderen Menschen? 
Immer wenn ich Herrn Grönemeyer "Kinder an die Macht" singen höre, überkommt mich ein leichter Schauder. Gib einem Fünfjährigen Macht und sage ihm dann, dass er Mittagsschlaf machen muß oder nicht noch drei Kugeln Eis bekommt, du wirst schon sehen, was passiert! 
Das Gefühl der Machtlosigkeit macht uns alle, aber sicher die Mächtigen umso mehr, unberechenbar. Und da das Leben unweigerlich zum Tod führt, entkommen wir dem Bewußtsein der Machtlosigkeit nicht, so sehr wir uns bemühen, alle Unwägbarkeiten aus dem Weg zu räumen. Wie soll Gerechtigkeit sein, da der Tod doch kein Recht kennt? Auch nicht das Recht des Machtvolleren.

Ödipus, der Sohn des Laios, König von Theben tötet, in Unkenntnis der Verwandtschaft, den Vater, heiratet die Mutter, die beiden haben vier gemeinsame Kinder: Eteokles, Polineikes, Antione, Ismene. 
Sein Onkel, der Bruder seiner Mutter/Ehefrau heißt Kreon, dessen Söhne wiederum Menoikeus und Haimon. Noch den Seher Teiresias dazu und einige Boten und Hirten, und wir haben die Personage des Abends zusammen. 
Überlebende: Kreon und die Boten und Hirten.

Eine tolle Fassung von John van Duffel - kristallklar, konzentriert und Raum gebend für Poesie und Spiel. Hier wird miteinander gespielt! Schauspieler tun, was sie nicht oft tun dürfen, sie nehmen einander wahr und wollen sich mir mitteilen. Ich weiß, das klingt lapidar, aber ich habe als Zuschauer oft das Gefühl, dass meine Anwesenheit von nur geringem Interesse für die Agierenden auf der Bühne ist. Was dann umgekehrt proportional auch mein Interesse am Geschehen erlahmen läßt.

Eine fast leere luftige Bühne mit einer mittigen, riesigen Halfpipe aus hellem Holz, die nach hinten steil hochgebogen ist, was es den Spielern ermöglicht  immer wieder verzweifelt und erfolglos der Erde entfliehen zu wollen, den Himmel zu stürmen, um auf dem Hintern zu landen. 

Und es ist auch ein Ohrenschmaus. Große Sprache intelligent und verstanden gesprochen. Das gibt es noch, und ist auch kein Kunstgewerbe, sondern Kunst.

P.S.: Ein alter jüdischer Witz, jeder der eine jüdische/polnische/russische oder anderweitig gluckige Mutter hat, wird ihn verstehen:
Psychiater: " Ich muß Ihnen sagen, dass ihr Sohn einen Ödipus Komplex hat."
Mutter: "Ödipus Schmödipus! Das macht doch nichts, solange er seine Mutter liebt."
 

"I have to tell you, that your son is suffering from an Oedipus complex." "Oedipus, Schmoedipus! What does it matter, so long as he loves his mother?"

Klabund hatte Tuberkulose


»Schulden wie Heu, Stroh im Kopf, und nur ein brennendes Herz«

Da sind so Dichternamen, die man irgendwie kennt, ohne genaue Vorstellung von dem, was sie denn nun eigentlich geschrieben haben. Klabund. Beginnendes 20. Jahrhundert, Berlin. Dann hört es schon auf. 

Es hat ein Gott mich ausgekotzt,
Nun lieg ich da, ein Haufen Dreck,
Und komm und komme nicht vom Fleck.

Doch hat er es noch gut gemeint,
Er warf mich auf ein Wiesenland,
Mit Blumen selig bunt bespannt.

Ich bin ja noch so tatenjung.
Ihr Blumen sagt, ach, liebt ihr mich?
Gedeiht ihr nicht so reich durch mich?
Ich bin der Dung! Ich bin der Dung!

Alfred Henschke wurde nicht einmal 38 Jahre alt. Er starb am 28.8.1928.
Aber zuvor, der Apothekersohn Herr Henschke wird zu Klabund, Klabautermann und Vagabund.
Mit 16 erkrankt er an Tuberkulose, wird erst fälschlich auf Lungenentzündung behandelt und wird Zeit seines kurzen Lebens immer wieder zu längeren Klinikaufhalten gezwungen sein. Eine Zauberbergexistenz. Wie lebt man, wenn man weiß, dass man wenig Zeit hat? Klabund hat zweimal geheiratet, ein Kind gezeugt, es starb, kurz nach dem Tod der ebenfalls lungenkranken Mutter, er hat geschrieben und starb in den Armen seiner zweiten Frau, Carola Neher, die während seiner letzten Tage immer wieder von Bertolt Brecht gedrängt wurde, nach Berlin zurückzukehren, um dort die Polly in der Uraufführung der Dreigroschenoper zu spielen.

 
Wiki schreibt: Carola Nehers Mann, der Dichter Klabund, litt an Tuberkulose und musste nach einem Anfall in ein Sanatorium nach Davos. Als sich seine Lage verschlimmerte, brach Neher die Proben ab und fuhr zu ihm. Nach Klabunds Tod kam Neher am 18. August wieder nach Berlin zurück und wurde bei den Proben zweimal ohnmächtig, bis ihr ein Arzt das Auftreten untersagte. Später bekannte sie, dass sie Brechts Songs, die er teilweise von dem Französischen Dichter François Villon abgeschrieben hatte, nicht ertragen konnte, da Villon Klabunds Lieblingsdichter gewesen war. Eine Woche vor der Premiere übernahm Roma Bahn von ihr die Rolle der Polly.


Wiki: Carola Neher (* 2. November 1900 in München; † 26. Juni 1942 in SolIlezk, Sowjetunion) war eine deutsche Schauspielerin, die um 1930 in Berlin reüssierte. Aus dem nationalsozialistischen Deutschland geflüchtet, kam sie in sowjetischer Gefangenschaft um.
 

„Man müsste einmal eine Literaturgeschichte der Schwindsüchtigen schreiben, diese konstitutionelle Krankheit hat die Eigenschaft, die von ihr Befallenen seelisch zu ändern. Sie tragen das Kainsmal der nach innen gewandten Leidenschaft.“ Klabund

Aus der Erzählung: Die Krankheit

Die Pension stand am Wald, dicht vor dem Ausgang der Schatzalpbobbahn. Sie wurde preiswert und hygienisch geführt von dem Ehepaar Paustian, zwei alten Davosern, die vor Jahren schwerkrank ins Tal kamen und sich nach Besserung ihres Leidens dauernd in Davos niederließen. An dem Ehepaar Paustian hatte Dr. Ronken seinerzeit zuerst den Pneumothorax erprobt, als sie noch seine Patienten im Sanatorium Beaurivage waren, den Pneumothorax, jene nunmehr allgmein bekannte und bewährte Vorrichtung, durch die, bei Gesundheit der einen Lunge, die zweite kranke Lunge zum Einschrumpfen gebracht wird. In der Pension "Schönblick" wurde das Ehepaar Paustian deswege mit einem gewissen Spott Pneumo und Thrax benannt. Sie waren beide von jener Art Lungenkranker, die die Krankheit durchsichtiger, gläserner und gleichsam innerlicher gewandelt hat.


Liebeslied

Dein Mund, der schön geschweifte,
Dein Lächeln, das mich streifte,
Dein Blick, der mich umarmte,
Dein Schoß, der mich erwarmte,
Dein Arm, der mich umschlungen,
Dein Wort, das mich umsungen,
Dein Haar, darein ich tauchte,
Dein Atem, der mich hauchte,
Dein Herz, das wilde Fohlen,
Die Seele unverhohlen,
Die Füße, welche liefen,
Als meine Lippen riefen -:
Gehört wohl mir, ist alles meins,
Wüsst' nicht, was mir das liebste wär',
Und gäb' nicht Höll' noch Himmel her:
Eines und alles, all und eins.

Bürgerliches Weihnachtsidyll

Was bringt der Weihnachtsmann Emilien?
Ein Strauß von Rosmarin und Lilien.
Sie geht so fleißig auf den Strich.
O Tochter Zions, freue dich!

Doch sieh, was wird sie bleich wie Flieder?
Vom Himmel hoch, da komm ich nieder.
Die Mutter wandelt wie im Traum.
O Tannebaum! O Tannebaum!

O Kind, was hast du da gemacht?
Stille Nacht, heilige Nacht.
Leis hat sie ihr ins Ohr gesungen:
Mama, es ist ein Reis entsprugen!
Papa haut ihr die Fresse breit.
O du selige Weihnachtszeit!


Ossietzky in der Weltbühne über Klabund: Während grade in einigen Zeitungen über die Zukunft oder die Zukunftlosigkeit der Lyrik disputiert wird, stirbt der letzte freie Rhapsode, der Letzte aus dem alten Geschlecht dichtender Vaganten, dem das Versemachen so sehr Element war, daß es diesen gebrechlichen Leib für lange Jahre allein an die Erde zu binden schien. Seine Begabung war unruhig und zuckend; in Beweglichkeit und Maskenkunst ohne Grenze. Es floß immer in einem schmalen Bändchen alles durcheinander: Heine, Rimbaud, Exoten, Rudolf Baumbach, Wedekind, Eichendorffs Mondscheinlyrik und Dialektwitz; Pathos, Melancholie und Biertischzote. Aus dem Einfall wurde blitzschnell Rhythmus, Wort, Refrain. Und über allem schwebte die einschmeichelnde Libertinage des Namens Klabund. Er hatte keine Zeit und wußte es. Vieles von dem eilig Hingedichteten wird verwehen, trotzdem mehr übrigbleiben als von den meisten bändereichen Lyrikern seit Heinrich Heine.
 
Aus "Bracke"
Bracke betrat eine Kirche. Er sah ein Mädchen sich vom Beichtstuhl erheben und von dannen schleichen. Er setzte sich in den Beichtstuhl, da fühlte er alsbald eine Hand über seine Wange streichen, und die Stimme des Priesters flüsterte: "Liebes Mädchen -- wann kommst du wieder beichten? Morgen?" Als aber der Priester plötzlich den Anflug von Bart in den Fingerspitzen spürte, schrie er leise auf: "Mädchen -- was ist mit dir?" "Ich bin der Teufel," sagte Bracke, " gekommen, dich in die Hölle zu holen für deine böse Tat und die Verderbnis deiner Sitten." Der Priester wimmerte: "Wie kann ich mich retten vor deiner Rache?" "Wisse," sagte Bracke, "daß jegliches Mädchen, welches dir zu beichten in deinen Beichtstuhl tritt, ich bin, immer ich, der Teufel. Welcher Gestalt sie auch sei: jung oder alt, hübsch oder häßlich, schlank oder feist. Wage niemals mehr, dich einem Mädchen (das heißt: mir) unzüchtig zu nahen, sonst bist du mir ganz und gar verfallen, mir, dem Teufel, du teuflischer." Zitternd schwur der Priester Besserung.
 
Das erfrorene Herz
(Nachdichtung aus dem Chinesischen)

Der Sperling pickt die letzten Vogelmieren.
Schon läßt ein kalter Wind die Bäche frieren.

Ach, käme doch der Frühling bald! die Quellen,
Wie würden hurtig sie zu Tale schnellen!

Die du mich doch nicht frieren sehen willst:
Komm, meine Sonne, daß mein Schneeherz schmilzt...

Lebenslauf

Geboren ward Klabund,
Da war er achtzehn Jahre
Und hatte blonde Haare
Und war gesund.

Doch als er starb, ein Trott,
War er zwei Jahre älter,
Ein morscher Lustbehälter,
So stieg er aufs Schafott.

Er brachte ein′ Zwilling um...
(Das Mädchen war vom Lande
Und kam dadurch in Schande
Und ins Delirium.)

Unglücksfall


Es stehen vor dem Hebekran
Ein kleines Kind, ein Hund, ein Mann
Die Eisenkette rollt und rinnt,
Es staunen Mann und Hund und Kind.
Da saust sie nieder auf den Grund,
Zerschmettert Mann und Kind und Hund.
Gemäßigt naht die Polizei,
Ein Chemiker ist auch dabei,
Bis er den Totbestand befund:
Ein kleines Kind, ein Mann, ein Hund.

Klabund (1890-1928)

Freitag, 9. November 2012

Novembertage - Durs Grünbein

Der 9. November in Deutschland
eine kleine Auswahl
1918 Ausrufung einer deutschen Republik und Beginn der Novemberrevolution
1923 Hitler-Ludendorff-Putsch
1938 Beginn der Novemberpogrome 
1989 "Mauerfall"


© Wolfgang Bachmann

  Novembertage


  I. 1989


  An diesem Abend brach ein Stottern die Gesetze,

  ein Lesefehler hob die heiligen Verbote auf.

  So nüchtern wie die Meldung in die Welt ging
  
vor Mikrofon und Kamera, war jener Spuk vorbei,

  den sie verordnet hatten. Erstmals sah man

  die kommunistischen Auguren zögernd lächeln

  wie Spieler, die verlieren, und jetzt wissen sie
  
was sie, gewiegt in Sicherheit, vergessen hatten.

  Mit einer letzten Drohung, einer Atempause,

  Erklärten Greise meine Geiselnahme für beendet.
  In dieser Nacht, als man die Schleusen aufzog,

  ergoß ein Menschenstrom sich in den hellen Teil

  der Stadt, die eine Festung war seit dreißig Jahren,

  geschleift von einem falschen Wort im Protokoll.

  Bevor die Eisentore widerriefen, hob die Menge

  den Bann auf, der hier alle Muskeln lähmte.

  Mit offnem Mund am Straßenrand ein Offizier

  stand wie verrenkt, weil kein Befehl mehr lenkte,

  das Machtwort ausblieb wie seit Jahren nie.

  Als gegen Morgen auf den Boulevards im Westen,
  
nach Feuerwerk und Kreisverkehr und Tränen,
  
das Freibier ausging, war das Glück vollkommen.

  Bei einer Kreuzung stand verlassen, abgebrannt

  bis zu den Rädern, ein Trabant, und die Besitzer

  hatten den Autoschlüssel an den Baum gehängt.
  
Von ihren Kindern angetrieben, ganze Clans

  zogen durchs Zentrum, orientierungslos und still.

  Die ersten schliefen schon, sie lagen eingerollt

  vorm Kaufhaus selig unter den Vitrinen,

  auf teurem Pflaster träumend freien Grund.

  Durs Grünbein: Nach den Satiren. Suhrkamp Verlag, Frankfurt 

  am Main 1999

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  Das folgende Gedicht habe ich gerade gefunden. Oh mein Gott!

  Peter Hacks
   
  Das Vaterland


  So wie das Einhorn vor den Geistern allen
  Hervorsticht durch Empfindsamkeit und Wissen,
  Wie der Demant vor minderen Kristallen,
  Der Kaviar vor sonstigen Leckerbissen,
  So wie der Panther vor den Waldnaturen
 

  Und Greta Garbo vor den andern Huren,

  So stach einmal mein liebes Vaterland

  Unter den Reichen dieser Welt hervor.
  Das Land, wo keiner darbte, keiner fror.
  Das Land, wo jeder Dach und Arbeit fand.
  Wie lob ich es? Wie enden, wie beginnen?
  Ich sage, es war ganz und gar bei Sinnen.

  Wer reifen wollte, war befugt zu hoffen.
  Die Seelen nahmen Form an und die Leiber.
  Dem Ärmsten stand die höchste Stelle offen.
  Was Männer durften, durften auch die Weiber.
  Und weder Aberglauben, weder Schulden
  Fand sich sein stolzes Herz bereit zu dulden.

  Und keine Krankheit, wenn sie heilbar war,
  Blieb von der Kunst der Ärzte ungeheilt.
  Und kein Verdruß, sofern er teilbar war,
  Ward redlich nicht von Fürst und Volk geteilt.
  Kein Eigentümer konnte uns befehlen,
  Zu seinem Vorteil selbst uns zu bestehlen.

  Wie aufgeklärt hier alles. Wie durchheitert.
  Wie voller Frische, voller Ahnungen.
  Ins Morgen ward die Gegenwart erweitert
  Des Vaterlands durch seine Planungen.
  Es ist ein Hochgenuß, von ihm zu sprechen.
  Es war ein Staat und scheute das Verbrechen.

  Wer kann die Pyramiden überstrahlen?
  Den Kreml, Sanssouci, Versailles, den Tower?
  Von allen Schlössern, Burgen, Kathedralen
  Der Erdenwunder schönstes war die Mauer.
  Mit ihren schmucken Türmen, festen Toren.
  Ich glaub, ich hab mein Herz an sie verloren.

  Das war das Land, in dem ich nicht geboren,
  Das Land, in dem ich nicht erzogen bin.
  Das ich mir frei zum Vaterland erkoren,
  Daß bis zum Grab ich atmete darin.
  Das mit dem Grab hat sich nun auch zerschlagen.
  Doch war das Glück mit meinen Mannestagen.

  In dieser Hundewelt geht vieles ohne
  Ideen, aber nichts ohne Spione.
  Schuld, daß ich alles deutlich offenbare,
  Schuld trug das KGB. Wohl zwanzig Jahre
  Hat insgeheim mit Langley oder Harvard
  Es über unsern Untergang palavert.

  Die Sowjetmacht, sie schenkte uns das Leben.
  Sie hat uns auch den Todesstoß gegeben.
  Nur täuscht euch nicht. Rußland und wir, wir beiden,
  Sind niemals, auch nicht durch Verrat, zu scheiden.
  So viel für jetzt. So viel zum künftig schwierigen
  Verhältnis zwischen Preußen und Sibirien.

  Fremd ist die Sonne, die mir heute leuchtet.
  Und bloß im sich versenkenden Gemüte
  Seh ich die Landschaft, die hier vormals blühte.
  Nicht immer bleibt mein Auge unbefeuchtet.
  Man weint um Hellas. Sonst geschieht es selten,
  Daß einer Staatseinrichtung Tränen gelten.

  Und derer laßt mich denken, die es schufen,
  Das Vaterland, ihm Hirn und Willen liehen,
  Es kräftigend zu menschlichsten Behufen.
  Kaum einer ist mehr. Laßt mich nicht verziehen,
  Als Greis dem Sterbenden mich mitzuteilen.
  Für Alfred Neumann schrieb ich diese Zeilen. 


  Nachdruck/Vervielfältigung nur mit ausdrücklicher Genehmigung des 
  Rechteinhabers. © Eulenspiegel Verlag, Berlin

  Alfred »Ali« Neumann (1909–2001) war Mitglied des Politbüros 
  des Zentralkomitees der SED und von 1965 bis 1968 Minister 
  für Materialwirtschaft der DDR. Neumann spielte bei 
  der Konzipierung des Neuen Ökonomischen Systems der Planung 
  und Leitung (NÖSPL) in den 60er Jahren eine wichtige Rolle. 
  Im Zuge des Sturzes von Walter Ulbricht durch Erich Honecker 
  1971 weigerte sich Neumann als einziges wichtiges 
  damaliges Politbüromitglied, eine geheime »Bitte« an 
  die sowjetische Führung um Ablösung Ulbrichts mit 
  zu unterschreiben. Neumann blieb ein Gegenspieler Honeckers, 
  trat jedoch niemals in der Öffentlichkeit gegen ihn auf. 
  1989 wurde er aus dem Politbüro, 1990 aus der 
  SED-PDS ausgeschlossen. Seit 1992 wurde gegen ihn aufgrund 
  seiner Mitgliedschaft im Nationalen Verteidigungsrat der DDR 
  wegen »Totschlags und Körperverletzung an der inner-
  deutschen Grenze« ermittelt, die 23. Strafkammer des 
  Berliner Landgerichtes stellte 1999 das Verfahren ein.

  Website der Kommunistischen Gewerkschaftsinitiative

  

Donnerstag, 8. November 2012

Monets Augen



 "Monet ist nur ein Auge, aber mein Gott, was für ein Auge." 
Cezanne

  Seerosen, Wasserlilien, eine Brücke - ungefähr 250 Bilder mit Motiven aus seinem Garten
  in Giverny malte Monet in den letzten 30 Jahren seines Lebens. Während dieser Zeit erkrankte 
  er am Grauen Star und unterzog sich deshalb einer Augenoperation. Experten können den 
  genauen Stand seiner Augengesundheit an den Farbnuancen der Nymphéas-Bilder fesmachen. 
  Zum Beispiel sah er mit beidseitigen Katarakten seine Umwelt verschwommener, leicht 
  rötlich getönt. Nach der erfolgreichen Operation des rechten Auges im Jahr 1923, er war 82 
  Jahre alt, malte er einige Bilder dann nocheinmal, diesmal mit blaueren Seerosen. Er 
  verweigerte allerdings die Korrektur des linken Auges.
   
  In einem Brief an seinen Freund schrieb Monet: "Zu denken, dass ich so gute Fortschritte 
  machte, konzentrierter als je war und in der Erwartung etwas zu erreichen, aber ich 
  wurde gezwungen umzudenken, eine Menge vielversprechender Anfänge aufzugeben und den 
  Rest einfach liegen zu lassen: und noch dazu macht meine schwache Sehkraft, dass ich alles 
  in einem völligen Nebel sehe. Es ist aber trotzdem wunderschön und ist was ich gehofft hatte 
  zeigen zu können. Alles in allem bin ich sehr unglücklich." 11.8.1922 Giverny

  
  Der Kampf Monets mit dem Grauen Star
  http://www.ambafrance-de.org/Monet-das-impressionistische-Auge


Monet in seinem von ihm selbst gestalteten Garten
Stereoskopische autochrome Amateuerphotographie von Étienne Clémentel


1908
 
Die schlanke Wasserlilie
Schaut träumend empor aus dem See;
Da grüßt der Mond herunter
Mit lichtem Liebesweh.

Verschämt senkt sie das Köpfchen
Wieder hinab zu den Well'n –
Da sieht sie zu ihren Füßen
Den armen blassen Gesell'n.
Heinrich Heine


Eins der zahlreichen Bilder einer Japanischen Fußgängerbrücke im Garten von Giverny, natürlich mit Seerosen


Detail
Die Brücke, Photographie


Diashow: Grandes Decorations at the L’Orangerie