Mittwoch, 5. September 2012

Toronto hat im Sommer etwas Theater


Letzte Woche, dreimal im Theater, nicht einmal beglückt.

Ach, wie verflixt und schlecht vernäht das ist mit dem Theater, wenn es tut, als gäbe es keine Welt.

Vom Freilicht-Sommernachtstraum mag ich fast gar nicht reden, der war so lustik und so ohnemagieohnezornohnesex, dass ich hätte weinen können. Aber alle anderen haben gelacht, da bin ich weggegangen, um nicht zu stören.

Beim Aschkenasi Festival dann eine Tanzversion einer alten russischen Geschichte. Ein junger Mann, steckt, im Trunke oder aus Übermut, einem Stöckchen, das im Wald aus der Erde ragt, den Ehering seiner zukünftigen Braut auf, spricht den Eheschwur und tanzt dreimal um es herum, als sich das Stöckchen als der Knochrn-Finger einer toten Frau herausstellt, die vor ihrer eigenen Hochzeit ermordet wurde, flieht er in panischer Angst, sie verfolgt ihn und schlußendlich muß ein Rabbi entscheiden, ob die Tote und der Lebende nun verheiratet sind oder nicht.
Sein Spruch: Auch wenn er Mitgefühl für die tote Braut empfindet, haben die Toten doch keinen Anspruch auf die Lebendigen. 
Der junge Mann darf eine Lebende heiraten.
Das Programmheft erwähnt, dass antisemitische Mitbürger sich ein Vergnügen daraus gemacht hätten, junge jüdische Bräute zu töten, um der Geschichte ein wenig mehr Realität zu verschaffen. Der Theaterabend bleibt im Hübschen stecken, gleichmäßiges gediegenes Tempo, Späßchen und sehr viele Schlüsse.

Dann, einer meiner Lieblinge, Bulgakovs "Die Kabale der Scheinheiligen oder Das Leben des Herrn Moliere", hier heißt es "Königliche Komödianten" und schon der Text im Programmheft stellt klar, dass man in Kanada in völliger Freiheit lebt und sich die grässliche Unterdrückung bei Louis XIV. und die noch viel schlimmere bei Stalin nur entspannt und historisch entfernt anschauen möge. Warum ein Stück machen, dass nichts mit einem selber und dem Ort an dem man lebt zu tun hat? 
Immerhin hängt das Foyer voll von Videomonitoren mit den Namen der gnädig gesonnenen Sponsoren, da es fast keine staatliche Kulturförderung gibt, das wäre doch ein überlegenswertes Detail, oder nicht?
Aber immerhin spielt ein ganz wunderbrer Spieler den Moliere: Diego Matamaros!

William Webster und Diego Matamaros © Cylla von Tiedemann

"Alles, was auf der Bühne geschieht, muss zu irgend etwas gut sein."
Anton Tschechow


Dienstag, 4. September 2012

Gebrüder Grimm - 200 Jahre Kindergrusel


Die erste Auflage der Kinder- und Hausmärchen, herausgegeben von Jacob Ludwig Carl und Wilhelm Carl Grimm aus dem Jahre 1812, Band 1, umfasste sechsundachtzig Märchen, dies ist eins davon, ein ganz besonders "liebenswertes".


Die drei Männlein im Walde

s war ein Mann, dem starb seine Frau, und eine Frau, der starb ihr Mann; und der Mann hatte eine Tochter, und die Frau hatte auch eine Tochter. Die Mädchen waren miteinander bekannt und gingen zusammen spazieren und kamen hernach zu der Frau ins Haus. Da sprach sie zu des Mannes Tochter: »Hör, sage deinem Vater, ich wollt ihn heiraten, dann sollst du jeden Morgen dich in Milch waschen und Wein trinken, meine Tochter aber soll sich in Wasser waschen und Wasser trinken.« Das Mädchen ging nach Haus und erzählte seinem Vater, was die Frau gesagt hatte.
Der Mann sprach: »Was soll ich tun? Das Heiraten ist eine Freude und ist auch eine Qual.« Endlich, weil er keinen Entschluß fassen konnte, zog er seinen Stiefel aus und sagte: »Nimm diesen Stiefel, der hat in der Sohle ein Loch, geh damit auf den Boden, häng ihn an den großen Nagel und gieß dann Wasser hinein. Hält er das Wasser, so will ich wieder eine Frau nehmen, läuft's aber durch, so will ich nicht.«
Das Mädchen tat, wie ihm geheißen war; aber das Wasser zog das Loch zusammen, und der Stiefel ward voll bis obenhin. Es verkündigte seinem Vater, wie's ausgefallen war. Da stieg er selbst hinauf, und als er sah, daß es seine Richtigkeit hatte, ging er zu der Witwe und freite sie, und die Hochzeit ward gehalten.
Am andern Morgen, als die beiden Mädchen sich aufmachten, da stand vor des Mannes Tochter Milch zum Waschen und Wein zum Trinken, vor der Frau Tochter aber stand Wasser zum Waschen und Wasser zum Trinken. Am zweiten Morgen stand Wasser zum Waschen und Wasser zum Trinken so gut vor des Mannes Tochter als vor der Frau Tochter. Und am dritten Morgen stand Wasser zum Waschen und Wasser zum Trinken vor des Mannes Tochter und Milch zum Waschen und Wein zum Trinken vor der Frau Tochter, und dabei blieb's. Die Frau ward ihrer Stieftochter spinnefeind und wußte nicht, wie sie es ihr von einem Tag zum andern schlimmer machen sollte. Auch war sie neidisch, weil ihre Stieftochter schön und lieblich war, ihre rechte Tochter aber häßlich und widerlich.
Einmal im Winter, als es steinhart gefroren hatte und Berg und Tal vollgeschneit lag, machte die Frau ein Kleid von Papier, rief das Mädchen und sprach: »Da, zieh das Kleid an, geh hinaus in den Wald und hol mir ein Körbchen voll Erdbeeren; ich habe Verlangen danach.«
»Du lieber Gott«, sagte das Mädchen, »im Winter wachsen ja keine Erdbeeren, die Erde ist gefroren, und der Schnee hat auch alles zugedeckt. Und warum soll ich in dem Papierkleide gehen? Es ist draußen so kalt, daß einem der Atem friert; da weht ja der Wind hindurch, und die Dornen reißen mir's vom Leib.«
»Willst du mir noch widersprechen?« sagte die Stiefmutter. »Mach, daß du fortkommst, und laß dich nicht eher wieder sehen, als bis du das Körbchen voll Erdbeeren hast.« Dann gab sie ihm noch ein Stückchen hartes Brot und sprach: »Davon kannst du den Tag über essen«, und dachte: Draußen wird's erfrieren und verhungern und mir nimmermehr wieder vor die Augen kommen.
Nun war das Mädchen gehorsam, tat das Papierkleid an und ging mit dem Körbchen hinaus. Da war nichts als Schnee die Weite und Breite, und war kein grünes Hälmchen zu merken. Als es in den Wald kam, sah es ein kleines Häuschen, daraus guckten drei kleine Haulemännerchen. Es wünschte ihnen die Tageszeit und klopfte bescheidenlich an die Tür. Sie riefen »Herein«, und es trat in die Stube und setzte sich auf die Bank am Ofen, da wollte es sich wärmen und sein Frühstück essen. Die Haulemännerchen sprachen: »Gib uns auch etwas davon.«
»Gerne«, sprach es, teilte sein Stückchen Brot entzwei und gab ihnen die Hälfte. Sie fragten: »Was willst du zur Winterzeit in deinem dünnen Kleidchen hier im Wald?«
»Ach«, antwortete es, »ich soll ein Körbchen voll Erdbeeren suchen und darf nicht eher nach Hause kommen, als bis ich es mitbringe.« Als es sein Brot gegessen hatte, gaben sie ihm einen Besen und sprachen: »Kehre damit an der Hintertüre den Schnee weg.« Wie es aber draußen war, sprachen die drei Männerchen untereinander: »Was sollen wir ihm schenken, weil es so artig und gut ist und sein Brot mit uns geteilt hat.« Da sagte der erste: »Ich schenk ihm, daß es jeden Tag schöner wird.« Der zweite sprach: »Ich schenk ihm, daß Goldstücke ihm aus dem Mund fallen, sooft es ein Wort spricht.« Der dritte sprach: »Ich schenk ihm, daß ein König kommt und es zu seiner Gemahlin nimmt.«
Das Mädchen aber tat, wie die Haulemännerchen gesagt hatten, kehrte mit dem Besen den Schnee hinter dem kleinen Hause weg, und was glaubt ihr wohl, das es gefunden hat? Lauter reife Erdbeeren, die ganz dunkelrot aus dem Schnee hervorkamen. Da raffte es in seiner Freude sein Körbchen voll, dankte den kleinen Männern, gab jedem die Hand und lief nach Haus und wollte der Stiefmutter das Verlangte bringen. Wie es eintrat und »Guten Abend« sagte, fiel ihm gleich ein Goldstück aus dem Mund. Darauf erzählte es, was ihm im Walde begegnet war, aber bei jedem Worte, das es sprach, fielen ihm die Goldstücke aus dem Mund, so daß bald die ganze Stube damit bedeckt ward.
»Nun sehe einer den Übermut«, rief die Stiefschwester, »das Geld so hinzuwerfen«, aber heimlich war sie neidisch darüber und wollte auch hinaus in den Wald und Erdbeeren suchen. Die Mutter: »Nein, mein liebes Töchterchen, es ist zu kalt, du könntest mir erfrieren.« Weil sie ihr aber keine Ruhe ließ, gab sie endlich nach, nähte ihm einen prächtigen Pelzrock, den es anziehen mußte, und gab ihm Butterbrot und Kuchen mit auf den Weg.

 Illustration von Anne Anderson (1922)

Das Mädchen ging in den Wald und gerade auf das kleine Häuschen zu. Die drei kleinen Haulemänner guckten wieder, aber es grüßte sie nicht, und ohne sich nach ihnen umzusehen und ohne sie zu grüßen, stolperte es in die Stube hinein, setzte sich an den Ofen und fing an, sein Butterbrot und seinen Kuchen zu essen.
»Gib uns etwas davon« riefen die Kleinen, aber es antwortete: »Es schickt mir selber nicht, wie kann ich andern noch davon abgeben?« Als es nun fertig war mit dem Essen, sprachen sie: »Da hast du einen Besen, kehr uns draußen vor der Hintertür rein.«
»Ei, kehrt euch selber«, antwortete es, »ich bin eure Magd nicht.« Wie es sah, daß sie ihm nichts schenken wollten, ging es zur Türe hinaus. Da sprachen die kleinen Männer untereinander: »Was sollen wir ihm schenken, weil es so unartig ist und ein böses, neidisches Herz hat, das niemand etwas gönnt?« Der erste sprach: »Ich schenk ihm, daß es jeden Tag häßlicher wird.« Der zweite sprach: »Ich schenk ihm, daß ihm bei jedem Wort, das es spricht, eine Kröte aus dem Munde springt.« Der dritte sprach: »Ich schenk ihm, daß es eines unglücklichen Todes stirbt.«
Das Mädchen suchte draußen nach Erdbeeren, als es aber keine fand, ging es verdrießlich nach Haus. Und wie es den Mund auftat und seiner Mutter erzählen wollte, was ihm im Walde begegnet war, da sprang ihm bei jedem Wort eine Kröte aus dem Mund, so daß alle einen Abscheu vor ihm bekamen.
Nun ärgerte sich die Stiefmutter noch viel mehr und dachte nur darauf, wie sie der Tochter des Mannes alles Herzeleid antun wollte, deren Schönheit doch alle Tage größer ward. Endlich nahm sie einen Kessel, setzte ihn zum Feuer und sott Garn darin. Als es gesotten war, hing sie es dem armen Mädchen auf die Schulter und gab ihm eine Axt dazu, damit sollte es auf den gefrornen Fluß gehen, ein Eisloch hauen und das Garn schlittern. Es war gehorsam, ging hin und hackte ein Loch in das Eis, und als es mitten im Hacken war, kam ein prächtiger Wagen hergefahren, worin der König saß. Der Wagen hielt still, und der König fragte: »Mein Kind, wer bist du, und was machst du da?«
»Ich bin ein armes Mädchen und schlittere Garn.« Da fühlte der König Mitleiden, und als er sah, wie es so gar schön war, sprach er: »Willst du mit mir fahren?«
»Ach ja, von Herzen gern«, antwortete es, denn es war froh, daß es der Mutter und Schwester aus den Augen kommen sollte.
Also stieg es in den Wagen und fuhr mit dem König fort, und als sie auf sein Schloß gekommen waren, ward die Hochzeit mit großer Pracht gefeiert, wie es die kleinen Männlein dem Mädchen geschenkt hatten. Über ein Jahr gebar die junge Königin einen Sohn, und als die Stiefmutter von dem großen Glücke gehört hatte, so kam sie mit ihrer Tochter in das Schloß und tat, als wollte sie einen Besuch machen. Als aber der König einmal hinausgegangen und sonst niemand zugegen war, packte das böse Weib die Königin am Kopf, und ihre Tochter packte sie an den Füßen, hoben sie aus dem Bett und warfen sie zum Fenster hinaus in den vorbeifließenden Strom. Darauf legte sich ihre häßliche Tochter ins Bett, und die Alte deckte sie zu bis über den Kopf.

 The three little men in the Wood, Illustrator unbekannt

Als der König wieder zurückkam und mit seiner Frau sprechen wollte, rief die Alte: »Still, still, jetzt geht das nicht, sie liegt in starkem Schweiß, Ihr müßt sie heute ruhen lassen.« Der König dachte nichts Böses dabei und kam erst den andern Morgen wieder, und wie er mit seiner Frau sprach und sie ihm Antwort gab, sprang bei jedem Wort eine Kröte hervor, während sonst ein Goldstück herausgefallen war. Da fragte er, was das wäre, aber die Alte sprach, das hätte sie von dem starken Schweiß gekriegt und würde sich schon wieder verlieren.
In der Nacht aber sah der Küchenjunge, wie eine Ente durch die Gosse geschwommen kam, die sprach:
»König, was machst du?
Schläfst du oder wachst du?«
Und als er keine Antwort gab, sprach sie:
»Was machen meine Gäste?«
Da antwortete der Küchenjunge:
»Sie schlafen feste.«
Fragte sie weiter:
»Was macht mein Kindelein?«
Antwortete er:
»Es schläft in der Wiege fein.«
Da ging sie in der Königin Gestalt hinauf, gab ihm zu trinken, schüttelte ihm sein Bettchen, deckte es zu und schwamm als Ente wieder durch die Gosse fort. So kam sie zwei Nächte, in der dritten sprach sie zu dem Küchenjungen: »Geh und sage dem König, daß er sein Schwert nimmt und auf der Schwelle dreimal über mir schwingt.« Da lief der Küchenjunge und sagte es dem König, der kam mit seinem Schwert und schwang es dreimal über dem Geist; und beim drittenmal stand seine Gemahlin vor ihm, frisch, lebendig und gesund, wie sie vorher gewesen war.
Nun war der König in großer Freude, er hielt aber die Königin in einer Kammer verborgen bis auf den Sonntag, wo das Kind getauft werden sollte. Und als es getauft war, sprach er: »Was gehört einem Menschen, der den andern aus dem Bett trägt und ins Wasser wirft?«
»Nichts Besseres«, antwortete die Alte, »als daß man den Bösewicht in ein Faß steckt und den Berg hinab ins Wasser rollt.« Da sagte der König: »Du hast dein Urteil gesprochen«, ließ ein Faß holen und die Alte mit ihrer Tochter hineinstecken, dann ward der Boden zugehämmert und das Faß bergab gekullert, bis es in den Fluß rollte.

Illustration von Hermann Vogel (1854-1921)

Montag, 3. September 2012

Pablo Picasso - Don Quijote - Dick und Doof



Der sinnreiche Junker Don Quijote von der Mancha, ein Roman in zwei Teilen von Miguel de Cervantes, erschienen 1605 und 1615.


Pablo Picasso 10.3.1955 Don Quichote auf seinem Pferd Rosinante und Sancho Pansa auf seinem Esel
Dick und Doof in ihrer Urform, die erdige Vorsicht des einen ermöglicht den waghalsigen Irrsinn des anderen. Wo wären wir ohne unser Gegengewicht, unsern Anderen? 
Die Windmühle ganz klein dazwischen, das Bild würde auseinanderfallen, wäre der Eine oder der Andere nicht "da". Die Sonne macht den Kleinen größer, der Blick nach unten den Großen menschlicher.
Der viel zitierte Kampf des langen Dürren gegen Windmühlen benötigt den Rückhalt des kleinen Dicken.

Adelbert von Chamisso

Don Quixote

Noch ein Abenteuer,
Welches Ruhm verspricht;
Siehst du auf dem Hügel
Dort die Riesen nicht?
Thurmhoch, mißgeschaffen,
Drohend in den Wind,
Welche anzuschauen
Fast wie Mühlen sind?
    Mit Vergunst, Herr Ritter,
    Kann ich da nur seh'n
    Mühlen, die im Winde
    Ihre Flügel dreh'n.

Seien, feiger Knappe,
Deinem stumpfen Sinn
Diese ungeheuer
Mühlen immerhin;
Hülle sich mit Trugschein
Zauberhaft der Graus,
Findet doch der Ritter
Sich die Riesen aus.
    Mit Vergunst, Herr Ritter,
    Glaubt's mir, auf mein Wort,
    Das sind echte Mühlen,
    Auf dem Hügel dort.

Dürft ihr's euch erfrechen,
Haltet mir nur Stand,
Strauß mit Euresgleichen
Ist mir Kindertand.
Einer gegen Alle,
Falsche Höllenbrut,
Und die Erde trinkt bald
Eures Herzens Blut.
    Mit Vergunst, Herr Ritter,
    Hört mich doch nur an,
    Mühlen sind's, nur Mühlen,
    Wie ich schwören kann.

Süße Dulcinea,
Blick' auf mich herab!
So der wack're Ritter,
Spornt den Gaul in Trab;
Treibet auf den ersten,
Der da seiner harrt -
Und geschleudert stürzt er
Auf die Erde hart.
    Lebt ihr, guter Ritter,
    Oder seid ihr todt?
    Aber that's mit Mühlen
    Euch zu raufen Noth?

Sollte wer mich fragen;
Wie man vieles fragt,
Ob es Riesen waren,
Wie der Herr es sagt,
Oder bloße Mühlen,
Wie es meint der Knecht;
Geb' ich unbedenklich
Unserm Ritter Recht.
    Mit den Herr'n es halten,
    Bleibt das Klügste noch;
    Was von solchen Dingen
    Wissen Knechte doch!



Sonntag, 2. September 2012

Theater oder 'Als ob" ist eine ernsthafte Angelegenheit

Wie bekommt man einen Elefanten in den Kühlschrank?
Kühlschranktür auf, Elefant rein. Tür zu.
Wie bekommt man eine Giraffe in den Kühlschrank?
Tür auf. Giraffe rein...nein, erst den Elefanten rausholen, sonst reicht der Platz nicht.

"So tun als ob" ist möglicherweise das Einzige, was allen Formen von Theater gemeinsam ist, denn jedes Gerede von Authenzität erledigt sich in dem Augenblick von selbst, in dem eine, wie auch immer geartete, vorherige Verabredung getroffen wird, und sei es nur die, dass man um 7 Uhr beginnt. (Wäre ja auch schön blöd zu beginnen, wenn noch gar keiner da ist, um zuzugucken.)

Wiki sagt: Authentizität, von griechisch αυθεντικός authentikós „echt“; spätlateinisch authenticus „verbürgt, zuverlässig“, bedeutet Echtheit im Sinne von „als Original befunden“.

Nichts auf dem Theater ist echt, das Original ist immer woanders. Echtheit ist dem Theater fremd, feindlich, uneigen. Schon das Leben selbst hat es ja manchmal schwer genug echt zu sein, beladen mit all den Mustern und Schemata, die Theater/Film und Fernsehen und Bücher uns ins Hirn gegraben haben. 

"Crazy Joe" Gallo, ein New Yorker Mafioso der alten Schule, begann schwarze Hemden mit weissen Krawatten zu tragen, nachdem er 1955 Marlon Brando in "Guys and Dolls" in eben diesem Kostüm gesehen hatte.

Wiki sagt: Die Echtheit ist der Grad der Übereinstimmung zwischen einer Tatsache und deren Darstellung. Die Darstellung ist umso echter, je genauer sie die Tatsache widerspiegelt. Bei Gegenständen bezeichnet die Echtheit die Übereinstimmung zwischen Original und Kopie.

Da liegt eine Welt zwischen erstem und zweitem Satz. Genauigkeit ist von Nöten, Übereinstimmung keineswegs.

Meine Nichte, zu dem Zeitpunkt vielleicht drei Jahre alt,spielte Koch - eine Schüssel mit etwas Wasser verwandelte sich in eine Portion Spaghetti, in ein Schnitzel, in was auch immer bestellt wurde. Ihr Vater "bestellte" scherzhaft eine Schüssel mit Wasser. Der Blick, mit dem sie ihm aus schmalen Augen antwortete, war voll von Enttäuschung und gerechter Empörung.

 'Als ob' funktioniert nur, wenn alle mitmachen. Verweigerung von Spiel ist Verrat.
Deshalb hier ein Loblied auf das "Als ob", es läßt uns ausprobieren, irren, stolpern, übertreiben, ohne uns zu töten.

Ein Pferd sitzt im Kino. in der Reihe vor ihm eine Kuh mit einem riesigen blumengeschmückten Hut auf dem Kopf . Das Pferd kann die Leinwand nicht sehen, der Hut ist im Weg. Das Pferd klopft der Kuh auf die Schulter. Keine Reaktion. Wiederholtes Klopfen. Die Kuh dreht sich schließlich um, das Pferd sagt: " Könnten Sie bitte ihren Hut absetzen?", die Kuh blickt erbost und antwortet: " Unglaublich, sprechende Pferde im Kino!"

Freitag, 31. August 2012

Schöne Wörter mit ö




Schöne Wörter mit ö

Öse (Es klingt, wie das was es ist, so, wie es ausschaut.)

Nein, das Wort Möse mag ich nicht, klingt zu sehr nach Dose, nach Blech, nicht zart, nicht zärtlich, nicht sexy.

ö

dösen (Träumen, vielleicht schlafen...)

Getöse ( Lärm ist knapper, Getöse muß länger ertragen werden.)

Schnösel  (Solche kenne ich, zuhauf.) Und

Kröten auch.

ö
 
Lösung (Erklärt sich selbst.)

böse (Der Klang ist schön und das Gefühl genauer als "ich bin sauer". )

schön (Ist schön.)

bekömmlich und gewöhnlich

Möglich ist es auch und löblich. Wohingegen lobenswert eher herablassend klingt.

Börse (Anstatt Geldbeutel.) 

ö
rösten, löten, flöten, erröten

Tröte (Wohingegen Vuvuzela nur angestrengt fremdländisch klingt .)

Dödel. Klingt wie Knödel und ist liebevoller als Dummkopf.

Malheur schreibt man nur in Köln Malör.

Möchtegern. 


ö
von Nöten (Notwendig ist gebräuchlicher, aber manchmal, wenn man in wagemutiger Stimmung ist, ist von Nöten von Nöten.)

Schwerenöter, gibt es leider nur sehr selten.

ö
versöhnen, beschönigen, benötigen, verwöhnen, trösten (Sicher, beschönigen ist inhaltlich unschön, aber das Wort sagt genau, was es meint.)

tönen und tönern, wie auf auf tönernen Füßen stehend und Lieder die tönen.

Höhle und Hölle, Schutz und Strafe, und nur die Länge des ö macht den Unterschied.

Und
dann gibt es noch töten, tödlich und nötigen und nötig und Köter, Möbel und löten, die sind auch mit ö, aber harsch und sogar etwas grob, eben das was sie ausdrücken. 


Illustrationen und Umschlaggestaltung: Fred Westphal

Ö..i, ein Kösename, den ich mag.

Donnerstag, 30. August 2012

Gabriele D'Annunzio - Trost


TROST
 
Nicht länger weine! der geliebte sohn
Kehrt heim zu dir. Er ist des lügens müde.
Komm mit hinaus! zeit ist es neu zu blühen ·
Du bist zu weiss · dein antlitz gleicht einer lilie.

Komm mit ins freie! der verlassne garten
Bewahrt für uns noch manchen seitenweg.
Ich sage dir wie das geheimnis süss ist
Das auf gewissen fernen dingen schwebt.

Noch manche rose ist am rosenbusche.
Noch manches kraut gibt schüchtern seinen duft.
Obwohl verlassen wird die teure stätte
Noch lächeln wenn du lächeln wirst.

Ich sage dir wie süss das lächeln ist
Gewisser dinge die vergessen dulden.
Was dächtest du wenn jetzt mit einem male
Die erde dir zu füssen blumen brächte?

Dies wird geschehen wenn es auch kein mai ist.
Komm mit · bedecke nicht dein haupt! sanft ist
Septembersonne und noch scheint kein silber
Auf deinem haupt und fein ist noch die falte.

Warum verweigerst du mit müdem blicke?
Die mutter tut des guten sohnes willen ·
Du musst ein wenig sonnenschein geniessen ·
Ein wenig sonne auf dein weisses antlitz.

Du musst getrosten mutes sein · du musst
An alle bösen dinge nicht mehr denken ..
Wenn wir nach jenen rosenbüschen gehen
So red ich leis und deine seele träumt.

Träume · träume! teure seele. Alles
Wird wie in den vergangnen jahren sein.
Ich will in deine reinen hände legen
Mein ganzes innre. Nichts ist noch verloren. 

Träume · träume! ich will dein leben leben ·
In einem neuen leben tief und einfach
Erstehn. Die leichte hostie die reinigt
Ich will aus deinem finger sie empfangen.

Träume! da des träumens zeit gekommen.
Ich rede. Sag · versteht mich deine seele?
Sieh! in den lüften schaukelt und entfacht sich
Fast das gespenst von einem toten mai.

September (sag! vernimmt mich deine seele?)
Hat in den düften und in seiner blässe
So etwas wie die düfte und die blässe
Von einem lenz der aus dem grabe steigt.

Träumen wir! es ist die zeit zu träumen ·
Und lächeln wir! dies hier ist unser lenz.
Zuhause später in den abendstunden
Schlag ich den flügel wieder auf und träume. 

Wie lang lag er im schlaf der flügel! damals
Schon fehlte eine saite · eine saite
Fehlt immer und die tasten mahnen an
Der ahnin wächserne und schmale hände.

Inzwischen von dem abgeblassten vorhang
Wird ein geruch ein zarter sich verbreiten ·
(Du hörst mich?) etwas wie der schwache atem
Von veilchen die ein wenig schon im welken.

Ich werde einen alten walzer spielen
Sehr alt sehr edel · auch ein wenig traurig ·
Der klang wird heiser und verschleiert sein
Als ob er aus dem andern zimmer käme.

Für dich allein will ich ein lied verfassen
Das dich wie eine wiege schaukeln soll
Nach einem alten tone · doch mit etwas
Nachlässiger und schwanker zierlichkeit. 

Wie in der fernen zeit wird alles sein ·
Die seele einfach werden wie sie war
Und wenn du wünschest sachte zu dir kommen
Wie in die hohle hand das wasser kommt.

Gabriele D'Annunzio übersetzt von Stefan George

Egon Schiele 1910 Porträt des Karl Zakovsek

Trost ist zwischenmenschliche Zuwendung an jemanden, der trauert oder anderen seelischen bzw. körperlichen Schmerz zu ertragen hat. Derjenige wird getröstet. Trost kann durch Worte, Gesten und Berührung gespendet werden. Der Schmerz und die Traurigkeit des Getrösteten sollen gelindert werden; er soll spüren, dass er nicht allein gelassen ist; seine seelische Verfassung soll gestärkt werden.
Das Wort Trost hängt etymologisch mit dem indogermanischen Wortstamm treu zusammen und bedeutet eigentlich (innere) Festigkeit. Das griechische Wort für „Trost“ bedeutet auch „Ermutigung“.
 
George, Stefan: Zeitgenössische Dichter. Übertragungen, Zweiter Teil, Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 16, Berlin 1929, S. 66-71.

Mittwoch, 29. August 2012

Hugo von Hofmannsthal über Gabriele d'Annunzio



"Man hat manchmal die Empfindung, als hätten uns unsere Väter, ... uns, den Spätgeborenen, nur zwei Dinge hinterlassen: hübsche Möbel und überfeine Nerven. Die Poesie dieser Möbel erscheint uns als das Vergangene, das Spiel dieser Nerven als das Gegenwärtige. Von den verblaßten Gobelins nieder winkt es mit schmalen weißen Händen und lächelt mit altklugen Quattrocento-Gesichtchen; aus den weißlackierten Sänften von Marly und Trianon, aus den prunkenden Betten der Borgia und der Vendramin hebt sichs uns entgegen und ruft: »Wir hatten die stolze Liebe, die funkelnde Liebe; wir hatten die wundervolle Schwelgerei und den tiefen Schlaf; wir hatten das heiße Leben; wir hatten die süßen Früchte und die Trunkenheit, die ihr nicht kennt.« Es ist, als hätte die ganze Arbeit dieses feinfühligen, eklektischen Jahrhunderts darin bestanden, den vergangenen Dingen ein unheimliches Eigenleben einzuflößen. Jetzt umflattern sie uns, Vampire, lebendige Leichen, beseelte Besen des unglücklichen Zauberlehrlings! Wir haben aus den Toten unsere Abgötter gemacht; alles, was sie haben, haben sie von uns; wir haben ihnen unser bestes Blut in die Adern geleitet; wir haben diese Schatten umgürtet mit höherer Schönheit und wundervollerer Kraft als das Leben erträgt; mit der Schönheit unserer Sehnsucht und der Kraft unserer Träume. Ja alle unsere Schönheits- und Glücksgedanken liefen fort von uns, fort aus dem Alltag, und halten Haus mit den schöneren Geschöpfen eines künstlichen Daseins, mit den schlanken Engeln und Pagen des Fiesole, mit den Gassenbuben des Murillo und den mondänen Schäferinnen des Watteau. 
Bei uns aber ist nichts zurückgeblieben als frierendes Leben, schale, öde Wirklichkeit, flügellahme Entsagung. Wir haben nichts als ein sentimentales Gedächtnis, einen gelähmten Willen und die unheimliche Gabe der Selbstverdoppelung. Wir schauen unserem Leben zu; wir leeren den Pokal vorzeitig und bleiben doch unendlich durstig: denn, wie neulich Bourget schön und traurig gesagt hat, der Becher, den uns das Leben hinhält, hat einen Sprung, und während uns der volle Trunk vielleicht berauscht hätte, muß ewig fehlen, was während des Trinkens unten rieselnd verlorengeht; so empfinden wir im Besitz den Verlust, im Erleben das stete Versäumen. Wir haben gleichsam keine Wurzeln im Leben und streichen, hellsichtige und doch tagblinde Schatten, zwischen den Kindern des Lebens umher.
Wir! Wir! Ich weiß ganz gut, daß ich nicht von der ganzen großen Generation rede. Ich rede von ein paar tausend Menschen, in den großen europäischen Städten verstreut. Ein paar davon sind berühmt; ein paar schreiben seltsam trockene, gewissermaßen grausame und doch eigentümlich rührende und ergreifende Bücher; einige, schüchtern und hochmütig, schreiben wohl nur Briefe, die man fünfzig, sechzig Jahre später zu finden und als moralische und psychologische Dokumente aufzubewahren pflegt; von einigen wird gar keine Spur übrigbleiben, nicht einmal ein traurig-boshaftes Aphorisma oder eine individuelle Bleistiftnotiz, an den Rand eines vergilbten Buches gekritzelt.
Trotzdem haben diese zwei- bis dreitausend Menschen eine gewisse Bedeutung: es brauchen keineswegs die Genies, ja nicht einmal die großen Talente der Epoche unter ihnen zu sein; sie sind nicht notwendigerweise der Kopf oder das Herz der Generation: sie sind nur ihr Bewußtsein. Sie fühlen sich mit schmerzlicher Deutlichkeit als Menschen von heute; sie verstehen sich untereinander, und das Privilegium dieser geistigen Freimaurerei ist fast das einzige, was sie im guten Sinne vor den übrigen voraushaben. Aber aus dem Rotwelsch, in dem sie einander ihre Seltsamkeiten, ihre besondere Sehnsucht und ihre besondere Empfindsamkeit erzählen, entnimmt die Geschichte das Merkwort der Epoche..."

Hugo von Hofmannsthal: Gesammelte Werke in zehn Einzelbänden. Reden und Aufsätze 1–3. Band 1, Frankfurt a.M. 1979, S. 174-185,479-480.
Hugo von Hofmannsthal 1910 auf einer Fotografie von Nicola Perscheid

Dienstag, 28. August 2012

Kanada - Der Ahornbaum




DER TROST - AHORN

The Comfort Maple

Der 530 Jahre alte Zucker Ahorn (acer saccharum) hat eine Höhe von 24 Metern und einen Stamm von 6 Metern Umfang. Er gilt als einer der ältesten, wenn nicht der älteste Ahornbaum Kanadas und steht in Pelham / Ontario. Blitzeinschläge, Alterserscheinungen und dergleichen haben Reparaturarbeiten nötig gemacht, Stützhilfen, ein bißchen Zement und ein paar Meter Draht. Ein Veteran halt.

Der schöne Name stammt ganz einfach von den ehemalige Besitzern des umgebenden Landes her, die Mr. und Mrs. Comfort hießen.




© The Canadian Blogger

Das rote Ahornblatt als Symbol Kanadas, war noch auf den Uniformen der Soldaten im 2. Weltkrieg grün und wurde, des größeren Kontrastes wegen, erst 1957 zu dem uns bekannten roten.


© Paul Charette

Buttermilchpfannkuchen mit Ahornsirup


Ein Trost-Essen

2 Eier
4 El geschmolzene Butter
225 - 250 ml Buttermilch
175 g Mehl
je 1/2 TL Natron und Backpulver
1 EL Zucker, 1/2 TL Salz
Öl zum Braten
Die flüssigen Zutaten gut verschlagen, anschließend in einer extra Schüssel Mehl, Backpulver, Natron, Zucker und Salz vermengen. Das Mehl in die Eimischung geben und schnell durchrühren, einige Minuten quellen lassen. Den Teig in einer nicht zu heißen Pfanne von beiden Seiten goldbraun backen.

Quelle: USA Culinarisch


 
Die Dinger müssen schön dick sein, nicht wie dünne Eierkuchen und ein Stück kalte gesalzene Butter gehört auf den Stapel, der Sirup schmeckt mir umso besser, je dunkler er ist, im Handel ist das Klasse AA, die Süße bleibt die gleiche, aber der herbe Unterton ist stärker. Ich habe gern noch eine Handvoll Rosinen im Teig.

Sonntag, 26. August 2012

William Butler Yeats - Vor der Erschaffung der Welt




Vor Der Erschaffung Der Welt

Mal ich die Wimpern dunkler,
Dass die Augen strahlender sind
Die Lippen noch scharlachröter
Oder sage, hübsch, mein Kind,
Dann hab mich nicht aus Eitelkeit
Vor Spiegel um Spiegel gestellt.
Ich suchte nur nach meinem Gesicht
Vor der Erschaffung der Welt.

Und hätte ich auch einen Mann
Wie einen Geliebten verführt,
Und mein Blut war kalt unterdessen
Und mein Herz blieb ungerührt?
Warum sollt er mich grausam nennen,
Oder durch meinen Betrug entstellt?
Ich ließ ihn lieben das Ding, das es gab
Vor der Erschaffung der Welt.

Andrea Paluch & Robert Habeck überarbeitet von mir

Henri Rousseau 1910 Der Traum
Before The World Was Made 
If I make the lashes dark
And the eyes more bright
And the lips more scarlet,
Or ask if all be right
From mirror after mirror,
No vanity's displayed:
I'm looking for the face I had
Before the world was made.

What if I look upon a man
As though on my beloved,
And my blood be cold the while
And my heart unmoved?
Why should he think me cruel
Or that he is betrayed?
I'd have him love the thing that was
Before the world was made.

W.B. Yeats 

Gott bei der Erschaffung der Welt. Mit einem Zirkel bringt er Ordnung in das Chaos der Elemente.  Miniatur, "Bible moralisé", Reims um 1235