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Samstag, 24. Februar 2018

Unvergleichlich: Kunst aus Afrika im Bode-Museum

Unvergleichlich: Kunst aus Afrika im Bode-Museum

Im Bode-Museum

Die Ausstellung "Unvergleichlich" wird herausragende Kunstwerke Afrikas aus dem Ethnologischen Museum in der einzigartigen europäischen Skulpturensammlung im Bode-Museum zeigen. Durch die beiden Hauptetagen werden punktuell Plastiken beider Kontinente gegenübergestellt. Thematische Vertiefungen werden in einem Sonderausstellungsraum gezeigt.



Die europäische Moderne hat diese Werke offensichtlich aufgesaugt. Kubismus, Expressionismus, Abstraktes. Beschützende Kraftfiguren von wilden Tieren und Müttern aus Holz mt eisernen Nägeln bespickt und umwickelt mit Pflanzen in denen alles hängt, was der Wald hergibt. 
Altarskulpturen. Konzentration auf das Wesentliche, Brüste, Hände, Geschlecht, kräftige Beine, dicke Bäuche mit gigantischem Bauchnabel. Oft schräggestellte schmale Schlitzaugen, die merkwürdig asiatisch anmuten. Wundervolle hochangesetzte Hintern. Ganz und gar unterschiedliche Stile verschiedenster Künstler. 
 Wie sind diese Skulpturen in unseren Besitz gekommen? Was für Kulturen wurden dort zerstört? Gestohlen, geraubt, für Pfennige gekauft? Die Nachfahren der Kolonialherren, der Eroberer, Unterdrücker und Räuber zeigen ihr Diebesgut. Oder? 
Was bleibt? Dass wir nichts wissen über die Geschichte dieser Länder und der ganze Kontinent unter den Begriffen arm, zerrissen von Kriegen, verwüstet von Korruption, aber teilweise geeignet für Tourismus in unseren Hirnen abgespeichert ist.
Das Humboldt Forum hat da eine schwer zu tragende Verantwortung mit der Übernahme der Dahlemer Ethnologischen Sammlung übernommen.


 Ein König - stark, autoritär




Schön

Mama mit Kind

Ein afrikanischer Don Quichotte



 Herr Keuner

Eine Schutz - Kraftfigur für Zwillingsgeburten

 All that Jazz

 Eine Königin, ihre Zähne sind silbern.



Und weil sie so schön ist in ihrem orangen Kleid eine europäische Maria bei der Verkündigung. Ein christliches Top-Model.

 

Sonntag, 26. November 2017

Bilder aufhängen, eine heikle Angelegenheit

Bis zu meinem 50. Lebensjahr hatte ich nur die Jugendzimmer-Variante von Postern und Zufälligkeiten an meinen immer weißen Rauhfaser-Wohnwänden hängen. Ein Elbenspruch aus dem Herrn der Ringe, A Gelbereth Gilthoniel, ein Jahrzehnte altes Buster-Keaton-Plakat mit dem traurig schönen Mann mit den Schaufelhänden und eine Picasso - Reproduktion des Jungen mit der Pfeife.
Dann begann ich, mit Hilfe der Augen einer Freundin und der Passion eines Freundes, mir Bilder, Installationen und Photographien genauer anzuschauen. Und ich hatte Spaß dabei. Und Freude. Manchmal war ich überrascht und begeistert, manchesmal irritiert. Aber Vieles-Gucken hilft, man beginnt den seichten Betrug zu riechen und sich am Geschmack des wahren Könnens zu erfreuen. Und der Rest ist höchst persönlicher, letztendlich unerklärbarer  Geschmack.

Geschmack ist ein kulturelles und ästhetisches Ideal, insofern damit differenzierte Urteilsfähigkeit gemeint ist, nach der jedermann streben soll, sagt Wiki.


Und doch führe ich jetzt ein ziemlich unbeschwertes Leben zwischen Trash und Kitsch und Kunst. Und fühle mich frei genug, Unbekanntem offen zu begegnen und von hoher Warte aus Verachtetes, manchmal trotzdem zu genießen.
Meine geliebten Bilder, Photographien, Kopien, Mementos lagen tagelang in verschiedensten Anordungen auf dem Zimmerboden, bevor ich es wagte den ersten Nagel einzuschlagen.

 Walter Eisler

Unerwartete und sehr unterscheidbare Genüsse: Cate Blanchetts "Manifesto" im Hamburger Bahnhof und Jeanne Mammens Bilder in der Berlinischen Galerie und ein Gemälde das Charles Mellin zugeschrieben wird, im Jahr 1645, das Porträt eines dicken Herrn, des sogenannten Feldhauptmanns Alessandro del Borro. Und Photographien von Arbus und und und Bilder aus der Renaissance und das Pergamon Museum im Halbdunkel und immer wieder Herr Bosch, der Spießer mit den wunden Augen in den Niederlanden.

Heute habe ich einem Freund geholfen, seine Bilder um sich herum zu platzieren, Bilder, die er über Jahre liebevoll gesammelt hat. Wo stimmen die Farben, das Thema, die Blicke der Gemalten, die Architektur des ihnen zugewiesenen Raumes. Bauchgefühl und Ordnungsliebe widerstreiten gelegentlich. Das Bauchgefühl siegt immer.

Freitag, 24. November 2017

Ägypten 7 - Grabmalereien

Im Tal der Könige und anderen Tälern

In unwirtlicher steiniger Hitze, nur eine kurze Taxifahrt von Luxor entfernt, dem historischen Theben, das aber nicht das griechische ist, dieses hat einhundert Tore, das andere die berüchtigten sieben, also hier liegen die Gräber vieler Pharaonen, das Tal der Königinnen ist nicht weit, und dann gibt es noch das Tal der Noblen und das der Arbeiter. Das letzte ist das schönste. 
In den kahlen Bergen sieht man Löcher, viele. Manchmal geht es dann tief und steil hinunter, manchmal ist ein Raum eingestürzt, der Sandstein zerbröselt leicht. Es ist dunkel, die Lichtquellen schwach und unregelmäßig aufgestellt. Eigentlich ist photographieren verboten, aber für ein paar Pfund, sieht jeder freundlichst woanders hin.



Die Uräusschlange ist ein Symbol der altägyptischen Ikonografie. Der altgriechische Begriff ouraĩos, latinisiert Uraeus, geht vermutlich auf das altägyptische uaret zurück, was im Allgemeinen mit „die sich Aufbäumende“ übersetzt wird. Im Alten Ägypten gilt diese goldene, in Form einer sich aufreckenden, blähenden und Gift sprühenden Kobra dargestellte Stirnschlange Göttern wie Pharaonen als abwehrendes Schutzsymbol, indem Uräus mit dem Gluthauch seines Feueratems die Feinde seines Trägers abwehrt. In gleicher Eigenschaft wird das Symbol mindestens seit der 3. Dynastie auch zum Schutz von Bauwerken an deren Fassaden und über Eingängen angebracht. (Wiki)


 Aus dem Buch der Toten

O Amon, Amon! Vom Himmelsgewölbe
Schaust du zur Erde herab.
Wende dein strahlendes Antlitz zur starren, leblosen Hülle
Deines Sohnes, des vielgeliebten!
Mache ihn kräftig und siegesbewusstIn den Unteren Welten!


Verrückt, aus Angst vor Grabräubern hat man schon in alter Zeit viele Mumien großer Herrscher aus ihren Gräbern geschleppt und in einer Art Sammelgrab untergebracht. Für Prunkgrab bezahlt, im Massengrab gelandet.

Isis schützt. Wer da nicht an Engel denkt.

Die Arbeiter, die in einer Art Reihenhaussiedlung untergebracht waren, gruben sich ebenfalls Gräber, die Bildsprache der Oberen war ihnen verboten, also malten sie eigene Mythen.

Kampfaffen

 Eine Eule

 Im alten Ägypten trugen die Pharaonen und andere Herrscher plissierte Kleidung, sie war ein Symbol von Macht und Reichtum. Dem gewöhnlichen Volk war diese Art der Kleiderverziehrung vorenthalten, da die Herstellung sehr teuer und äußerst zeitintensiv war. Damals wurden Naturstoffe plissiert, dies geschah per Hand. Die Stoffe wurden befeuchtet und gefaltet, anschließend wurden sie zur Plissierung zwischen zwei Steinplatten gelegt. Diese Steine erhitzten sich in der Sonne und fixierten so die Stofffalten.
http://ratgeber.schattendiscount24.de/der-ursprung-des-plissees/

Im ägyptischen Museum in Kairo habe ich altägyptische Perücken gesehen, 
sie waren aus dicken schwarzen Wollfäden gemacht. Müssen die geschwitzt haben.

 Gigantisch

 Wiederbelebungsmaßnahme

 Ein aggressiver Hase? Ein Tiger mit übergroßen Ohren?

Musik

Gedichte eines Lebensmüden

um 1800 v. Chr.
Gespräch eines Mannes mit seinem Ba

Der Ba, auch Exkursionsseele, ist in der Ägyptischen Mythologie eine Bezeichnung für einen bestimmten Aspekt des Seelischen, der sich trotz einer engen Bindung an den Körper von diesem ablösen und entfernen kann. Solche Seelen, die den Körper verlassen und eigenständig agieren, werden in der Ethnologie und Religionswissenschaft „Freiseelen“ genannt. 

Siehe, anrüchig ist mein Name durch dich, mehr als der Gestank von Aasgeiern an Sommertagen, wenn der Himmel glüht.
Siehe, anrüchig ist mein Name durch dich, [mehr als der Gestank] beim Fischempfang am Tage des Fischfangs, wenn der Himmel glüht.
Siehe, anrüchig ist mein Name durch dich, mehr als der Gestank von Vögeln, als ein Sumpfdickicht mit Wasservögeln.
Siehe, anrüchig ist mein Name durch dich, mehr als der Gestank der Fischer und als die Lagunen, in denen sie fischen
Siehe, anrüchig ist mein Name durch dich, mehr als der Gestank von Krokodilen, als ein ganzer Wohnplatz von Krokodilen.
Siehe, anrüchig ist mein Name durch dich, mehr als eine Ehefrau, über die man ]lügen verbreitet wegen eines Mannes.
Siehe, anrüchig ist mein Name durch dich, mehr als das Kind eines Angesehenen, von dem gesagt wird, es gehöre dem, den er haßt.
Siehe, anrüchig ist mein Name durch dich, [mehr als] eine Siedlung des Königs, die auf Empörung sinnt, wenn sein Rücken gesehen wird.
Der Mann klagt über seine Lage:
Zu wem soll ich heute sprechen? Die Angehörigen sind schlecht, die Freunde von heute kann man nicht lieben.
Zu wem soll ich heute sprechen? Habgierig sind die Herzen, ein jeder beraubt seinen Nächsten.
Zu wem soll ich heute sprechen? Die Milde ist zugrunde gegangen, Gewalttätigkeit ergreift Besitz von jedermann.
Zu wem soll ich heute sprechen? Das Antlitz des Schlechten glänzt zufrieden, das Gute ist zu Boden geworfen überall.
Zu wem soll ich heute sprechen? Wer einen Mann wegen seiner schlechten Tat zur Rede stellt, bringt alle Bösewichter zum Lachen.
Zu wem soll ich heute sprechen? Man plündert. Jeder bestiehlt seinen Nächsten.
Zu wem soll ich heute sprechen? Der Verbrecher ist ein Vertrauensmann, der Bruder, mit dem man lebte, ist zum Feind geworden.
Zu wem soll ich heute sprechen? Man erinnert sich nicht an Gestern und vergilt (auch) nicht dem, der jetzt (Gutes) tut.
Zu wem soll ich heute sprechen? Die Angehörigen sind böse, man wendet sich zu Fremden, um Redlichkeit zu finden.
Zu wem soll ich heute sprechen? Die Herzen sind zugrunde gerichtet, jedermann wendet den Blick zu Boden vor seinen Angehörigen.
Zu wem soll ich heute sprechen? Die Herzen sind habgierig, man kann sich auf keines Menschen Herz (mehr) verlassen.
Zu wem soll ich heute sprechen? Es gibt keine Gerechten, die Welt bleibt denen überlassen, die Unrecht tun.
Zu wem soll ich heute sprechen? Es mangelt an Vertrauten, man nimmt Zuflucht zum Unbekannten, um ihm zu klagen.
Zu wem soll ich heute sprechen? Es gibt keinen Glücklichen, und jener, mit dem man (früher) ging, ist nicht mehr.
Zu wem soll ich heute sprechen? Ich bin mit Elend beladen, weil mir ein Vertrauter fehlt.
Zu wem soll ich heute sprechen? Das Übel, welches die Welt schlägt -kein Ende hat es!

Der Mann preist den Tod:
Der Tod steht heute vor mir wie das Genesen eines Kranken, wie wenn man ins Freie tritt nach einem Leiden.
Der Tod steht heute vor mir wie der Duft von Weihrauch, wie Sitzen unter dem Segel am Tag des Windes.
Der Tod steht heute vor mir wie Duft der Lotosblüten, wie Wohnen am Rand der Trunkenheit.
Der Tod steht heute vor mir wie das Aufhören des Regens, wie die Heimkehr eines Mannes vom Feldzug nach Hause.
Der Tod steht heute vor mir wie die Klarheit des Himmels, wie wenn ein Mensch die Lösung eines Rätsels findet.
Der Tod steht heute vor mir wie der Wunsch eines Menschen, sein Heim wiederzusehen, nachdem er viele Jahre in Gefangenschaft verbrachte.

Der Mann sehnt sich nach dem Jenseits:
Wahrlich, wer dort ist, ist ein lebendiger Gott, der die Sünde bestraft an dem, der sie tut.
Wahrlich, wer dort ist, der steht im Sonnenschiff, Erlesenes verteilt er daraus für die Tempel.
Wahrlich, wer dort ist, der ist ein Weiser der nicht gehindert werden kann, zum Sonnengott zu gelangen, wenn er spricht.

Dienstag, 21. November 2017

Ägypten 6 - Gesichter

Die meisten der Tempel, die wir besucht haben, waren über und über bedeckt mit Reliefs von Personen ohne Gesicht, denn das war in penibler Kleinarbeit weggekratzt worden. Frühe Christen, neu zur Macht gekommen und später Muslime, sahen es als ihre Pflicht an, die Züge ihrer heidnischen Vorfahren auszumerzen. Die Gründlichkeit mit der sie dabei vorgingen ist bedrückend.


Die Religion des alten Ägyptens, ist eine Religion der geschriebenen Sprache und des Bildes. Sie wirkt auf mich geradezu geschwätzig. Hieroglyphen in Masse, Cartouchen mit dem Namen des jeweiligen Pharaos im Dutzend, Statuen in vielzähliger Wiederholung. Wenn ein Name, ein Abbild oft genug angesehen oder ausgesprochen wird, wird man sich seiner erinnern. Und trotz der Verwüstungen durch Zeit und religiöse Ignoranz, haben sie es geschafft. Wir kennen ihre Namen. Ramses, Amenhotep, Amenophis etc..


Kairos Strassen und die von Luxor und Assuan sind bevölkert von diesen Gesichtern. Da geht Nofretete, dicht verschleiert mit vier Kindern, da läuft ein Schreiber, der jetzt Souveniers verkauft, da fährt ein Pharao Taxi.





Hathor, Göttin der Liebe, ihre Ohren sind besonders wunderbar.









Ein Lächeln ohne Zeit. Sie weiß etwas, was ich nicht weiß.



Ein dicker Gott. Selten und erfreulich.



Dies alles war einmal bunt. Zinserling hat uns die edle, weiße Antke ins Gehirn gepflanzt, Aber das ist Quatsch. Und auch in Ägypten wurde kräftig coloriert.






Ein Kind, erkennbar an der Locke und dem fragenden Finger am Mund




Der Schönste zum Schluß: ECHNATON



Viele myseriöse Geschichten ranken sich um seinen Namen. Der bedeutet in etwa: der, dem Aton nützlich ist. Eigentlich hieß er Amenhotep, der vierte dieses Namens. Er war wie alle Pharaonen vor ihm. Und dann war er es nicht mehr. Nur EINEN Gott sollte es nunmehr geben, eine neue Hauptstadt wurde gebaut, Achetaton nahe Amarna. Nofretete war seine Ehefrau.



Oh alleiniger Gott,
von dessen Art es keinen anderen gibt!
Du erschaffst die Erde nach deinem Wunsch,
und zwar ganz allein, mit allen Menschen,
mit allem Vieh und Wild,
die auf der Erde sind und auf Beinen laufen
oder sich erheben und mit ihren Flügeln fliegen.




Eigenartig modern diese Überhöhung, Übertreibung. Langes Gesicht, dicke Lippen, Mandelaugen. Ein perfektes männliches Model für heutige Laufstege. Aber dann dieser birnenförmige Bauch? ( Siehe: http://johannaschall.blogspot.de/2017/11/agypten-1-kairo.html )




Echnaton war der erste radikale Ausradierer. Er entschied sich für den EINEN Gott und sandte Gefolgsleute aus, die Namen seiner nun ungläubigen Vorgänger auszukratzen.
EinGott-Religionen haben dafür wohl eine Schwäche.




Eine höchst geheimnisvolle Episode der ägyptischen Frühgeschichte. Vieles werden wir nie erfahren, weil halt auch seine Nachfolger, die zum alten Glauben zurückkehrten, hervorragende Ausradierer wurden.

Dienstag, 14. November 2017

Ägypten 3 - Religion & Frauen

Fünf mal am Tag ertönt der Ruf zum Gebet von allen Minaretten, und es gibt davon unglaublich viele. Manche sind geschmückt mit Neonröhren in Knallfarben, manche mit bunten Lämpchen verziert, einige strahlen in edlem Weiß. Seit dem Verbot des Abspielens von Tonaufnahmen, wird nun wieder live zum Gebet gerufen. Einige Muezzine singsangen wohlklingend, andere blöken oder schreien, gelegentlich bildet sich aus der Vermischung mehrerer ein eigenartiger Mehrtongesang. 
Religion ist allgegenwärtig. Im Basar tönen dringliche Stimmen aus vielen kleinen Lautsprechern. Sie blubbert aus Radios und auf unzähligen Fernsehsendern palavern alte Männer mit Bärten und zum Teil merkwürdigen Kopfbedeckungen über sie. Auf allen Kairoer U-Bahn-Stationen soll es bald "Orte der religiösen Beratung" geben.
Einerseits wurden die ägyptischen Muslimbrüder durch die "demokratische" Machtübernahme des Militärs in arge Bedrängnis gebracht, andererseits nehmen die schwarz verhüllten Frauen zu. 
Was ist das eigentlich genau - Religion? Komprimierte Angst? Unbedingter Machtwillen? Ja, Angst vor dem Tod, Angst vergessen zu werden, das auch. Aber warum verlangt jeder Errettungsgedanke solch immense Repressionen?

Heute in einer südlichen, schmutzigen Kleinstadt, eine junge Frau, vielleicht achtzehn Jahre alt, das kleine Oval ihres Gesichtes, eingezwängt in festen schwarzen Stoff. Da ging Nofretete, klein, zart, wohlgeformt, mit Mandelaugen, weichem Mund und gerader Nase, sie hatte zwei kleine Kinder bei sich. Es werden sicher noch mehr werden. Der kurze Blick, den sie mir schenkte, war magenumdrehend bestürzend. Ihr Leben ist bereits für sie entschieden worden. 
Keine Überraschung, keine Freude, kein Eigenwillen.
Kinderehen sind zahlreich und die weibliche Beschneidung auch. Wenn Mädchen "Glück" haben, läßt man ihnen ihre äußeren Schamlippen.
Der Koran erwähnt nichts von diesem unerträglichen Gemetzel an Frauen und offiziell ist es auch verboten. Aber ihre Mütter, so sagt man, bestehen darauf, weil es sich so gehört.

Auf dem Bahnhof von Kairo, 
zwei Frauen lächeln, eine andere wendet sich weg, eine vierte verbirgt sich.

Islam heißt ins Deutsche übersetzt, "sich ergeben", der Muslim ist also der sich Ergebende - in den Willen Allahs. Ohne Widerstand, ohne Zweifel, ohne Fragen?
Heute kann ich ihn nicht mehr finden, aber noch 2010 gab es den Fernsehsender "Arab Babes" - arabische Frauen, vollverschleiert, ansonsten nackt. WTF?

Montag, 13. November 2017

Ägypten 2 - Kairo Nachträge

Mir geht es gut.

In Kairo avanciere ich überraschend zum begehrten Photomodell, kleine, bekopftuchte Mädchen und Jungs mit frechen Augen wollen sich unbedingt mit mir photographieren lassen. Endlich exotisch. Doch nach dem dritten Photo ist es mir genug. So auch auf dem Basar, "Hallo!", "Guter Preis!", "Ein Euro!", "Pashmina!", "Taxi?" verneine ich zehnmal, dann stelle ich mich taub. Ein fieses, bedrückendes Spiel, sie brauchen das Geld, dringend und ich kann nicht alles kaufen. Vor etwa zwei Jahren hat das ägyptische Pfund die Hälfte seines Wertes verloren, 1:10 wurde zu 1:20 im Verhältnis zum Euro, ein Erdrutsch, der vielen Bürgern dieses Landes den Boden unter den Füßen weggerissen hat. Hier bin ich die reiche weiße Frau. Ein Schock. Mißtraue ich nun jedem, dem ich begegne, weil er möglicherweise nur an mein europäisches Geld will oder versinke ich in allgemeines Schuldbewußtsein? Denn, wir haben es ja unverhältnismäßig und irgendwie unverdientermaßen gut. Ich mache Urlaub und sie arbeiten, für mich.
Aber ich werde auch oft einfach angelächelt, "Welcome to Egypt", mühsam zusammengesuchte Worte, Freundlichkeit - Fremdheit ohne Feindlichkeit.



Leben heißt sterben.

Die Pyramiden von Gizeh, in tausend Filmen, Dokumentationen, Bildern gesehen, Teil meines persölichen Imaginariums, sehen genauso aus, wie ich es dachte. Nur umgibt sie nicht die erwartete Wüste, sondern die Riesenstadt ist zu ihnen hingewachsen. Gigantisch! Hunderttausende haben hier gegen die Todesangst eines Einzelnen gearbeitet, sind vor Erschöpfung oder Unterernährung gestorben, weil er nicht sterben wollte. Unweit, die Sphinx oder der Sphinx, keiner weiß es, schön, kleiner als erwartet, sehr erodiert. Ihr/sein heiliger Bart befindet sich absurderweise im Britischen Museum in London.

Nach mehrjährigen Verhandlungen zwischen Kairo und London ließ das British Museum vorletzte Woche die Ägypter wissen, daß der begehrte Kinnbart nur leihweise und höchstens für die Dauer von zehn Jahren nach Ägypten zurückkehren dürfe. Die ägyptische Regierung lehnte dieses absurde Angebot ab: Müßte der Sphinx-Bart erst aufwendig eingebaut und später wieder ausgebaut werden, wäre die Statue noch mehr gefährdet als gegenwärtig.
Der Spiegel 9/1989


Sonntag, 12. November 2017

Ägypten 1 - Kairo

TAG EINS

Im Flugzeug von Egyptair ertönt aus dem Bordfernseher gleich nach den Sicherheitshinweisen eine dunkel-sanfte Märchenerzählerstimme und ruft uns zum gemeinsamen Gebet. Die Boeing ist ältlich und topfit, auf den Toiletten finden sich nämlich noch Aschenbecher, wenn auch außer Dienst. 
Dies soll allerdings fürs erste der einzige Ort sein, an dem hier nicht graucht werden darf - ich qualme kindisch-froh im Taxi, in Cafes, im Hotelzimmer.
Das Hotel ist eine Ansammlung von merkwürdigen Widersprüchen, das Treppenhaus heruntergekommen, an der Rezeption lagert ein Knäuel von Kabeln in der Mikrowelle, aber das Zimmer ist wunderbar, die Handtücher in Schwanenform gefaltet und das blitzsaubere Klo schmückt eine Blüte aus Toilettenpapier. 
Ein alter Freund holt uns ab und fährt uns in eine Kneipe mit Alkoholausschank, den wir an diesem Abend wegen Übermüdung aber nicht nutzen, auf dem Weg dorthin überqueren wir den Tahrir-Platz. 
Er war 2011 der Kundgebungsplatz der Kräfte, die gegen/für Mubarak eintraten, und wurde so zum Symbol der ägyptischen Revolution.
Der Freund erzählt vom arabischen Frühling, wie er ihn erlebt hat. Von der hoffnungserfüllten Stimmung, der Sehnsucht nach Freiheit, wenn auch die genaue Definition des Wortes im ahnungslosen Vagen lag. Von den Tagen als seine Schule abgeriegelt war und in der Strasse vor dem Schultor die Leichen der Revolutionsopfer lagen. Von den politischen Manipulationen die sich anschlossen. Von der ökonomisch katastrophalen Lage des Landes. Er liebt es mit verzweifelter Hoffnungslosigkeit.


Früher Dekonstruktivismus im Ägyptischen Museum.

TAG ZWEI


Beim Frühstück schiebt sich am Nebentisch ein schwarzes Vögelchen, eine schmale, junge, vollverschleierte Frau, ihr Frühstück unter das hinderliche Tuch. Ihr Mann, ein Muslimbruder, erkennbar am Bart und der gekürzten Hose, der Knöchel, so will es scheinbar der Prophet, muß frei bleiben, stopft Massen von Süßigkeiten in seinen ohnehin schon feisten Körper.
Trotz des deutlich sichtbaren "Rauchen verboten" Schildes wird auch hier geraucht. 
Die Stadt, ein Moloch. 7 000 000 Einwohner, 16 000 000 in der Metroplregion, kämpfen sich durch den Tag. Ob Autofahrer oder Fußgänger, wer zögert, verliert. Am Morgen habe ich zehn Minuten für eine Straßenüberquerung benötigt, am Abend war ich nur unwesentlich schneller. Solche Art Auto zu fahren habe ich noch nie erlebt, und ich bin gerne und fröhlich in Rom und Paris herumgekutscht. Aber hier? Abenteuerlich, unfaßbar bis lebensgefährlich, Spuren gelten nur als lässig zu mißachtende Vorschläge, Mopeds sind mit vier Personen besetzt oder mit zweien und einem Abwaschtisch, Kleinlaster werden himmelhoch mit Waren vollgestapelt, viele Autos, stammen aus den 60ern und da die Fußgängerwege voll und unbequem sind, latschen auch noch die Fußgänger auf der Strasse. Hupen ist Volkssport. Tohuwabohu. Ein gewöhnlicher deutscher Polizist erläge binnen kurzer Zeit einem Herzinfarkt.

Das Ägyptische Museum, von Franzosen um die Jahrhundertwende erbaut, riesig, unter massivem Polizeischutz, wie alle wichtigen Gebäude, Taschenkontrollen inclusive, der Bau rosafarben und majestätisch. Drinnen fünftausend Jahre menschlichen Könnens, menschlichen Machtge- und Mißbrauches und unserer Fähigkeit zum Imaginieren. So viel Schönes. Fast zu viel! Räume und Räume und Räume voller Mumien und Grabbeigaben und Statuen und Schmuck und historischen Alltagsgegenständen und Tinnef. Pharaonenperrücken aus schwarzer Wolle, viertausend Jahre altes Leinen, fein ziselierter Schmuck.
 
Echnaton, wunderschönes längliches Gesicht, zarter Oberkörper, 
der in einer Birnenform endet. Fett? Schwanger? 


FRAGEN EINES LESENDEN ARBEITERS 
  Wer baute das siebentorige Theben? 
In den Büchern stehen die Namen von Königen. 
Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt? 
Und das mehrmals zerstörte Babylon, 
Wer baute es so viele Male auf ? In welchen Häusern 
Des goldstrahlenden Lima wohnten die Bauleute? 
Wohin gingen an dem Abend, wo die chinesische Mauer fertig war, 
Die Maurer? Das große Rom 
Ist voll von Triumphbögen. Über wen 
Triumphierten die Cäsaren? Hatte das vielbesungene Byzanz 
Nur Paläste für seine Bewohner? Selbst in dem sagenhaften Atlantis 
Brüllten doch in der Nacht, wo das Meer es verschlang, 
Die Ersaufenden nach ihren Sklaven. 
Der junge Alexander eroberte Indien. 
Er allein? 
Cäsar schlug die Gallier. 
Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich? 
Philipp von Spanien weinte, als seine Flotte 
Untergegangen war. Weinte sonst niemand? 
Friedrich der Zweite siegte im Siebenjährigen Krieg. Wer 
Siegte außer ihm? 
Jede Seite ein Sieg. 
Wer kochte den Siegesschmaus? 
Alle zehn Jahre ein großer Mann. 
Wer bezahlte die Spesen? 
So viele Berichte, 
So viele Fragen.

b.b.


 ÄGYPTISCHE GESICHTER







Und überall Frauen um mich, die ihre Haare und ihren Körper verdecken, aber ihre Gesichter verführerisch schminken, nahezu alle tragen Kopftuch, die meisten zwei übereinander, in vielerlei Bindvariationen, viel zu viele, die meist schwarze Burkha. Und letztere laufen einen Schritt hinter dem bärtigen Gatten und haben oft vier und mehr Kinder dabei. Deutschland findet sich auf der Liste der Staaten, geordnet nach ihrer Gegurtenzahl auf Platz 218, Ägypten liegt mit 23,35 Geburten per 1000 Einwohnern auf Platz 68. 
Ihre unverkleideten Männer wispern "Taxi" oder "Fünf Prozent" in mein Ohr und die mit Witz: "How can I get your money?". Vor jedem Hotel, jeder Werkstatt stehen sechs bis sieben Männer herum, ohne, dass ersichtlich wäre, was genau ihre Aufgabe ist. Ein Land vor der Pleite, ein Land mit mehr als 12 Prozent Arbeitslosigkeit, unter jungen Menschen sind bis zu 28 Prozent. Müll allüberall.

 ÄGYPTISCHER VERFALL

 Abendlicher Basar

Decke im Ägyptischen Museum

 Löwenkopf und Plastiktüten im Ägyptischen Museum


TAG DREI

Wir wandern planlos durch die Stadt, durch Strassen, Gassen, Gässchen, über Müllberge. Die Armut und der damit einhergehende Dreck sind erschütternd. Als wäre die Hoffnungslosigkeit so groß, die Apathie so total, dass die Menschen mit gespenstischer Blindheit für den Zustand ihrer Umgebung geschlagen sind.
















Am Abend essen wir, dem Rat einer jungen Ägypterin folgend, Kushari, eine wohlschmeckende Matschepampe aus Reis, Makkaroni, Linsen und knusprige Zwiebeln, aber wir schlafen schlecht in dieser Nacht und nicht wegen des Essens.