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Dienstag, 4. August 2015

Eine Reise - Viel Jugendstil in Riga


JUGENDSTIL - Darf's ein bisschen mehr sein?

Riga ist sehr schön.
Wenn auch schon um Einiges mehr auf den Empfang und die gewinnbringende Nutzung von Touristen ausgerichtet als Vilnius, das auf deren massenhafte Ankunft noch zu warten scheint. Riga wirkt mich wie eine Schichttorte. Schichten und unter denen andere, nicht ordentlich übereinander, sich vermischend, konternd, ergänzend. 


RIGA
Mittelalterliche Hansestadt, von einem Bremer gegründet.
Sitz verschiedenster Ritterorden.
Teil Polen-Litauens.
Dann zu Schweden gehörig.
Unter großem Widerstand vom Russischen Zarenreich eingemeindet.
Noch bis 1891 blieb die Amtsprache deutsch.
Nach heftigen Verwerfungen während des
Ersten Weltkrieges und auch danach, wurde Riga 1921 Hauptstadt der Republik Lettland.
Ab 1940 zerrten Sowjetunion und Hitlerdeutschland an der jungen Republik.
Erst seit 1991 gibt es wieder eine Unabhängige Republik Lettland.


Alle diese extrem unterschiedlichen Zeitläufe sind gleichzeitig anwesend. Schick aufgehübscht oder morbide verfallend. Man wandert durch eine Strasse mit wunderschönen, blätternden Holzhäusern, die man aus hunderten russischen Filmen zu kennen meint, biegt um eine Ecke und starrt auf eine Reihe bürgerlicher Fünfstöcker, einer heftiger dekoriert als der nächste. Die planenden Hausbesitzer müssen in einen wahren Wettbewerbsrausch verfallen sein. Noch mehr, noch mehr, noch mehr!  


Sehr informativer Artikel zur Geschichte der Deutschen 
und des Jugendstils in Riga 


Heute der "feine" Teil. 
Morgen der andere, von da wo die Leute wohnen.
Das durchschnittliche Monatsgehalt liegt um 400 Euro. Renten noch darunter.

 
Michail Ossipowitsch Eisenstein, der Vater von Sergeij Eisenstein, dem Regisseur von u.a. PANZERKREUZER POTJOMKIN, entwarf mehr als fünfzig dieser ornamentprallen Konditorhäuser. Er konnte sich – im Gegensatz zu seinem Sohn – nicht mit den Ideen der Oktoberrevolution anfreunden und zog nach Berlin, wo er 1921 starb. Er wurde auf dem Friedhof der Russisch-Orthodoxen Gemeinde Berlin-Tegel, Wittestraße 37 beerdigt. Da liegt übrigens auch der Vater von Vladimir Nabokov.













Freitag, 17. April 2015

Der Schlussstein, der alles zusammenhält.


Im Gewölbebau spielt der Schlussstein eine entscheidende Rolle: erst wenn er eingesetzt ist, wird die Konstruktion selbsttragend, und das Lehrgerüst kann entfernt werden. Wiki

HEINRICH VON KLEIST

An Wilhelmine von Zenge 
Berlin, 16. November 1800

Ich gieng an jenem Abend vor dem wichtigsten Tage meines Lebens in Würzburg spatzieren. Als die Sonne herabsank war es mir als ob mein Glück untergienge. Mich schauerte wenn ich dachte, daß ich vielleicht von Allem scheiden müßte, von Allem, was mir theuer ist. Da gieng ich, in mich gekehrt, durch das gewölbte Thor, sinnend zurück in die Stadt. Warum, dachte ich, sinkt wohl das Gewölbe nicht ein, da es doch keine Stütze hat? Es steht, antwortete ich, weil alle Steine auf einmal einstürzen wollen u. ich zog aus diesem Gedanken einen unbeschreiblich erquickenden Trost, der mir bis zu dem entscheidenden Augenblicke immer mit der Hoffnung zur Seite stand, daß auch ich mich halten würde, wenn Alles mich sinken läßt

 Capua, Arkade der Fassade des Amphitheaters; der Schlussstein zeigt eine Büste der Diana.

Prothoe in Penthesilea:
Steh, stehe fest, wie das Gewölbe steht,
Weil seiner Blöcke jeder stürzen will!
Beut deine Scheitel, einem Schlußstein gleich,
Der Götter Blitzen dar, und rufe, trefft!
Und laß dich bis zum Fuß herab zerspalten,
Nicht aber wanke in dir selber mehr,
So lang ein Athem Mörtel und Gestein,
In dieser jungen Brust, zusammenhält.

Wiki schreibt: Der mittlere Stein im Bogen wird Schlussstein genannt und ist häufig dekorativ herausgearbeitet. Von der Statik her unterscheidet er sich nicht von den anderen Steinen. Die Basis des Bogens heißt Kämpfer. Sie muss sorgfältig gearbeitet sein, damit die Druckkräfte an die Umgebung weitergeleitet werden können. Sie definiert die Kämpferlinie. Oberhalb der Kämpferlinie beginnt der eigentliche Bogen. Die ersten Steine, die auf dem Kämpfer aufliegen, bezeichnet man als Anfänger. 

 Brücke von 1899

In einem Schlussstein

Sohn einer Zeit, die unsre Zeit nicht kennt,
Entfaltest Du dies graue Pergament,
Ist von der Hand, die diesen Spruch geschrieben,
Vielleicht noch kaum ein flücht‘ger Staub geblieben.
Das Haupt, das nach Unsterblichkeit getrachtet,
Ging namenlos dahin und unbeachtet.
Das Schicksal dessen, der Dir dieses weiht,
Ermahne Dich an eigne Sterblichkeit.
Genieß das Leben, wie der Schreiber dieses,
So nur erlangst Du Glück des Paradieses.
Sei mit den Guten gut, mit Frohen froh,
Bis Dir der Hauch des Erdenlebens floh.
Wenn Dich mein wohlgemeinter Spruch nicht wundert,
Sind Brüder wir, aus zweierlei Jahrhundert:
Wo meine Hand lag, fass des Blattes Rände —
So reichen wir uns brüderlich die Hände!

Adolf Böttger

* 21. Mai 1815 in Leipzig; † 16. November 1870 in Gohlis
Aus der Sammlung Vermischte Gedichte




 

Freitag, 12. Dezember 2014

BLU - GRAFFITTI - CURVYBRACHE - SCHWARZBILD



GRAFFITTIS VON BLU - ÜBERMALT

Die Bilder hat er geschaffen.
Die Übermalung geschah, so hört man,
auf seinen Wunsch hin.


Noch vorgestern auf der Curvybrache in Kreuzberg

 Noch ist unklar, ob der Investor Artur Süsskind etwas mit dieser Aktion zu tun hatte, der im Herbst Hütten und Zelte auf der Brache für ein Neubauprojekt räumen lies, oder Blu selbst. Nach Augenzeugen der Aktion möchte Blu durch die Übermalung seines Graffities verhindern, dass seine Kunst als Kulisse oder verkaufswertesteigernde Deko für Süsskinds Bauprojekt fungiert. Auf einer Internet-Plattform wird diese Vermutung bestätigt.
Blu hat die zwei maskierten Figuren im Jahr 2008 geschaffen. Noch im Oktober 2014 unterzeichneten mehr als 5000 Menschen eine Petition zur Erhaltung des Wandbildes, welches von dem geplanten Bauprojekt bedroht war. Süsskind möchte an der Cuvrybrache im Jahr 2015 neue Wohnungen, eine Kita und einen Supermarkt bauen.

Berliner Zeitung vom 12.12.1914


Foto: Kai-Uwe Heinrich

Das Folgende, nicht wirklich passend, aber es ist mir halt eingefallen.

Aus den Svendborger Gedichten - zwischen 1926 & 1934 geschrieben.
DIE UNBEIEGBARE INSCHRIFT

Zur Zeit des Weltkriegs
In einer Zelle des italienischen Gefängnisses San Carlo
Voll von verhafteten Soldaten, Betrunkenen und Dieben
Kratzte ein sozialistischer Soldat mit Kopierstift in die Wand:
Hoch Lenin!

Ganz oben, in der halbdunklen Zelle, kaum sichtbar, aber
Mit ungeheuren Buchstaben geschrieben.
Als die Wärter es sahen, schickten sie einen Maler mit einem Eimer Kalk.
Und mit einem langstieligen Pinsel übertünchte er die drohende Inschrift.
Da er aber mit seinem Kalk nur die Schriftzüge nachfuhr
Stand oben in der Zelle nun in Kalk:
Hoch Lenin!

Erst ein zweiter Maler überstrich das Ganze mit breitem Pinsel
So daß es für Stunden weg war, aber gegen Morgen
Als der Kalk trocknete, trat darunter die Inschrift wieder hervor:
Hoch Lenin!

Da schickten die Wärter einen Maurer mit einem Messer gegen die Inschrift vor.
Und er kratzte Buchstabe für Buchstabe aus, eine Stunde lang.
Und als er fertig war, stand oben in der Zelle, jetzt farblos
Aber tief in die Mauer geritzt, die unbesiegliche Inschrift:
Hoch Lenin!
Jetzt entfernt die Mauer! sagte der Soldat.


b.b.


Leider konnte ich die Namen der Photographen der drei oberen Bilder nicht finden. 
Aber Dank an die Ungenannten für die verwendeten Bilder.

Samstag, 23. August 2014

EIN AUSFLUG INS BRANDENBURGISCHE


EIN SCHÖNER TAG

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DIE KIRCHE DES SCHLOSSES 
IN LIEBENBERG
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Kirche


UNSERN HELDEN DANK 
1914 - 1918


AM FRIEDEN KRANK
1919
 
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HERTA MÜLLER COLLAGEN 
IM KURT-MÜHLENHAUPT-MUSEUM 
IN BERGSDORF
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 auch die Sehnsucht tötet
Wörter
und sie liegen steif
wie abgeknallte Straßenköter
im Gehirnalbum herum

Wendelin meint
DER Zweifel ist MIST und
die Hoffnung eine getupfte
KALANDERLERCHE und die sieht
beim Tanzen in den langen
Rippen der Voliere ein
Vogelschutzgebiet

dass Gefühle Röcke
aus Glas mit Rüschen
aus Eisen tragen
rührt beides nicht
AN Grundsatzfragen


Kurt-Mühlenhaupt-Museum
Bergsdorfer Dorfstraße 1
16792 Zehdenick OT Bergsdorf

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 UND
EIN VERWUNSCHENER WILDKRÄUTERGARTEN 
IN BERGSDORF
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Ganz am Ende des Dorfes findet man, wenn man kleinen handgefertigten
Schildern folgt, ein gewöhnliches Einfamilienhaus circa 1920 erbaut.
Und hinter dem Haus einen Zaubergarten, hundert und zwei Kräuter,
mit Namen wie aus einem Hexenbuch. Da wuchs Eisenkraut und Ysop,
Herzgespann und Beinwell, Mutterkraut und Schafgarbe, Hundsminze und 
Quitten, indischer Beifuß und ein Spinatbaum, und ein Pappelstrauch und alte Äpfelbäume mit Früchten mit echten Wurmlöchern und einen kleinen Pfirsichbaum voller Pfirsiche und einen zwanzig Zentimeter großen Mammutbaum, der noch etwas Zeit braucht. 
Wiki sagt über Riesenmammutbäume:
Der Riesenmammutbaum ist ein immergrüner Baum, der Wuchshöhen von bis zu 95 Meter und einen Stammdurchmesser von bis zu 17 Meter an der sehr weit ausladenden Basis erreichen kann....Die ältesten Exemplare sind über 2560, vielleicht auch bis zu 3900 Jahre alt.
In Kalifornien habe ich erwachsene Exemplare bestaunt, im Redwood Nationalpark, ganz zart und weich fühlte sich die Borke an und einer hatte
in den Stamm ein Tor geschnitten, durch das ein Auto fahren konnte. 
So sehr groß und so alt. Die Ents im Herrn der Ringe habe ich mir immer
so vorgestellt.

Samstag, 9. August 2014

Lissabon 2 - Katholischer Kitsch


Da 1755 ein Erdbeben das alte Lissabon nahezu vollständig zerstört hat, sind fast alle heutigen Gebäude, notwendigerweise, in der Zeit danach erbaut worden. 

Aber im Bezirk Belem - Bethlehem steht eine Kirche und ein Kloster des Heiligen Hieronymus aus dem 15. Jahrhundert, ein Hieronymiterkloster, wie ich gerade gelernt habe, gebaut im Stile der Manuelinik. Manuelinik ist die speziell portugiesische Ausprägung der Spätgotik, benannt nach einem König, na?, namens Manuel, und ich würde sie exessive Zuckerbäckermanie nennen. Alles, was Mauren, Christen und eben Bäcker zu bieten hatten, wurde bunt gemischt und dann mit weißem Zuckerguß und viel Sonne übergossen. Brezelformen, gewundene Seile, Wasserspeier, artifizielle Ananasformen, Kringel, Rundbögen, Röschen, Heiligenbilderchen, Lienienmuster, jede Säule ein bisschen anders; viel ist mehr. Und zu viel als viel ist ziemlich grässlich.





Aber dann läuft man runter zum Tejo und findet den zum Kloster gehörigen Wehrturm, und er steht weiß und klar und, zumindestens damals, einsam, wachsam und schaut nach Feinden aus, die über den atlantischen Ozean auf unsicheren, hölzernen Schiffen kommen könnten - und der ist schön.



Und dann gibt es noch den kleinsten Handschuhladen der Welt, das was ihr seht, ist alles, was es gibt, selbst der Verkaustisch ist kaum zwei Hände breit. Ein handbreitkleiner Handschuhladen vom Feinsten.






Dienstag, 11. März 2014

Die unsichtbaren Städte - Italo Calvino



Marco Polo ließ, wenn wir ihm glauben dürfen, 1298/99 die Erinnerungen an seine Reisen, zu denen auch sein Zusammentreffen mit Kublai Khan, dem mongolischen Herrscher Chinas gehörte, von einem Mitgefangenen in Genueser Kriegsgefangenschaft namens Rustichello da Pisa niederschreiben. "Il Milione" oder "Das Buch des Marco Polo, Bürger der Stadt Venedig, genannt Milione, worin von den Wundern der Welt berichtet wird" nannte er es und keiner seiner Zeitgenossen glaubte ihm ein Wort davon. 

Um 1970 schreibt Italo Calvino diesen Bericht weiter. Das riesige Reich des Kublai Khan ist in keinem guten Zustand. Marco Polo und der Khan disputieren über Städte, wobei der Herrscher auf der Suche nach der perfekten Stadt ist und der Reisende ihm erträumte, unmögliche, erhoffte Städte anbietet. 

"Während auf deinen Wink hin, Sire, die eine und letzte Stadt ihre makellosen Mauern erhebt, sammle ich die Asche der anderen möglichen Städte, die verschwinden, um ihr Platz zu machen, und nie wieder aufgebaut werden noch in Erinnerung bleiben können. Nur wenn du den unaustilgbaren Rest von Unglück kennst, den kein Edelstein aufwiegen kann, wirst du die genaue Karatzahl berechnen können, die der letzte Diamant anstreben muß, und wirst dein Projekt nicht von Anfang an falsch berechnen." I.C.

55 Miniaturen verbunden durch knappe, präzise Gespräche der beiden Protagonisten.
Ein Buch aus Seide, ganz leicht, wehend und rissfest.

Die, für meine Ohren oder Augen, feine Übersetzung ist von Burkhart Kroeber, das Nachwort von Calvinos Freundfeind Paolo Pasolini.
Pasolini schreibt: "Und so wie jede Erzählung aus Tausendundeiner Nacht von einer Abnormität des Schicksals berichtet, so schildert jede Beschreibung Calvinos eine Abnormität im Verhältnis zwischen dem Reich der Ideen und der Wirklichkeit."


Illustration aus Il Milione
Er [Kublai] sagt: »Es ist alles vergebens, wenn der letzte Anlegeplatz nur die Höllenstadt sein kann und die Strömung uns in einer immer engeren Spirale dort hinunterzieht.«
Darauf Polo: »Die Hölle der Lebenden ist nicht etwas, das erst noch kommen wird. Wenn es eine gibt, ist es die, die schon da ist, die Hölle, in der wir jeden Tag leben, die wir durch unser Zusammensein bilden. Es gibt zwei Arten, nicht unter ihr zu leiden. Die erste fällt vielen leicht: die Hölle zu akzeptieren und so sehr Teil von ihr zu werden, daß man sie nicht mehr sieht. Die zweite ist riskant und verlangt ständige Aufmerksamkeit und Lernbereitschaft: zu suchen und erkennen zu lernen, wer und was inmitten der Hölle nicht Hölle ist, und ihm Dauer und Raum zu geben.« I.C.


Was für schöne Kapitelüberschriften:

Die Städte und die Erinnerung
Die Städte und der Wunsch
Die Städte und die Zeichen
Die fragilen Städte
Die Städte und der Tausch

Die Städte und die Augen
Die Städte und der Name
Die Städte und die Toten
Die fortdauernden Städte
Die Städte und der Himmel
Die verborgenen Städte

Das Museum Jumex des Archtekten David Chipperfield in Mexiko City:




Donnerstag, 25. Juli 2013

Burgund 8 - Säulen


L' Abbey de Fontenaye

Eine Säule ist eine senkrechte, zumeist runde Stütze in Bauwerken.

Die Klosterkirche

Die Abtei Fontenay ist ein im Jahre 1118 von Bernhard von Clairvaux gegründetes Zisterzienserkloster in Burgund in Frankreich.







Bernhard von Clairvaux hielt in Speyer 1146 eine flammende
Kreuzzugspredigt an die Deutschen, und es gelang ihm dabei, den deutschen
König Konrad III persönlich für den zweiten Kreuzzug zu gewinnen. Der Text ist einem Brief Bernhards entnommen:

 "Was tut Ihr, tapfere Männer? Was tut Ihr, Diener des Kreuzes? So wollt Ihr das Heiligtum den Hunden und die Perlen den Säuen geben? Wie viele Sünder haben dort ihre Sünden mit Tränen gebeichtet und Verzeihung erlangt, seit das Schwert der Väter den Heidenunrat hinausgeworfen hat? Der Böse sieht das und schaut scheel darauf; er knirscht mit den Zähnen und erbleicht; er rührt die Gefäße seiner Bosheit und wird gewiss weder Zeichen noch Spur von soviel Frömmigkeit übriglassen, wenn er jemals - was Gott verhüte - stark genug wird, jenes Allerheiligste zu gewinnen. Das wäre dann für alle künftigen Zeiten ein unheilbarer Schmerz und unersetzlicher Schaden; für dies Geschlecht aber, dies ganz unfromme, wäre es unendliche Scham und allewiger Vorwurf. -
Weil Euer Land an tapferen Männern fruchtbar ist und kräftig durch die Fülle seiner Jugend - wie denn durch alle Welt Euer Preis geht und der Ruhm Eures Heldentums die ganze Erde erfüllt hat -, so gürtet auch ihr Euch mannhaft und
ergreift die glücklichen Waffen im Eifer für Christi Namen. Enden möge jene Ritterart, nein, Ritterunart von ehedem, nach der Ihr einander zu werfen, einander zu verderben pflegt und einer den anderen umbringt. Welch grausame Lust reizt die Unseligen, dass sie mit demSchwert den Körper ihres Nächsten durchbohren und vielleicht seine Seele mit ins Verderben stürzen! Auch der Sieger kommt jedoch nicht davon; auch durch seine Seele fährt ein Schwert, wenn er über seines Feindes Tötung sich freut. Wahnsinn ist es, nicht Mut, solch einem Unrecht zu frönen; keiner Kühnheit, sondern nur der Betörtheit soll man es zuschreiben. Du tapferer Ritter, du Mann des Krieges, jetzt hast du eine Fehde ohne Gefahr, wo der Sieg Ruhm bringt und der Tod Gewinn. Bist du ein kluger Kaufmann, ein Mann des Erwerbs in dieser Welt - einen großen Markt sage ich Dir an; sieh zu, dass er Dir nicht entgeht. Nimm Kreuzeszeichen, und für alles, was du reuigen Herzens beichtest, wirst du auf einmal Ablass erlangen. Die Ware ist billig, wenn man sie kauft; und wenn man fromm für sie bezahlt, ist sie ohne Zweifel das Reich Gottes wert."
 









Der Schlafsaal
 
DIE KATHEDRALE

In jenen kleinen Städten, wo herum
die alten Häuser wie ein Jahrmarkt hocken
der sie bemerkt hat plötzlich und, erschrocken,
die Buden zumacht und, ganz zu und stumm,

die Schreier still, die Trommel angehalten,
zu ihr hinaufhorcht aufgeregten Ohrs -:
dieweil sie ruhig immer in dem alten
Faltenmantel ihrer Contreforts
dasteht und von den Häusern gar nicht weiß:

in jenen kleinen Städten kannst du sehn,
wie sehr entwachsen ihrem Umgangskreis
die Kathedralen waren. Ihr Erstehn
ging über alles fort, so wie den Blick
des eignen Lebens viel zu große Nähe
fortwährend übersteigt, und als geschähe
nichts anderes; als wäre Das Geschick,
was sich in ihnen aufhäuft ohne Maßen,
versteinert und zum Dauernden bestimmt,
nicht Das, was unten in den dunkeln Straßen
vom Zufall irgendwelche Namen nimmt
und darin geht, wie Kinder Grün und Rot
und was der Krämer hat als Schürze tragen.
Da war Geburt in diesen Unterlagen,
und Kraft und Andrang war in diesem Ragen
und Liebe überall wie Wein und Brot,
und die Portale voller Liebesklagen.
Das Leben zögerte im Stundenschlagen,
und in den Türmen, welche voll Entsagen
auf einmal nicht mehr stiegen, war der Tod.

Rainer Maria Rilke



Dienstag, 10. Juli 2012

Palma di Mallorca - Antonio Gaudi


Antoni Gaudí i Cornet 1852 - 1926

Gaudis Werke zu betrachten, als Gaudi zu bezeichnen wäre eine herzlose Untertreibung. Ich habe erlebt, wie ein Mitglied meiner Famile, beim Anblick eines von ihm entworfenen Hauses, urplötzlich in wirklich und wahrhaftige Tränen der Erschütterung ausbrach. Der Überdruck durch den Anblick von so viel Schönheit auf einmal musste sich einen körperlichen Ausweg suchen.

Katalanischen Modernismus nennt die Forschung, die spezielle Ausformung des Jugendstils in Katalonien, der in Barcelona entstand, und dessen wunderbarste Kreationen auch dort zu finden sind, die Kathedrale der Sagrada Familia, abzüglich ihrer später entstandenen "nachempfundenen" Betonteile, ist wohl das berühmteste Beispiel. Ein wenig wie Hundertwasser mit mehr Poesie, Katholizismus und weicheren Linien könnte man es vielleicht beschreiben.

Im Auftrag des Bischofs von Mallorca begann Gaudi um 1899 mit den Skizzen für den Umbau der Kathedrale der Heiligen Maria von Palma, einem der größten Kirchenbauten der iberischen Halbinsel. Gaudi bezeichnete La Seu, der Sitz, örtlicher Name für die Kathedrale, als „den grössten und vollkommensten Erfolg in Harmonie, Konstruktion und Mechanik des gotischen Stils“. Vier Jahre verbrachte er mit den Vorbereitungen, es folgten circa 10 Jahre Arbeit, dann um 1914, nach einem Streit mit den Bauleuten und wohl auch mit einigen, über die revolutionär wirkende Modernität der Umbauten, erbosten Mallorcinern, abrupter Abbruch der Bautätigkeit.
Das Innenleben der Kathedrale ist heute eine eklektische Mischung aus Gothik mit maurischen Elementen, barockigen Einzelteilen, Gaudi und einer nur fünf Jahre alten Kapelle mit Unterwassermotiven und anthrazitfarbenen Gruselfenstern. Aber der Raum an sich ist grandios in seiner bombastischen Größe, am besten zu erleben, wenn man sich auf eine der Kirchenbänke legt und nach oben starrt. Wie muß sich in spanischer Bauer gefühlt haben, der nichts als Hütten, Ställe und vielleicht, das ihn schon beeindruckende, Herrenhaus seines Dorfes kannte und zum ersten Mal einen solchen Koloss von Gebäude erblickte? Klein? Überwältigt? An Wunder glaubend? Dem Himmel nahe? Gott?





Die Kathedrale


In jenen kleinen Städten, wo herum
die alten Häuser wie ein Jahrmarkt hocken,
der sie bemerkt hat plötzlich und, erschrocken,
die Buden zumacht und, ganz zu und stumm,

die Schreier still, die Trommeln angehalten,
zu ihr hinaufhorcht aufgeregten Ohrs -:
dieweil sie ruhig immer in dem alten
Faltenmantel ihrer Contreforts
dasteht und von den Häusern gar nicht weiß:

in jenen kleinen Städten kannst du sehn,
wie sehr entwachsen ihrem Umgangskreis
die Kathedralen waren. Ihr Erstehn
ging über alles fort, so wie den Blick
des eignen Lebens viel zu große Nähe
fortwährend übersteigt, und als geschähe
nichts anderes; als wäre Das Geschick,
was sich in ihnen aufhäuft ohne Maßen,
versteinert und zum Dauernden bestimmt,
nicht Das, was unten in den dunkeln Straßen
vom Zufall irgendwelche Namen nimmt
und darin geht, wie Kinder Grün und Rot
und was der Krämer hat als Schürze tragen.
Da war Geburt in diesen Unterlagen,
und Kraft und Andrang war in diesem Ragen
und Liebe überall wie Wein und Brot,
und die Portale voller Liebesklagen.
Das Leben zögerte im Stundenschlagen,
und in den Türmen, welche voll Entsagen
auf einmal nicht mehr stiegen, war der Tod. 

Rainer Maria Rilke 1907


Der Gaudi-Altar, das darüberhängende Teil ist aus Kork, Pappe und Getreidehalmen konstruiert und nächtens voller Lämpchen glühend.


Das Rosenfenster von Gaudi