Sameh Zoabihat einen überraschend guten Film gemacht: Tel Aviv On Fire.
Würde es Gelegenheiten geben, dass Israelis und Palästinenser sich auf
Augenhöhe begegnen und sich vielleicht sogar mögen, würde das so manches
Weltbild zerschlagen.
Sameh Zoabihat
Die Geschichte eines jungen palästinensischen Mannes, zu lang, zu dünn, zu unentschlossen. Seine große Liebe hat er verloren, weil er ihr gesagt hat, er fühle sich bei ihr, wie ein Fisch im Toten Meer. Und nun existiert er so vor sich hin und arbeitet bei der Produktionsfirma seines Onkels als Zuständiger für die hebräischen Dialoge.
Diese Firma produziert eine Soap-Opera, ein täglich gesendetes Melodrama über das Schicksal einer palästinensischen Spionin hin- und hergerissen zwischen ihrer Pflicht als Spionin und der Liebe zu einem jüdischen General namens Jehuda.
Und diese Serie schauen auch israelische Frauen, trotz ihres unübersehbaren Antisemitismus, weil es halt um Liebe geht.
Ein israelischer Grenzoffizier mit Hang zur Dramatik und einer der Serie verfallenen Ehefrau kommt ins Spiel und der Irrsinn des Nahost-Konfliktes verwandelt sich vor meinen Augen in den Irrsinn des cineastischen Melodramas mit Ausflügen in die absurde Farce.
Wunderbar, grauenhaft und auch traurig und sehr sehr witzig.
Hier ist Leid kein Druckmittel, sondern Teil von Biographien, Feindschaften sind altbekannt und hindern die Protagonisten doch nicht daran, zum eigenen Vorteil zusammenzuarbeiten. Und die Liebe besiegt wirklich alles, selbst die Macht der anonymen Geldgeber der Produktionsfirma.
Ich wünschte, ein deutscher Filmemacher hätte den Mut und die Leichtigkeit einen solchen politischen Film zu drehen. "Four Lions" von Chris Morris wäre vergleichbar.
Große Politik, unlösbare Konflikte auf erkennbare Höhe gebracht, nicht durch Verkleinerung, sondern durch Betrachtung der Kontrahenten als unterschiedliche Menschen.
Wiki nennt Humor die Begabung eines Menschen, der Unzulänglichkeit der Welt und der Menschen, den alltäglichen Schwierigkeiten und Missgeschicken mit heiterer Gelassenheit zu begegnen. Diese Begabung haben wir, die deutschen Menschen eher nicht so, besonders das Ding mit der Gelassenheit fällt uns schwer. Weil wir ja selbst so sehr leiden, bleibt uns wenig Raum für das Interesse an den Kümmernissen anderer nichtdeutscher Menschen.
nordbuzz: Ihr vorheriger Film „Under the Same Sun“ befasste sich aber auch mit dem, was Palästinenser und Israelis den „Konflikt“ nennen.
Zoabi: Die meisten meiner Arbeiten haben mit dem Konflikt zu tun, aber ich nähere mich dem anders an, als man vielleicht erwarten würde. Ich interessiere mich nicht für die Geschichten, die man in den Nachrichten normalerweise hört, über leidende Palästinenser, die Besatzung oder Bombardierungen. Ich bin mehr an den Figuren interessiert. An den Menschen, die ihr normales Leben führen, das im Kino aber fast nie vorkommt. Die Situation zwischen Palästinensern und Israelis ist, wie sie ist. Und die Menschen müssen damit zurechtkommen. Aber damit akzeptieren beide Seiten auch, dass es immer Gewalt geben wird. Niemand spricht aber darüber, dass beide Seiten auf eine bessere Zukunft hoffen. Jeder will einfach nur ein normales Leben. Und darum geht es mir in meinen Filmen.
nordbuzz: Man hätte natürlich „Tel Aviv on Fire“ auch vollkommen ernst erzählen können.
Zoabi: Ja, darüber habe ich aber nie nachgedacht. Das ist einfach nicht mein Stil, ich mag Humor. Ich bin mit etwas groß geworden, das man als „Ghetto-Humor“ bezeichnen könnte. Wenn man das Gefühl hat, dass die Welt gegen einen ist und alles zerbricht, dann muss man das mit Humor nehmen, da man sonst nicht weitermachen könnte. Palästinenser sind sehr lustige Leute. Amüsant ist, dass ich häufig höre, mein Humor sei sehr jüdisch. Teil dieses Humors ist es, sich umzingelt zu fühlen. Das ist dasselbe Gefühl, das Palästinenser haben. Jüdische Filmemacher transportieren oft diesen Humor, dass die Welt und die Realität sich gegen einen verschwören. Es ist wichtig, als Palästinenser Humor im Alltag zu finden, weil das Leben sonst einfach zu traurig wäre.
nnn