Freitag, 5. Juli 2019

Lotte Laserstein

Die Berlinische Galerie ist ein guter Ort, um eine bestimmte Art von Bildern anzuschauen. Die Räume sind großzügig, licht, kühl, aber nicht kalt, irgendwie ein sanfter, zurückhaltender Ort. Installationen, Malerei des letzten Jahrhunderts, Photographien habe ich hier gesehen. Aber es ist interessant sich vorzustellen, wie Alte Meister, Caravaggio oder Rembrandt oder El Greco hier wirken würden. Wäre der Kontrast der weißen großen Räume förderlich oder zu krass? 
Caravaggio habe ich bisher immer nur in schlecht beleuchteten Palazzi oder vierfach gehängten Sälen in altehrwürdigen Sälen gefunden. Ich konnte nie richtig gut sehen und das verstärkte das wunderbare Mysterium der Bilder für mich noch.

Heute. Im ersten Raum eine Installation von realities: united. 
Ein nicht sehr großes Video zeigt Starkregen in einem Innenraum mit baumähnlichen Säulen, am Boden bilden sich eigenwillige Wasserströmungsmuster, Lautsprecher an den drei übrigen Raumseiten verströmen das erwartete Geräusch dazu. Ich liebe Regen, er ist poetisch in vielfältiger Art, aber auf der Bühne kommt er selten vor, zu schwierig, zu nass, zu teuer. Ich denke gerade über ein Regen-Projekt nach, mal sehen, was daraus wird.

https://www.design-museum.de/de/diskurs/interviews/detailseiten/realitiesunited.html

Dann Lotte Laserstein. Abend über Potsdam hatte ich vor einiger Zeit zum ersten Mal gesehen und es war mir im Hirn geblieben. 
Geboren am 28. November 1898 in Preußisch Holland im ostpreußischen Oberland und gestorben mit 94 Jahren am 21. Januar 1993 in Kalmar, Schweden. Eine dieser deutschen Biographien mit dem 33er Bruch, gerade auf dem Weg zur öffentlichen Anerkennung, einer Einzelausstellung bei Gurlitt, guten Verkäufen, mußte sie fliehen, nach Schweden. Die zurückgebliebene Mutter starb im KZ, die Schwester überlebte im Untergrund und sie selbst schloß eine Scheinehe, um die schwedische Staatsbürgerschaft zu bekommen. Sie malte Auftragsporträts, hielt sich über Wasser, nach dem Krieg reiste sie viel. "Wiederentdeckt" wurden ihre Bilder in den späten 80ern des letzten Jahrhunderts. Sie hat es also wenigstens noch miterlebt.

Frauen, Gesichter, Körper, Haltungen. Vereinzelt Männer. Immer wieder Selbstporträts. Eine Serie davon, ein bisschen Andy-Warhol vorempfunden, das gleiche Gesicht, mit unterschiedlichen Kopfbedeckungen, wahrscheinlich nur eine Übung fürs Studium, aber verblüffend modern. Es gibt einen wiedererkennbaren Stil, aber auch immer wieder Ausbrüche, die dann verworfen oder integriert werden. Und drei Menschengruppen, Abend über Potsdam 1930, alle wirken bedrückt, unsicher, verstört, ein Hund schläft unterm Tisch. Drei Männer in wildem Gespräch, die Wand voll Schatten, die Körper angespannt, 1933. Vier Emigranten sitzen zusammen, fremd, verloren.

Ob es von meiner Großmutter auch solche Bilder geben könnte? Nur dass sie, in allen Nöten, noch zwei kleine Kinder und einen anstrengenden Mann zu versorgen hatte? Ihre Mutter starb 1927, die Schwester 1934, der Vater im KZ.

Mein Liebling, ein russisches Mädchen, Emigrantin in Berlin


Eine Reihe von Selbstporträts






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