Erkläre mir einer den Menschen,
Sich irren
und
doch seinem Inneren weiter Glauben schenken müssen,
das ist der Mensch.
Hassenswertes, dummes, kindererzeugendes, Wohnung suchendes,
omnibusbesteigendes, aufbauendes, weibersichzuwedelndes, plauderndes,
gebildetes, ehrbar strebendes, redliches, meinungsäußerndes,
mädchenengagierendes, ferienverbringendes, ostseefrohes,
Sachzusammenhänge erörterndes Geschmeiß von Bremen bis Villach u.
Domodossola bis Kurische Nehrung. G.B.
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Was schlimm ist
Wenn man kein Englisch kann,
von einem guten englischen Kriminalroman zu hören,
der nicht ins Deutsche übersetzt ist.
von einem guten englischen Kriminalroman zu hören,
der nicht ins Deutsche übersetzt ist.
Bei Hitze ein Bier sehn,
das man nicht bezahlen kann.
das man nicht bezahlen kann.
Einen neuen Gedanken haben,
den man nicht in einen Hölderlinvers einwickeln kann,
wie es die Professoren tun.
den man nicht in einen Hölderlinvers einwickeln kann,
wie es die Professoren tun.
Nachts auf Reisen Wellen schlagen hören
und sich sagen, daß sie das immer tun.
und sich sagen, daß sie das immer tun.
Sehr schlimm: eingeladen sein,
wenn zu Hause die Räume stiller,
der Café besser
und keine Unterhaltung nötig ist.
wenn zu Hause die Räume stiller,
der Café besser
und keine Unterhaltung nötig ist.
Am schlimmsten:
nicht im Sommer sterben,
wenn alles hell ist
und die Erde für Spaten leicht.
nicht im Sommer sterben,
wenn alles hell ist
und die Erde für Spaten leicht.
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Gottfried Benn starb am 7. Juli 1956, mitten im Sommer.
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Gottfried Benn in Berlin an Gertrud Zenzes in San Francisco, den 23.9.33
Vielleicht aber, Trudchen, interessiert es Sie doch, nochmal von mir persönlich zu hören, was ja in meinem Buch
[Der neue Staat und die Intellektuellen
– J. B.] schon steht, dass ich und die Mehrzahl aller Deutschen
den neuen Staat bejahen, Hitler für einen sehr grossen Staatsmann halten
und vor allem vollkommen sicher sind, dass es für Deutschland keine
andere Möglichkeit gab. Das alles ist ja auch nur ein Anfang, die
übrigen Länder werden folgen, es beginnt eine neue Welt, die Welt, in
der Sie und ich jung waren und gross wurden, hat ausgespielt und ist zu
Ende. Sie müs[s]en das alles nicht so gefühlvoll ansehen, auch nicht so
pathetisch, Sie müssen in sich den Gedanken ganz feste Gestalt annehmen
lassen, dass wir vor einer Wendung der abendländischen Geschichte
stehen, die vielleicht nur dem elften Jahrhundert verglichen werden kann
oder dem Ausgang der Antike. Man kann eigentlich heute jeden nur, der
Einwände macht, fragen: Denken Sie geschichtlich oder denken Sie privat?
Denkt er privat, kann er natürlich kritisieren und das übliche
intellektuelle Geschwätz vom Stapel lassen. Wer aber geschichtlich
denkt, wird schweigen, alles hinnehmen, was ihm diese Zeit an innerer
Zerstörung und auch persönlichem Schaden zufügt denn er weiss, dahinter
stehen die Gesetze des Lebens, die nicht auf Glück ausgehen, sondern auf
Schicksal. Ich halte es für sehr möglich, dass dies dem Bewohner eines
anderen Landes drollig klingt, hochtrabend, auch etwas unwirklich. Aber
es ist ausgesprochen das, was wir erlebt haben, es ist das Erlebnis
Deutschlands: der Abbau des Individuums für das Volk, für die Rasse, für
das ferne, mythische Kollektiv, das nun einmal die Menschheit
darstellt.
Was nun das Judenproblem angeht, an dem Sie vielleicht besonders leiden und das Nordamerika
mit seinem unvergleichlichen Rassenmischmasch natürlich ganz fremd ist,
so sehen Sie das sicher auch ganz falsch. Denken Sie einmal, unter den
Berliner Ärzten waren 85% Juden, den Rechtsanwälten 75%. In den
journalistischen und Theaterbetrieben auch ungefähr 80%. Es ist doch
vollkommen selbstverständlich, dass dieser Zustand eines Tages als
unmöglich angesehen wurde. Jetzt sagen die Juden selber, sie hätten
ihrerseits Massnahmen treffen müssen, um einem solchen Zustand
vorzubeugen. Aber im Augenblick ist es natürlich zu spät. Das
Judenproblem ist ja sehr, sehr schwierig.
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Nach
der Machtübergabe an die Nationalsozialisten wurde Gottfried Benn
als Nachfolger Heinrich Manns kommissarischer Vorsitzender der Sektion.
Am 13. März, kurz nach der Reichstagswahl März 1933, verfasste er
zusammen mit Max von Schillings eine Loyalitätsbekundung für Hitler, die
den Mitgliedern eine nicht-nazistische politische Betätigung verbot: Sind
Sie bereit unter Anerkennung der veränderten geschichtlichen Lage
weiter Ihre Person der Preußischen Akademie der Künste zur Verfügung zu
stellen? Eine Bejahung dieser Frage schließt die öffentliche politische
Betätigung gegen die Reichsregierung aus und verpflichtet Sie zu einer
loyalen Mitarbeit an den satzungsgemäß der Akademie zufallenden
nationalen kulturellen Aufgaben im Sinne der veränderten geschichtlichen
Lage.
Die
Mitglieder mussten bei Drohung ihres Ausschlusses unterschreiben.
Thomas Mann und Ricarda Huch traten aus; Gerhart Hauptmann, Oskar Loerke
und Alfred Döblin, der dennoch als Jude seinen Austritt erklärte, und
viele andere unterschrieben. Ausgeschlossen wurden z. B. Franz Werfel
und Leonhard Frank.
WIKI
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Menschen Getroffen
Ich habe Menschen getroffen, die,
wenn man sie nach ihrem Namen fragte,
schüchtern – als ob sie gar nicht beanspruchen könnten,
auch noch eine Benenung zu haben −
„Fräulein Christian“ antworteten und dann:
„wie der Vorname“, sie wollten einem die Erfassung erleichtern,
kein schwieriger Name wie „Popiol“ oder „Babendererde“ −
„wie der Vorname“ – bitte, belasten Sie Ihr Erinnerungsvermögen nicht!
wenn man sie nach ihrem Namen fragte,
schüchtern – als ob sie gar nicht beanspruchen könnten,
auch noch eine Benenung zu haben −
„Fräulein Christian“ antworteten und dann:
„wie der Vorname“, sie wollten einem die Erfassung erleichtern,
kein schwieriger Name wie „Popiol“ oder „Babendererde“ −
„wie der Vorname“ – bitte, belasten Sie Ihr Erinnerungsvermögen nicht!
Ich habe Menschen getroffen, die
mit Eltern und vier Geschwistern in einer Stube
aufwuchsen, nachts, die Finger in den Ohren,
am Küchenherde lernten,
hochkamen, äußerlich schön und ladylike wie Gräfinnen −
und innerlich sanft und fleißig wie Nausikaa,
die reine Stirn der Engel trugen.
mit Eltern und vier Geschwistern in einer Stube
aufwuchsen, nachts, die Finger in den Ohren,
am Küchenherde lernten,
hochkamen, äußerlich schön und ladylike wie Gräfinnen −
und innerlich sanft und fleißig wie Nausikaa,
die reine Stirn der Engel trugen.
Ich habe mich oft gefragt und keine Antwort gefunden,
woher das Sanfte und das Gute kommt,
weiß es auch heute nicht und muß nun gehn.
woher das Sanfte und das Gute kommt,
weiß es auch heute nicht und muß nun gehn.
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Wie einer zum Nazi wird
Gottfried Benn über "Probleme der Lyrik" 1951
Schwer vorstellbar, dass der Denker & Redner dieser Worte auch diese Gedichte geschrieben hat.
Er wütet in sich herum - Der Spiegel 14/1950
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