Mittwoch, 15. Juli 2015

Der Tod, Der Eine, und Die Kunst des Theaters - Howard Barker

Das Theater befindet sich am Ufer des Styx (auf der Seite der Lebenden). Die wirklich Toten auf der gegenüberliegenden Seite, flehend wiedererkannt zu werden. Ihre Münder klaffen ... Auf dem Fluß, zwischen den Lebenden und den Toten ist ein Boot. Auf diesem Boot sind die Figuren eines Stücks. Die Figuren sprechen die Worte der Toten zu den Lebenden.

Theatre is situated on the bank of the Styx (the side of the living). The actually dead cluster at the opposite side, begging to be recognized. What is it they have to tell? Their mouths gape ... On the river, in between the living and the dead, there is a boat. On this boat, there are the characters of a play. These characters are speaking the words of the dead to the living.

Howard Barker “Death, the One, and the Art of the Theatre”


Ein eigenartiger Text, nur ein Auszug, nicht immer meine Meinung, aber er hat eine! Eine starke, eine unerbittliche. Hat mich sehr an Jan Fabre und Mount Olympus denken lassen.

Tod, Der Eine, und Die Kunst des Theaters

Death, The One, and The Art of Theatre


excerpt
by Howard Barker


Nichts,
was über den Tod gesagt wird
von den Lebenden, kann vom Tod so erzählen,
wie er erfahren wird indem man stirbt. Nichts
was die Toten über den Tod wissen,
kann den Lebenden mitgeteilt werden.
Über diesen entsetzlichen Abgrund wirft die Tragödie eine zerbrechliche
Brücke der Vorstellungskraft.

Als das Theater aufgehört hat, den Tod zu seinem Subjekt zu machen, hat es seine Autorität über die menschliche Seele aufgegeben. Als es sich erlaubt hat, in weltliche Projekte von politischer Indoktrination und Sozialtherapie hineingezogen zu werden, hat es seine Macht abgegeben. Theater wird immer verleitet vom Idealismus seiner Macher. Immer verleumdet von den Sentimentalen. In der Theaterkunst bemitleiden wir den Idealisten, wie wir einen Mann mit einer tödlichen Krankheit bemitleiden würden. Dieses Mitleid ist sehr begrenzt. Während viele versucht haben Theater in Hospitäler umzubauen, halten wir unsere Bühne infektionsfrei.

Wir werden nicht voll Sünde geboren, wir werden voll vom Appetit darauf geboren.

Der Tod ist die Hauptbeschäftigung großer Kunst, auch dann, wenn er nicht ihr Thema ist.

Als die Nützlichkeitsdenker das Theater an sich gerissen haben, stand der Tod einfach im Foyer, geduldig wie ein Chauffeur.

Welche Aufgabe hat das Lachen in der Tragödie? Können wir von einer Aufgabe in der Tragödie sprechen. Lasst es uns anders sagen. Wie dient das Lachen der Erfahrung der Tragödie. Indem es uns in seinen verführerischen Akt einbezieht. Es ist das fallengelassene Taschentuch.

 
An den Schauspieler - versuche nicht trotz deiner Figur geliebt zu werden. Werde beneidet wegen deiner Rolle (die unerklärliche Anziehungskraft der Fakten . . .).


Die tragische Figur - die Verzweiflung der Psychoanalytiker . . . nichts wird unterdrückt . . . 

Das Problem ist nicht die Zuschauer kritisch zu machen (Kollektiver Seufzer inszenierter Empörung . . .) sondern gefährlich.

Zu sterben . . . tin die Dunkelheit zu gehen . . . wenn es Dunkelheit ist . . . zum Fluß zu gehen ... wenn es ein Fluß ist ... aber allein und ohne die Illusion der Liebe . . . nackt und schrecklich frei . . . das ist die Beschaffenheit des tragischen Helden . . .  

Nothing
said
about death by the living can possibly relate to death as it will
be experienced by the dying. Nothing
known
about death by the dead can be
communicated to the living. Over this appalling chasm tragedy throws a frail
bridge of imagination

Since theatre ceased to make death its subject it surrendered its authority
over the human soul. Since it allowed itself to be incorporated into mundane
projects of political indoctrination and social therapy it abdicated its power.
Always theatre is suborned by the idealism of its makers. Always it is traduced by the sentimental. In the art of theatre
we pity the idealist as one pities the
man with a fatal disease. This pity is strictly circumscribed. Whilst many have tried to make hospitals from theatres we keep our stage infection-free.

We are not born full of sin, we are born full of the appetite for it.

Death is the preoccupation of great art even where it is not the
subject of it.
When the utilitarians seized the theatre Death simply stood in the foyer, as patient as a chauffeur

What is the function of laughter in tragedy? Can we talk of a function in
tragedy? Let us put it another way. How does laughter serve the experience
of tragedy? By implicating us in its seductive process. It is a dropped
handkerchief.
To the actor – do not try to be loved despite your character. Be envied because of your character (the inexplicable attraction of the facts . . .). 
The tragic character – the despair of the psychoanalysts . . . nothing is repressed . . .
 
The problem is not to make the audience critical (the collective sigh of orchestrated dismay . . .) but hazardous . . .  
 
To die . . . to go into the darkness . . . if it is darkness . . . to go to the river...if it is a river...but alone and without the illusion of love . . . naked and disastrously free . . . this is the condition of the tragic character . . .

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen