Auf der Suche nach einer, aus finanziellen Gründen, notwendigen, rechtefreien Hamlet-Übersetzung und erschreckenden Begegnungen mit den euphorischen Shakespeare-Vergewaltigungen durch Gerhart Hauptmann (Hamlet in Wittenberg), Theodor Fontane und einigen anderen überehrgeizigen Deutschschluderern, stieß ich auf eine erstaunlich klare und ernstzunehmende Version des Vormärz-Dichters Georg Herwegh. Ein "beut", heute bietet, hie und da, läßt sich problemlos ändern, der Rest ist ... gut.
Dann lese ich über den Mann, ein interessanter Kerl, aber seine Frau ist der Hammer!
Emma Siegmund: Sie hat Georg geliebt, Kinder mit ihm gezeugt, einen Salon für Turgenjev, Heine, Bakunin und viele andere aufregende Zeitgenossen geöffnet, Georgs Fremdgehen nicht hingenommen und ihn verlassen, einen italienischen Revolutionär, Felice Orsini, geliebt und ihm FEILEN ins Gefängnis geschmuggelt, Hosen getragen, um als Spion hinter feindlichen Linien zu arbeiten, hat sich mit Georg versöhnt, politisch gedacht und gekämpft, Georg überlebt, Frank Wedekind durch ihren Witz fasziniert, ihr Leben lang hart gearbeitet, revolutionär gedacht und gekämpft und ist schlußendlich großartig gescheitert. Was für ein tolles Leben, so viel Kraft, Leidenschaft und Ausdauer. Ihre Biographie hat den schönen Titel: Die grösste und beste Heldin der
Liebe.
EMMA SIEGMUND - HERWEGH
Portrait Maler unbekannt
Obwohl in den besten Berliner Kreisen zuhause, wohlbegütert und
hochbegabt, engagierte sie sich für demokratische Ideale, nahm dafür Not
und Exil in Kauf. Sie lebte und dachte selbstbewusst, europäisch und
revolutionär. Sie ritt wie der Teufel, schoss mit Pistolen, schwamm bei
Mondschein in Flüssen und Seen, turnte, rauchte. Sie besuchte die rapide wachsenden Elendsviertel Berlins und betreute
Polens Freiheitskämpfer im preußischen Gefängnis. In ihren eigenen
Kreisen fühlte sie sich jedoch kaum noch zu Hause. In ihren Tagebüchern
lässt sie ihrem Hohn darüber freien Lauf: "Beamtenseelen", "Philister",
"liberales Pack", "fahle Brut", "Hofschranzen", "Speichellecker".
Berlin, den 10. Februar 1843
Mein lieber Georg!
Vor wenigen Stunden habe ich die Zeichnungen zu einem Tisch für Dich erhalten, sieh sie an, und gefällt Dir die eine davon, schicke sie schnell zurück, damit ich für die Ausführung sorgen kann.
Den nächsten Montag werde ich auch die noch fehlenden Scheine erhalten und Dir senden, wenige Wochen später komme ich dann selbst, von den Eltern und Gustav begleitet. Fanny kann der Kleinen wegen nicht in dieser Jahreszeit reisen und gedenkt uns lieber im Sommer zu besuchen, wenn wir sonst schon von unserer Reise heimgekehrt sein werden.
Je näher die Zeit unserer Vereinigung heranrückt, desto grösser ist meinerseits mein Verlangen nach Dir, aber auch wieder die Besorgnis, Dich dauernd fesseln und befriedigen zu können, wie ich es möchte und überhaupt ein Weib es soll, wenn sie Deiner würdig ist. Du glaubst nicht, wie viel mir noch fehlt, wie viel Geduld Du auch wirst mit mir haben müssen und wie arm meine Natur in geistiger Beziehung im Vergleich zu der Deinen ist.
Nimm, was ich Dir schreibe, nicht für eine Superbescheidenheit, ich bin nie bescheiden gewesen und halte diese Eigenschaft für ebenso einfältig als die entgegengesetzte. Das einzige, was alle meine Kräfte und mein Interesse ungeteilt in Anspruch nimmt, ist das Geschick, eigentlich die politische Entwicklung meines Volkes und meine Liebe, in allem übrigen bin ich Stümper, Dilettant, und ich hasse den Dilettantismus. – Nur in der Liebe fühle ich mich ganz fertig und gestählt zu dem Grössten. Ich fürchte, dass es besser gewesen wäre, Du hättest mich ein Jahr später kennen gelernt, der Mensch vermag viel in einem Jahr, und ich wäre imstande gewesen, Dir besseres bieten zu können, – mehr Dich fortwährend anzuregen und heben. Genug, ich bin heute verstimmt, es ist besser, ich verarbeite dies im Stillen, als dass ich Dich und mich laut quäle.
Es ist gut, dass ich nicht mehr lange unter diesem Pack zu leben brauche, sie würden mich mit der Zeit zur lächerlichen Selbstüberhebung bringen, während Dir gegenüber meine eigene Person mir nicht in den Sinn kommt. Lass uns reisen, recht bald, recht weit und ganz, ganz allein. Sind wir erst beisammen, wird alles besser sein.
Adieu mein Herz; ich bombardiere Dich jetzt tüchtig mit Briefen, wenn sie Dir zu oft kommen, denke fein, dass Du es so gewollt und Dein Schatz nicht anders gekonnt.
Deine Emma.
DAS LIED VOM HASSE
1841
Wohlauf, wohlauf, über Berg und Fluß
Dein Morgenrot entgegen,
Dem treuen Weib den letzten Kuß,
Und dann zum treuen Degen!
Bis unsre Hand in Asche stiebt,
Soll sie vom Schwert nicht lassen;
Wir haben lang genug geliebt
Und wollen endlich hassen!
Die Liebe kann uns helfen nicht,
Die Liebe nicht erretten;
Halt du, o Haß, dein Jüngst Gericht,
Brich du, o Haß, die Ketten!
Und wo es noch Tyrannen gibt,
Die laßt uns keck erfassen;
Wir haben lang genug geliebt
Und wollen endlich hassen!
Wer noch ein Herz besitzt, dem soll's
Im Hasse nur sich rühren;
Allüberall ist dürres Holz,
Um unsre Glut zu schüren.
Die ihr der Freiheit noch verbliebt,
Singt durch die deutschen Straßen:
»Ihr habet lang genug geliebt,
O lernet endlich hassen!«
Bekämpfet sie ohn Unterlaß,
Die Tyrannei auf Erden,
Und heiliger wird unser Haß
Als unsre Liebe werden.
Bis unsre Hand in Asche stiebt,
Soll sie vom Schwert nicht lassen;
Wir haben lang genug geliebt
Und wollen endlich hassen!
Georg Herwegh
Literatur über Emma Herwegh:
Barbara Rettenmund und Jeannette
Voirol
Emma Herwegh — Die grösste und beste Heldin der
Liebe