Sonntag, 27. April 2014

Ich bin nicht was ich bin. Shakespeare zum 450.




Portrait, um 1610, also zu Lebzeiten des Dichters, entstanden,
aber die Meinungen darüber, ob er es ist oder jemand ganz anderes,
gehen stark auseinander.

Photograph: Oli Scarff/Getty Images
Am 23. April 2014 wurde dieses Bild in Stratford upon Avon der Öffentlichkeit vorgestellt.


Ich bin nicht was ich bin. *


Ich bin mir sicher, dass ich in einer Kleinstadt an einem sanften Flüsschen gelegen in Warwickshire geboren wurde.

Mein Vater hat Handschuhe und feine Dinge aus weissem Leder gefertigt, eine Zeit lang war er Bürgermeister, dann bankrott, sein Vater wiederum war ein Bauer. Das steht in den Akten.

Doch manche Leute sagen, ich sei gar nicht ich. Francis Bacon, Christopher Marlowe, William Stanley, 6. Earl of Derby, Edward de Vere, 17. Earl of Oxford, sind nur eine kleine Auswahl derer, die ich sein sollen.

Ich bin nicht gebildet genug, um ich zu sein, habe keine Universität besucht, bin nur bis London gekommen, bin nie in die Welt gereist, bin nicht aus edlem Hause. Bin ich ich? Oder ein anderer? Ein anderer mit meinem Namen? Ich fang im Ernst an mir zu zweifeln an.**

Ich bin nur ein Schauspieler, über den ihr wenig wißt, außer dass ich eine Frau hatte, die älter war als ich und zwei Kinder, von denen eines sehr früh gestorben ist. Das hätte ich gern vergessen.

Ich habe geliebt und keiner weiß wen. Weiß ich es noch? Er war sehr schön, dessen erinnere ich mich. Und sie? Ja sie.

Ich oder der, der ich glaube zu sein, war gern, wer ich war.

Meistens. Oder?

Mache ich euch so unsicher, neidisch, fassungslos, dass ihr mir mein Ich nicht gönnen könnt? Und ich habe doch nur geschrieben, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Habe ich? Doch, doch.

Übrigens war das zweitbeste Bett das bequemere.


J.S.

* Jago, Othello 1.Akt 1. Szene

** Kleist Amphitryon 1.Akt 1. Szene

Oder sah er so aus?


© All rights reserved. "Sanders Portrait." Canadian Conservation
Institute, Department of Canadian Heritage, 2001. 
 

7 Kommentare:

  1. Christine Ruynat schrieb:
    genau zu dem thema gab es gestern einen terra x beitrag auf 3sat. in wirklichkeit war shakespear natürlich christoph marlowe

    Holger Syme
    Also, nach meinem Dafürhalten ist keines der beiden Bilder Shakespeare. Im übrigen bin ich mir aber doch sehr sicher, dass er er war, und dass diese ganze Debatte eine unglaubliche Zeit- und Energieverschwendung ist...

    Ibon Regen
    auch so'n satz, Holger Syme. wie, bitteschön, kannst du dir "sehr sicher" sein? genau das hat ja die debatte herausgefordert... mir isses übrigens wurscht. ich mag shakeslowe so oder so.

    Holger Syme
    Weil's keinerlei Grund gibt, Shakespeares Identität anzuzweifeln -- es sei denn, man ist bereit, auch die bürgerliche Herkunft ALLER anderen Renaissance-Dramatiker anzuzweifeln (inclusive Marlowe, btw).

    Ibon Regen
    wenn es keinen grund gibt, warum tun es namhafte historiker? (juchuuuu! debatte!)

    Holger Syme
    Wer denn bitte? Kein einziger erstzunehmender Wissenschaftler, der die Epoche kennt, hat sich jemals auf Seiten der Skeptiker geschlagen.

    Ibon Regen
    sie sind nicht ernst zu nehmen, weil du sie nicht ernst nimmst? ab wann ist man das denn? ist man in sachen shakespeare schon deshalb disqualifiziert, weil man nicht ernsthaft an ihm zweifeln darf? fragen über fragen...

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  2. Holger Syme
    Oh Gott. Nochmal: wer denn bitte?

    Ibon Regen
    da hilft wikipedia. ich bete grad zur nacht...

    Burkhard Ritter
    Seins oder nicht seins?

    Barbara Maria Drischler
    Vielleicht macht es manchem einfach nur Freude skeptisch zu sein, zu rätseln und in Frage zu stellen. Wer es nicht mag, kann es einfach lassen, aber die anderen bitte auch lassen...

    Ibon Regen
    find ich auch die debatte um shakespeares urheberschaft gibt es seit über 200 (!) jahren. es wäre vermessen, sie mit diesem post hier und heute beenden zu wollen...

    Holger Syme
    Und das stimmt auch nicht. Aber ist ja offenbar egal.

    Johanna Schall
    @ H. Syme: Was stimmt auch nicht?

    Johanna Schall
    "Ich bin mir völlig sicher, dass nicht Shakespeare die Stücke Shakespeares geschrieben hat, sondern ein völlig anderer Mann namens Shakespeare." Woody Allen zugeschrieben, oder einem anderen Mann namens Woddy Allen.

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  3. Johanna Schall
    FRANK GÜNTHER in der SüdWestPresse: In Wirklichkeit stammen die Stücke nicht von Shakespeare, sondern von Elisabeth I.. Das war aber gar nicht Elisabeth, denn die echte wurde von ihrer Schwester ermordet. Nachdem diese "Bloody Mary" gestorben war, kam man auf die geniale Idee, einen jungen Schauspieler als Königin Elisabeth zu verkleiden. Das Volk hats geglaubt! Es wurde eine Titelrolle, die er nie wieder ablegen konnte. Er war ein Mensch, der im falschen Geschlecht eingesperrt war. Um das zu bewältigen, schrieb er diese eskapistischen Stücke. Wozu trug Elisabeth soviel Schminke? Um den Bartschatten zu verdecken. Wozu diese unglaublichen Kostüme? Weil sie nichts als ein Drag-Act war, diese Elizaspear Shakebeth! Die europäische Geschichte müsste umgeschrieben werden, würde das bekannt werden. Also: Psssst! Kein Wort an die Öffentlichkeit!

    Jens Mittelstenscheid
    Es ist längst Text und nicht mehr Autor. War damals nicht so wichtig und ist es heute nur, weil man mit Kontrollverlust heute nicht allzugut umgehen kann.

    Marcus Melzwig
    Das muss jeder selber wissen

    Johanna Schall Gilt die Annahme der Unschuld nicht auch für tote Dichter?

    Marcus Melzwig
    Hach, schwierig.

    Holger Syme
    Johanna: das mit den über 200 Jahren stimmt nicht.

    Johanna Schall
    Ah.

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  4. Hatto Fischer
    Johanna, sagt Dir etwas die Arbeit von Kurt Kreiler der eine andere Figur als Shakespeare hinter den Schriften ausfindig machte?

    Johanna Schall
    Kenne ich, überzeugt mich auch nicht.

    Ibon Regen
    "Annähernd 200 Jahre war Francis Bacon der führende Alternativkandidat. Daneben wurden verschiedene andere Kandidaten vorgeschlagen, darunter Christopher Marlowe, William Stanley, 6. Earl of Derby und Edward de Vere, 17. Earl of Oxford."

    Holger Syme
    Ich will das jetzt zwar wirklich nicht vertiefen, aber die Fakten, die Fakten. Die recht amüsante Bacon-Theorie stammt von der US Schriftstellerin Delia Bacon. Die hat das in den 1850ern verbraten, also vor etwa 160 Jahren -- eine Debatte gab's da aber noch nicht. Wenn der Paragraph aus der deutschen Wikipedia stammt, dann ist er nicht akkurat.

    Ibon Regen
    hihi macht spass.

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  5. Peter Krause
    Die deutsche Wiki zählt zwar die verschiedenen "Theorien" auf, leitet sie aber mit dem Satz ein: "Die heutige Shakespeareforschung geht davon aus, dass Zweifel an der Autorschaft von William Shakespeare aus Stratford an dem ihm traditionell zugeschriebenen Werk unbegründet sind."

    Hatto Fischer
    Zu empfehlen ist "Der Zarte Faden den die Schönheit spinnt" Hundert Gedichte von Edward de Vere, Earl of Oxford, mit einem Vorwort "Shakespeare als junger Mann" von Kurt Kreiler - erschienen im Insel Verlag, 2013 Die Übersetzungen der Gedichte aus dem Englischen ins Deutsche sind ein Genuss.

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  6. Was würde sich ändern, wenn Shakespeare nicht Shakespeare gewesen wäre? Was?

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  7. Der Artikel nimmt sehr gut wichtige Hinweise zu Shakespeare und dem Charakter seines Werkes auf. Das Beste, was man seit langem zu dem Thema lesen konnte:

    https://www.freitag.de/autoren/thomas-w70/marlowe-und-shakespeare

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