"Seine Geschichte ist unsere Geschichte."
Bernd Papenfuß
Lithographie, "Porträt Sascha Anderson", von A. R. Penck 1990
E VII
- Wirst Du, Kartenhaus, mich mit dem dreiunddreißigsten
- Deiner Bilder betrüben, oder ist es naiv
- Wenn die Grenze mir einstürzt, das Äußerste, zu wagen
- das Medium, das Herz, für die noch schönere Münz
-
- Vor dem Gartenhaus stehen drei Birken, die heißen
- Schuld und Sühne, ich weiß, welche die Liebste mir ist
s.a.
1980 oder 81, genau weiß ich es nicht mehr, lag mir mein Familienname besonders quer im Magen. Ein kleines Land, ein Name, damals zu groß, schwer für mich. Durch einen fremdmachenden Künstlernamen wollte ich diesem Druck entkommen und wählte ihn sorgfältig aus - Anderson - ein Dichter, den ich bewunderte und ein Wortspiel, dass mir gefiel. Im Nachhinein Schwachsinn. Damals ein Schritt. Auf einem Plakat, dem zur Aufführung "Jutta oder die Kinder von Damutz" von Helmut Bez, ist dann diese unwirkliche Person notiert, Johanna Anderson.
Es hat, natürlich, nichts genutzt, das Land war zu klein, jeder kannte jeden, mein Vater war tief gekränkt, sein guter Name abgewiesen, verworfen.
Und als Anderson aufflog, endlich, schrecklich, explosiv, fühlte ich eine ganz persönliche Verletzung, obwohl ich den Mann, abgesehen von einem kurzen, mich beeindruckenden Treffen, persönlich überhaupt nicht gekannt hatte. Nichts Wichtiges im Vergleich zu dem, was er Vertrauten, Freunden angetan hat, nichts. In was für einem häßlichen Land bin ich aufgewachsen. Mir ist übel.
Ein armer, egomanischer, überfordeter, böser Kerl.
ANDERSON
ein Film von Annekatrin Hendel
SYNOPSIS DES VERLEIHS
Der Schriftsteller Sascha Anderson, in den 1980ern
Fixstern und Popstar des kreativen DDR-Undergrounds,
wird 1991 als Stasizuträger ersten Ranges
enttarnt. Ein Skandal. Vom Nachnamen blieb
nur noch das "A", und nicht wenige ergänzten:
"rschlosch".
Der Film erzählt vom wildbewegten Doppelleben
des Sascha Anderson zwischen Dissidententum
und Verrat – und was es bedeutet, mit Lüge, Vertrauensmissbrauch
und dem nicht abwaschbaren
Stempel des Verräters zu leben. Annekatrin Hendel
hat die, die nicht mehr miteinander reden, zum
Reden bewegt und sie virtuell wieder an den Tisch
gesetzt, an den Anderson seit fast 25 Jahren nicht
mehr eingeladen wird. Noch immer ist kein Gras
über die Sache gewachsen.
DER FILM
http://www.ardmediathek.de/tv/Reportage-Dokumentation/Dokumentarfilm-im-Ersten-Anderson/Das-Erste/Video?documentId=31199352&bcastId=799280
1
alle dinge liegen klar in meinem herzen das modell
der schwarze vogel februar tanzt auf den wochen & ich
habe angst dass er eines tages im august alles zurück
dreht um es wieder september zu nennen
alle dinge liegen klar in meinem herzen denn die
gelegenheitsstunde an der weissen parkuhr unschuld
hat zwei zeiger die jedes lied sechzig mal teilen & das
ist auch das alibi für das ende der zeit
alle dinge liegen klar in meinem herzen nichts wird
vergessen werden denn der punkt am ende ist nach
zwei der menschlichen seiten offen & nur auf den
pfauenaugen taut der schnee zum mittag restlos
alle dinge liegen klar in meinem herzen so dass mir
nichts bleibt als an den abenden wenn ich der graue
spiegel über dem wortefluss bin jenes schwarze recht
eck nacht auf die namen und reime zu legen
alle dinge liegen klar in meinem herzen zeugen wird
es nicht geben mutter sag dass der krieg eine er
findung ist & alles wurde nur erfunden um in den spiel
höllen die väterlichen taschen zu wechseln
alle dinge liegen klar in meinem herzen das modell
der weisse vogel november tanzt auf den wochen & ich
habe angst dass er eines tages im februar alles zurück
dreht um es wieder frühling zu nennen
2
So wurde von keiner Berührung gestörtes in
zweierlei Hinsicht
Eins und das Selbe Betrachtend das Kind (die Ältern)
mit griechischem Auge Was bleibt ihm denn praktisch übrig
Das Haus ist zwar Turm und Echo kaum einer Hand voll Erde
"Deutschland aber wo liegt es" Dort auf dem Berg den sie gruben
In diese taubstumme Form des Himmels an Ilm oder Pegnitz
sascha anderson